Wieder mal haben wir einen Sonntagnachmittag auf der Notfallstation verbracht. Zum dritten Mal innert drei Monaten hatte Luises Auge gestern eine Begegnung mit einem spitzen Gegenstand und weil die Schmerzen schlimmer statt besser wurden, beschlossen wir irgendwann, nicht bis morgen zu warten, bevor wir das Auge kontrollieren lassen. Erste Station: Kinder-Notaufnahme, wo ein netter Doktor Luises Auge ansieht. „Das machst du wunderbar, Luise!“, lobt er das Kind alle paar Sekunden. „Hast du schlimme Schmerzen, Luise?“, fragt er jedes Mal, wenn sie leicht zusammenzuckt. „Ich glaube, du bist schon mal hier gewesen. Ich habe dich auch schon gesehen, Luise“, sagt er beim Abschied und fragt sie, wie viele Geschwister sie hat und ob sie die Älteste ist und dann wünscht er ihr alles Gute. Und schickt uns zu Doktor Nummer zwei, dem diensthabenden Augenarzt.
Dieser würdigt uns keines Blickes, als er uns ins Zimmer bittet. Luises Namen will er gar nicht erst wissen und um solche Kleinigkeiten wie Schmerzen kümmert er sich gar nicht erst. Das Kind soll auf den Stuhl sitzen und zwar sofort. Und dann soll es ihm so schnell als möglich die Buchstaben nennen, die es sieht. Und wenn es zögert, schnaubt er ungeduldig. Und es soll gefälligst nicht zusammenzucken, wenn man ihm mit einem Stäbchen das Auge berührt. Und eine Erklärung, weshalb man dies getan hat, ist man dem Kind auch nicht schuldig, auch wenn es laut und deutlich, wenn auch leicht eingeschüchtert, danach fragt. Und wenn das Kind vor Schmerzen aufheult, zuckt man mit keiner Wimper. Wozu auch? Ist doch bloss eine Routineuntersuchung. Irgendwann ist diese überstanden, das Kind klettert erschöpft vom Untersuchungsstuhl, die Mama bekommt Augentropfen in die Hand gedrückt, hört, dass alles mehr oder weniger in Ordnung sei, auch wenn das Kind es nicht geschafft hat, Buchstaben zu erkennen, die es sonst immer erkennt. Für den Doktor ist alles im grünen Bereich, also soll die lästige Kundschaft gefälligst abziehen.
Das tun wir dann auch, denn Luise ist völlig geschafft von der Untersuchung. Was bin ich froh, wenn wir übernächste Woche wieder zum Augenarzt unseres Vertrauens gehen können. Der sagt zwar auch nicht viel, aber er behandelt Luise mit soviel Liebe, dass sie jedes Mal traurig ist, wenn ihr Auge wieder für eine Weile gesund ist. Vielleicht übersieht sie die spitzen Gegenstände ja mit Absicht? Damit sie wieder zu diesem netten Doktor gehen darf? Der von heute war nämlich ein Idiot, hat Luise gesagt.
Sollte der Herr Doktor per Zufall diesen Post lesen, dann bitte ich ihn, diese Bemerkung nicht persönlich zu nehmen. Luise ist manchmal etwas direkt, vor allem, wenn sie Schmerzen hat. Aber wir nehmen es ja auch nicht persönlich, lieber Herr Doktor, dass Sie Luise wie ein Stück Holz behandelt haben, sondern entschuldigen Ihr Verhalten mit Ihren miesen Arbeitsbedingungen.
So ist es!
Schliesse mich dem Dank an!
Kindermund tut… 😉
Leider gibt es so Ärzte wie Doc Nr.2. Job verfehlt, würde ich sagen.
Ganz anders Doc Nr.1 und der „Augenarzt des Vertrauens“. Da bewahrheitet sich mal wieder der Spruch: Für manche ist der Job Beruf – und für manche Berufung.
Danke an alle Ärzte, die ihren Job aus Berufung machen.