Je (ne) regrette (rien)

Jetzt sollen wir Mütter also der Welt erzählen, warum wir es bereuen, Mütter geworden zu sein. Anfangs wollte ich mich der Debatte ja verweigern, weil es immer irgendwie schief rauskommt, wenn Blogger halb verdaute und vermutlich auch falsch verstandene Aussagen aus wissenschaftlichen Studien auf ihr eigenes Leben zu übertragen suchen. Doch dann erinnerte ich mich daran, wie ich vor gut sieben Jahren jeweils stundenlang mit leerem Blick am Fenster stand und mich fragte, wie ich auf dieses Karussell geraten war, das sich immer schneller drehte, pausenlos, ohne die Möglichkeit, einmal für ein paar Momente abzusteigen, um dem Schwindel Einhalt zu gebieten. Das Ticket war „non-refundable“, das wusste ich, aber könnte man mich vielleicht in eine etwas komfortablere Karussell-Kategorie wechseln lassen? Oder den Betreiber dazu bringen, das Ding etwas langsamer laufen lassen? Oder mal zwei, drei, vier, fünf Runden ohne mich zu drehen? Oder könnte man den Kerl dazu überreden, mich ans Schaltpult zu lassen, damit ich wenigstens selber bestimmen könnte, wann und wie schnell dieses Karussell drehte? Oder das Karussell auf eine andere Chilbi stellen, eine, auf der es etwas ruhiger und freundlicher zuginge? Oder könnte jemand anders für mich einen Teil der Fahrten übernehmen, damit ich mich anderswo austoben könnte? Und natürlich auch: Würde mir das Karussellfahren je wieder Spass machen?

Solche Fragen quälten mich damals und weil mich damals diese Fragen quälten, stand gestern Nachmittag, als ich mal wieder einen Artikel über die ganze Regrettinmotherhood-Debatte las, eine andere Frage vor mir: „Trifft doch genau auf dein Erleben zu, diese ganze Sache, nicht wahr?“ Dick und fett und aufdringlich stand sie da, diese Frage und sie weigerte sich, mir aus dem Weg zu gehen, so oft ich mich auch anderen Themen zuzuwenden versuchte.  Also versuchte ich, sie mit Scheinantworten zufrieden zu stellen. „Das kann ich nicht beurteilen, ohne die Studie gelesen zu haben“, war eine davon. „Da müsste ich mich erst mal eingehend mit der Sache befassen“, eine andere. „Es gibt schon Dinge, die ich bereue, aber doch nicht so“, eine dritte. Die Frage gab sich damit nicht zufrieden, im Gegenteil, sie wurde noch aufdringlicher: „Vielleicht muss ich deutlicher werden“, sagte sie mit herausforderndem Blick, „Bereust du es, Mutter geworden zu sein? Ja oder Nein?“ 

„Nein“, antwortete ich ohne nur einen Augenblick lang zu zögern. „Und ich habe es auch damals, als sich alles nur noch drehte und ich den Boden unter den Füssen zu verlieren drohte, nie bereut. Ich bereue in diesem Zusammenhang viel, aber nicht, dass ich Mutter geworden bin.“ Um meiner Leserschaft das ganze „antwortete ich“, „fragte sie mit herausforderndem Blick“, „insistierte ich“ Beigemüse zu ersparen, höre ich jetzt auf, dieses Selbstgespräch wiederzugeben und schreibe klipp und klar, was ich bereue:

  • Ich bereue, meine Kinder in einer Gesellschaft geboren zu haben, die keine Kinder mag, die sie als Privatsache ansieht, die man irgendwie selber managen soll, aber bitte schön so, dass man andere dabei nicht stört. (Man könnte auch sagen „Ich bereue, in der Schweiz geblieben zu sein“, aber darf man das sagen, wenn man in einem Land lebt, in dem alles so reibungslos funktioniert? Und weiss man denn, ob es einem anderswo besser ergangen wäre?)
  • Ich bereue, schwanger geworden zu sein, bevor ich beruflich genügend etabliert war, um zu wissen, was ich will und wie ich es will. (Also, eigentlich bereue ich nicht das mit der Schwangerschaft, sondern die ihr vorangehende Naivität, dass es sich irgendwie schon so ergeben würde, wie es uns zusagt.) 
  • Ich bereue, dass „Meiner“ und ich bis heute in einer Rollenteilung festgefahren sind, die unseren Fähigkeiten nicht entspricht und weil das Karussell noch immer unaufhaltsam dreht, ist es gar nicht so einfach, diese Rollenteilung zu durchbrechen, vor allem in finanzieller Hinsicht nicht. 
  • Ich bereue, die Weichen auf „Mutter = Hausfrau“ gestellt zu haben, obschon das nie mein Ding war. 
  • Ich bereue, mich selber nicht besser gekannt zu haben, bevor ich Mutter geworden bin, aber manchmal frage ich mich, ob ich mich selber überhaupt je so intensiv kennen gelernt hätte, wenn ich nicht Mutter geworden wäre.
  • Ich bereue, dass ich jahrelang unbewusst eine „Das macht man halt so“-Haltung an den Tag gelegt habe, anstatt so lange nach unserem Weg zu suchen, bis wir ihn gefunden haben.
  • Ich bereue, auf Menschen gehört zu haben, die in meinem Leben nichts zu melden haben.
  • Ich bereue, mich an Müttern orientiert zu haben, die nicht im geringsten so ticken wie ich.
  • Ich bereue, zu sehr auf das geschaut zu haben, was die Gesellschaft über Mütter denkt, anstatt mich damit zu befassen, wie ich mit dem, was mir in die Wiege gelegt worden ist, authentisch Mutter sein kann. (Okay, ich habe keine Ahnung, ob man das versteht, aber es war mir halt doch wichtig, das noch anzufügen.)

