Erwachender Idealismus

Ganz klar, ich habe mal wieder zu viel Zeitung gelesen. Zu viel über Landgrabbing, Pestizide, Spekulation mit Lebensmitteln, desolate Zustände auf Gemüseplantagen in Südeuropa und Afrika, europaweiten Fleischhandel und dergleichen. Nun gut, die Sache mit dem Fleisch könnte mir ja egal sein, weil ich keines esse und für die Familie nur solches aus der Schweiz koche, aber die undurchsichtige Geschichte widert mich eben doch an.

Früher gelang es mir noch besser, solche Meldungen mit der Bemerkung „Ich tue mein Möglichstes, verantwortungsbewusst einzukaufen“ beiseite zu schieben. Immer öfter aber bringe ich es nicht mehr fertig, mein Unbehagen zu verdrängen. Der Wunsch, von jedem Lebensmittel, das auf dem Teller landet, zu wissen, woher es kommt und wie es produziert wird, wächst mit jeder Meldung, die ich zu Gesicht bekomme. Ja, ich weiss, mein Wunsch ist extrem und er wird wohl nie in Erfüllung gehen.

Dennoch ertappe ich mich immer öfter beim Gedanken, man müsste das doch irgendwie auch selbst hinkriegen. Ich meine, so schwierig kann es doch nicht sein, Gemüse, Milch und Fleisch beim Bauern zu besorgen, ein paar eigene Sachen anzubauen und Vorräte für den Winter selber einzumachen. Erste Gehversuche habe ich bereits gemacht, aber reicht mir das? Was ist mit Kleidern, Schuhen und all den anderen Dingen, die eine Familie eben so braucht? Würde ich mich nicht umso mehr über unumgängliche Kompromisse ärgern, je mehr ich versuchte, nach meinem Gewissen zu handeln? Und hätte ich überhaupt den langen Atem, den es braucht, um das alles über Jahre durchzuziehen?

Ich weiss es nicht, aber vielleicht mache ich mir mal Gedanken darüber, wie wir aus unserem Umschwung etwas mehr Garten machen könnten.

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5 Gedanken zu “Erwachender Idealismus

  1. Ist gern geschehen und danke für die mutmachenden Worte. Manchmal frage ich mich ja schon, ob nicht längst alles gesagt wäre.

  2. Ich lese mich seit Tagen rückwärts durch ihren Blog. Themen wie Nachhaltigkeit, Gesundheit, Grüner Daumen und die Balance von Familie und, nennen wir es so, Geldverdienen reizt mich, reizt mein eigenes Denken! Vielen Dank, ich bin jeden Tag aufs neue motiviert ♡♥

  3. Ja, das stimmt! Ich glaube, da muss wirklich jeder eine Lösung für sich selbst finden, denn es gibt doch IMMER irgend etwas, das nicht zu 100% hinhaut und das man noch verbessern könnte. Das Stichwort heißt hier: Kompromisse. Wenn man die nicht eingeht, verbringt man seine Zeit nur noch mit Planen und Recherche, statt wirklich was zu machen.

  4. Was mir am meisten zu schaffen macht: Jedes Mal, wenn du denkst, du hättest eine halbwegs vertretbare Lösung gefunden, weist dich wieder einer auf einen Nachteil hin, den diese Lösung nach sich zieht.

  5. Hach, darüber haben wir auch schon so oft nachgedacht. Schatzi hat voriges Jahr einiges an Gemüse im Volksgarten angebaut, doch für uns beide reichte das lange nicht aus. Gut, ein einzelnes kleines Beet kann auch gar nicht so viel Ertrag bringen. Auch die balkonpflanzen haben nur hier und da mal eine kleine Tomate, Gurke oder Paprika abgeworfen. Keine mahlzeit, eher mal ein Zwischensnack.
    Für Kleidung und Hygieneartikel und all die anderen Sachen gibt es tolle Shops, doch sie sind natürlich recht teuer. Dafür hat man sie meist länger und das gute Gewissen dabei ist unbezahlbar.
    Aber hier hört das ganze ja noch lange nicht auf. Woher der Strom? Wie kommt man zur Arbeit? PC, TV und Handy lieber abschaffen wegen der Metalle darin, die menschenunwürdig abgebaut werden? Das sind alles schwierige Fragen und manchmal gar nicht so einfach zu beantworten. Wirklich klimaneutral, umweltfreundlich, menschenfreundlich, ökologisch bewusst zu leben ist in unserer industriellen, modernen, kapitalistischen Welt kaum mehr möglich. Ein Hoch auf alle, die es wenigstens versuchen. Wir haben für uns eingesehen, dass es uns nicht gänzlich möglich ist, doch wir leben bewusst und tun unser Bestes, wenn es auch nicht in jeder Hinsicht immer machbar ist. Irgendwo muss man ja schließlich anfangen. Und lieber einen kleinen Schritt tun als gar keinen 😉

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