Warum ich dem Panettone nochmal eine Chance gegeben habe

Um zu rechtfertigen, dass ich den Bettel nach all meinen Misserfolgen noch nicht hingeschmissen habe, könnte ich jetzt ein rührseliges Märchen erfinden. Irgend so eine Geschichte von einer Halbwüchsigen, die sich – mit der Sehnsucht nach dem Süden im Herzen – in das himmlische Gebäck verliebte, worauf in ihr der Wunsch entbrannte, diese Krönung der Backkunst eines Tages selber aus dem Ofen zu zaubern. Oder die tragische Erzählung von der herzlosen Schwiegertochter, die sich nie dankbar zeigte für den rosinenverseuchten Panettone, den sie jedes Jahr zu Weihnachten überreicht bekam und die sich jetzt, als Strafe für ihr liebloses Verhalten auf immer und ewig an dem Rezept die Zähne ausbeissen muss. Oder…. Ach, lassen wir das. Glaubt mir ja ohnehin keiner, dass ich auf meine alten Tage noch rührselig werde. Also kann ich ja gleich offen und ehrlich sagen, wie es ist: Ich bin ein elender Sturkopf, der kein Nein akzeptieren kann.

Ich mag es nicht leiden, wenn man mir die Zunge rausstreckt und sagt: „Ätsch, das schaffst du ja doch nie!“ Und genau das hat der Panettone mit mir gemacht – und zwar immer und immer wieder. Mal lag er am Ende von drei anstrengenden Backtagen platt und luftlos vor mir und meinte hämisch grinsend, so staubtrocken wie er sei nicht mal der billigste Billigpanettone vom Discounter. Mal liess er sich, nachdem ich ihn unter grössten Mühen kopfüber zum Auskühlen aufgehängt hatte, mit einem dumpfen „Plopp“ aus der Form fallen, um mir zu beweisen, dass ich diese unglaubliche Leichtigkeit nie und nimmer hinkriegen würde. Mal tat er tagelang so, als wolle er werden, was er sein sollte – um dann im allerletzten Moment trotzdem in sich zusammenzufallen.

Sturköpfe wie ich mögen sich bei jedem erfolglosen Versuch verzweifelt die Haare raufen oder den Teig gegen die Wand schmeissen, sie mögen dir hoch und heilig versprechen, dies sei nun definitiv der letzte Versuch gewesen, sie mögen gar laut schimpfend verkünden, Panettone sei doch ohnehin die dümmste Erfindung, die die Menschheit je gemacht hätte – doch sobald Weihnachten naht, werfen sie wieder die Teigmaschine an, um der Sache noch eine allerletzte Chance zu geben, in der Hoffnung, dass es doch noch endlich klappen werde.

So lange tun sie das, bis sie eines wunderbaren Tages ein Gebäck aus dem Ofen ziehen, das weder platt, luftlos noch staubtrocken ist; eines, das nicht mit einem dumpfen „Plopp“ aus der Form fällt, wenn man es kopfüber zum Auskühlen aufhängt; eines, das bis zum Schluss nicht in sich zusammenfällt, sondern wunderbar luftig bleibt. Und wenn sie dann sehen, wie die Kinder dieses unglaublich luftige Gebilde mit Genuss verzehren, wissen sie wieder, dass es sich manchmal halt doch lohnt, ein Sturkopf zu sein.

Weil ich weiss, dass es da draussen noch andere von meiner Sorte gibt, weiss ich auch, was jetzt gleich folgen wird: Die Frage nach meinem Geheimrezept. Aber ich muss euch leider enttäuschen, meine lieben Mitsturköpfe. Ich kann euch das Rezept nicht liefern, denn mit einer geschriebenen Anleitung werdet ihr nicht glücklich. Wenn ich auch noch so genau notieren würde, wie ihr das machen müsst, würdet ihr doch wieder gegen eine Wand rennen – genau so, wie ich Jahr für Jahr gegen eine Wand gerannt bin, obschon ich mich bis aufs letzte Komma ans Rezept gehalten habe.

Beim Panettone hilft nur ein Rezept: Zuschauen und von denen lernen, die es schon können. Sehen, wie luftig der Lievito Madre sein muss, wie geschmeidig der Hauptteig, wie wohlgeformt die Teigkugel. Ob auf Video oder live ist eigentlich egal – Hauptsache, man ist bereit, von den Profis zu lernen, wie das richtig geht.

