Denksport zum Feierabend

Familie V. wohnt in S.

Auf dem Parkplatz von Familie V. steht ein Ersatzfahrzeug mit fünf Sitzplätzen, das nach W. (3 km Entfernung von S.) gebracht werden sollte. Dort ist der Siebenplätzer von Familie V., der heute einen Termin auf dem Strassenverkehrsamt hatte, ab 16 Uhr abholbereit.

Papa V. ist von 13:30 bis 17:00 in B. (7,7 km Entfernung von S.) in einer Weiterbildung. Mama V. soll Papa V. um 13:15 nach B. fahren.

Mama V. muss am Nachmittag 2 Stunden arbeiten. 

Zoowärter V. muss um 16:00 zu Hause sein. Um 16.20 wird er in der Cellostunde erwartet. Da er erst um 16:08 gemütlich die Treppe hochkommt, muss sich Mama V. mit ihrer Moralpredigt über Pünktlichkeit kurz fassen, damit er trotzdem rechtzeitig zur Cellostunde kommt.

Mama V. ist gebeten, um 16 Uhr in W. das Ersatzauto gegen den familieneigenen Siebenplätzer einzutauschen.

Karlsson V. hat um 17:00 in O. (8,6 km Entfernung von S.) einen Auftritt mit der Violine.

Spätestens um 16:30 muss Mama V. mit Grossmama M. losfahren, wenn sie den Auftritt in O. nicht verpassen will. 

Prinzchen V. und seine fünf besten Freunde haben um 16 Uhr eine Akrobatikstunde in L. (6,6 km Entfernung von S.) Alle Kinder sollen in einem Auto Platz finden. Neben Familie V. haben zwei weitere Familien ein Auto mit sieben und mehr Sitzplätzen. Die eine Familie ist zum Zeitpunkt der Tagesplanung nicht erreichbar, von der anderen Familie weiss Mama V. gar nichts, da Prinzchen V. es versäumt hat, ihr zu sagen, dass dieser Junge auch mit von der Partie ist. Mama V. kann die Kinder aber auch nicht fahren, da sie um diese Zeit in O. dem Auftritt ihres Sohnes lauschen wird. Papa V. fährt nach der Weiterbildung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von B. zurück und wird daher auch nicht rechtzeitig da sein, um die Jungs zu chauffieren.

Die Vorspielstunde, bei der Karlsson V. mitmacht, dauert bis 18:30. Mama V. muss danach sofort mit Grossmama M. und Karlsson V. zurück nach S. fahren, damit sie um 19:00 in L. ist, wo die sechs Jungs von der Akrobatikstunde abgeholt und nach Hause gebracht werden wollen. Nach Möglichkeit sollte Mama V. um 19:30 zu Hause sein. 

Papa. V. muss spätestens um 19:45 los, wenn er rechtzeitig in S. (7,8 km Entfernung von S.) sein will, wo er sich mit einem Freund trifft. 

Aufgabe: Plane den Tag so, dass am Ende kein Familienmitglied von dir enttäuscht ist. Da der Siebenplätzer abends wieder unversehrt auf dem Parkplatz von Familie V. stehen soll, bist du gebeten, in jedem Moment einen kühlen Kopf zu bewahren. 

Beachte: Auf allen Strassen rund um S. hat es zahlreiche Baustellen. Ausserdem herrscht ab 16:30 in alle Richtungen dichter Feierabendverkehr. Die Pünktlichkeit darf dadurch nicht beeinträchtig werden.

Lösung: Die sei hier nicht verraten. Es soll ja da draussen Menschen geben, die sich hin und wieder langweilen und darum aus lauter Freude an der Sache gerne mal solche Denksportaufgaben lösen.*

* Okay, einen kleinen Hinweis kann ich ja geben: Es hilft, wenn man am frühen Nachmittag eine der Siebenplätzer-Mütter ans Telefon bekommt und ansonsten praktisch nichts so durchzieht, wie es ursprünglich geplant war. Zu erwarten, dass Mama V. abends noch Nerven hat, wäre aber ganz und gar illusorisch. 

