Unterschätze nie eine Fünfzehnjährige!

An alle, die auf Twitter & Co. behaupten, eine Fünfzehnjährige würde nie von sich aus auf die Idee kommen, den Mächtigen der Welt die Leviten zu lesen:

Ich lade euch herzlich dazu ein, bei uns am Tisch zu sitzen, wenn Luise von der Schule nach Hause kommt, damit ihr mal miterleben könnt, welche Gedanken sich junge Frauen heute so machen. Plant am besten genügend Zeit ein, denn wenn Luise mal loslegt, dann dauert das lange. So lange, bis sie den Eindruck hat, es sei ihr gelungen, ihr Gegenüber zu überzeugen. Oder bis sie ansatzweise eine Idee gefunden hat, wie die Welt noch zu retten sei. Oder bis sie ihrem Ärger über die Bornierten, die nicht sehen wollen, dass kein Mensch wertlos ist, soweit Luft gemacht hat, dass ihr Kopf wieder frei ist für andere Dinge.

Egal, zu welcher Diskussion sie sich gerade angestachelt sieht – Umweltschutz, Rassismus, Sexismus, Ausbeutung, Lohnungleichheit -, wenn sie erst mal in Fahrt ist, sprudeln die Argumente nur so aus ihr heraus. Und glaubt mir, das, was sie zu sagen hat, ist durchdacht und ergibt einen Sinn. Klar, wenn sich alles ein wenig gesetzt hat, findet man durchaus Lücken in ihrer Argumentation und natürlich muss man ihr als halbwegs reifer Erwachsener auch mal erklären, die Welt lasse sich nicht ganz so leicht in Gut und Böse einteilen. Doch das ist nicht der Punkt.

Der Punkt ist, dass Fünfzehnjährige sich sehr wohl Gedanken machen über unsere Gesellschaft und unsere Welt. Sie sehen sonnenklar, dass die Generation, die am Steuer sitzt, gerade dabei ist, den Karren gegen die Wand zu fahren. Und sie zerbrechen sich den Kopf darüber, warum wir, die wir doch eigentlich erwachsen wären, das nicht sehen. Natürlich hätte nicht jede den Mut, ihre Sicht der Dinge vor grossem Publikum vorzutragen, aber das heisst nicht, dass die heranwachsende Generation sich keine Gedanken macht.

Also hört auf, darüber zu spekulieren, wer die junge Frau, die am Weltklimagipfel Klartext geredet hat, wohl angestachelt haben könnte. Fragt euch lieber, warum Fünfzehnjährige euch nicht mehr zutrauen, dass ihr schon die richtigen Entscheidungen für unseren Planeten treffen werdet.

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Marktgetümmel

„Ich war noch nie auf einem Weihnachtsmarkt“, stellte Luise neulich mit Erstaunen fest. Und wie immer, wenn ein Teenager mit Erstaunen feststellt, dass er oder sie etwas noch nie getan hat, folgte sogleich die Frage: „Warum war ich eigentlich noch nie auf einem Weihnachtsmarkt?“

Eine kleine Frage nur, in der aber unterschwellig der Vorwurf mitschwingt, den wir Eltern so furchtbar gerne hören: „Während alle anderen sich in der Adventszeit bei frostigen Temperaturen an festlich geschmückten Marktständen, Lebkuchenherzen, heissem Punsch und Drehorgel-Gedudel erfreuen durften, mussten wir uns mit euch in der warmen Stube bei Mailänderli, Kerzenschein und Adventsgeschichten langweilen. Wie konntet ihr uns ein solches Vergnügen bloss vorenthalten? Liebt ihr uns denn überhaupt?“

Ich erklärte Luise, wir liebten unsere Kinder sehr wohl und zwar so sehr, dass es für uns nicht in Frage gekommen wäre, ihnen anzutun, was so viele Eltern sich und ihren armen Kleinen zumuten: Mit Kinderwagen und Kleinkind in der glühweinseligen Menge beinahe erdrückt werden, in der Warteschlange beim Karussell die Geduld und die Nerven verlieren und sich erst dann wieder erschöpft nach Hause schleppen, wenn das Portemonnaie leer ist und jede klebrige Kinderhand ein wertloses Plastikspielzeug oder die Schnur eines überteuerten Luftballons umklammert. Ich erklärte meiner Tochter, dass fürsorgliche Eltern ihren Knöpfen so etwas nach Möglichkeit ersparen.

