Die hohe Kunst der Menüplanung

Karlsson reicht es nicht mehr, mal spontan einen Blick in den Kühlschrank zu werfen und etwas zu kochen, wonach ihm gerade ist. Nein, jetzt wo er in Küchenangelegenheiten etwas erfahrener ist, fühlt er sich reif, die hohe Kunst des Menüplans zu erlernen. Wobei ihm natürlich bis anhin nicht bewusst war, dass es sich hierbei um eine hohe Kunst handelt. In seinen Augen sieht es offenbar nach einem puren Vergnügen aus, wenn ich mich einmal wöchentlich an den Esstisch setze, um Kochbücher, Apps und Websites nach Menüvorschlägen zu durchforsten.

Also tat er es mir gleich, setzte sich mit Papier, Stift und einem Stapel von Kochbüchern an den Tisch und fing an zu planen. Was ihm dabei nicht bewusst war: Die Gerichte, die es auf unseren Menüplan schaffen wollen, müssen

a) köstlich
b) bei möglichst vielen Familienmitgliedern beliebt
c) bezüglich Schärfe, Süsse, Würze – oder was auch immer – wandelbar
d) saisonal und auch sonst möglichst umweltverträglich
e) budgetfreundlich
f) ausgewogen und gesund
g) bezüglich Zubereitungsaufwand abgestimmt auf das jeweilige Tagesprogramm
h) vorwiegend vegetarisch oder ohne grossen Aufwand in ein vegetarisches Gericht umwandelbar
i) so hausgemacht wie nur immer möglich

sein und ausserdem

j) während sieben Tagen einen guten Mix aus bislang Unbekanntem, Altbewährtem, Internationalem und Einheimischem bieten. 

Zum Glück hat Karlsson mir seinen Menüplan vorgelegt, ehe wir einkaufen gingen. Jetzt weiss er all das.

Und er weiss auch, dass seine vegetarische Mama – die für ihn schon voller Liebe und Abscheu Leber durch den Fleischwolf gedreht hat – es ganz und gar nicht schätzt, wenn ihr Sohn es versäumt, für die Tage, an denen es Luzerner Chügelipastete, hausgemachte Hamburger oder Zürcher Geschnetzeltes geben soll, eine vegetarische Variante einzuplanen. 

ljus

 

 

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Fastenfragen

Da wir die Zügel in Sachen gesunder Ernährung in letzter Zeit etwas haben schleifen lassen, habe ich die beginnende Fastenzeit für pädagogische Zwecke missbraucht und für die kommenden Wochen ein generelles Süssigkeiten-, Dessert-  und Colaverbot verhängt. Seither werde ich mit sonderbaren Fragen konfrontiert:

„Dürfen wir jetzt bis Ostern nur noch Wasser trinken?“

(Natürlich. Es gibt auf diesem Planeten ja nur zwei Getränke: Wasser und Cola.)

„Muss ich auch im Skilager aufs Dessert verzichten?“

(Aber klar doch! Ich werde deine Mitschüler dafür bezahlen, dir ganz genau auf die Finger zu schauen und mir jeden Regelverstoss umgehend zu melden. Für jeden Bissen Dessert wird die Fastenzeit um eine Woche verlängert. Aber nur für dich. Wir anderen essen dann wieder Kuchen.)

„Sind Früchte noch erlaubt? Die enthalten doch auch Zucker…“

(Früchte? Lasst um Himmels Willen die Finger von diesem Zuckerzeugs! Immer, nicht bloss in der Fastenzeit!)

„Aber Luise bekommt trotzdem eine Geburtstagstorte?“

(Warum denn? Luise kann ja nächstes Jahr wieder feiern. Vorausgesetzt, ihr Geburtstag fällt nicht wieder in die Fastenzeit.)

„Warum hast du Lasagne mit Fleisch gekocht? Das ist ist doch jetzt nicht mehr erlaubt.“

(Ihr glaubt also, die Vegetarierin, die euch noch nie dazu gezwungen hat, es ihr gleich zu tun, würde euch jetzt plötzlich dazu verdonnern, Pilzlasagne zu essen? Vergesst es! Dieses Gemotze würde ich nicht aushalten.)