Und ich bereue übrigens auch, nach Kind Nummer fünf zu einem eindeutigen Schlussstrich in Sachen Kinderkriegen eingewilligt zu haben, obschon ich in der Schwangerschaft mit Kind Nummer fünf gewahr wurde, dass das Karussell für meinen Geschmack etwas zu heftig dreht. (Darum habe ich ja auch eingewilligt.) 

Kurz und knapp zusammengefasst: Ich bereue nicht, dass ich Mutter geworden bin, ich bereue, wie ich es geworden bin. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Und wer kann denn schon mit Sicherheit sagen, dass es andersrum nicht nur anders, sondern auch besser gewesen wäre?

prettyvenditti.jetzt

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Komfortabel, nicht?

Versteht mich bitte auf gar keinen Fall falsch, ich will mich wirklich nicht beklagen. Und erst recht will ich nicht behaupten, für mich sei es schwieriger als für andere Mütter. Ich will einzig darauf hinweisen, dass es nicht mal in meiner privilegierten Situation einfach ist, Familie und Job unter einen Hut zu bringen.

Komfortabler als ich kann man es ja wirklich nicht haben: Will ich zur Arbeit gehen, muss ich bloss meinen Laptop auf den Tisch stellen, eine Tasse Tee kochen, den guten alten Johann Sebastian auf Endlosschlaufe setzen und schon kann ich mich meinen Aufgaben widmen. Vierzig Minuten bevor die Kinder nach Hause kommen, setze ich das Mittagessen auf, wenn der Herd ohne meine Anwesenheit auskommt, kann ich mich wieder meiner Arbeit zuwenden, danach essen wir gemeinsam. Wenn es der Stundenplan der Kinder erlaubt, arbeite ich am Nachmittag weiter, ansonsten eben erst am nächsten Morgen. Steht ein Abgabetermin bevor, gibt’s auch mal eine Nachtschicht. Wirklich ideal, nicht wahr?

Na ja, in der Theorie schon. In der Praxis sieht das leider ein wenig komplizierter aus, denn in der Praxis ist auch eine von zu Hause aus arbeitende Mutter zu stetiger Flexibilität gezwungen. Mal machen einem die Schulferien einen Strich durchs sorgfältig geplante Arbeitsprogramm – diesmal dank unterschiedlicher Schulferien im Aargau und in Solothurn ganze vier Wochen lang -, mal ist die Lehrerin krank. Dann wieder liegen meine eigenen Kinder im Bett… Ach, was, ich brauche das nicht weiter auszuführen, die Situationen kennt jede berufstätige Mutter und wahrscheinlich denkt sich manch eine hin und wieder: „Wenn ich bloss von zu Hause aus arbeiten könnte. Dann könnte ich nach meinen Kindern schauen und trotzdem meine Sachen erledigen.“

