Der kleine Ordnungsfanatiker

In mir drin – das hatte ich über die Jahre ganz vergessen – steckt ein kleiner Ordnungsfanatiker. Früher, als wir noch keine Kinder hatten, tobte er sich regelmässig fröhlich aus und auch während der ersten Familienjahre führte er diesen Haushalt noch mit harter Hand. Irgendwann aber merkte der kleine Fanatiker, dass ihn ja doch keiner ernst nimmt. Er zog sich schmollend in eine Ecke zurück und grummelte pausenlos vor sich hin: „Keiner liebt mich, keiner achtet meine Arbeit. Ich kündige!“ 

Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass er seine Drohung schon längst wahr gemacht hatte, doch offenbar war er über all die Jahre schmollend in seiner Ecke sitzen geblieben. Und nun, heute früh, als ich nach langer Pause mal wieder alleine sauber machen musste, sah er seine Chance für einen grossen Auftritt gekommen. Mit Feuereifer stürzte er sich auf die Regale im Bad. Er wischte Staub, polierte die Ablageflächen, schmiss Unnötiges weg und dachte sich ein so perfektes System aus, dass am Ende jedes Ding seinen Platz hatte. Wäre mir nicht irgend eine Alltagsverpflichtung in die Quere gekommen, hätte der Kerl mit Sicherheit hübsche laminierte Schildchen gebastelt, um die neue Ordnung auf immer und ewig für alle Familienmitglieder sichtbar festzuschreiben. 

Wer nun denkt, mein kleiner Ordnungsfanatiker habe sich nach dieser Aktion zufrieden und glücklich schlafen gelegt, irrt leider. Abends um neun traf ich ihn laut schluchzend im Bad an. „Sieh nur“, sagte er mit zittriger Stimme und zeigte auf die Kiste, die er heute früh für die Erstversorgung von kleinen Wunden angelegt hatte. „Er hat versprochen, alles wieder richtig hinzulegen“, presste er unter Tränen hervor.

Mit „er“, war offenbar der Zoowärter gemeint. Um seinem verletzten Hamster das Pfötchen zu desinfizieren, hatte der Frevler sich an der Kiste zu schaffen gemacht und als das Pfötchen fertig desinfiziert war, befand sich nur noch die leere Schachtel des Desinfektionsmittels am richtigen Ort. „Und wo war das Fläschchen?“, wollte ich wissen.

„Das Fläschchen?“, kreischte der Ordnungsfanatiker aufgebracht. „Das Fläschchen war auf dem falschen Regal. Oben, bei den Hausmitteln. Wann wird der Zoowärter endlich begreifen, dass es dort nicht hingehört?“

„Krieg dich wieder ein“, versuchte ich den Fanatiker zu beruhigen. „Dein System ist gerade mal ein paar Stunden alt. Da kannst du doch kaum erwarten, dass sich schon alle daran halten.“ 

„Ha! Du glaubst also, die würden das ganz von selbst lernen? Ach, was bist du doch naiv! Was meinst du, warum ich all die Jahre in meiner Ecke geschmollt habe?“, gab er spöttisch zurück. „Wenn man da nicht konsequent drüber wacht, bricht zuck, zuck wieder das Chaos aus.“ Er sah mich drohend an: „Ich sag dir, morgen trommeln wir die ganze Familie zusammen. Die brauchen eine Einführung ins neue System. Und dann machen wir hübsche laminierte Schildchen, mit denen wir alles beschriften – ob es dir nun passt oder nicht.“

Ich fürchte fast, der kleine Ordnungsfanatiker in mir ist zu neuem Leben erwacht…

Tournee

„Meiner“ ist mal wieder auf Tournee. Freitag für Freitag, Samstag für Samstag tritt er an einem anderen Ort in der Schweiz vor die Leute. So häufig, dass er inzwischen ein wenig Mühe hat, den Überblick zu behalten. So kommt es, dass er vor einem Auftritt manchmal leise murmelt: „Okay, heute bin ich zuerst in da, abends dann in dort und morgen in…“ Dies nicht nur, damit er nicht plötzlich am falschen Ort landet, sondern auch, damit er nicht in Basel vors Publikum tritt und ins Mikrofon schreit: „Hello Frauenfeld! I love you!“