„Müsstest du nicht auch auf Kaffee verzichten?“

(Liebe Kinderlein, ihr möchtet doch nicht im Ernst riskieren, dass eure ohnehin schon launenhafte Mama gänzlich auf Koffeinentzug kommt? Das Colaverbot ist mir Herausforderung genug.)

Himmel, die glauben allen Ernstes, mir sei der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen. Dabei will ich doch bloss, dass wir uns wieder mit etwas mehr Verstand ernähren.

Wo bleibt bloss mein Verständnis?

Neulich unterhielt ich mich mit jemandem darüber, wie schwer wir uns damit tun, zu verstehen, was einen Menschen dazu treibt, sich vegan zu ernähren. „Ich meine, ein Leben so ganz ohne Käse und Eier, das kann ich mir schlicht nicht vorstellen“, sagte ich und plötzlich kam mir das, was ich sagte, ganz bekannt vor. „Ich meine, ein Leben so ganz ohne Steaks und Würste, das kann ich mir schlicht nicht vorstellen…“ Wie oft habe ich diesen Satz gehört, seitdem ich als Zehnjährige dem Fleisch abgeschworen habe? 

Fleisch hatte ich noch nie besonders gerne gegessen, erst recht nicht, als die Schafe, die wir mit der Schoppenflasche aufgepäppelt hatten, auf dem Teller landeten. Als wir mit der Schulklasse den Jägern einen Besuch abstatteten, standen da Eimer voller Blut herum und das gab mir den Rest. Damit begann der Kampf ums Verständnis. „Das machst du nur, um aufzufallen“, behaupteten die einen, „Das ist total ungesund“, die anderen, „Das ist nur eine Phase“, die Dritten. Es war keine Phase und nur um Aufmerksamkeit zu bekommen, zog man sowas in den frühen Achtzigern nicht durch. Da galt man nämlich noch als unglaublich schüchtern, wenn man beim Metzger die Wurstscheibe dankend ablehnte und bekam deshalb gleich zwei. Im Ferienlager wurde man als „schnäderfrässig“ beschimpft, wenn man auf Fleisch verzichtete und es konnte durchaus vorkommen, dass ein sadistisch veranlagter Lagerleiter einen dazu zwang, einen Landjäger runterzuwürgen, weil „gegessen wird, was auf den Tisch kommt“. In der Kochschule war man als Letzte fertig mit dem Essen, weil es überall Speckwürfel oder Schinkenstücke drin hatte, die man mühselig rausklauben musste und später, als die ersten Vegi-Menüs aufkamen, hatte man die Wahl zwischen Tortellini (Ricotta und Spinat) im Alltag und Auberginen-Schnitzel beim Festessen, weil Köche damals noch glaubten, ein Vegetarier brauche etwas Schnitzelförmiges auf dem Teller, damit er am Tisch nicht unangenehm auffällt. (Fragt nicht, auf wie vielen Hochzeiten um die Jahrtausendwende ich Auberginen-Schnitzel gegessen habe. Ich habe sie nicht gezählt. Aber glaubt mir, meine lieben Freunde, ich habe euch inzwischen verziehen.)

In jenen fernen Tagen fragte natürlich noch niemand „Esst ihr alles, oder ist jemand von euch Vegetarier?“ wenn man eingeladen wurde und so kam es öfter mal vor, dass ich mit Todesverachtung und möglichst ohne zu kauen Schinkengipfel oder Chicorée im Schinkenmantel runterwürgte, weil die Gastgeber ausser ein paar welken Salatblättern nichts Fleischloses auf den Tisch gebracht hatten. Der Satz „Tut mir Leid, ich bin Vegetarierin, ich esse lieber nichts“, war in jenen Tagen noch nicht überall salonfähig und hätte eine aufkeimende Freundschaft ernsthaft gefährden können. Aussergewöhnlich rücksichtsvolle Gastgeber dachten natürlich schon damals an die Bedürfnisse der Fleischverächter und kochten deshalb für die Vegetarier etwas mit Poulet. Wie hätte man bei so viel Rücksichtnahme sagen sollen, dass Poulet genau so wenig geht wie Schwein oder Rind?