Alles andere führt ja doch nur wieder dazu, dass man sich frustriert die Haare rauft oder den Teig gegen die Wand schmeisst,

Da ist sie wieder

Es war, als hätte sie gespürt, dass das Ende naht. Wenige Tage vor Schwiegermamas Tod war die Katze plötzlich verschwunden. Sie, die noch nie draussen gewesen war, machte sich plötzlich auf und davon, gerade so, als müsste sie sich ein wenig zurückziehen. Alles Suchen und Rufen war vergeblich, das Tier blieb verschwunden.

Davon durfte Schwiegermama natürlich nichts erfahren, denn sie hatte schon genug Schweres zu tragen in ihren letzten Tagen und auch der italienischen Verwandtschaft mussten wir eins ums andere Mal versichern, der Katze gehe es gut, obschon wir doch keine Ahnung hatten, was aus ihr geworden war. Zwar meinte die Nachbarin, sie sei ihr eines Tages in der Waschküche begegnet, aber wer konnte denn so sicher sein, ob es sich bei dem Tier tatsächlich um Schwiegermamas Katze handelte? Wo es doch in unserem Quartier von schwarz-weissen, übergewichtigen Katzen nur so wimmelt. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als in der Verwandtschaft so zu tun, als sei alles in bester Ordnung, während wir uns insgeheim damit abzufinden begannen, dass wir die Katze, die sich doch gerade mal so knapp bei uns eingelebt hatte, nie wieder zu Gesicht bekommen würden. Und weil die italienische Verwandtschaft sich ja auch in den Sozialen Medien rumtreibt, konnten wir nicht mal eine Vermisstmeldung auf Facebook posten… „Vielleicht kommt sie ja zurück, wenn die Beerdigung durch ist“, bemerkte ich irgendwann, ohne wirklich zu glauben, was ich da gerade sagte.

Nun, die Katze brauchte wohl noch ein paar Tage länger, um von Schwiegermama Abschied zu nehmen, denn am Donnerstag, als wir von der Abdankung zurückkamen, war sie noch nicht da. Heute aber tauchte sie plötzlich wieder auf, ein wenig schlanker als vor ihrem Verschwinden, dafür aber zutraulicher als je zuvor.

Es sieht ganz so aus, als hätte sie sich damit abgefunden, dass wir jetzt ihre Familie sind. 

blommor

 

 

Adieu

Nur ganz kurz: Schwiegermama ist am Freitagabend friedlich eingeschlafen. Dank der Unterstützung vieler lieber Menschen konnten „Meiner“ und ich sie bis zuletzt begleiten. Möglicherweise wird es hier in den kommenden Tagen etwas stiller sein, denn es gilt nicht nur, Gefühle und Gedanken zu ordnen, sondern auch zu organisieren, zu telefonieren, zu sortieren und zu räumen. 

Lagebericht aus dem ganz normalen Familienleben

Früher Mittwochmorgen. Hinter mir liegt eine ausgesprochen schlechte Nacht, denn der Kopf wollte auch im Halbschlaf nicht damit aufhören, sich Gedanken zu machen, was uns wohl beim eilig einberufenen Gespräch mit Schwiegermamas Ärzten erwartet. Und es ist ja nicht nur die Frage nach dem möglichen Inhalt des Gesprächs, der den Kopf nicht zur Ruhe kommen lässt, sondern auch die Gedanken an das, was in den kommenden Tagen und Wochen wohl alles noch folgt.

Dem Alltag ist es natürlich herzlich egal, was nachts war und so macht man sich eben auf in einen Tag, der die folgenden Programmpunkte enthält: 

  • Vormittags Business as usual, also Schule für die Kinder, Unterrichten für „Meinen“, leichtfüssige Kolumne über das Familienleben schreiben für mich.
  • Möglichst sofort nach Unterrichtsschluss: „Meiner“ ins Spital, um zu übersetzen, was die Ärzte Schwiegermama zu sagen haben. Termin seit vorgestern bekannt. 
  • 15:00 Uhr: Die Ärzte wollen „Meinen“ und mich – dass wir beide erwartet werden, wurde ausdrücklich betont – alleine sprechen, während die drei jüngeren Kinder auf dem Spielplatz auf uns warten werden. Termin seit gestern Nachmittag bekannt.
  • 16:20 Uhr: Der Zoowärter hat Hauptprobe für seinen heutigen Auftritt mit dem Cello.
  • 17:00 Uhr: Das Prinzchen hat Hauptrobe für seinen heutigen Auftritt mit der Flöte.
  • 19:00 Uhr: Grosser Auftritt von Zoowärter und Prinzchen. Immerhin am gleichen Anlass und nicht zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten.
  • Irgendwann: Essen besorgen für Prinzchens morgige Schulreise, Mahlzeiten auf den Tisch bringen, Hausaufgaben betreuen, diverse Fahrten von A nach B und wieder zurück, dem Chaos Einhalt gebieten, etc. Um die Sache nicht noch komplizierter zu machen, hat „Meiner“ bereits zwei Termine abgesagt, für Unvorhersehbares bleibt dennoch kaum Raum. 