Und das stimmt ja auch irgendwie. Immerhin fällt das Problem mit dem verärgerten Chef und der Krippe, die keine kranken Kinder nimmt, weg. Aber glaubt mir, das Leben findet immer einen Weg, einer berufstätigen Mutter Steine in den Weg zu legen, auch wenn eine glaubt, sie hätte die ideale Lösung gefunden. Die Steine sehen einfach ein wenig anders aus. Da ist zum Beispiel der grosse Bruder, der den kleinen „zufällig“ in den Gartenteich stösst. Oder das Telefon, das pausenlos klingelt, weil irgendwelche Kinder sich einen kleinen Venditti zum Spielen ausleihen möchten, damit es in den Schulferien nicht so langweilig ist. Oder die „Mama, mir ist soooo langweilig und warum musst du immer arbeiten, wenn wir Ferien haben?“-Diskussion. Oder die fiese Programmänderung, die dazu führt, dass „Meiner“ nicht da ist, wenn er eigentlich für die Kinder zuständig wäre, damit ich wenigstens einmal in diesen Schulferien ungestört arbeiten könnte. Und wenn mal mit Mann und Kindern alles reibungslos läuft, steht bestimmt plötzlich eine entfernte Bekannte vor der Tür, die beim besten Willen nicht begreifen will, dass ich den Computer nicht zum Spielen, sondern zum Arbeiten aufgestartet habe. Warum begreifen gewisse Menschen nicht, dass man nicht automatisch Zeit zum Kaffeetrinken hat, wenn man zu Hause ist und an einem Tisch sitzt?

Wie gesagt, ich will mich nicht beklagen, ich habe wirklich die für mich derzeit ideale Form von Familien- und Berufsleben gefunden. Und doch bin ich zuweilen ziemlich frustriert, wenn ich meine Arbeitsstunden schon wieder in den Feierabend schieben muss, weil ich die einzige in unserem ziemlich lebhaften Familiengefüge bin, die ihren Verpflichtungen zu jeder Tages- und Nachtzeit nachgehen kann. 

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Do it my way or…

Wer mit einer Person das Leben teilt, die im gemeinsamen Haushalt keinen Finger krumm macht, ist für einmal gebeten, nicht weiterzulesen, denn heute muss ich über ein Luxusproblem schreiben. Ja, richtig gelesen, ich muss, denn lasse ich es bleiben, wird „Meiner“ aufs Schlimmste zusammengestaucht, sobald er von seiner Spätschicht im Schulzimmer zurückkehrt. Es ist nämlich so, dass „Meiner“, den ich auch schon aus voller Überzeugung „den perfekten Hausmann“ genannt habe, in Sachen Wäsche voll und ganz unbegabt ist. Er, der nahezu hochbegabt ist, wenn es darum geht, eine verdreckte und unordentliche Wohnung innert kürzester Zeit auf Vordermann zu bringen, lässt jeglichen Eifer vermissen, wenn es darum geht, eine Ladung Wäsche so zu behandeln, wie es ihr zusteht. 

Das fängt schon beim Sortieren an, das bei „Meinem“ schlicht nicht stattfindet. „Völlig unnötig“, findet er und stopft in die Maschine, was ihm gerade in die Finger kommt. Ist das Zeug gewaschen, geht es ab auf den Wäscheständer und zwar so, wie es gerade kommt, zerknittert, ineinander geschlungen, manchmal auch in mehreren Lagen übereinander, Socken und Unterhosen landen gerne mal zusammengeknüllt auf dem Fussboden und ist kein Platz mehr auf dem Ständer, müssen eben der Fussballtisch, der Heizkörper, der Dachbalken oder das Regal mit der sauber gefalteten, trockenen Wäsche herhalten. Selten einmal werden trockene Wäschestücke vom Ständer gezerrt, um Platz für Nasses zu schaffen, gewendet wird aus Prinzip nichts und wenn ich ihm zum hunderttausendsten Mal weismachen will, er solle sich doch endlich mal an meine Regeln halten oder die Finger von der Wäsche lassen, dann grummelt er, ich solle froh sein, dass er überhaupt etwas mache, andere Männer… Bla, bla, bla.

Natürlich bin ich von Herzen dankbar, mit einem Mann das Leben zu teilen, der im Haushalt voll mit anpackt, aber ist es denn so schwer zu begreifen, wie ich mir die Sache mit der Wäsche vorstelle? Nämlich so:

  • Rot gehört zu Rot, Blau zu Blau, Grün zu Grün, etc. Bei den Bergen, die wir täglich zu Waschen haben, ist es wirklich kein Problem, die Maschine mit einem Farbton voll zu bekommen.
  • Vor dem Aufhängen der nassen Wäsche wird alles, was trocken ist, gefaltet und nach Besitzer im Regal eingeordnet. Nach Möglichkeit wird nicht à la Grossmamma Venditti, sondern à la Mama Venditti gefaltet, weil sonst die Beige schief wird, wenn die zwei Faltstile gemischt werden.
  • Was verkehrt herum ist, wird vor dem Aufhängen gewendet, denn gibt es etwas Unangenehmeres, als trockene Wäschestücke vor dem Falten – oder schlimmer noch: vor dem Anziehen – wenden zu müssen?
  • Grundsätzlich wird alles so glatt und ordentlich wie möglich aufgehängt, denn ihr glaubt doch nicht im Ernst, im Hause Venditti werde gebügelt?
  • Neben Einzelsocken wird eine kleine Lücke offen gelassen, denn man kann ja immer noch darauf hoffen, dass in einem der nächsten Waschgänge der verloren geglaubte Partner auftaucht. 
  • Es müssen immer mindestens zwei Wäschestücke auf einer Leine hängen, damit sich keines einsam fühlt. 