Besonders schwierig wurde es, als ich Schwiegermama kennen lernte. „Du isst kein Fleisch?“, fragte sie ungläubig. „Na, dann nimm doch wenigstens ein bisschen Salami.“ „Ääääähm, Salami ist auch Fleisch…“ „Dann eben Rohschinken?“ „Auch Fleisch….“ „Aber Aufschnitt isst du doch bestimmt?“ „Leider nein….“ Noch irgendwelche Fragen, warum Schwiegermama und ich uns nicht auf Anhieb bestens verstanden haben? Um des lieben Familienfriedens Willen rang ich mich schweren Herzens dazu durch, wenigstens Poulet zu essen, was so lange halbwegs gut ging, bis mir Schwiegermamas Schwester Hühnerhälse vorsetzte. Von da an war ich wieder strikte Vegetarierin – bis auf die paar Bissen Fisch, die ich hin und wieder aus Vernunftgründen esse, weil Fisch ja bekanntlich klug macht – , auch wenn es Jahre brauchte, bis Schwiegermama sich daran gewöhnen konnte, mir kein Poulet mehr anzubieten und es nicht persönlich zu nehmen, wenn ich ablehnte. 

Inzwischen ist es natürlich längst kein Problem mehr, überall anständiges bis sehr gutes vegetarisches Essen zu bekommen. Die Frage, ob man Vegetarier ist, gehört bei jeder Einladung standardmässig dazu, ebenso wie das Aufatmen, wenn man sagt „Ja, aber nur Vegetarier, nicht vegan. Ich esse eigentlich alles, ausser Fleisch und Fisch.“ Vielleicht füge ich noch an. „Aus Überzeugung und weil ich es nicht mag, aber ich würde nie jemanden dazu zwingen, auf Fleisch zu verzichten. Und ja, für meine Kinder koche ich Fleisch“, weil ich genau weiss, dass diese Fragen folgen werden. Vegetarier sind inzwischen so alltäglich, dass sie schon fast langweilig sind. Heute ist sollte man mindestens vegan sein, vielleicht noch ein wenig laktoseintolerant oder Gluten-unverträglich obendrein.

Und wenn ich diesen letzten Satz so schreibe, schäme ich mich ein wenig, denn wer, wenn nicht ich, sollte Verständnis haben, wenn jemand aus Überzeugung seine Ernährung umstellt, obschon die anderen das irgendwie seltsam finden? 

essere collegato; prettyvenditti.jetzt

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Eine kleine Ausnahme

Fragt mich nicht, warum ich das tue, aber ich tu’s für einmal trotzdem: Ich beantworte ein paar Fragen, die Lego mir vor ein paar Wochen gestellt hat. Vielleicht tue ich es einfach, weil sie in ihrem Blog so nette Dinge über mich geschrieben hat und ich ihr deshalb eine Freude machen will. Das also wollte sie von mir wissen:

1. Was war das peinlichste, dass du je machen musstest?

Hmmmm, ich weiss nicht so recht. Peinlichkeiten verdränge ich immer möglichst schnell. Da war mal etwas mit einem Schuh im obersten Schrankfach. Oder mit einer Windel, die ausgerechnet auf der vollbesetzten Sonnenterrasse eines Bergrestaurants ihren Geist aufgegeben hat. Oder… ach was, ich hab’s tatsächlich verdrängt.

2. Wenn du eine Disney-Prinzessin sein könntest, welche wärst du? Auch die Männer da draussen!

Schneewittchen, vermutlich. Ist die Einzige, die ich auf den ersten Blick erkenne.

3. Wenn du durch die Zeit reisen könntest, in welches Jahr würdest du reisen? Warum?

Fest steht: In die Vergangenheit. Aber wohin genau? Da gibt es so viele historische Ereignisse, die ich gerne miterlebt hätte. Aber ob ich dann auch den richtigen Ort und den richtigen Zeitpunkt treffen würde?

4. Glaubst du, wir sind alleine in diesem Universum?

Na ja, an Ausserirdische glaube ich nicht. An Gott schon. Und dann denke ich, dass es da noch sehr viele Dinge gibt, die unseren menschlichen Verstand übersteigen.

5. Welche Rolle in einem deiner Lieblingsfilmen würdest du gerne mal übernehmen?

Irgend so ein zickiges Biest in einem Kostümschinken.

