Jetzt mal ganz ehrlich 

Findet ihr mich humorlos? So langsam weiss ich nämlich nicht mehr, was ich von mir selber denken soll. Immer, wenn ein Buch oder ein Film als besonders witzig gerühmt wird, freue ich mich wie ein Kind darauf und dann, wenn ich das Buch lese oder mir den Film anschaue – etwa zehn Jahre, nachdem er im Kino zu sehen war -, warte ich verzweifelt auf die erste Gelegenheit zum Lachen. Und sie kommt nicht. Nehmen wir zum Beispiel den Film „Little Miss Sunshine“. Jeder hat mir vorgeschwärmt, wie lustig der Film sei, wie charmant, wie leichtfüssig und wie all die doofen Beschreibungen sonst so lauten. Und dann sass ich da und fand den Film zum Heulen.

Das Gleiche ist mir jetzt wieder passiert bei dem Buch „A Short History of Tractors in Ukrainian“ von Marina Lewycka. Das Buch hat mir „Meiner“ zu Weihnachten geschenkt und ich habe die Noro-bedingte Pause damit verbracht, es zu lesen. Man verstehe mich nicht falsch: Das Buch hat mir gefallen. Sehr sogar. Ich habe es geradezu verschlungen. Aber was, bitte sehr, ist „uproariously funny“ an der Geschichte eines beinahe senilen Immigranten, der von einer geldgierigen jungen Frau ausgenommen und misshandelt wird? Was ist „hilarious“ daran, wenn man dazwischen die tragischen Erlebnisse der ukrainischen Bevölkerung in der Folge der Russischen Revolution erzählt bekommt? Mir fallen einige Adjektive ein, mit welchen ich das Buch rühmen könnte, doch „uproariously funny“ und „hilarious“ gehören nicht gerade dazu. Auch wenn die eine oder andere Szene durchaus tragisch-komisch ist. Aber mit tragisch-komisch bringt man mich einfach nicht zum Lachen.

Bin ich denn der einzige Mensch auf Erden, der hin und wieder mal unbeschwert lachen möchte und zwar nicht über Schenkelklopfer-Witze und alberne Szenen? Muss Humor entweder seicht oder tragisch-komisch sein? Ich will Humor, der mir vor lauter Lachen die Tränen in die Augen treibt und nicht vor lauter Weinen. Ich will Satire, die ins Schwarze trifft und nicht dieses plumpe Zeugs, das mir bei „Giacobbo / Müller“ unter dem Namen Satire angedreht  wird. Sind meine Vorstellungen von Humor und Satire altmodisch? Oder ist das, was gemeinhin unter diesem Label verkauft wird, blosser Etikettenschwindel?

Oder bin ich tatsächlich ein humorloser Mensch?

Satire?

Die Frau am Telefon versteht die Welt nicht mehr. „Fünfundneunzig Prozent unserer Leser finden, der ‚Nebelspalter‘ sei heute viel lustiger als früher. Und jetzt kommen Sie und sagen, Ihnen hätte unser Blatt früher viel besser gefallen. Dabei können Sie noch gar nicht so alt sein.“ Es habe eben nicht jeder den gleichen Sinn für Humor, tröste ich sie und verzichte auf ein Abo.

Wie sollte ich auch ein Heft abonnieren, das mir bei vier Probenummern gerade  zwei mal ein müdes Lächeln entlockt hat? Einige der Witze erzählte mein Vater schon vor dreissig Jahren. Nur dass die Bundesräte in seinen Witzen noch nicht Maurer und Leuenberger, sondern Furgler und Minger hiessen.

Und überhaupt: Wenn ich Satire will, bin ich mit der Tageszeitung bereits bestens bedient. Sogar Promis hätten auf das Präparat geschworen, wundert sich ein Journalist in einem Artikel über ein dubioses Heilmittel. Ja, da kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sogar Promis, die sich doch allesamt durch Intelligenz und überlegtes Handeln hervortun, sind nicht davor gefeit, einem Scharlatan auf den Leim zu kriechen. Wenn schon unsere „Elite“ so naiv ist, wie steht es dann erst um uns Normalsterbliche?

Oder kann man die folgende Forderung wirklich ernst nehmen: Die Glückskette soll eine Spendenaktion durchführen, um die gebeutelte Industrie zu unterstützen? Wir Schweizer sollten uns solidarisch zeigen mit der Exportindustrie, findet Nationalrat Otto Ineichen. Ach, was sind wir doch für Egoisten! Wir verschleudern unsere Spendengelder für Tsunamiopfer, Erdbebengeschädigte und Menschen, die bei einer Überschwemmung solche Lappalien wie ihr Häuschen verloren haben. Und wenn dann mal einer wirklich Not leidet, haben wir keinen roten Rappen mehr übrig. Ein bisschen freigiebiger dürften wir schon sein.  Insbesondere da es der Industrie nie und nimmer in den Sinn käme, uns in unserem Elend sitzen zu lassen, sollte es uns einmal nicht so gut gehen.

Solange die Zeitungen voll sind mit solchen Meldungen braucht kein Mensch ein Satiremagazin. Und sollte die Tageszeitung für einmal nichts zum Lachen bieten, habe ich zum Glück noch den Zoowärter. Der fordert mich mit dem  ganzen Ernst eines Zweijährigen dazu auf, endlich meinen Federschmuck zu holen, um diese lästige Fliege zu beseitigen. Wahrscheinlich hat der Zoowärter den „Nebelspalter“ gelesen, der auch zwei Monate nach Steinbrücks Attacken über nichts anderes witzeln kann als über Indianer und Kavalleristen. Deshalb glaubt der Zoowärter jetzt, jeder Schweizer habe einen Federschmuck. Oder er hat einfach noch nicht begriffen, dass das Ding, mit dem man die Fliegen totschlägt, Fliegenklatsche heisst.