Okay, beim letzten Punkt kann ich ein Auge zudrücken, denn da bin ich vielleicht etwas gar pingelig, aber alles andere muss einfach so sein. Nicht, weil ich mich plötzlich zum Perfektionismus bekehrt hätte, sondern weil die Sache so schnell und effizient als möglich abgehakt werden muss, weil es sonst zum Wäschestau kommt. 

Und ihr, die ihr jetzt in Versuchung seid, mir ein paar Erziehungsratschläge für „Meinen“ weiterzugeben, lasst es bitte bleiben. Wie gesagt, „Meiner“ ist nicht mein Kind und ich schreibe das alles wirklich nur, damit ich ihm nicht den Kopf abreisse, wenn er demnächst zur Türe reinkommt. Und natürlich auch, damit die Welt endlich weiss, wie man richtig wäscht…

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Ich will das nicht können müssen

Grundsätzlich bin ich keine  Freundin von klassischen Rollenmustern. Das fing schon in der Ehevorbereitung an, wo  „Meiner“ und ich einander stets fragend anschauten, wenn mal wieder eine Liste mit „typisch er – typisch sie“ gezeigt wurde. Wäre man  nach diesen Listen gegangen, dann wäre in den meisten Fällen er „sie“ und ich „er“ gewesen.  Und so haben wir uns relativ früh dazu entschieden, einfach zu sein,  wer wir sind und uns unseren Alltag so einzurichten, dass jeder das tut, was ihm besser liegt, auch wenn es nicht den Geschlechterklischees entspricht, die man damals in der Ehevorbereitung noch predigte.

Gewöhnlich sind wir damit ganz glücklich, aber hin und wieder überkommt „Meinen“ der Drang, die Dinge auf den Kopf zu stellen, vermutlich um zu verhindern, dass  wir einrosten. Heute Morgen zum Beispiel kam  er auf den irrigen Gedanken, dass ich die  Kinder zum Skikurs fahren könnte, währenddem er sich um den Haushalt kümmert. Mir war sofort klar, dass es in diesem Fall weiser wäre, uns an die klassische  Rollenteilung zu halten und deshalb versuchte ich, meinen Mann davon zu überzeugen, wie viel besser es doch wäre, wenn ich das Frühstücksgeschirr abwaschen, die Wäsche aufhängen und den Fussboden saugen würde. Hätten wir ein Bügeleisen hier, ich hätte ihm sogar vorgeschlagen, dass ich danach noch die Unterwäsche bügle. Ihr seht also, ich war echt verzweifelt.

Aber „Meiner“ blieb hart: „Ich will nicht jeden Morgen der Idiot sein, der in diese elende Kälte hinaus muss und es sind ja nur zehn Minuten Fahrt.“ „Aber ich kenne den Weg nicht“, jammerte ich, worauf „Meiner“ nur meinte, die Kinder wüssten ja, wo es lang ginge und sich dem Abwasch zuwandte. Am liebsten hätte ich laut gebrüllt, dass ich doch eine Frau und deshalb grundsätzlich ungeeignet sei für solche Abenteuer, aber ich wusste ja, dass „Meiner“ so etwas nicht gelten liesse und so schickte ich mich eben grummelnd und schimpfend in das Unvermeidliche.

Aber natürlich stellten sich meine Bedenken als vollkommen berechtigt heraus. Ich kenne ja meine Grenzen. Auf dem Hinweg ging es ja noch, denn da konnten mich die Kinder lotsen. Aber auf dem Rückweg? Na, was wohl? Mein Orientierungssinn liess mich mal wieder im Stich und so fand ich zwar  ganz ungewollt den Weg zu dem Krankenhaus, in welchem Karlsson vor etwas mehr als drei Jahren seinen geplatzten Blinddarm losgeworden ist, ich fand den Laden, in dem ich mir damals Rosinenbrötchen gekauft hatte, weil der Spitalkoch nicht begreifen konnte, dass eine schwangere Vegetarierin mit einer Bratwurst und nichts dazu nicht satt zu bekommen ist. Ich fand auch den Weg zum Bahnhof, hinter welchem irgendwo die Strasse zu unserem Ferienhaus zu finden wäre, aber wie ich die Bahnlinie umgehen sollte, um zu dieser Strasse zu gelangen, das erschloss sich mir bei allem Schimpfen und Klagen nicht. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als den ganzen Weg noch einmal zurückzufahren und irgendwann die richtige Abzweigung zu erwischen.