6. Wenn du dir eine Gabe aussuchen könntest, welche wäre es?

Manchmal wünsche ich mir, ich wäre einer dieser unglaublich netten, geduldigen Menschen, die immer nur freundlich lächeln, wenn man auf ihren Nerven herumtanzt. Aber worüber würde ich dann bloggen?

7. Was war die schlechteste Verfilmung eines Buches, die du jemals gesehen hast?

Momo? Die unendliche Geschichte? Irgend so etwas war es. „Great Expectations“ fand ich auch nicht besonders toll. 

8. Worauf könntest du am ehesten verzichten: deine Augen, deine Ohren oder deine Stimme?

Ich bilde mir ein, die Augen. Aber ich glaube, wenn ich sie nicht hätte, würde ich sie ganz schrecklich vermissen.

9. Wie würde dein Traumhaus aussehen?

Ziemlich gross, ziemlich abgelegen, ziemlich schwedisch. Mit Erker, Schreibstube, Sauna und Garten.

10. Wenn du eine Boy-/Girlgroup gründen müsstest, wie würdest du sie nennen?

Da habe ich jetzt wirklich nicht die leiseste Ahnung.

11. Wie denkst du, wird die Welt in 20, 50, 100 Jahren aussehen?

Die Optimistin in mir hofft noch immer auf bessere Zeiten. Die Pessimistin in mir prophezeit Schlimmes. Und die Mama in mir wünscht sich einfach, dass Kinder und Kindeskinder auch noch eine Zukunft haben.

Ja, und dann müsste ich natürlich auch noch ein paar Blogger auswählen, die mir meine 11 Fragen beantworten. Es ist halt einfach so: Ich will mich niemandem aufdrängen, die Blogs, die mir gefallen, sind in meiner Linkliste aufgeführt, darum mache ich es einfach wie letztes Mal, als man mir Fragen gestellt hat. Ich schreibe hier 11 Fragen hin, wer sie beantworten möchte, darf dies gerne tun, wer sie nicht beantworten möchte, lässt es bleiben. Hier also wären sie, meine 11 Fragen, die mich schon seit vielen Jahren beschäftigen und die ich gerne endlich von jemandem beantwortet bekommen möchte:

1.Wozu in aller Welt hat man die Krawatte erfunden und warum trägt man sie noch immer?

2. Sieht mein Grün gleich aus wie dein Grün? (Wir können uns diese Frage auch mit Violett oder Gelb stellen.)

3. Woher nehmen wir die Arroganz, zu glauben, wir würden anders handeln als andere, wenn wir ihr Leben leben müssten?

4. Was geschähe, wenn es von einem Moment auf den anderen kein Internet mehr gäbe?

5. Warum treten Menschen, die über ein Halbwissen verfügen, oft selbstbewusster auf als Menschen, die eine Sache bis ins Detail erforscht haben?

6. Wie schafft man es, mit Scheuklappen durchs Leben zu gehen und alles Unangenehme auszublenden? (Manchmal möchte ich das wirklich können, diese Antwort würde mich also wirklich interessieren.)

7. Haben Vegetarier das Recht, Veganer nicht zu verstehen? 

8. Warum baut man heute, wo man so viele Hilfsmittel zur Verfügung hat, so viel langweiliger als damals, als man noch alles mit banalsten Maschinen und viel Muskelkraft machen musste?

9. Ist es den Leuten, die lauthals über verlogene Journalisten schimpfen, nicht peinlich, wenn Sie zwei oder drei Sätze später sagen: „Diese Information bleibt jetzt aber bitte unter uns, das dürfen Sie auf gar keinen Fall so schreiben.“?

10. Was soll eigentlich so besonders sein an Trüffeln?

11. Warum schreiben die Leute, die sich aus Facebook abmelden, weil sie ihre Beziehungen mehr im realen Leben pflegen wollen, am Ende ihres letzten Facebook-Posts immer: „Am besten erreicht ihr mich unter dieser E-Mail-Adresse“? Müssten die nicht schreiben: „Am besten habe ich jeweils mittwochs und donnerstags Zeit. Schaut doch einfach mal vorbei.“?

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Veggie-Pride?