Luise tat so, als könnte sie meine Erklärung nachvollziehen, fragte dann aber doch mit himmelblauem Augenaufschlag: „Mama, gehen wir mal zusammen auf den Weihnachtsmarkt?“ Weil ich inzwischen keine kleinen Kinder mehr habe, die als Ausrede herhalten können, sah ich keinen triftigen Grund, ihr den Wunsch abzuschlagen und so fuhren wir heute mit dem Zug nach Basel.

Ich könnte jetzt des Langen und Breiten von dem Nachmittag erzählen, den Luise, das Prinzchen und ich hinter uns haben. Ich könnte ein Klagelied anstimmen, in dem kläglich schreiende Babies, widerlicher Weihnachtskitsch, beissend kalter Wind und ein Ellbogen, der mir mit voller Absicht und viel Wut in die Seite gerammt wurde, vorkommen. 

Ich kann mich aber auch ganz kurz und knapp fassen: Nach insgesamt etwa dreissig Minuten in Marktgetümmel meinten Luise und das Prinzchen, sie hätten genug gesehen, wir könnten jetzt nach Hause fahren.

Womit bewiesen wäre, dass Weihnachtsmärkte auch ohne Kinderwagen und Kleinkind eine Zumutung sind.

Frühkindliche Geschmacksverirrung

„Liebe Eltern, tun Sie Ihren Kids einen Gefallen und ziehen Sie ihnen zum ersten Schultag etwas Cooles an. Ich für meinen Teil hoffe, dass alle mein Outfit von damals vergessen haben. Ganz fest.“ Das schrieb die Redaktionsleiterin im Vorwort der Wochenzeitung, die der Grossverteiler meines Vertrauens jeweils am Montag in unseren Briefkasten flattern lässt. Auf dem Bild zum Vorwort ist eine Erstklässlerin zu sehen, die ein Kleidchen trägt, das man vor schätzungsweise 25 Jahren für ziemlich hübsch gehalten haben muss. Schuld an dieser Geschmacksverirrung waren natürlich die Eltern…

Wie gut ich doch diesen Vorwurf kenne. Ich bekomme ihn jedesmal zu hören, wenn Luise Bilder von ihrem ersten Schultag anschaut. Oder überhaupt Bilder aus ihrer Kindheit.

„Wie konntest du mich bloss so hässlich anziehen?“, fragt sie.

„Kind, du glaubst doch nicht im Ernst, du hättest dir von mir sagen lassen, was du anziehen sollst?“, frage ich jeweils zurück.

„Warum hast du mir denn nicht verboten, so aus dem Haus zu gehen?“, will meine Tochter wissen.

„Weil du dir von mir ganz bestimmt nie hättest vorschreiben lassen, was du anziehen sollst. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie stur du diesbezüglich warst“, sage ich und erzähle ihr von dem kleinen Mädchen, das bereits im zarten Altern von zwei Jahren im Kleiderladen in einen Kaufrausch geraten wäre, wenn ihre Mama – die sich lieber in Bücherläden herumtreibt – sie nicht zurückgehalten hätte. Ein Mädchen, das zielstrebig auf die Kleider zusteuerte, die es haben wollte, mochte die Mama noch so sehr für etwas Hübscheres plädieren.

Luise gibt sich nicht geschlagen. „Du hättest mir eben sagen müssen, dass das Zeug potthässlich ist“, beharrt sie.

„Glaub mir, das habe ich…“ sage ich seufzend und verdrehe die Augen, weil ich an den schrecklichen Cinderella-Pullover denke, den Luise trug, bis er voller Löcher war.