Aber natürlich trifft das Unvorhersehbare ein und zwar in Form einer akuten „Ich will nicht zur Schule gehen, weil ihr so doofe Eltern seid“-Krise, die sich in einem der Kinderzimmer abspielt. Eine Krise, die wir erst mit gutem Zureden, viel Verständnis und Appell an die Vernunft zu lösen versuchen, was aber zunehmend schwieriger wird, als sich herausstellt, dass der Schulverweigerung ein unbändiges Verlangen nach unerlaubter Handy-Zeit zugrunde liegt. Luise meldet derweilen an, sie fühle sich krank und müsse im Bett bleiben, alle anderen müssen irgendwie selber mit dem klar kommen, was gerade ansteht, denn „Meiner“ und ich sind vollauf damit beschäftigt, die Krise irgendwie in den Griff zu bekommen. 

„Meiner“ und die Kinder, die weder krank sind, noch Krise schieben, können irgendwann das Haus verlassen, während ich mich weiterhin erfolglos mit der Krisenintervention beschäftige. Um halb neun sind meine Nerven endgültig aufgebraucht und die Nachbarn dürfen einmal mehr hören, wie laut Mama Venditti brüllen kann und wie heftig sie die Türen knallt, wenn der Geduldsfaden gerissen ist. Ein kleiner Deal – „Du darfst bis 10 Uhr weiter trotzen, dann gehst du ohne Murren zur Schule“ – entspannt die Lage endlich und ich könnte mich der Kolumne widmen. Doch wie soll man leichtfüssige Worte über das Familienleben aus dem Hut zaubern, wenn das Familienleben gerade alles andere als leichtfüssig daherkommt? Ausheulen bei meiner Mama und danach Flucht ins Gewächshaus zu den Tomaten sind da schon eher angebracht und dadurch kehrt endlich so etwas wie Ruhe ein. Zumindest bis zehn Uhr, aber immerhin geht es jetzt nicht mehr um Schulverweigerung, sondern nur noch um Zahnbürstenverweigerung und damit kann ich so halbwegs leben. 

Inzwischen ist es Mittag, der Routine-Teil des Tages ist abgeschlossen und wir können mit dem, was an Energie noch übrig ist, das Nachmittagsprogramm in Angriff nehmen. (Na ja, immerhin hat der FeuerwehrRitterRömerPirat nach der Heimkehr aus der Schule aus freien Stücken den Tisch gedeckt, obschon „Meiner“ und ich heute Küchendienst hätten.) 

Warum ich mir dennoch die Zeit nehme, zu bloggen? Damit ich der Netzgemeinschaft jetzt, wo ich noch mittendrin stecke, ehrlich darüber berichten kann, wie wenig das Familienleben an manchen Tagen mit zuckersüssen Cupcakes, hinreissend komischen Kindersprüchen und unglaublich kreativen Pinterest-Basteltipps zu tun hat. Denn wenn ich einmal vergessen habe, wie sich das alles anfühlt, werde ich mit ziemlicher Sicherheit vollmundig behaupten, es seien genau diese Zeiten gewesen, die uns als Familie stärker gemacht hätten und nicht die traumhaften Abendstunden  an einem See irgendwo in Schweden. 

rosor

Katzenfänger

Die Katze soll zu uns kommen, hat Schwiegermama gesagt, als uns allen klar wurde, dass eine Heimkehr auch nach dem Spitalaustritt bis auf Weiteres nicht in Frage kommt. Das Tier werde sich bestimmt schnell wieder bei uns einleben, wo es doch in unserem Wandschrank das Licht der Welt erblickt habe, meinte Schwiegermama. Ich bin mir da offen gestanden nicht so sicher.