Eine Vorwarnung wäre nett gewesen

Damit das klar ist: Ich bin den Ärztinnen und Ärzten, die sich in den vergangenen 10 Tagen um den Zoowärter gekümmert haben, unendlich dankbar. Selbstverständlich verstehe ich, dass wir oft auf sie warten mussten, weil sie noch so viel anderes zu tun hatten. Dass mein eigener Job dabei zurückstehen musste, steht für mich ausser Frage.

Dennoch dünkt mich, den Halbgöttern in Weiss sei kaum bewusst, dass auch wir, die wir beruflich kein Leben retten, hin und wieder noch anderes zu tun haben, als am Krankenbett unseres Kindes zu sitzen.

Fragst du nach einer Woche, wie lange der Spitalaufenthalt schätzungsweise dauern könnte, du hättest da noch ein paar andere Kinder, die dich brauchen, schaut man dich verwundert an. Noch ein wenig verwunderter ist der Blick, als du erklärst, du hättest am Donnerstag eine Sitzung und wärest deshalb froh, wenn du den Tag ein wenig planen könntest. Als dann endlich der Tag des Austritts gekommen ist, platzt die Ärztin mit einer Nachricht ins Zimmer, die jede berufstätige Mutter – auch eine, die im Home Office arbeitet – ins Schwitzen bringt: Eine volle Woche noch müsse das Kind zu Hause bleiben, das werde in solchen Fällen immer so gehandhabt, das sei doch sonnenklar. Nun, die Ärztin mag wohl eine Expertin bezüglich des Heilungsverfahrens in „solchen Fällen“ sein. Vom Familienalltag hingegen scheint sie keine Ahnung zu haben. Zumindest versetzt sie deine Erklärung, so etwas müsste man Eltern im Voraus mitteilen, weil das stets gewisse organisatorische Herausforderungen mit sich bringe, in grosses Erstaunen.

Ich hoffe sehr, die Gute schreibt sich das hinter die Ohren und informiert die nächsten Eltern etwas früher darüber, dass das Familienleben auch nach Spitalaustritt noch eine Weile lang auf dem Kopf stehen wird.

Wie haben wir das bloss überstanden?

Der Zoowärter hat sich vor ein paar Tagen einen Sonnenbrand geholt – und zwar einen richtig heftigen. Dies, obwohl er sich so dick eingecremt hat wie noch nie zuvor. Doch was hilft das schon, wenn er die neue Sonnencreme links liegen lässt und zu der Flasche greift, die eigentlich hätte entsorgt werden müssen?

Ja, ich weiss, bei guten Müttern zu Hause würde so etwas nicht passieren, bei denen stehen keine alten Sonnencremeflaschen rum.

Aber ich war an jenem Tag keine gute Mutter. In mir drinnen wütete nämlich ein fieser Käfer, der für Schädelbrummen, Gliederschmerzen und eine triefende Nase sorgte. Und um mich herum tobte das frühmorgendliche Familienchaos, wie es eben tobt, wenn „Meiner“ schon früh weg muss und ich den Laden alleine schmeisse: Zwei eigene Kinder und ein Gast, die sich für den Sporttag bereit machen müssen. Einer, der ganz und gar keine Lust auf Schule verspürt und deshalb mehrere mütterliche Motivationsspritzen benötigt, ehe er in die Gänge kommt. Eine, die dringend Hilfe mit ein paar Kleinigkeiten braucht. Einer, der sich schnell ein Mittagessen zusammensucht und dabei ein wenig plaudern möchte, bevor er aus dem Haus geht. Dann noch ab und zu jemand, der an der Türe klingelt, um zu fragen, ob diejenigen, die bereit sein müssten, schon bereit sind.

Mir ist klar, dass es durchaus Mütter gibt, die auch an so einem Morgen noch alles im Griff haben, aber ich gehöre offensichtlich nicht zu dieser Sorte.