Wobei – machen das Männer, die durchs Land ziehen, um vorpubertäre Jungs aufzuklären, überhaupt? Wohl kaum. Wahrscheinlich stelle ich mir das nur so vor, weil ich an diesen Tagen mit Putzlappen, Besen und Sprühflasche durch die Wohnung tigere, die Ohren voller „Mama, darf ich…? Mama, hilfst du mir? Mama, wo ist schon wieder…?“ und – allmählich im Selbstmitleid versinkend –  vor mich hin grummle: „Immer darf er den ganzen Spass haben und ich muss mich mit diesem ganzen Kram abplagen.“

mörotter

Ich weiss ja schliesslich, wie man einkauft…

Zwischen Prinzchen abliefern und Prinzchen wieder abholen habe ich knappe fünfundvierzig Minuten Zeit. Gerade genug also, um schnell in die Migros zu rennen, das Nötigste einzukaufen, nach Hause zu hetzen, um das Zeug in den Kühlschrank zu legen und wieder loszufahren. Entsprechend gestresst bin ich, als es an der Kasse nicht vorwärts geht.

Die ältere Dame, die eigentlich bezahlen sollte, hat vergessen, die Kaki zu wägen. „Himmel, man weiss doch, dass man Kaki wägen muss“, grummle ich innerlich vor mich hin. „Und wenn man es nicht weiss, kann man ja lesen. Steht doch klar und deutlich, ob das Zeug pro Stück oder pro Kilo verkauft wird. Manche Leute sind einfach unfähig, richtig einzukaufen. Mir würde ein solcher Schnitzer ja nicht unterlaufen…“

Nach der älteren Dame kommt ein kleiner Junge dran. Das Geld, das ihm die Mama mitgegeben hat, steckt tief in seiner Hosentasche. Sehr tief. So tief, dass er erst einmal ganz viele andere Dinge hervorkramen muss, um an die Münzen ranzukommen. „Er hätte ja schon früher dran denken können, dass er bald dran ist“, schimpft es in mir drinnen. „Er hätte doch mehr als genug Zeit gehabt, sich um sein Geld zu kümmern, während die Kassierin auf die Kaki warten musste.“ Ja, so ungnädig kann ich über fremde kleine Jungs denken, wenn ich fürchte, mein eigener kleiner Junge müsse zu lange auf mich warten, weil andere nicht einmal einen kleinen Einkauf reibungslos über die Bühne bringen. 

Endlich bin ich an der Reihe. Die wenigen Artikel sind schnell gescannt. Schon will ich das Portemonnaie zücken, als die Kassierin fragt: „Was ist mit dem Blumenkohl? Haben Sie den nicht gewogen?“ 

Wie gut, dass keiner von denen, die hinter mir anstehen, meine Gedanken über die ältere Dame und den kleinen Jungen haben lesen können.

Ich hingegen kann mir ziemlich genau vorstellen, was sie über mich denken…

olive

Etwas geht hier nicht ganz auf

Man könnte so circa alle sechs Monate ins schwedische Möbelhaus rennen, um neue Schälchen, Gläser, Küchenmesser, Teller, und ein paar Löffel zu kaufen, weil in Schubladen und Schränken schon wieder gähnende Leere herrscht. Und wo man schon dabei wäre, könnte man noch ein paar Badetücher in den Einkaufswagen schmeissen, weil auch die schon wieder knapp sind. 

Oder „Meiner“ kann zwei oder drei Tage lang dabei helfen, die Zimmer auszumisten, noch Nützliches vom herumliegenden Abfall zu trennen und Geschirrspüler und Waschmaschine pausenlos laufen lassen. Wenig später platzt der Geschirrschrank aus allen Nähten, die sauberen Badetücher stapeln sich im Regal und im Gläserfach kann man eine bunte Retrospektive sämtlicher Trinkgläserserien, die wir in den vergangenen drei Jahren erstanden haben, bewundern. 