Als ich nach einer Stunde Irrfahrt endlich dem Ferienhaus nahe war, kam ein besorgter Anruf von „Meinem“. Wo ich denn geblieben sei? Blöde Frage von dem Mann, der seit nunmehr zwanzig Jahren mit mir unterwegs ist. Man sollte doch meinen, er hätte in dieser Zeit so einiges von meinen  Irrfahrten mitbekommen und würde  mich deshalb vor weiteren solchen Situationen bewahren. Gehört doch irgendwie zu einer Ehe, oder? Ich schliesse den armen Mann ja auch nicht mit der Steuererklärung in einem Zimmer ein und mache mich dann aus dem Staub.

 

 

Zurück an den Herd, aber schnell

Wildschweingulasch, Gâteau du Vully, Gelée aus den Scheinquitten, die so lange unbemerkt in unserem Garten wuchsen – sie hat mich wieder, die Kochleidenschaft. Es müssen nicht mal Dinge sein, die ich selber essen will, Hauptsache ich darf in den Töpfen rühren. Dass ich sie jemals verlieren könnte, diese Leidenschaft, das hätte ich nie erwartet. Natürlich, man hatte mich gewarnt, wie man mich vor so vielem warnte, als wir eine Familie gründeten. „Du wirst sehen, wenn die Kinder erst mal grösser sind, dann wird dir das Kochen um Hals raushängen. Immer nur noch Spaghetti, Milchreis und Fischstäbchen. Glaub mir, ich weiss, wovon ich rede.“

Und so kam es dann auch, irgendwie. Obschon die Kinder keine Schuld trifft an der vorübergehenden Misere. Die geben sich nämlich keineswegs zufrieden mit Spaghetti, Milchreis und Fischstäbchen. Oh ja, sie haben auch ihre Momente, in denen sie nicht wollen, was ich serviere, aber grundsätzlich sind sie Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen und weder Exotischem noch Scharfem abgeneigt. Nein, das Problem lag bei mir. Mehr und mehr wurde mir die Kocherei zur lästigen Pflicht, die man eben auch noch irgendwann zwischen aufräumen, einkaufen, Kinder abholen, Büroarbeit und Windeln wechseln erledigen muss. Noch schlimmer war es mit dem Essen. Anstatt zu geniessen war da nur noch der Kampf, auch noch  etwas zwischen die Zähne zu bekommen, irgendwann zwischen dem Aufwischen des verschütteten Apfelsafts und dem Trennen der Streithähne, die mit den Gabeln aufeinander losgingen. Na ja, vielleicht lag’s eben doch auch ein wenig an den Kindern…

Jetzt aber ist die alte Leidenschaft wieder da, auch wenn es bei uns am Tisch noch längst nicht so gesittet zugeht, wie man sich dies als wahrer Geniesser wünschen mag. Ein paar Monate, während denen vorwiegend ein Au Pair am Herd stand, Tage, an denen „Meiner“ das Kochen übernimmt und dies so wunderbar, dass mir nur das Geniessen, nicht aber die Arbeit bleibt, einige Stresstage, an denen mehr als Brot, Käse und Obst nicht drinliegt und schon ist da wieder Raum für neue Ideen und für alte Rezepte, die schon so lange darauf warten, ausprobiert zu werden. Und dann ist da noch dieses Kochbuch, das ich zum Geburtstag bekommen habe mit all diesen köstlichen Herbstrezepten…

Ich will zurück an den Herd und zwar schnell! Aber nur an den Herd, der Rest des Haushalts kann mir weiterhin gestohlen bleiben.

Sinnkrise abgewendet

Unser Planungswerk schreitet munter voran. Legten wir vergangenen Sonntag bloss fest, was wann getan werden muss und wer zu welchem Zeitpunkt überhaupt nichts tun muss/darf, so sind wir heute einen Schritt weiter gegangen: Wir haben zumindest auf dem Papier die ärgsten Stressfallen eliminiert. Jetzt wissen wir also nicht bloss, an welchen Tagen die Kinder bei der Wäsche helfen müssen und wann und bei welchen Lehrerinnen der erste Elternabend der diesjährigen Saison stattfindet, wir haben jetzt auch festgelegt, an welchen Tagen „Meiner“ das Prinzchen in die Krippe bringt und an welchen Abenden das Mittagessen vorgekocht werden muss. Damit ich morgens nicht mehr wie eine Furie mit Kindergarten- und Kleinkind durchs Dorf hetzen muss und sich mittags nicht mehr sieben hungrige und genervte Vendittis gegenseitig die wohlverdiente Pause verderben. Wenn das so weitergeht mit uns – und wenn wir es hinkriegen, die Pläne vom Papier in den Alltag zu übertragen – dann werden wir am Ende noch eine ganz gewöhnliche Grossfamilie, die ohne viel Drama ihren Alltag meistert. 