Gut, als sie noch ein Kätzchen war, fühlte sie sich tatsächlich ausgesprochen wohl bei uns. Flink kletterte sie jeweils an meinem Bein hoch, um sich auf meine Schulter zu setzen und mir beim Kochen zuzuschauen. Den ganzen Tag blieb sie mir auf den Fersen, um mich nicht aus den Augen zu verlieren. Doch nach ihrem Auszug gewöhnte sie sich schnell an das beschauliche Leben als Wohnungskatze einer älteren Frau und es dauerte nicht lange, bis sie uns mit einem zornigen Knurren empfing, wenn wir zu Besuch kamen. Irgendwann beschloss sie, sich ganz unsichtbar zu machen, wenn ihre laute Herkunftsfamilie ins Haus kam. Zum Glück erklärte uns Schwiegermama, die Katze verhalte sich immer so, wenn jemand vorbeikomme, sonst wäre ich wohl ziemlich eingeschnappt gewesen. Immerhin waren wir diejenigen, die mit reichlich Futter den Grundstein für ihre inzwischen ausgesprochen rundliche Figur gelegt hatten. 

Mir graut offen gestanden ein wenig vor dem kommenden Samstag, denn dann wollen wir das Tier davon überzeugen, sein ruhiges Zuhause zu verlassen. Schwiegermama meinte zwar, das sei ganz einfach, wir müssten bloss den Tierarzt rufen und der komme dann mit dem Kescher, um die Katze einzufangen. Mir aber widerstrebt diese Fangmethode und zwar nicht nur, weil mich das Geld für den Tierarzt reut, sondern auch, weil ich mir einbilde, mit Katzen auch ohne fremde Hilfe klarzukommen. Und wer weiss, vielleicht erinnert sie sich sogar wieder an unsere gemeinsame Zeit, wenn ich sie mit honigsüsser Stimme unter dem Sofa hervorzulocken versuche? Dann aber fällt mir wieder ein, wie sie mich bei unserer letzten Begegnung mit glühenden Augen anstarrte und mit zornigem Fauchen in die Flucht trieb. Was, wenn sie mich diesmal sogar anspringt und ich wenig später mit zerkratztem Gesicht an Schwiegermamas Krankenbett meine Niederlage eingestehen muss? Was, wenn das Tier das Weite sucht und ich mit der Nachricht ins Spital komme, die geliebte Katze sei auf Nimmerwiedersehen verschwunden? Bis in meine Träume verfolgt sie mich inzwischen, so sehr fürchte ich, diesen Auftrag zu vermasseln. 

Ich denke, ich muss mir unbedingt eine Portion Gelassenheit zulegen, bevor ich am Samstag losfahre, um die Katze einzufangen. Vielleicht nehme ich mir die zwei Mädchen zum Vorbild, die heute Nachmittag an unserem Haus vorbei spazierten:

„Schau mal, eine Katze.“

„Wo?“

„Dort drüben. Siehst du sie nicht?“

„Ach so, jetzt sehe ich sie. Ich glaube, die ist tot.“

„Nein, ist sie nicht.“

„Doch, ich glaube schon.“

„Was, wenn sie wirklich tot ist?“

„Na, dann ist sie halt tot.“

„Stimmt, dann ist sie halt tot.“

Na ja, ganz so kaltblütig möchte ich nicht werden. Aber vielleicht ein klein wenig ruhiger…

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Hallo, hört hier überhaupt einer zu?

Freitagvormittag, Notfallstation: Ich werde gefragt, ob Schwiegermama es denn noch schafft, alleine zu leben. „Nein, eher nicht“, gebe ich zur Antwort. „Ich denke, wir müssen im Anschluss an den Spitalaufenthalt eine Lösung finden.“

Samstagnachmittag im Krankenzimmer: Die Pflegefachfrau tönt an, in ein paar Tagen dürfe Schwiegermama bestimmt wieder nach Hause gehen. Ich erkläre ihr, dass wir unsere Zweifel hätten, ob sie das schafft. Ob wir demnächst einmal mit dem Sozialdienst sprechen könnten.

Sonntagnachmittag, Stationszimmer: Schon wieder kommt das Personal auf den baldigen Spitalaustritt zu reden. Diesmal weist „Meiner“ darauf hin, dass wir fürchten, sie sei momentan nicht in der Lage, ihren Alltag alleine zu meistern. Ob wir vielleicht demnächst einmal mit dem Sozialdienst reden könnten?

Montagnachmittag, Telefongespräch mit der Ärztin: Sie denke, Schwiegermama könne demnächst wieder nach Hause gehen, erklärt man mir. Darüber möchte ich mich gerne mit… ach, ihr wisst schon.