„Oder du hättest mir einfach etwas Schöneres in den Schrank hängen müssen. Wenn ich mal Kinder habe, kaufe ich denen nur Sachen, die voll stylish sind“, fährt Luise fort.

„Auch das habe ich getan und zwar genau so lange, bis ich erkannte, dass das nur rausgeschmissenes Geld ist, weil du die Sachen nicht angerührt hast“, verteidige ich mich, aber natürlich lässt meine Tochter nicht locker: „Und dann habt ihr mir dieses schreckliche Dirndl gekauft und mich dazu gezwungen, es zu Grossvaters Siebzigstem anzuziehen.“

Ich mache meine Tochter darauf aufmerksam, dass wir „dieses schreckliche Dirndl“ nur gekauft haben, weil sie nach den Ferien in Österreich wochenlang von nichts anderem mehr reden mochte und dass sie es zu Grossvaters Geburtstag anziehen musste, weil das sündhaft teure Ding sonst nie das Tageslicht gesehen hätte. Ihr Interesse daran war nämlich verflogen, sobald es im Kleiderschrank hing. 

Aber natürlich rede ich mir den Mund fusselig, denn Luise braucht nun mal eine Schuldige, die sie für die in ihren Augen so missratenen Kinderfotos verantwortlich machen kann.

Ich könnte wetten, dass hinter fast jedem „Meine Eltern haben mich so schrecklich angezogen“-Gejammer ganz ähnliche Geschichten stecken…

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Fragealter für Fortgeschrittene

Früher war es ja noch mehr oder weniger einfach. „Mama, warum ist der Himmel blau?“, fragten sie. Oder: „Warum ist Wasser nass?“ Oder: „Warum können Menschen nicht fliegen?“ Klar, die Antworten auf diese Fragen konnte man auch nicht einfach aus dem Ärmel schütteln, aber die Knöpfe gaben sich schnell einmal zufrieden mit dem, was man sagte. Solange es man nicht bei einem gelangweilten „Einfach“ bewenden liess.

Bei Luise läuft das inzwischen so:

„Mama, wie funktioniert…?“

Umgehend beginnst du, in deinem Allgemeinwissen zu kramen, und beförderst irgend etwas zutage, was dir von deiner Gymnasialzeit noch in Erinnerung geblieben ist.

„Ja, Mama, das weiss ich. Aber wie funktioniert das genau?“, kommt die Folgefrage wie aus der Pistole geschossen. 

Noch einmal durchwühlst du den Schatz deines Allgemeinwissens und mit etwas Glück beförderst du die eine oder andere Ergänzung zutage. 

„Ja, Mama, das hast du mir schon einmal gesagt. Aber kannst du mir das nicht etwas genauer erklären? Ich möchte das im Detail verstehen.“

Erst stammelst du noch etwas zusammen, doch der Blick deiner Tochter sagt dir klar und deutlich, dass das nicht reicht und weil du einen wissbegierigen Teenager nicht mit seinen Fragen alleine lassen willst, schaust du nach, ob vielleicht das Internet das Gewünschte bieten kann. Aber auf die Schnelle lässt sich da aber auch nichts Ausführliches finden und so heisst es bald einmal:

„Aber Mama, das weiss ich doch alles schon. Kannst du mir denn wirklich nicht sagen, wie das ganz genau funktioniert?“

Nein, mein liebes Kind, das kann ich leider nicht. Entweder, du findest eine Fachperson, die dir weiterhelfen kann. Oder du machst dich auf die Socken, um so bald als möglich einen Doktortitel in der Tasche zu haben. Denn den wirst du brauchen, wenn du die Dinge so genau wissen willst. 