Und so kam es eben, dass wir ein paar Stunden später einen ziemlich verbrannten Zoowärter in Empfang nehmen mussten. Einen Zoowärter, der in der Folge ziemlich oft nachts wach wurde, weil sich die Schmerzen wieder bemerkbar machten, was mitten in der Nacht noch viel schlimmer war als am Tag. Also waren „Meiner“ und ich alle paar Stunden im Einsatz, um zu salben, zu kühlen, gut zuzureden, Ängste zu verscheuchen und zu trösten. Mal stand „Meiner“ auf, mal ich, mal waren wir beide an seiner Seite.

Drei Nächte lang ging das so…

… und jetzt gehen wir auf dem Zahnfleisch.

Gereizt, mit müdem Blick und wirrem Kopf kämpfen wir uns durch scheinbar endlose Tage und jeder, der uns begegnet, muss sich anhören, wie unglaublich erschöpft wir sind.

Gerade so, als hätten wir so etwas noch nie erlebt.

Als wäre das nicht über Jahre der Normalzustand gewesen.

Als ob wir alten Hasen so etwas nicht mit einem müden Lächeln und einem Schulterzucken wegstecken müssten.

Nein, wir stecken so etwas nicht mehr so locker weg. Wir jammern.

Und fragen uns, wie wir es bloss geschafft haben, jahrelang in diesem Zustand zu existieren und den Karren trotzdem nicht vollends gegen die Wand zu fahren.

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Ich weiss ja schliesslich, wie man einkauft…

Zwischen Prinzchen abliefern und Prinzchen wieder abholen habe ich knappe fünfundvierzig Minuten Zeit. Gerade genug also, um schnell in die Migros zu rennen, das Nötigste einzukaufen, nach Hause zu hetzen, um das Zeug in den Kühlschrank zu legen und wieder loszufahren. Entsprechend gestresst bin ich, als es an der Kasse nicht vorwärts geht.

Die ältere Dame, die eigentlich bezahlen sollte, hat vergessen, die Kaki zu wägen. „Himmel, man weiss doch, dass man Kaki wägen muss“, grummle ich innerlich vor mich hin. „Und wenn man es nicht weiss, kann man ja lesen. Steht doch klar und deutlich, ob das Zeug pro Stück oder pro Kilo verkauft wird. Manche Leute sind einfach unfähig, richtig einzukaufen. Mir würde ein solcher Schnitzer ja nicht unterlaufen…“

Nach der älteren Dame kommt ein kleiner Junge dran. Das Geld, das ihm die Mama mitgegeben hat, steckt tief in seiner Hosentasche. Sehr tief. So tief, dass er erst einmal ganz viele andere Dinge hervorkramen muss, um an die Münzen ranzukommen. „Er hätte ja schon früher dran denken können, dass er bald dran ist“, schimpft es in mir drinnen. „Er hätte doch mehr als genug Zeit gehabt, sich um sein Geld zu kümmern, während die Kassierin auf die Kaki warten musste.“ Ja, so ungnädig kann ich über fremde kleine Jungs denken, wenn ich fürchte, mein eigener kleiner Junge müsse zu lange auf mich warten, weil andere nicht einmal einen kleinen Einkauf reibungslos über die Bühne bringen. 

Endlich bin ich an der Reihe. Die wenigen Artikel sind schnell gescannt. Schon will ich das Portemonnaie zücken, als die Kassierin fragt: „Was ist mit dem Blumenkohl? Haben Sie den nicht gewogen?“ 

Wie gut, dass keiner von denen, die hinter mir anstehen, meine Gedanken über die ältere Dame und den kleinen Jungen haben lesen können.

Ich hingegen kann mir ziemlich genau vorstellen, was sie über mich denken…

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Unterrichtsausfall

Vorgestern starteten Karlsson, Luise, der Zoowärter und das Prinzchen ins Schuljahr. Zwei Tage später als „Meiner“ und der FeuerwehrRitterRömerPirat, deren Schulen ennet der Kantonsgrenze stehen. Bei uns, wo die Katholiken in der Mehrheit sind, wollte man erst noch abwarten, bis am Dienstag Maria in den Himmel aufgefahren war, ehe man die Schulglocken wieder läuten liess.  