Ganz egal, ob man den einen oder den anderen Weg wählt, am Ende drängt sich die gleiche Schlussfolgerung auf: Unsere Strategie, den Teenagern die alleinige Verantwortung für die Ordnung in ihren Zimmern zu überlassen, ist wohl gescheitert. 

schon wieder mais

Rollenwechsel

„Mal sehen, ob das auch jemand anders kann“, knurrte ich heute schlechtgelaunt, als auf der WC-Rolle nur noch ein kleiner Rest Papier übrig war. Ich tat einfach so, als würde ich nichts davon bemerken und liess die Rolle so, wie sie war. Ja, ich ging sogar noch weiter: Ich stellte nicht mal eine Ersatzrolle auf den Badewannenrand, um meinen Nächsten das Holen des Nachschubs zu erleichtern. Ich führte mich also für einmal so auf, wie meine geliebten Mitbewohner es immer tun. Sollten die doch mal sehen, wie mühsam das ist, wenn keiner sich darum kümmert, die Rolle zu wechseln, wenn sie fast leer ist. 

Als ich etwas später wieder aufs WC musste, sah es – wohl zum allerersten Mal in meiner Mütterkarriere – danach aus, als hätte eines meiner Familienmitglieder endlich begriffen, dass auch jemand anders als ich denn Rollenwechsel beherrscht. Da hatte doch tatsächlich jemand für Nachschub gesorgt und zwar nicht nur auf dem Badewannenrand.

Fast wollte ich in Tränen der Dankbarkeit ausbrechen, aber ehe ich das tun konnte, musste ich etwas zur Hand haben, um mich zu schnäuzen, falls das Augenwasser allzu grosszügig fliessen würde. Also rollte ich ein Stück Papier ab. Oder ich versuchte es zumindest, doch leider ging das nicht, denn der Rollenwechsel meines Vorgängers war bloss ein netter Versuch gewesen, der sich als gescheitert erwies, wenn man am Papier ziehen wollte. Und so durfte ich trotz seiner Umsicht einmal mehr meines heiligen Amtes als einzige fähige WC-Rollen-Wechslerin im Hause Venditti walten und das Ding richtig in den Halter legen.

Ob meine Lieben denken, ich bräuchte meine Rolle als Rollen-Ersetzerin, um täglich daran erinnert zu werden, wie unersetzlich ich bin?

chügeli

Faltenfrei

Früher oder später müssen wohl alle Halbwüchsigen gegen ihr Elternhaus rebellieren, auch diejenigen, die die Auflehnung nicht unbedingt im Blut haben. Sie werden vielleicht einfach einen etwas sanfteren Weg einschlagen. So wie Karlsson, der plötzlich alles bügelt, was sich bügeln lässt. Nein, nicht nur sein Kleidung, auch seine Bettwäsche und manchmal sogar die Badetücher.

Was daran so rebellisch sein soll? Nun, in diesem Haus wird aus Prinzip nicht gebügelt und zwar schon seit vielen Jahren nicht mehr. Bügeln ist reine Zeitverschwendung, finden „Meiner“ und ich, denn kaum hat man die Kleider am Leib, sind sie auch schon wieder zerknittert. Ausserdem müssten wir den lieben langen Tag am Bügelbrett stehen, wollten wir je den Wäscheberg in perfekte, faltenfreie Stapel verwandeln. So lange schon haben wir das Bügeleisen zuhinterst im Schrank verstaut, dass der Zoowärter und das Prinzchen die Arbeit nur vom Hörensagen kennen würden, wenn nicht der grosse Bruder irgendwann damit angefangen hätte. 

Wie immer bei solchen Dingen fing alles ganz harmlos an. Karlsson wollte zu einem Konzert, die Grossmama bot ihm an, sein Hemd zu bügeln und damit war es um ihn geschehen. Erst griff er nur bei speziellen Anlässen zum Bügeleisen, doch mit der Zeit wurde das Bedürfnis nach perfekt geglätteter Kleidung immer grösser. Richtig schlimm wurde es, als ihm die Grossmama ihre Bügelmaschine vermachte. Seither kann er stundenlang am Tisch sitzen, vor sich ein Berg von Leintüchern, Hemden und Hosen. Und wenn er damit fertig ist, fragt er, ob wir vielleicht noch etwas hätten, was wir gebügelt haben möchten.

