Es gibt eine interessante Nebenerscheinung, wenn man mit einem italienischen Staatsangehörigen verheiratet ist: Man erhält haufenweise Wahlpropaganda ins Haus geliefert. Zumindest seitdem behauptet wird, die Auslanditaliener hätten den Ausgang der letzten Wahl bestimmt.
Der erste war natürlich Silvio. Nun ja, er soll ja letztes Mal wegen der Auslanditaliener die Wiederwahl verpasst haben, weshalb er sich jetzt natürlich ganz besonders für die Stimmen der Ausgewanderten ins Zeug legen muss. Und so hat der liebe Silvio sein ganzes Herzblut in seine Zeilen an die Abtrünnigen vergossen. Er beklagt sich darüber, wie Romano Prodi dem Image Italiens geschadet habe. Die ganze Welt lache nur noch über sein geliebtes Land. Und dann ist dieser böse Romano natürlich höchstpersönlich Schuld am Abfallproblem von Napoli.
Tja, man muss ihm doch Recht geben, dem armen Silvio. Die ganze Welt schaut nur noch mit Verachtung auf die einst grosse Nation. Wie viele Ausländer den Kopf schütteln über ein Volk, das so dumm ist, einen selbstverliebten, schönheitsoperierten, haartransplantierten Geldsack gleich zweimal zu wählen, scheint dem lieben Silvio entgangen zu sein. Und dann das arme Napoli! Seit Jahrzehnten bekannt als eine der saubersten und sichersten Städte Europas, wenn nicht gar der ganzen Welt. Und da kommt dieser Prodi und richtet das Paradies während seiner kurzen Amtszeit kaltherzig zu Grunde.
Zum Schluss seines Briefes gibt er noch einmal alles, der Silvio. Er schliesst „con un cordiale abbraccio“. Man stelle sich dies einmal vor: Er, der Mächtige, der ausgezogen ist, das angeschlagene Italien nach seinen Bedürfnissen zu formen, er, der dafür sorgen muss, dass vor seinem Ableben alle Gesetze in seinem Sinne geändert werden, er, der zwischen Schönheitsoperationen, Schwächeanfällen und Wahlkampfauftritten kaum eine freie Minute hat, er umarmt sie herzlich, seine potentiellen Wähler. So eine herzerwärmende Geste würde unserem Christoph jedenfalls nie in den Sinn kommen.
Gott sei Dank wird der nicht vom Volk gewählt. In unserem kleinen Land wäre die Gefahr wirklich gross, dem Kerl tatsächlich über den Weg zu laufen. Und dann wäre eine Umarmung nicht bloss eine leere Drohung.