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Die können das

Wenn ich von Dienstagnachmittag bis Freitagabend aus beruflichen Gründen ausser Hause bin,…

setzt „Meiner“ den Kindern zwar nicht jeden Tag zwei warme Mahlzeiten vor, aber ganz bestimmt genügend Essbares, auch wenn Luise bei einem verzweifelten Anruf kurz vor Mitternacht das Gegenteil behauptet.

sind die Unterlagen für die Steuererklärung, die monatelang unberührt herumlagen, endlich fertig ausgefüllt. Und die Anträge für die italienischen Pässe der Kinder auch.

ist alles für das morgige Jugendfest organisiert, auch wenn längst nicht alle nötigen Infos automatisch den Weg von der Schule nach Hause gefunden haben.

ist das Bett frisch bezogen, die Wäsche weitgehend erledigt, die Wohnung aufgeräumt und der Kühlschrank voll.

geht nicht die kleinste aller Kleinigkeiten vergessen. Nicht einmal das Flohmittel für die Katzen.

ist das Wohnzimmer frisch gestrichen. Leider ohne Rücksprache mit mir. Aber wer will sich schon beklagen, dass man nicht dabei sein durfte, als das ganze Wohnzimmer Kopf stand?

werde ich von einem ausgesprochen gut gelaunten Herrn Gemahl, einer gar nicht besonders ausgehungert wirkenden Tochter und einem kühlen Getränk am Bahnhof empfangen.

frage ich mich einmal mehr, warum das alles ohne mich so viel reibungsloser läuft.

Wie haben wir das bloss überstanden?

Der Zoowärter hat sich vor ein paar Tagen einen Sonnenbrand geholt – und zwar einen richtig heftigen. Dies, obwohl er sich so dick eingecremt hat wie noch nie zuvor. Doch was hilft das schon, wenn er die neue Sonnencreme links liegen lässt und zu der Flasche greift, die eigentlich hätte entsorgt werden müssen?

Ja, ich weiss, bei guten Müttern zu Hause würde so etwas nicht passieren, bei denen stehen keine alten Sonnencremeflaschen rum.

Aber ich war an jenem Tag keine gute Mutter. In mir drinnen wütete nämlich ein fieser Käfer, der für Schädelbrummen, Gliederschmerzen und eine triefende Nase sorgte. Und um mich herum tobte das frühmorgendliche Familienchaos, wie es eben tobt, wenn „Meiner“ schon früh weg muss und ich den Laden alleine schmeisse: Zwei eigene Kinder und ein Gast, die sich für den Sporttag bereit machen müssen. Einer, der ganz und gar keine Lust auf Schule verspürt und deshalb mehrere mütterliche Motivationsspritzen benötigt, ehe er in die Gänge kommt. Eine, die dringend Hilfe mit ein paar Kleinigkeiten braucht. Einer, der sich schnell ein Mittagessen zusammensucht und dabei ein wenig plaudern möchte, bevor er aus dem Haus geht. Dann noch ab und zu jemand, der an der Türe klingelt, um zu fragen, ob diejenigen, die bereit sein müssten, schon bereit sind.

Mir ist klar, dass es durchaus Mütter gibt, die auch an so einem Morgen noch alles im Griff haben, aber ich gehöre offensichtlich nicht zu dieser Sorte.

Und so kam es eben, dass wir ein paar Stunden später einen ziemlich verbrannten Zoowärter in Empfang nehmen mussten. Einen Zoowärter, der in der Folge ziemlich oft nachts wach wurde, weil sich die Schmerzen wieder bemerkbar machten, was mitten in der Nacht noch viel schlimmer war als am Tag. Also waren „Meiner“ und ich alle paar Stunden im Einsatz, um zu salben, zu kühlen, gut zuzureden, Ängste zu verscheuchen und zu trösten. Mal stand „Meiner“ auf, mal ich, mal waren wir beide an seiner Seite.

Drei Nächte lang ging das so…

… und jetzt gehen wir auf dem Zahnfleisch.

Gereizt, mit müdem Blick und wirrem Kopf kämpfen wir uns durch scheinbar endlose Tage und jeder, der uns begegnet, muss sich anhören, wie unglaublich erschöpft wir sind.

Gerade so, als hätten wir so etwas noch nie erlebt.

Als wäre das nicht über Jahre der Normalzustand gewesen.

Als ob wir alten Hasen so etwas nicht mit einem müden Lächeln und einem Schulterzucken wegstecken müssten.

Nein, wir stecken so etwas nicht mehr so locker weg. Wir jammern.

