Wir können dem Vollmond die Schuld geben, oder der Lehrerin, die zu viele Hausaufgaben aufgegeben hat, der Schulkameradin, die eine gemeine Bemerkung fallen gelassen hat oder wir können behaupten, das schlechte Wetter sei Schuld. Und wenn am nächsten Tag das Wetter besser, die Laune aber noch immer gleich mies ist, dann schieben wir die Schuld eben der Hitze in die Schuhe. Oder der grossen Müdigkeit. Oder dem Virus, das gerade die Runde macht. Egal, ob die Ferien erst gerade angefangen haben, oder ob sie schon wieder vorbei sind, egal, ob eine ungestörte Nacht hinter uns liegt, oder ob sämtliche Kinder von Albträumen geplagt wurden, egal, ob die Kinder zu viel Zucker in sich reingeschaufelt haben oder ob sie seit fünf Tagen nichts Süsses mehr angerührt haben, wir Eltern finden immer einen Schuldigen, den wir für die miese Laune unserer Kinder verantwortlich machen. Knallt einer die Tür, dann schütteln wir den Kopf und seufzen: „Immer dieser Schulstress…“, tritt einer den anderen aus lauter Wut gegen das Schienbein, murmeln wir etwas von: „Er hat wohl noch immer nicht überwunden, dass sein Geburtstag schon wieder vorbei ist“ und wälzt sich einer wegen der kleinsten Kritik heulend auf dem Fussboden, dann wissen wir ganz genau, dass dieses Verhalten nur durch einen Wachstumsschub oder vielleicht auch durch einen akuten Eisenmangel hervorgerufen werden kann.
Klar, meistens haben die Kinder tatsächlich Gründe dafür, dass sie sich vollkommen daneben benehmen und es lohnt sich bestimmt, immer wieder nachzuhaken, sich dem Kind zuzuwenden und zu fragen, was ihm denn über die Leber gekrochen sei. Und häufig hat man tatsächlich ein paar Tage später, wenn die Ärztin eine Allergie diagnostiziert hat, oder das Kind wieder mal einen ausgedehnten Mittagsschlaf gemacht hat, ein Aha-Erlebnis und man weiss, was der Grund für das Gezeter und Geschrei war. Aber machen wir uns doch nichts vor: Es gibt Tage, an denen unsere Kinder einfach nur mies gelaunte kleine Monster sind, die noch nicht gelernt haben, dass man die Wut nicht an Mama, Papa, Au-Pair und Geschwistern auslässt, sondern an einem zu langsamen Computer, an einem Billett-Automaten, oder, wenn’s gar nicht anders möglich ist, an einem Autofahrer, der einem zu nahe gekommen ist.