Wenn das Schuljahr bereits mit einer Feiertagsbrücke anfängt, ist das selten ein gutes Zeichen. Der Brief, der heute ins Haus flatterte, bestätigte meine Vorahnungen. Daraus war nämlich unter anderem zu erfahren:

Unterrichtsausfall am 20. September – Kantonaler Lehrertag

Unterrichtsausfall am 1. November – schon wieder katholischer Feiertag

Unterrichtsausfall am 2. und 3. November – Der Kanton verdonnert die Lehrer zu einer Weiterbildung.

Und dazwischen natürlich wie immer drei Wochen Herbstferien. 

Ich glaube, ich lasse dem Herrn Bildungsdirektor demnächst auch mal einen Brief ins Haus flattern. Berufstätige Eltern werden sich denken können, was darin zu lesen sein wird. 

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Wieder so ein Wochenende…

Wir haben…

1. Zwei verschiedene Infoblätter, auf denen steht, um welche Zeit der FeuerwehrRitterRömerPirat und das Prinzchen an ihren Ständen erwartet werden und um welche Zeit sie zu ihrem Auftritt aufkreuzen müssen.

2. Einen kleinen Papierstreifen, auf dem steht, dass die Auftrittszeit auf Prinzchens Infoblatt nicht mehr gilt, da es eine Programmänderung gegeben hat, weshalb wir das Kind erst 45 Minuten später als ursprünglich angegeben zum Festplatz schicken sollen.

3. Einen Getränkebon und einen Essensgutschein für das Prinzchen.

4. Einen FeuerwehrRitterRömerPiraten, der sagt, er hätte diese Bons eigentlich auch bekommen sollen, aber der Lehrer habe wohl nicht mehr dran gedacht.

4. Einen Zoowärter, der auf die Frage, wann er denn seinen Einsatz habe, ob er in der Schule auch ein Infoblatt bekommen habe und wo seine Bons seien, nur die Schultern zuckt und antwortet: „Ääääääh… böööööö“.

5. Einen Zoowärter, der aber immerhin weiss, dass er um zehn vor elf auf dem Schulhausplatz erwartet wird. Was dort genau mit ihm geschehen wird? „Ääääääh… böööööö“.

6. Eine Luise, die auf den Tag verteilt mehrere Einsätze hat, was sie mir aber nicht im Detail erklären will, weil ich mich gerade wieder aufgeführt habe wie eine Mutter, weshalb sie leicht angesäuert ist. 

7. Eine WahtsApp-Nachricht, in der steht, um welche Zeit ich für den Getränkeausschank vorgemerkt bin, was ich aber nicht überprüfen kann, weil mein Handy den Geist nun definitiv aufgegeben hat.

8. Einen Ehemann, der verkündet, er habe eigentlich gar keine Lust auf das ganze Theater, er möchte lieber den ganzen Tag malen.

9. Ein Haus, das ganz dringend aufgeräumt werden sollte.

10. Einen Karlsson, der eigentlich vollkommen unbeteiligt sein könnte und deshalb lieber mit mir besprechen möchte, welche Sorte Brot er zur Abschlussfete mit dem Chemielehrer, die am Dienstag stattfindet, mitbringen soll, für wie viele Menschen so ein Laib denn reicht, wie man das Ganze umrechnen muss und ob ich ihm beim Backen helfen kann. 

11. Eine Wekaustellung, bei der es viele wunderschöne Schülerarbeiten zu besichtigen gibt, was man natürlich in aller Ruhe tun möchte.

12. Mehrere Zettel und Zettelchen, auf denen angegeben ist, um welche Zeit am Sonntag die vielen schönen Werkarbeiten abzuholen sind. 

13. Einen FeuerwehrRitterRömerPiraten, der auf gar keinen Fall vergessen darf, die Werkarbeiten seines Schulkameraden ebenfalls abzuholen, da dieser am Sonntag nicht da ist. 