Das alles ist nicht so harmlos, wie es aussieht, denn man könnte diesen Bügelwahn durchaus auch als stumme Anklage verstehen. „Warum musste ich immer in zerknitterten Kleidern rumlaufen?“, scheint er uns zu fragen. „Seht ihr denn nicht, wie viel schöner ein faltenfreies Leben ist? Habt ihr denn gar kein Pflichtbewusstsein?“

Nun, unser Pflichtbewusstsein in Sachen Wäschepflege mag wohl tatsächlich nicht allzu gross sein. Dafür aber wissen wir, was sich für anständige Eltern gehört, wenn der Sohn rebelliert: Wir machen uns Vorwürfe und fragen uns, was wir anders hätten machen müssen. Ob sich die Exzesse hätten vermeiden lassen, wenn wir der Wäschepflege mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätten? Ob er uns je verzeihen wird, dass wir derart schlechte Vorbilder waren? Ob bei ihm das Bügeln zu einer Besessenheit wird, so dass am Ende auch Waschlappen und Unterhosen faltenfrei sein müssen? Und natürlich auch die bange Frage, ob die jüngeren Geschwister sich von ihrem grossen Bruder beeinflussen lassen, so dass am Ende „Meiner“ und ich die einzigen Zerknitterten unter den vielen Faltenfreien sein werden. 

Wobei uns das ja ohnehin blüht in den nächsten Jahren…

blomma

 

 

Im Achtsamkeit-Stress

Achtsam sollen wir sein, sagen sie. Das Leben mit Bedacht angehen und ganz bewusst im Moment leben. Alle sollen das und ganz besonders wir Eltern, denn wir sind es ja, die der heranwachsenden Generation zeigen, wie leben geht. Von uns lernen die Kleinen, ob man das Dasein als hektischen Wettlauf gegen die Zeiger der Uhr oder als gemütliche Wanderung über Höhen und Tiefen versteht. 

Wir sollen kein ödes Programm abspulen, sondern alles, was uns das Leben bietet, mit offenen Armen und sämtlichen Sinnen in Empfang nehmen. Wir sollen nicht zornig mit dem Putzlappen durch die Wohnung fegen, sondern unsere schmutzigen Fussböden und staubigen Regale mit Liebe und Hingabe pflegen. Wir sollen unserem Nachwuchs keine eilig aufgewärmte Fertigkost vorsetzen, sondern mit Lust zubereitete Mahlzeiten aus Zutaten, die wir zumindest sorgsam auf dem Wochenmarkt ausgewählt haben, wenn sie denn nicht in unserem eigenen Garten unter unserer fürsorglichen Pflege herangewachsen sind. Natürlich berieseln wir unsere Kleinen nicht mit Musik aus der Konserve, sondern singen stundenlang Lieder und ermutigen unseren Nachwuchs dazu, selber zu musizieren. Wir setzen unsere Kinder nicht andauernd vor die Glotze, sondern bieten echte Erlebnisse, draussen in der Natur, beim Kreativsein, beim gemeinsamen Arbeiten.

Selbstverständlich dreht sich in unserem Leben nicht alles um den Nachwuchs, denn wir müssen auch zu uns selber Sorge tragen. Müssen Zeit haben, auf unseren Körper zu hören, ihm Gutes zu tun und ihn zu pflegen. Wir halten immer mal wieder inne, um an Blumen zu riechen, die Schmetterlinge zu beobachten und den kühlenden Wind auf unserer Haut zu spüren. Und natürlich gehen wir regelmässig in uns, um zu spüren, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind, oder ob wir unnötigen Ballast abwerfen müssen.