Montagabend, Krankenzimmer: Schon wieder spricht man vom Spitalaustritt, schon wieder erklärt „Meiner“, weshalb wir uns gerne darüber unterhalten möchten, wie es danach weitergehen soll.

Dienstagabend, Krankenzimmer: Wieder so eine Unterhaltung…

Mittwochmittag, Vendittis Küche: Telefon – der Sozialdienst. Die Ärzte hätten ernsthafte Bedenken, ob Schwiegermama es alleine zu Hause schaffen würde. Vielleicht sollten „Meiner“ und ich uns mal ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob sie nicht wenigstens vorübergehend in ein Pflegeheim gehen sollte. Natürlich sei das kein leichter Entscheid, aber so gehe das nun wirklich nicht.

Die Fragen bleiben

Hat man Kinder, die allmählich daran denken, erwachsen zu werden, stellen sich plötzlich ganz neue Fragen. Zum Beispiel diese hier:

  • Haben wir ihnen genügend Liebe mit auf den Weg gegeben, damit unsere Fehler, die sie nun allmählich zu analysieren beginnen, dadurch aufgewogen sind?
  • Sind wir schon alt genug, um hemmungslos peinlich sein zu dürfen, oder müssen wir uns noch anstrengen, uns halbwegs normal zu benehmen, wenn die Freunde unserer Kinder zugegen sind?
  • Wann sind sie gross genug, um zu erfahren, wie die Dinge zwischen Schwiegermama und mir wirklich stehen?
  • Wie offen dürfen wir darüber reden, warum die Dinge zwischen Schwiegermama und mir so stehen, wie sie jetzt stehen?
  • Wie detailreich dürfen jetzt, wo sie mehr verstehen, die Erzählungen über die Fehler unserer Jugendjahre ausfallen?
  • Ist es schon okay, wenn ich in Gegenwart der Teenager gewisse in Stein gemeisselte Regeln aus Kindertagen breche, oder beschädige ich dadurch noch meine Glaubwürdigkeit? (Ich meine jetzt nichts Gravierendes. Nur mit den Händen aus der Schüssel essen, mehr Schokolade nehmen als offiziell vereinbart und solche Sachen.) 
  • Darf ich jetzt endlich beleidigt sein, wenn die grösseren Kinder mich fragen, ob es schon das Frauenstimmrecht gab, als ich achtzehn war, oder muss ich ihnen immer noch ein kleines Stück Unwissenheit zugestehen?

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Schluss mit den heiligen Pfannen

Bitte erzählt Schwiegermama nichts von dem Frevel, den ich heute begangen habe: Ich habe damit begonnen, ihre Pfannen auszumisten.

Jawohl, die heiligen Pfannen, die sie für viel Geld erstanden hat, um sie ihrem einzigen Sohn an seinem 15. Geburtstag zu überreichen. 

Die Pfannen, in denen eines Tages das nette italienische Mädchen, das er bestimmt irgendwann kennen lernen würde, Pasta Bolognese, Osso Buco und Frittata zubereiten würde, um dafür zu sorgen dass der viel zu dünne junge Mann endlich ein bisschen Fleisch auf die Knochen bekäme. 

Die Pfannen, die niemals in die Hände dieser kleinen, vorlauten Schweizerin hätten geraten dürfen, die sich standhaft weigerte, ausschliesslich italienische Kost darin zu kochen.

Die Pfannen, die gemäss dem Versprechen des Herstellers ein Leben lang halten sollten, die dann aber doch nach Jahren der intensiven Nutzung ihre Griffe fallen liessen. (Was vielleicht nur daran lag, dass sie in die Hände der falschen Frau geraten waren…)

Die Pfannen, die ich leidenschaftlich hasste, weil sie mir nicht gestatteten, so zu kochen, wie es mir entspricht. Und weil sie mich täglich daran erinnerten, wie sehr „Meiner“ und ich uns in den Anfängen unserer Beziehung um des lieben Friedens Willen durch Schwiegermama bevormunden liessen.

Die Pfannen also, die ich schon so lange gerne losgeworden wäre, die ich aber auf gar keinen Fall loswerden durfte, weil sie sozusagen die Mitgift waren, die „Meiner“ in die Ehe gebracht hat. (Wobei ich natürlich mit leeren Händen dastand, da meine Eltern nicht weitsichtig genug gewesen waren, mir zum Fünfzehnten ein Pfannenset zu schenken. Die schickten mich lieber in ein Austauschjahr.)

Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mich mit den ungeliebten Pfannen zu arrangieren. 