Nein, ich esse das Zeug nicht, schon seit ich zehn war nicht mehr. Wirklich nicht, auch keinen Schinken und keine Salami. Tut mir Leid, auch kein Poulet. Habe ich zwischendurch mal, der Schwiegermutter zuliebe, doch dann tischte sie mir Hühnerhälse auf. Ja, ganz selten einmal Fisch, aber nicht viel. Echt, es fehlt mir nicht. Nein, auch das saftige Steak nicht, wenn grilliert wird. Habe noch nie im Leben eines gegessen, wie sollte es mir da fehlen? Früher hätte ich es noch eher gekonnt, aber heute? Nie im Leben.

Aus Überzeugung, ja. Und auch einfach darum, weil ich es nicht mag, noch nie richtig gemocht habe. Vor allem nicht, wenn die Lämmer, denen wir eben noch die Flasche gegeben hatten, auf dem Teller landeten. Ja, für die Familie koche ich Fleisch, aber nicht viel, etwa zwei- bis dreimal die Woche. Ich kann die anderen ja nicht dazu zwingen, es mir gleich zu tun. Nein, das geht schon, ich richte mich einfach nach meiner Nase: Wenn es für mich nicht mehr stinkt, dann ist es gut. Echt, sie sind dann jeweils ganz zufrieden.

Ich weiss nicht, wie oft ich in den vergangenen 28 Jahren die immer gleichen Fragen beantwortet habe und es erstaunt mich, dass sie noch immer gestellt werden, wo doch inzwischen jeder Zweite irgendwie Vegetarier ist, oder es schon versucht hat, oder es gerne wäre, wenn er denn die Willensstärke dazu hätte. Manchmal nerven mich die Fragen. Ganz selten einmal wünsche ich mir, die Auswahl im Restaurant wäre grösser, aber das kommt kaum noch vor. Hin und wieder ärgere ich mich über Leute, die Hühnchen-Lasagne für ein vegetarisches Gericht halten. Dennoch käme es mir nicht im Traum in den Sinn, auf die Strasse zu gehen, um für mehr Akzeptanz für Vegetarier zu demonstrieren. 

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Jellowsubmarine, bring mir den Vorrat!

Der Fisch ist Schuld, da bin ich mir ganz sicher. Nun ja, so ganz sicher vielleicht doch nicht, aber ich will einfach nicht wahrhaben, dass ich mir schon wieder einen Magen-Darm-Käfer zugezogen habe. Also muss eben dieser blöde Fisch, den ich gestern auf Ahnenforschungstour in der Westschweiz zum Mittagessen serviert bekam, als Sündenbock herhalten. Und es gibt durchaus Anzeichen dafür, dass er es war, der diese elenden Bauchkrämpfe ausgelöst hat.

Nur schon die Tatsache, dass man mir die Wahl zwischen Fleisch und Fisch anbot, als ich vegetarisch verlangte, hätte mich misstrauisch stimmen sollen. Aber mit leerem Magen und einem Kopf voller Urahnen auf Französisch zu diskutieren, ob Fisch Fleisch ist oder nicht, war mir dann doch etwas zu dumm und so nahm ich eben den Fisch. Als man ihn mir dann vorsetzte, kaum hatte man den Salatteller vor mich hingeknallt, hätte mir dämmern müssen, dass der Kerl den Kochtopf wohl schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte und die letzten Stunden in irgend einem Warmhaltebehälter verbracht. Aber eben, ich war hungrig und es warteten noch ein paar weitere Urahnen darauf, erforscht zu werden.

Also schlang ich den Fisch mit Todesverachtung herunter, bis zu jenem Bissen, der wohl nicht nur die Pfanne, sondern auch das Meer schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte. Dieser eine Bissen war eben der berühmte Bissen zuviel und so brachte ich aus dem Land meiner Urahnen eine zünftige Magenverstimmung mit, die dazu führte, dass heute „Meiner“ so tun musste als sei er vollkommen fit, damit ich mich ungestört den Nachwehen meines „vegetarischen“ Mittagessens widmen konnte.

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Fleischgelüste

Hätte ich nein sagen sollen? Ich meine, die Chance, dass ich als Vegetarierin die perfekte Pastete mit Sülze und allem drum und dran hinkriege, ist gering. Alleine schon vor der Auswahl des Fleisches graut mir, geschweige denn vor dem Moment, wenn das Zeug aus dem Fleischwolf quillt. Ach ja, und dann muss ich für die Kamine auch noch Alufolie anschaffen, etwas, was in meiner Küche gewöhnlich absolut nichts zu suchen hat. Und wenn das Ding in sich zusammenfällt? Dann stehe ich einmal mehr da wie der letzte Idiot.