Eigentlich bin ich ja ganz froh, wenn wir das Chaos zumindest ansatzweise in den Griff kriegen. Und doch kam heute Abend, als ich den Dampfnudelteig für morgen Mittag knetete, eine leise Angst in mir hoch. „Entwickelst du dich jetzt allmählich zu einer jener Hausfrauen, die einmal im Monat drei oder vier Gerichte in riesigen Mengen vorkochen und dann einfrieren, damit sie nicht mehr zu oft in der Küche stehen müssen?“, fragte ich mein müdes Selbst, das sich eigentlich viel lieber mit der Zeitung aufs Sofa verzogen hätte. „Kommt es tatsächlich noch so weit, dass du, die du so gerne kochst und noch lieber isst, deine Familie und dich selber mit dem immer gleichen Futter abspeist, nur damit dein Alltag etwas beschaulicher wird?“ Ich war auf dem besten Weg, mich in eine uferlose Sinnkrise zu stürzen, die wohl darin geendet hätte, dass ich den wahnwitzigen Entschluss gefasst hätte, wieder Vollzeithausfrau zu werden. Zum Glück fiel mir gerade noch rechtzeitig ein, dass hausgemachte Dampfnudeln wohl kaum in die Kategorie der „im Handumdrehen zubereitet“-Rezepte gehören und dass ich somit weiterhin von mir behaupten darf, zwar eine miserable Hausfrau, dafür aber immerhin eine leidenschaftliche Köchin zu sein. 

Zukunftspläne

Die männlichen Vendittis sind ausgeflogen, Luise und Mama geniessen die Zeit zu zweit. Irgendwann kommt man auf Luises Berufswunsch zu reden. Sie will später mal auf der Wöchnerinnenstation arbeiten. Ich erzähle ihr von einer Bekannten, die früher auch dort gearbeitet hat.

„Warum arbeitet sie denn nicht mehr dort?“, will Luise wissen. „Weil sie Kinder hat und auf der Wöchnerinnenstation muss man ja auch nachts arbeiten. Das ist nicht ganz so einfach, wenn man Mutter ist. Darum arbeitet sie jetzt etwas anderes“, erkläre ich. Luise überlegt einen Moment lang, dann meint sie: „Also wenn ich einmal Kinder habe, arbeite ich weiter. Ich bin doch nicht altmodisch.“ „Und was machst du mit den Kindern, wenn du nachts arbeiten musst?“, frage ich. „Dann passt mein Mann auf die Kinder auf“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Gute Idee. Der Papa soll ruhig mit anpacken. Aber was machst du tagsüber? Dann wirst du schlafen müssen und vielleicht ist dein Mann ja dann bei der Arbeit“, gebe ich zu Bedenken. „Dann zwinge ich meinen Mann eben einfach dazu, seinen Beruf aufzugeben und zu Hause zu bleiben“, sagt meine Tochter selbstbewusst und damit ist das Problem soweit für sie gelöst, dass sie sich konkreter Gedanken darüber machen kann, welcher von all den Jungs aus ihrem Bekanntenkreis in Frage kommen könnte als der Mann am Herd, der sich von seiner Frau verbieten lässt, berufstätig zu sein.

Bevor sich nun die Antifeministen auf mich stürzen, muss ich betonen, dass Luise diese Meinung nicht von mir hat. Ich bin und bleibe ja der Überzeugung, dass es der Welt am besten ginge, wenn Frau und Mann miteinander statt gegeneinander arbeiten würden.  Eine Haltung, die den Antifeministen zwar nicht besser gefallen wird als diejenige von Luise, aber welche nur halbwegs vernünftige Frau möchte denn denen gefallen?

Befreiend

Endlich ist es draussen. Schon lange war die Sache im Raum gestanden, aber keiner wollte der Erste sein, der es laut und deutlich ausspricht. Gut, ich hatte hin und wieder eine Bemerkung fallen lassen, aber „Meiner“ hatte stets abgewiegelt. „Nein, so schlimm ist es nicht“, hatte er gesagt. Oder: „Ach komm schon, bei mir wäre es doch auch nicht besser.“ Oder: „Wenn die Kinder dann grösser sind, wird das schon wieder.“ So redeten wir um den heissen Brei herum, aber so richtig wohl war uns beiden nicht. Mir nicht, weil mich das schlechte Gewissen plagte, ihm nicht, weil er zwar sah, dass der gute Wille da war, das Resultat aber dennoch äusserst bescheiden ausfiel.