14. Eine Mama, die morgen nach Bern zum schwedischen Buchklub abrauschen wird, obschon der Papa doch wirklich ein Paar zusätzliche Hände gebrauchen könnte, um all die Werkarbeiten unversehrt nach Hause zu bringen.

15. Einen Fresszettel, auf dem ich versucht habe, die wichtigsten Punkte aus den einzelnen Infobriefen zusammenzufassen, um einen mehr oder weniger geordneten Gesamtüberblick zu bekommen. 

Und jetzt füge man aus all diesen Zutaten einen gelungenen Wochenende zusammen, an dem sich nicht nur die einzelnen Familienmitgleider zu den rechten Zeiten an den rechten Orten einfinden, sondern auch die Familie als Ganzes sich aktiv und selbstverständlich vollkommen entspannt am Schul- und Dorfleben beteiligt.

Familienträume

Solange du noch keine Kinder hast, stellst du dir das Familienleben ja irgendwie so vor: Am Morgen sitzt ihr alle zusammen friedlich am Tisch,trinkt frisch gepressten Orangensaft und esst dazu vollwertiges, hausgemachtes Müesli. (Ich glaube mich zu erinnern, dass in meiner Fantasiefamilie oft auch frische Waffeln, Scones oder Blaubeermuffins auf den Tisch kamen. So wie bei meiner amerikanischen Gastfamilie. Aber damals war mir noch nicht bewusst, dass meine Gastmutter nie Mittagessen kochen musste, weil die Töchter in der Schule assen. Und auch kein Abendessen. Das erledigte die Mikrowelle für sie.) Ihr unterhaltet euch ein wenig über den Tag und was ihr von ihm erwartet, räumt gemeinsam den Tisch ab und verlasst dann einer nach dem anderen geputzt und gestriegelt das Haus, währenddem sich die Küche auf magische Weise selber aufräumt. Die Kinder gehen zur Schule, wo sie brav sind, fleissig mitmachen und glänzende Noten schreiben, damit sie dereinst in der Lage sind, aller Welt zu zeigen, dass sie Gottes Geschenk an die Menschheit sind. Die Eltern verdienen derweilen ungestört das Geld, das ihr braucht, um in Frieden und Eintracht miteinander zu leben. Mittags und abends kommt ihr dann wieder in eurer selbstreinigenden Wohnung zusammen, um das Familienleben zu geniessen.

Tja, und dann wachst du eines Tages in einer Realität auf, in der ein guter Tag dadurch gekennzeichnet ist, dass keiner sich weigert, eine saubere Unterhose anzuziehen, du von niemandem zur Schnecke gemacht wist, weil seine längst überfälligen Hausaufgaben nicht mehr auffindbar sind und niemand an einer ominösen Übelkeit leidet, die „Deinen“ und dich darüber diskutieren lässt, wer von euch beiden heute Abstriche bei der Arbeit macht. So gesehen hatten wir vorgestern einen ausgesprochen harmonischen Start in den Tag. 

Das Theater ging erst am Mittag los, als einer sich mit der unsäglichen Forderung konfrontiert sah, nach dem Essen einen sauberen Pullover anzuziehen.

Bad Mommy’s Terrible Saturday

Wieder so ein Samstag.

„Meiner“ irgendwo unterwegs zum letzten Aufklärungskurs des Jahres.

Ein Haufen Arbeit, die nachzuholen wäre, weil ich es in der ersten Wochenhälfte mal wieder vorgezogen habe, mich mit einer Grippe zu vergnügen, anstatt mich meinem Job zu widmen.

Traurige Kinder, die es nicht fassen können, dass wegen eines kaputten Telefons und einer blöden E-Mail-Panne das Freizeitprogramm, auf das sie sich seit Wochen gefreut haben, ins Wasser fällt.

