Aus dem Lot geraten

Es ist mal wieder soweit. Die Balance stimmt nicht mehr. Woran ich das merke? Zuerst einmal an der Tatsache, dass sich die unerledigten Aufgaben – oder die Pendenzen, wie wir Schweizer diese zu nennen pflegen – auf meinem Bürotisch stapeln. Ein zweites Indiz ist meine Lautstärke. Je lauter ich werde, umso deutlicher ist, dass ich gestresst bin. Zurzeit bin ich sehr laut. Nun gut, ich wäre sehr laut, wenn meine Stimme mitmachen würde. Macht sie aber nicht und deshalb versagt sie bei jeder zweiten Schimpftirade. Was mich zu einem weiteren untrüglichen Zeichen führt: Meine Gesundheit ist mal wieder angeschlagen. Nein, krank bin ich nicht. Aber gestern ein Kratzen im Hals, heute ein schmerzendes Knie und morgen ein kleines bisschen Kopfweh sprechen eine deutliche Sprache.

Hatte ich mir bis gestern Abend noch einreden können, es sei alles gar nicht so schlimm, habe ich mir heute Nachmittag den ultimativen Beweis geliefert, dass da wiedermal austariert werden muss. Es war halb fünf, das Au-Pair hatte Pause, Luise musste ins Ballett gefahren werden, ich wäre theoretisch im Büro am Arbeiten gewesen und von „Meinem“, der die Situation hätte retten sollen, fehlte jede Spur. Wäre alles im Lot, so hätte ich ihn angerufen und ihn freundlich gefragt, wann er denn heute heimkomme. Aber weil nichts im Lot ist, klang das dann etwa so: „Wo zum Donnerwetter steckst du? Hast du denn vergessen, dass Luise ins Ballett muss? Jetzt sitze ich wieder in der Tinte, bloss weil du mir nicht gesagt hast, dass du eine Besprechung hast…“ Das alles in einer Lautstärke, dass die Kinder in Deckung gingen und der Gesprächspartner von „Meinem“ wohl auch.

Nachdem ich das Telefon wütend in die Ecke geknallt hatte, war mir klar: Es muss geredet werden. Die neuen Stundenpläne, der neue Arbeitsort, die Zusatzaufgaben und so weiter haben alles auf den Kopf gestellt. Lebten wir vor den Sommerferien die beinahe perfekte Balance von Familie, Arbeit, Lernen  und Haushalt, habe ich im Moment das Gefühl, als seien wir blutige Anfänger im Jonglieren der verschiedenen Aufgaben. Und weil „Meiner“ und ich immer eine gewisse Zeit brauchen, bis wir merken, wo der Hund begraben liegt, ist es einmal mehr dazu gekommen, dass ich die völlig unausgeglichene Mama-Hausfrau-Vereinsaktuarin-Ehefrau-Bloggerin-Möchtegernmehrautorin bin. Meine Traumrolle, die mir aber so unausgeglichen gar nicht passt. Und „Meinem“ und den Kindern wohl auch nicht, obschon ich aus Angst vor der Antwort gar nicht erst fragen mag.

Also gibt’s nur eins: „Meiner“ und ich müssen mal wieder reden. Vielleicht auch zweimal oder dreimal. Vielleicht auch öfter, so lange, bis die Balance wieder stimmt und „Meiner“ nicht mehr davor zittern muss, einen Anruf von mir entgegenzunehmen.

8 Gedanken zu “Aus dem Lot geraten

  1. Oh ja, hier auch Chaos momentan. Göttergatte mit neuer Stelle (toll zwar, aber noch alles im Aufbau-> mehr Arbeit als vorher), ich arbeite neu auch 40%, die Kinder lieben ihre TaMu zwar, müssen sich aber auch erst an meine Abwesenheit gewöhnen, ich will natürlich ALLES SOFORT super machen, können, organisieren und hätte dann auch noch das Bedürfnis nach ein wenig Zeit nur für mich 😉

    Der Mann und die Kinder bekommen meine Unzfriedenheit ab, dadurch sind die Kinder (und der Mann, aber der ist ja gerade nicht so oft zu Hause 😉 ) auch unzufrieden usw. Der Teufelskreis ist ja bekannt…

    Reden wäre dringen nötig.

  2. Danke, gleichfalls. Es scheint, wir sitzen da im gleichen Boot. Bloss dass bei euch noch ein sehr kleines Menschlein dazukommt, das euch ganz bestimmt auch gehörig auf Trab hält.

  3. Habe mich nach einer Weile mal wieder durch deine Texte durchgelesen und mich hier genau wiedergefunden: Ich bin auch gerade ziemlich laut und mein Allerbester arbeitet ebenfalls an einer neuen Schule mit allen dazugehörenden Extra-Besprechungen und dergleichen… und wir sollten auch mal wieder reden, und das werden wir jetzt tun.
    Wünsche euch genügend Zeit dazu und dir ein paar entspannte Augenblicke für dich.

  4. Das Au-Pair hat mir bestätigt, dass es bei euch manchmal noch lauter zugehe als bei uns. 😉 Was ich gar nicht glauben kann.
    Auf das Asylangebot werde ich wohl verzichten müssen. Ich weiss nicht, wie glücklich unser Au-Pair wäre, wenn sie plötzlich den ganzen Laden alleine schmeissen müsste… 😉
    Liebe Grüsse & merci für die Bücher!

  5. Dir geht es nicht alleine so….der „Frust“ überkommt, glaube ich, fast jede Familienmanagerin mehr oder weniger im Laufe ihrer Karriere mehrmals. Frag´mal dein Au Pair wie laut es bei uns ab und an zu ging……:-)) Sobald es einem auffällt und man spricht darüber ist der erste Schritt der Besserung getan – Falls du ein paar Tage Erholung brauchst gewähren wir dir gerne Asyl. Ganz liebe Grüße und viel Zuversicht !!

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