Gestern endlich nannte er das Kind beim Namen und ich war froh, dass die Sache so offen zur Sprache kam. Ich weiss nicht genau, weshalb wir ausgerechnet gestern die nötige Offenheit aufbringen konnten, um darüber zu reden. Vielleicht lag es daran, dass „Meiner“ in den vergangenen Tagen mal wieder für Ordnung gesorgt hatte. Vielleicht ist es aber auch so, dass „Meiner“ jetzt, wo ich endlich wieder eine feste Anstellung habe und nicht mehr ausschliesslich Hausfrau bin, sich freier fühlt, Dinge anzusprechen, die mich vorher verletzt hätten. Was auch immer der Grund war, ich bin froh, dass er es gesagt hat. „Meine liebe Frau“, sagte er „du hast zwar sehr viele Talente, aber im Haushalten bist du eine Niete.“ Er sagte es nicht vorwurfsvoll, nicht herablassend und schon gar nicht im Zorn. Nein, er sprach einfach das aus, was wir beide schon lange wussten, es aber nicht offen ansprechen konnten, weil wir ohnehin keinen Weg sahen, die Dinge zu ändern.

Ich bin erstaunt, wie viel Druck von mir abgefallen ist durch diese einzige Feststellung. Denn eigentlich ist mir selber ja nicht neu, dass ich die Sache mit dem Haushalt nicht auf die Reihe kriege. Aber solange „Meiner“ noch den Schein aufrecht erhalten hatte, dass alles halb so schlimm sei, hatte ich mich unter Druck gefühlt, zumindest eine halbwegs passable Hausfrau zu sein. Denn wenn ich zwar wusste, dass ich nichts taugte, „Meiner“ aber doch in vielen Dingen auf mich zählte, musste ich mich eben abmühen, zumindest das zu schaffen, was man mir zutraute. Jetzt aber, mit dem befreienden Wissen, dass „Meiner“ in Sachen Haushalt nicht auf mein Können zählt, kann ich aufatmen. Wenn man nichts von mir erwartet, dann fällt es mir viel leichter, das Wenige, das ich auf die Reihe zu kriegen, auch richtig zu machen.

Nach diesem offenen Gespräch fühlte ich mich so erleichtert, dass ich es heute doch tatsächlich nach langer Zeit wieder mal fertig gebracht habe, die Wohnung zu putzen, ohne dabei alle anzuraunzen und wie ein wild gewordenes Wildschwein durch die Wohnung zu stürmen. Und weil ich danach noch so schön in Schwung war, zauberte ich gleich eine halbwegs gelungene Luzerner Chügelipastete, die ich unseren Gästen morgen servieren werde. (Ja, ich habe daran gedacht, dass man die Füllung erst kurz vor dem Servieren einfüllt, also keine Haushaltstipps, wenn ich bitten darf.) Vielleicht werde ich jetzt, wo ich nichts mehr beweisen muss, doch noch zu einer halbwegs passablen Hausfrau.

 

Überfordert

Es ist mal wieder soweit: Der Haushalt wächst mir über den Kopf und zwar in einem solchen Ausmass, dass ich leicht hysterisch werde, wenn ich daran denke, dass irgend jemand all diesen Mist wegräumen sollte. Und dass dieser „irgend jemand“ theoretisch ich sein sollte. Das Schlimme ist nur, dass ich für diese Aufgabe schlicht und einfach nicht tauge. Klar, das gewöhnliche Haushaltschaos von Küche nach dem Essen wieder sauber machen, die frisch gewaschene Wäsche aufhängen und das WC putzen, das kriege ich hin. Problemlos.

Aber wenn die Küche im Chaos versinkt, die Wäsche sich in jeder Ecke des Hauses stapelt, die Betten frisch bezogen werden müssten, die Sommerkleider weggeräumt und die Winterkleider hervorgeholt werden sollten, die Kleiderschränke von zu kleinen Kleidern gesäubert werden müssten und dann auch noch der Bürotisch mit Dingen bedeckt ist, die nicht dahin gehören, dann übersteigt das mein Vermögen. Nun könnte man natürlich einwenden, ich müsste meine Zeit eben fürs Aufräumen einsetzen, anstatt hier immer meinen Käse niederzuschreiben. Was durchaus etwas für sich hat, aber mein Problem liegt tiefer. Ich weiss nämlich schon gar nicht, wo ich anfangen soll, weil ich den Überblick schon längst verloren habe.