Wer mich kennt, weiss, dass mir viele von diesen Gedanken nicht fremd sind. Ich will ein Familienleben, in dem gemeinsame Mahlzeiten, echte Erlebnisse und Kreativität eine wichtige Rolle spielen. Will selbst gebackenes Brot auf dem Tisch, hergestellt aus Teig, der Stunden und Tage Zeit hatte, um zu reifen. Will mein eigenes Gemüse und bunte Blumen, die nicht nur uns, sondern auch den Schmetterlingen und Bienen Freude bereiten. Will Zeit haben, um über mein Leben nachzudenken und reflektiert zu handeln. Will lieben Menschen genügend Raum lassen und trotzdem Zeit für mich alleine haben. Will an manchen Tagen sogar ein aufgeräumtes Zuhause haben, weil man sich darin einfach mehr zu Hause fühlt. 

Weil ich das alles will, verlangt plötzlich der Brotteig nach Aufmerksamkeit, während auf dem Herd das liebevoll zubereitete Essen für die gemeinsame Mahlzeit überkocht und draussen im Garten der Salat von den Schnecken gefressen wird, weil ich keine Zeit hatte, die zarten Pflänzchen zu schützen, da ich vollauf damit beschäftigt war, mit „Meinem“ darüber zu reden, wie wir unser Leben ruhiger gestalten könnten, anstatt dafür zu sorgen, dass Haus und Garten nicht im Chaos versinken. 

Und plötzlich stehe ich schimpfend und zeternd inmitten meines wunderbaren, bewussten Lebens und verliere die Nerven, weil diese elende Achtsamkeit, die alle predigen, einem ganz schön viel abverlangt. 

cavatelli

Wir wollten doch Feierabend machen…

Man kennt das ja: Du willst nur kurz ein kleines Möbel aus dem schwedischen Möbelhaus zusammenbauen und wenn das erledigt ist, einen bereits vorhandenen Schrank um ein paar Zentimeter verschieben, um Platz für das Neue zu schaffen und weil du einen Augenblick lang unaufmerksam bist, bricht ein Rädchen ab, was dazu führt, dass du den ganzen Schrank ausräumen musst, denn um zu reparieren, was in die Brüche gegangen ist, muss das Ding auf die Seite gekippt werden und wo du schon ausgeräumt hast, kannst du auch gleich noch alles sauber putzen, bevor du die Dinge wieder einräumst und wenn schon alles neu eingeräumt werden muss, spricht nichts dagegen, die Dinge etwas durchdachter einzurichten, weshalb du nun auch in den anderen Schränken zu räumen anfängst, was natürlich nur geht, wenn du dort zugleich ein wenig sauber machst.

Irgendwann kommt dir in den Sinn, dass heute eigentlich gemütlicher Feierabend angesagt gewesen wäre, aber dafür ist es jetzt ohnehin zu spät. Also kannst du getrost weiter räumen, bis dir die Augen zufallen. 

färg

 

 

Wie haben die das bloss geschafft?

In meiner Kindheit erzählte mir ein Mädchen von einer sechsköpfigen Familie, in der die Kinder im Turnus dazu verdonnert wurden, täglich das Lavabo im Badezimmer zu reinigen. Wir waren beide entsetzt.

Sie, weil sie aus einem tadellos geführten Haushalt stammte, in dem das Lavabo gar nie die Chance hatte, schmutzig zu werden, da die treusorgende Hausfrau bereits mit dem Schwamm angerannt kam, wenn ein Kind sich nur schon dem Waschtrog näherte. Das Mädchen wusste also gar nicht, dass Lavabos dreckig sein können.

Ich, weil ich damals in kindlicher Selbstüberschätzung tatsächlich glaubte, wenn ich beim gemeinsamen samstäglichen Hausputz das Lavabo sauber mache, bleibe es danach eine ganze Woche lang blitzblank. Offenbar war ich ausgesprochen erfolgreich darin, nicht zu bemerken, wie meine Mutter an allen anderen Wochentagen die Spuren beseitigte, die sieben Kinder im einzigen Badezimmer hinterliessen. 