Ein zorniger Teenager, der in Rage gerät, weil „Meiner“ sich geweigert hat, die 120 Kilometer in die Ostschweiz zu Fuss zu gehen, wo er doch genau wusste, dass ich das Auto für Chauffeurdienste ins Nachbardorf gebraucht hätte. 

Zwei verstopfte Toiletten, für die ich keine Verantwortung übernehmen will, da inzwischen jeder, der in diesem Haus lebt, die fachgerechte Toilettenbenützung und -reinigung beherrschen sollte.

Ein Wäscheberg, der einfach nicht verschwinden will, so sehr ich ihn auch dränge, endlich aus meiner Waschküche abzuhauen. 

Eine Teigmaschine, die mir auf eine passiv-aggressive Weise zu verstehen gibt, dass ich zu viel von ihr verlange und dass sie nicht gewillt ist, mir in dem von mir gewünschten Umfang zu Diensten zu sein.

Zwei Heidelbeerbüsche und ein Johannisbeerstrauch, die vorwurfsvoll im Eingang stehen und darauf warten, endlich Boden unter ihre Wurzeln zu bekommen. 

Dieses nagende Gefühl, niemandem auch nur für fünf Sekunden den Rücken zukehren zu dürfen, weil bestimmt eine leere Flasche, eine vergessene Mandarinenschale, eine halbfertige Zeichnung, ein Schokoladenpapier oder sonst etwas Unwillkommenes herumliegt, wenn ich wieder hinschaue. 

Kurzum: Einer dieser Samstage, an dem ich auf jedem Bild mit finsterem Blick und einer dicken, schwarzen Wolke über dem Kopf zu sehen wäre, wenn mein Leben ein Comicbuch wäre. (Der Titel würde dann vermutlich „Bad Mommy’s Terrible Saturday“ oder so ähnlich lauten und auf dem Cover wäre eine Karikatur meiner selbst zu sehen, wie sie zähnefletschend und mit irrem Blick durch ihr Revier streift und ihren Nachwuchs das Fürchten lehrt.)

Eine einzige Sache vermag mich an einem solchen Tag aufzuheitern: Ein Mittagessen, bei dem einer – nachdem er mein angespanntes Schweigen gründlich satt hat – auf die Idee kommt, mich zu fragen, wie ich denn die aktuelle Weltlage beurteilen würde, was mir die Gelegenheit bietet, meine miese Laune für eine Weile in die Ecke zu stellen, um des Langen und Breiten darüber zu referieren, weshalb ich die aktuelle Situation der Medien als äusserst problematisch beurteile, warum mir die politische Lage in diversen Ländern schlimme Bauchschmerzen bereitet und was in meinen Augen getan werden müsste, damit jene, die sich noch nicht von der grossen Wut haben mitreissen lassen, verhindern könnten, dass die Welt gänzlich vor die Hunde geht. 

Natürlich stehe ich eine halbe Stunde später schon wieder mit meiner schwarzen Wolke über dem Kopf am Spültrog, aber immerhin kann ich mir jetzt einreden, ich hätte heute ein ganz kleines bisschen zum Weltfrieden beigetragen. 

Falls die Knöpfe mir mein pazifistisches Gequatsche noch abnehmen, nachdem ich einmal mehr bewiesen habe, wie laut und unfreundlich ich an einem Tag wie heute werden kann… 

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Schwacher Trost

Auf dem Bildschirm das fast fertige Interview, das auf den letzten Schliff wartet, damit ich es zum Gegenlesen geben kann.

Unten an der Tür der Lieferant, der mit lautem Klingeln ankündigt, dass der Wocheneinkauf die Treppen hochgetragen werden will.

Drei Kinder, die eigentlich beim Schleppen helfen müssten, die sich stattdessen aber verbotenerweise im Garten des leerstehenden Nachbarhauses herumtreiben. 

Im Keller die Waschmaschine, die darauf wartet, geleert und wieder neu gefüllt zu werden. Dann natürlich noch die trockene Wäsche, die abgehängt werden müsste, um dem nassen Zeug Platz zu machen.