Aber wie hätte ich nein sagen sollen, wo es doch ein Geburtstagswunsch ist? Karlsson wird nur einmal zwölf und wer garantiert mir, dass er nicht plötzlich über Nacht zu einem Fast Food – verschlingenden Monstrum mutiert? Wer fordert mich dann noch heraus, zu kochen, was ich nie im Leben essen würde? Vielleicht ist dies die Gelegenheit, um aller Welt zu beweisen, dass auch ich am Bravourstück Fleischpastete scheitere.

Und was die Ekelgefühle angeht: Schlimmer als bei der Leberpastete – ohne Teig und Sülze -, die sich Karlsson in den vergangenen Jahren gewünscht hatte, kann es ja wohl nicht sein. Immerhin ist Geflügelfleisch nicht ganz so eklig anzusehen wie die Leber, die ich an den letzten drei Karlsson-Geburtstagen durch den Fleischwolf drehen musste.

Ich denke, ich nehme die Herausforderung an. Vielleicht aber sollte ich mich allmählich anschicken, Karlssons schlechtes Gewissen zu trainieren. Damit ich ihm dereinst, wenn er mich ins Altersheim abschieben will, sagen kann: „Wie kannst du mir so etwas antun? Wo ich dir doch Jahr für Jahr mit grosser Liebe und viel Ekel die widerlichsten Schweinereien zum Geburtstag serviert habe.“

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Nun übertreibt mal nicht

Diese Woche koche ich Österreichisch. Dazu gibt es keinen bestimmten Grund, ausser vielleicht den, dass ich seit einiger Zeit dem Menüplan unter ein bestimmtes Thema stelle  um mir die mühselige Rezeptsuche zu erleichtern und mir diesmal einfach nichts Besseres eingefallen ist. Zur Abwechslung mal Marillenknödel, Zillertaler Krapfen & Co.  War gar nicht so einfach, diesen Menüplan zu erstellen, man kann ja nicht alle Tage Mehlspeisen essen. Oder Wiener Schnitzel.

Wobei das mit den Schnitzeln eine ziemlich komplizierte Angelegneheit ist. Was mir als Vegetarierin aus der Schweiz als ganz banales Stück Kalbfleisch in Panade erscheint, ist bei unseren Nachbarn offenbar Staatsreligon Nummer zwei. Das merkt man schon bei der Auswahl des Rezepts.  Mache ich das „Echte Wiener Schnitzel“,  das „Original Wiener Schnitzel“ oder „Wiener Schmitzel – das Original“? Jedem Rezept kann ich entnehmen, dass aus der Sache nur etwas werden kann, wenn man die Anweisungen sklavisch befolgt. Offen gestanden sind von blossem Auge kaum Unterschiede erkennbar, aber was weiss ich denn schon?

Eigentlich könnte mir das mit der Perfektion ja egal sein, denn ich habe nicht im Sinn, von dem Zeug auch zu essen. Aber als auf Transparenz bedachter Mensch will ich keinen Etikettenschwindel begehen und den Kindern etwas auftischen, was den Namen nicht verdient. Ausserdem fürchte ich mich davor, dass plötzlich ein Österreicher in meiner Küche steht – keine Ahnung, woher der kommen soll – und mir eins auf die Finger gibt, weil ich mich nicht genauestens an die Vorschriften gehalten habe.  Oh nein, ich bin nicht vollends durchgedreht, nur leicht eingeschüchtert ob all der Kommentare zu den Rezepten: „Die Panade unter gar keinen Umständen andrücken!“, „Ohne Schweineschmalz wird das gar nichts!“, „Ha! Das soll das Originalrezept sein? Und wo bleibt das Öl, mit dem das Ei vermischt wird?“, „Ihr spinnt ja wohl! Das Salz gehört nie direkt aufs Fleisch.“ So ähnlich geht das endlos weiter und am Ende könnte man meinen, ein Wiener Schnitzel könne nur derjenige zubereiten, der a) in Wien zur Welt gekommen ist, der b) seinen Stammbaum lückenlos bis zur ersten Wiener Türkenbelagerung zurückverfolgen kann und der c) eine Oma hat, die ihn vom ersten Atemzug an mit perfekt gebratenen Schnitzeln vollgestopft hat.