Es sei denn, ich hätte eine Ausrede… 

Zum Beispiel einen Induktionsherd…

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Interkultureller Dialogversuch, Teil V

Vorbemerkung: Wie immer, wenn ich einen Einblick in die nicht immer ganz erfolgreiche Kommunikation mit der italienischen Verwandtschaft gewähre, ist auch dieser Beitrag nicht wertend zu verstehen. Er soll einfach zeigen, wie man auch nach Jahren noch grandios aneinander vorbei reden kann.

Dialog Nr. 5

Schwiegermama und „Meiner“ unterhalten sich am Telefon über den FeuerwehrRitterRömerPiraten, der in den vergangenen Monaten eine Reihe von ärztlichen Untersuchungen über sich ergehen lassen musste. Das Gespräch verläuft ungefähr so:

„Meiner“: „Die Untersuchungen sind jetzt abgeschlossen. Die Ärztin hat herausgefunden, dass er…“

Schwiegermama (lässt „Meinen“, wie so oft, nicht ausreden): „Der Junge liest einfach zu viel.“

„Meiner“: „Nein, das ist ganz bestimmt nicht das Problem. Im Gegenteil, dass er so viel liest ist…“

Schwiegermama (unterbricht schon wieder): „Er sollte unbedingt weniger lesen. Dann ginge es ihm besser.“

„Meiner“: „Dass er so viel liest, ist sehr positiv, das zeigen die Untersuchungsergebnisse ganz klar. Die Sache ist die…“

Schwiegermama (lässt „Meinen“ natürlich noch immer nicht fertig erklären, denn sie weiss ja, wo das Problem liegt): „Die vielen Bücher verwirren ihn doch nur. Würdet ihr ihn nicht immer so viel lesen lassen, hätte es diese Untersuchungen gar nicht gebraucht. Die Geschichten bringen ihn doch nur durcheinander.“

Na ja, wenn sie meint. Dann versuche ich mal, dem FeuerwehrRitterRömerPiraten das Buch zu entwinden, das er gerade liest. Vermutlich bin dann einfach ich diejenige, die ärztlichen Beistand braucht.

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Alles nur eine Frage der Disziplin?

Montag backen, Dienstag arbeiten, Mittwoch Garten, Donnerstag arbeiten, Freitag putzen – So ist das geplant und so habe ich das in den vergangenen zehn Tagen auch mehr oder weniger durchgezogen. „Ist es am Ende doch nur eine Frage der Disziplin, ob man es schafft, die Dinge zu tun, die man sich vorgenommen hat?“, fragte ich mich selbst heute früh, als ich mal kurz meinem Spiegelbild begegnete. Mein Spiegelbild zog die Augenbrauen hoch. „Hast du die Sache mit Schwiegermama schon wieder vergessen?“, fragte es mich. „Und die Lehrerin, die dich fast jeden Mittwochvormittag angerufen hat, weil der FeuerwehrRitterRömerPirat über Bauchweh klagte? Und Luise, die so viel krank war? Und deine eigenen Käferchen? Und all die Stundenplanänderungen? Und…“ „Schon gut“, unterbrach ich ungeduldig, denn im Garten warteten ein paar hartnäckige Wurzeln auf mich, „ich habe verstanden: Solange alles mehr oder weniger rund läuft, ist es eine Frage der Disziplin, aber wenn Schwiegermütter, Lehrerinnen und Käfer die Finger im Spiel haben, kann ich wollen, soviel ich will, es wird trotzdem nicht klappen.“ „Schlaues Mädchen“, antwortete mein Spiegelbild. Jetzt war es an mir, die Augenbrauen hochzuziehen. „Mädchen? Hast du uns zwei in letzter Zeit schon mal etwas genauer angesehen?“ „Wie sollte ich?“, fragte mein Spiegelbild zurück, „du rennst ja andauernd wie ein aufgescheuchtes Huhn durch Haus und Garten, da bekomme ich dich kaum je zu Gesicht.“ „Ach ja, ich soll hier vor dem Spiegel rumhängen, wenn meinen Plänen endlich mal nichts im Wege steht?“, raunzte ich. „Und wenn ich dir das nächste Mal begegne, wirfst du mir vor, ich sei ein undiszipliniertes Miststück, das nichts auf die Reihe kriegt.“ Eine Antwort wartete ich nicht mehr ab, denn die Wurzeln brauchten mich jetzt wirklich. Man weiss schliesslich nie, wann der nächste Käfer kommt… 

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