Und fragen uns, wie wir es bloss geschafft haben, jahrelang in diesem Zustand zu existieren und den Karren trotzdem nicht vollends gegen die Wand zu fahren.

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Geschwisterneid

So manch ein jüngstes Kind ist sauer auf seine grösseren Geschwister, weil sie länger aufbleiben dürfen. Andere plagt der Neid, weil die Grossen mehr Taschengeld bekommen. Wieder andere finden es ungerecht, dass sie noch für alles und jedes um Erlaubnis fragen müssen, während die grossen Brüder und Schwestern scheinbar unbegrenzte Freiheit geniessen. Schliesslich gibt es auch solche, die sich daran stören, dass sie viele der Abenteuer, von denen die Grossen erzählen, nicht – bewusst – miterlebt haben.

Auch das Prinzchen hadert zuweilen mit seiner Position als jüngstes Kind, aber dabei plagt ihn eine andere Sorge: „Es stresst mich, wenn Karlsson und Luise andauernd von Quersummen und Flächenberechnungen reden“, sagte er heute beim Abendessen. „Wenn ich ihnen zuhöre, wird mir immer wieder bewusst, wie lange es noch dauert, bis ich das auch endlich lernen darf.“

Und wieder einmal frage ich mich, ob ich auch wirklich die Mutter dieses Kindes bin…

Rosarote Wolke

Immer und immer wieder zieht es mich ans Fenster, weil ich zwischen zwei Sätzen einen Blick auf das rosarote Blütenmeer in unserem Garten werfen muss. Sollten „Meiner“ und ich uns dem Unkraut am Boden widmen, starren wir statt dessen mit verzücktem Blick nach oben, denn vor dem strahlend blauen Himmel sieht das Rosarot noch viel schöner aus. Bald schon hantiert „Meiner“ nicht mehr mit der Gartenschaufel, sondern mit der Kamera, denn die ach so vergängliche Schönheit muss immer wieder eingefangen werden. Fussgänger bleiben stehen, manch einer verwickelt uns in ein Gespräch und sogar Luise, die mit Gartendingen so gar nichts anzufangen weiss, muss gestehen, dass die rosarote Pracht atemberaubend ist. 

Nur eine lässt sich von der Schönheit nicht beeindrucken. Ausgerechnet die ältere Frau, mit der ich so gerne über Gemüseanbau, Blumen und langjährige Ehen plaudere, wenn ich im Garten arbeite, sieht die Dinge diesmal ganz anders als ich. „Der ist ja zu nichts zu gebrauchen“, sagt sie verächtlich. „Und wenn das Zeug verblüht ist, machen die unzähligen Blütenblätter einen Haufen Arbeit.“

Natürlich hat sie vollkommen recht. So ein japanischer Kirschbaum ist wirklich nur reine Zierde und hätte in einem Garten, der sich darum bemüht, möglichst ökologisch zu sein, nichts verloren. Dass ich ab nächster Woche wieder zeternd und schimpfend die verwelkten Blättchen vom Trottoir klauben werde, kann ich jetzt schon mit ziemlicher Sicherheit voraussagen.

Aber Himmel, wie sollte ich mich von dem unnützen Kerl auch trennen können? Die unzähligen Momente des verzückten Staunens, die er mir und vielen anderen jeden April beschert, sind doch Daseinsberechtigung genug. 

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Wenn Luise etwas braucht,…

… dann bekommt sie das früher oder später auch, denn unsere Tochter ist eine Kämpferin. Mit Argumenten, Lösungsvorschlägen und ausgeklügelten Bedarfsanalysen bearbeitet sie uns so lange, bis wir ein Einsehen haben. Und sollten wir uns ausnahmsweise mal ganz unvernünftig bockig zeigen, zieht sie ihr letzte Ass aus dem Ärmel: „Aber ich bin doch eure Lieblingstochter…“ und das lässt sich nun einmal nicht bestreiten. 