Noch heute versetzt mich jene sechsköpfige Familie in Erstaunen. Ich kann mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, wie um alles in der Welt die es geschafft haben, ihr Lavabo sauber zu halten, wenn sie es bloss einmal am Tag geputzt haben.

img_4952

 

 

Doch noch lieber so als anders

Wenn ich wieder einmal kurz vor Mittag schweissgebadet meinen Wocheneinkauf aufs Förderband lade, hinter mir eine lange Schlange von Arbeitern, die nur mal schnell ihr Sandwich bezahlen wollten und sich nun fragen, warum diese blöde Hausfrau ihren Grosseinkauf ausgerechnet jetzt tätigen muss, weil sie mir ja nicht ansehen können, dass ich auch meinen Job habe…

Wenn ich mir währenddessen den Kopf zermartere, wie ich es in den nächsten 24 Stunden schaffen soll, regelmässig eine warme Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, die Wohnung zu putzen, ungestört zu arbeiten, rechtzeitig zur Sitzung zu kommen, den Wäscheberg zu verkleinern, Luises Medikamente in der Apotheke abzuholen, den Kühlschrank sauber zu machen, zu Karlssons Schulbesuchstag zu gehen und bei all dem noch ein halbwegs freundlicher Mensch zu bleiben,…

wenn ich wenig später schimpfend und zeternd die Einkaufstaschen in den zweiten Stock schleppe, zwischendurch ein paar Essensreste auf den Herd stelle, die Kinder in Empfang nehme und mich frage, weshalb andere Menschen es für nötig halten, Sport zu treiben, wo doch das ganz gewöhnliche Leben sich oftmals anfühlt wie ein endloses Ausdauerprogramm,…

und mir dann noch einfällt, dass ich mir diesen Stress zumindest teilweise hätte ersparen können, wenn ich mir am Morgen nicht in einem Anflug von grenzenlosem Optimismus diese zwanzigminütige Pause gegönnt hätte,…

dann werde ich einen Augenblick lang empfänglich für diese leise Stimme, die mir honigsüss ins Ohr flüstert: „Stell dir vor, wie angenehm dein Leben sein könnte, wenn du nichts weiter zu tun hättest, als dich um Kinder und Haushalt zu kümmern. Wäre das nicht ein traumhaftes Leben? Morgens um acht, wenn das Prinzchen aus dem Haus ist, könntest du in aller Ruhe frühstücken und Zeitung lesen. Dann könntest du darüber nachdenken, was du heute erledigen willst und was getrost noch bis morgen warten kann. Wenn du Lust hättest, könntest du dich mit einer Freundin zum Kaffee treffen, oder für einige Stunden mit einem Buch verschwinden, um kurz vor Mittag vollkommen entspannt wieder zu Hause aufzutauchen, wo du deine Kinder wenig später mit einem liebevoll zubereiteten Mittagessen und einem offenen Ohr in Empfang nehmen würdest. Und stell dir erst mal vor, wie perfekt dein Garten dann nach einiger Zeit aussehen würde…“

So flüstert sie, diese Stimme und einen Moment lang bin ich geneigt, ihr zu glauben. Ich male mir aus, wie entspannt ich in den Tag starten würde, wenn ich nicht schon am frühen Morgen diese endlose Lite der zu erledigenden Dinge im Kopf hätte. Ich stelle mir vor, wie ordentlich es bei uns sein könnte, wenn sich endlich mal jemand richtig um diesen Haushalt kümmern würde. Ich fange an zu phantasieren, was ich alles Gutes kochen und backen könnte, wenn nicht immer alles auf den letzten Drücker geschehen müsste. 

Ein paar solche Tage wären ganz nett, denke ich. Aber auf Dauer? Nein danke! Dass ich nicht geschaffen bin für ein Leben, das sich ausschliesslich um Kind und Haushalt dreht, habe ich mir mehr als einmal bewiesen. Meine Familie kann ein Liedchen davon singen, wie unausstehlich ich dann werde. Noch unausstehlicher, als ich es heute Vormittag war… 

Und darum wird es auch weiterhin Tage geben, an denen ich mich schimpfend und schnaubend durchs Tagesprogramm pflüge, weil ich einfach nicht alles schaffe, was ich schaffen sollte  und ich werde dabei tief in meinem Inneren dennoch zufriedener sein, als ich es wäre, wenn ich irgendwann zu töpfern anfangen müsste, um irgendwie diese vielen kinderfreien Stunden hinter mich zu bringen.