Nimmt der Haushalt bei mir Überhand, dann geschieht in mir drin das Gleiche, was bei anderen Leuten geschieht, wenn sie wissen, dass sie ein 20-seitiges Konzept verfassen, die Steuererklärung ausfüllen, einen Bericht abliefern und eine Gebrauchsanweisung schreiben müssen. Sie fühlen sich gelähmt, fragen sich, wie sie dies alles schaffen sollen und wissen nicht, an welchem Ende sie anfangen müssen, weil ihnen das alles gleichviel sagt, nämlich gar nichts. Ja, ich weiss, es ist schwer vorstellbar, dass so banale Dinge wie aufräumen, sortieren und putzen die gleiche Reaktion hervorrufen können, aber so ist es nun mal bei mir: Dinge, die für die meisten Menschen völlig banal und selbstverständlich sind, sind für mich eine riesige Überforderung. Gut, dafür habe ich kein Problem damit, ein Konzept zu verfassen. Aber das hilft mir ja in meinem Alltag auch nicht weiter. Ich könnte zwar das perfekte Konzept abliefern, wie bei uns in Zukunft aufgeräumt werden muss und ich bin mir fast sicher, dass ich selber auch danach leben würde, aber da die meisten Menschen nicht so ticken, würde sich der Rest meiner Familie eine Dreck scheren um das Papier und mein Konzept bliebe ein Papiertiger. Und meine Überforderung wäre gleich gross wie eh und je.

Es gibt also nur einen Ausweg aus der ganzen Misere: „Meinem“ den Kopf voll jammern, wie sehr mich das alles überfordert und hoffen, dass er bereit ist, die Führung zu übernehmen, um uns alle aus dem Chaos zu retten. Wenn er mir dann irgend eine kleine Aufgabe zuteilt,  damit ich den anderen beim Aufräumen nicht im Wege rumstehe, dann stehen die Chancen gut, dass unser Höhle dereinst wieder bewohnbar sein wird.

 

 

Was hat er denn bloss?

Heute habe ich den ganzen Tag geshoppt. Also, geworkshoppt, meine ich. Gemeinsam mit fünf anderen Frauen haben wir geplant, Papiere entworfen, unser Gehirn erstürmt, Konzepte durchgelesen und diskutiert. Wir haben uns mit Leidenschaft in die Arbeit gestürzt, wie man das beim Shoppen, ääähm beim Workshoppen eben tut. Und am Abend wusste  ich mal wieder, wie geschafft man sein kann, wenn man einen Tag lang Planungsarbeit leistet.

Nicht dass ich an gewöhnlichen Tagen nur auf der faulen Haut liegen würde.  Aber hin und wieder – etwa alle fünf Minuten, öfter war’s bestimmt nicht – habe ich mich in den vergangenen Jahren nach ein bisschen entspannender Kopfarbeit im Büro gesehnt. Nach einer endlosen Sitzung mit Erwachsenen, die sich nicht heulend auf dem Fussboden wälzen, wenn ich mal nein sage. Nach einem Arbeitstag, der erfrischt und nicht auslaugt.

Nun, nach dem Marathon von heute weiss ich wieder, dass das alles nicht ganz so entspannend ist, wie das in meiner Erinnerung geblieben war. Den Heimweg  legte ich auf dem Zahnfleisch zurück und ich freute mich darauf, zu verkünden, ich hätte ja den ganzen Samstag gearbeitet, weshalb ich keinen Finger mehr krumm machen müsste. Was aber mitnichten der Fall war, denn aus mir völlig unverständlichen Gründen war „Meiner“ auch ziemlich geschafft. Irgend etwas von „Wie hast du das bloss all die Jahre ausgehalten Vollzeithausfrau zu sein?“, brabbelte er. Und dann noch: „Ich glaube, wenn ich das gemacht hätte, hätten die Kinder jeden Tag einen DVD geschaut.“ Und schliesslich auch noch etwas von „einmal Staub gesaugt, zweimal aufgeräumt und jetzt sieht man nichts mehr davon.“

Ich weiss auch nicht so recht, was „Meiner“ an diesem Samstag so anstrengend fand. Ich meine, er hatte ja bloss drei Kinder  zu betreuen; die Grossen waren in der Jungschar. Nun ja, da waren auch noch die zwei Kinder meiner Schwester, aber das ist doch ein Klacks. Die beiden sind ja so brav.

Das war doch einfach nur ein ganz normaler Hausfrauenfrusttag, was „Meiner“ da erlebt hat. Danach hat man doch keinen Grund zum Jammern, oder?