Man könnte denken, ein solches Kind würde an seinem Geburtstag mit besonders hohen Ansprüchen aufwarten, doch dem ist absolut nicht so. Erst einmal kann sie sich wochenlang nicht entscheiden, was sie sich überhaupt wünschen soll und schliesslich ringt sie sich dazu durch, überteuerte Schuhe zu wollen, die sie a) selber bestellt und b) teilweise mit ihrem eigenen Ersparten bezahlt. Auf den Tisch kommen Caesar Salad, Risotto und ein paar geschichtete Pfannkuchen, wie sie Kater Findus jeweils zum Geburtstag bekommt und gefeiert werden darf nur im allerengsten Kreis. So bescheiden ist das Ganze, dass man den grossen Tag für einen ganz normalen Mittwoch halten könnte, wenn „Meiner“ und nicht für etwas Deko-Glanz sorgen würden. 

Was auf den ersten Blick als widersprüchlich erscheint, ist eigentlich gar nicht so verwunderlich. „Wo liegt denn der Reiz“, scheint sich unsere willensstarke Tochter zu fragen, „wenn dir jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird und du nicht mal kämpfen musst, um zu bekommen, was du dir wünschst?“

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Nicht nur für Selfies

Selbsternannte Erziehungsexperten mahnen gerne, wir Eltern sollten unseren Teenagern einen gesunden Umgang mit dem Smartphone beibringen. Dass Luises Handy – ohne ihr Zutun – den Geist aufgegeben hat, würden sie bestimmt als ganz besonderen Glücksfall betrachten. Endlich kann sie die wunderbare Erfahrung machen, wie entspannend es ist, nicht erreichbar zu sein. Sie wird gezwungen, von Angesicht zu Angesicht mit ihren Mitmenschen zu kommunizieren, kann sich nicht andauernd auf Instagram und Snapchat rumtreiben und muss mal ein paar Wochen lang ein Leben leben, wie unsere Generation es als normal betrachtet. Ich vermute, man würde uns raten, das Gerät absichtlich nicht allzu schnell zu ersetzen, auf dass unsere Tochter lerne, dass es auch ohne geht.

Doch genau in diesem Punkt irren diejenigen, die bei der Kombination „Teenager & Handy“ immer sogleich den Mahnfinger heben. Ohne Handy geht es nämlich wirklich fast nicht mehr und zwar nicht, weil die Jugend von heute so verkommen und oberflächlich wäre. Sondern weil die Schule schon längst auf das Handy als Arbeitsgerät zählt.

Vokabeln büffeln, Klassenchat, Kommunikation mit Lehrerinnen und Lehrern, Infos zu Hausaufgaben, Organisieren von Musikstunden – wer in schulischen Dingen mithalten will, braucht ab einem gewissen Alter ein Handy. Wer länger offline ist, verpasst unter Umständen ziemlich viel wirklich Wichtiges. An manchen Orten – nicht bei uns – herrscht gar Smartphone-Pflicht ab Oberstufe. 

Zwar bin ich der Meinung, Eltern sollten selber entscheiden dürfen, wann ihr Kind reif für ein Smartphone ist. Ansonsten aber sehe ich durchaus auch Vorteile in dieser Entwicklung. Dank Handy sind die Kinder nämlich in vielen schulischen Angelegenheiten selbständiger als wir es in ihrem Alter waren. Mit zunehmender Reife dämmert ihnen gar, dass das Ding nicht nur Selfies macht. Und wenn sie damit nur lange genug Englisch-Wörtchen gebüffelt haben, sind sie sogar dankbar, wenn sie das Gerät mal wieder aus den Händen legen dürfen. 

Soll mir also keiner sagen, wir sollten Luise ein paar Wochen zappeln lassen, ehe sie einen Ersatz für ihr kaputtes Handy bekommt. Die Schule wäre darob wohl fast ebenso wenig erfreut wie unsere Tochter. Ob wir dazu denn gar nichts mehr zu sagen haben? Nun ja, allzu viel nicht. Und doch ziemlich Entscheidendes: Welches Modell sie am Ende in den Händen hält, hängt einzig und alleine von unserer Grosszügigkeit ab. 

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