Keine Chance also, das ich die Sache richtig hinkriege. Darum habe ich einfach so getan, als würde ich ganz gewöhnliche panierte Schnitzel zubereiten und man sagt mir, sie seien gar nicht so schlecht gewesen. Aber glaubt bloss nicht, ich würde an dieser Stelle verraten, nach welcher Methode ich vorgegangen bin. Sonst wimmelt es hier schon bald von sehr vielen Kommentaren über die alleinseligmachende  Methode, ein Wiener Schnitzel zuzubereiten.

 

Schräg

Der Nicht-Vegetarier schneidet voller Abscheu das Wildschweinfleisch in Stücke und behauptet allen Ernstes, so etwas könne er nicht essen, obschon er dies schon mehrmals mit Genuss getan hat.

Der Vegetarierin rührt mit Leidenschaft im Wildschwein-Gulasch. Allerdings erst, nachdem sie den anfänglichen Ekel überwunden hat.

Die Katze frisst den Käse. Der Kater spielt Klavier.

Das dritte Kind nimmt es schweigend hin, dass Mama und Papa vergessen, ihn zur Geburtstagsparty seinen Freundes zu bringen und als Mama ihn fragt, weshalb er sie denn nicht daran erinnert hätte, meint er „Ich hab‘ ja schon daran gedacht, aber warum hast du mir nicht gesagt, dass du es vergessen hast? Wenn ich gewusst hätte, dass du es vergessen hast, dann hätte ich dich daran erinnert.“

Die Tochter macht sich am Schienbein weh, weshalb sie nicht helfen kann, den Tisch abzuräumen. Dafür aber kann sie mit der Katze durch die Wohnung rasen. Dazu braucht man die Beine ja nicht. 

Der Jüngste will wissen, ob ein Töpfchen das Gleiche sei wie ein Katzenklo. Und ist enttäuscht, als die Mama erklärt, dass es da ziemlich viele Unterschiede gibt.

Der Älteste bügelt Mamas Kleid, Papas Hose und seine eigenen Hemden. Vollkommen freiwillig. Weil es „so schön ist, gebügelte Kleider zu tragen“.

Der Zweitjüngste heult aus Leibeskräften „Nein, ich bin nicht schlecht gelaunt. Ich bin ganz zufrieden!“

Mein Idol würde sagen „Die spinnen, die Vendittis.“

 

(Prager) Erkenntnisse

Ich nehme ja nicht an, dass sich jemand Sorgen gemacht hat, weshalb hier aussergewöhnlich lange nichts Neues zu lesen war, aber falls doch, kann ich hiermit die beruhigende Ankündigung machen, dass wir nicht in Prag verschollen sind. Zwar hatte ich gestern Abend, als wir bei Dauerregen über die deutschen Autobahnen schlichen, zuweilen das Gefühl, die Fahrt würde nie ein Ende nehmen, aber irgendwann, kurz nach Mitternacht und nachdem unser Au Pair schon ganz besorgt angerufen hatte, wo wir denn so lange bleiben würden, kamen wir dann doch wieder wohlbehalten zu Hause an. Wir brachten nicht nur aussergewöhnlich viele Souvenirs mit nach Hause – Prag scheint ganz zu unserem Budget zu passen – sondern auch einige Erkenntnisse, die ich gerne mit euch teile. Hier also wären sie, wild durcheinander übrigens, weil ich noch keine Zeit hatte, sie zu sortieren, etikettieren und schubladisieren:

1. Prag ist und bleibt die schönste Stadt auf diesem Planeten. Okay, ich weiss, das habe ich am Freitag schon geschrieben, aber es stimmt auch heute noch.
2. Ich liebe unsere Kinder. Ja, ich weiss, auch das ist nicht neu, aber nach drei Tagen ohne sie bin ich wieder so begeistert von ihnen wie damals, als ich sie zum ersten Mal im Arm hielt.
3. Weil unsere Kinder und Prag beide so grossartig sind, müssen wir unbedingt ein Treffen zwischen den beiden arrangieren. Und zwar so bald als möglich, denn wir glauben, dass sie perfekt zueinander passen. Das bedeutet, dass wir unseren Traum, mal endlich im Norden Ferien zu machen, wohl noch etwas länger aufschieben werden und uns im nächsten Sommer eher Richtung Osten bewegen werden. Unser Budget wird es uns danken.
4. Wir hätten durchaus auch länger wegbleiben dürfen. Karlsson hat sich gestern in den Schlaf geweint, weil er „nur so kurz“ beim Grossvater bleiben durfte und ich glaube, wenn man es dem Zoowärter angeboten hätte, dann hätte er sich vom Fleck weg von seiner Patentante adoptieren lassen.
5. Prag inspiriert uns. „Meiner“ und ich sind einmal mehr mit tausend neuen Ideen nach Hause gekommen. Und diesmal werden wir sie auch ganz bestimmt umsetzen…
6. Auch wenn sich alle anderen Inspirationen verflüchtigen sollten, diese wird bleiben: Kartoffelsuppe in Brot serviert. Spätestens übermorgen kommt das bei uns auf den Tisch, denn etwas Besseres habe ich noch selten gegessen.
7. Kümmel ist ein ekelhaftes Gewürz. Aber Kümmel in Kartoffelsuppe in Brot schmeckt himmlisch.
8. „Meiner“ und ich können noch immer tagelang miteinander quatschen, philosophieren, lachen, geniessen, lästern und klönen. Einfach wunderbar, dass wir uns nach so vielen Jahren noch immer so viel zu sagen haben.
9. Wenn „Meiner“ und ich ein freies Wochenende haben streiten wir uns – im Gegensatz zu den meisten Paaren – nie. Dazu ist uns die freie Zeit einfach zu kostbar.
10. Wenn „Meiner“ und ich von einem wunderbaren freien Wochenende, an dem wir das Leben zu zweit in vollen Zügen genossen haben, zurück in den Alltag kommen, dann dauert es keine zwei Minuten, ehe wir uns in den Haaren liegen. Und dann kommt es doch tatsächlich vor, dass die zwei, die gestern noch Händchen haltend über den Wenzelsplatz geschlendert sind, einander heute so laut anbrüllen, dass das Au Pair schnell das Weite sucht. Ich glaube, sie hat gerade noch mitgekriegt, wie die eine Hälfte von uns beiden – es war nicht die Männliche – voller Wut einen Dessertteller auf den Fussboden schmetterte.
11. Ich werde es wohl nie fassen können, dass wir heute ohne nur einmal einen Pass zeigen zu müssen, in ein Land reisen können, das vor gar nicht allzu langer Zeit noch völlig unerreichbar gewesen wäre.
12. Ich werde es wohl nie fassen könne, dass es Touristen gibt, die durch die Hauptstadt dieses Landes gehen können, ohne nur einen Moment lang daran zu denken, dass sie vor gar nicht allzu langer Zeit keinen Fuss auf diesen Boden hätten setzen können.
13. Ich werde es wohl noch ganz lange nicht fassen können, dass ich diesmal in Prag keinen einzigen Knödel und schon gar keine panierten Champignons gegessen habe. Nicht, weil ich nicht gewollt hätte, sondern weil ich sie – zumindest in fleischloser Form – auf keiner Speisekarte mehr finden konnte.
14. Dafür werde ich den Genuss, den ich verspürte, als ich zum ersten Mal einen Trdelnik kostete, nicht so bald wieder vergessen.
15. Wenn man sich im Zeitalter von GPS im Grossraum Stuttgart verfährt und deswegen mal kurz in einer Sackgasse Halt macht, um die Karte auf dem iPad zu konsultieren, dann macht man sich damit so verdächtig, dass keine drei Minuten vergehen, ehe die Deutsche Polizei zur Stelle ist, um einen bis in jedes Detail auszufragen.
16. Es gibt viele Menschen, die diese Stadt ebenso lieben wie wir. Einige dieser Menschen haben Bücher geschrieben über diese Liebe. Und eines dieser Bücher ist mir zufällig in die Hände geraten und ich werde es nicht so schnell wieder hergeben.