Vier verschiedene Abendprogramme („Meiner“ hat Elternabend, Karlsson geht ins Konzert, Luise ist zum Babysitten engagiert und der FeuerwehrRitterRömerPirat sollte endlich wieder einmal in die Trompetenstunde, die wir andauernd vergessen) und ein grosser Wunsch (Prinzchen möchte dringend sein Geburtstagsgeld loswerden), der leider nicht auch noch erfüllt werden kann. 

Eine unaufgeräumte Küche und ein Brummschädel, der entweder gegen einen bevorstehenden Wetterwechsel oder aber gegen das allgemeine donnerstägliche Familienchaos rebelliert. 

Als dann auch noch die Baguettes nicht im Ofen, sondern auf dem Fussboden landen, ist die mütterliche Explosion nicht mehr zu vermeiden. 

Früher hätten mich in einem solchen Moment ein paar pausbackige, engelsgleiche Kinder getröstet. „Sei nicht traurig, Mama“, hätte vielleicht der eine oder die andere gesagt und mir ein Lächeln oder eine Umarmung geschenkt.

Heute muss ich froh und dankbar sein, wenn im Moment der Explosion kein Teenager zugegen ist, der meint: „Krieg dich wieder ein. Hat dir ja keiner befohlen, an einem Tag wie heute auch noch Brot zu backen.“

(Und natürlich hätten sie nicht das geringste Verständnis, wenn ich erklären würde, als ich heute Nachmittag den Kühlschrank geöffnet hätte, habe der Brotteig geschrien: „Verarbeite mich sofort und schieb mich in den Ofen, ich bin reif!“ Früher hätten sie geglaubt, ich sei Goldmarie…)

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Ein Ende in Sicht

Wie es unserer Küche gehe, wollte neulich jemand von mir wissen. Sie sei auf dem Wege der Besserung, antwortete ich und das ist sie tatsächlich.

Die Kühlgerät-Komödie hat ein gutes Ende gefunden. Das unnütze Ding, das nach wenigen Monaten bereits seinen Dienst verweigerte, ist auf Kosten der Firma abtransportiert und entsorgt. Das neue Gerät ist so wunderbar, dass mich jedesmal, wenn ich seine Türen öffne, leicht fröstelt, was ja bei einem Kühlschrank eigentlich normal ist, mich aber dennoch überwältigt, weil es sein Vorgänger nicht mehr unter die 10-Grad-Marke schaffte. 

Der Herd meiner Träume ist installiert, Schwiegermamas heilige Pfannen sind entsorgt uns seither wird nur noch in pinkfarbenen und hellgrünen Töpfen gekocht. Eine wahre Freude, die man allerdings immer nur ganz kurz geniessen kann, weil dieses Induktionszeug so wahnsinnig schnell ist.

Das Abwaschen in der Badewanne hat bereits vor einigen Wochen ein Ende gefunden und seit heute steht sogar wieder eine Maschine da, die uns bereitwillig die Arbeit abnimmt.

Wenn alles läuft wie geplant, sollten nächste Woche die Küchenmöbel fertig werden und dann ist er hoffentlich endlich Geschichte, der Umbau, der als eine der nervenaufreibendsten und zugleich eine der wunderbarsten Haushaltangelegenheiten in die Familiengeschichte eingehen wird. Nervenaufreibend, weil wir dabei Murphys Gesetz von vorne bis hinten und wieder zurück durchbuchstabiert haben. Wunderbar, weil immer dann, wenn wir uns nicht mehr zu helfen wussten, von irgendwo ein rettender Engel angeflogen kam, der uns aus der Patsche half. (Wo wir heute ohne diese Engel stünden, möchte ich mir lieber nicht ausmalen…)

Und so überwiegt jetzt, wo das Ende in Sicht ist, die Dankbarkeit, die die den Ärger allmählich verblassen lässt. Wobei er nicht gänzlich vergessen gehen soll, sonst kommen „Meiner“ und ich am Ende noch auf die Idee, uns ins nächste Abenteuer zu stürzen.

dahlie