Meine lieben Ordnungsliebenden

Ich hätte da mal eine Frage: Was ist das Wichtigste, das ihr euren Kindern mitgeben wollt? Natürlich, ich weiss, jetzt kommen die üblichen Begriffe, Liebe, Selbstbewusstsein, Werte, Eigenständigkeit, Toleranz, eine gute Basis fürs Leben und so fort. Den meisten von euch nehme ich das durchaus ab, bei einigen aber scheint mir, dass euch an etwas anderem viel mehr gelegen ist: An Sauberkeit und Ordentlichkeit.

Ja, auch ich weiss Ordnung und Sauberkeit zu schätzen, obschon unsere Wohnung nur selten danach aussieht, auch ich bemühe mich nach Kräften darum, dem Chaos Herr zu werden, leider meist mit geringem Erfolg. Wenn aber eines meiner Kinder mir heute peinlich berührt ausrichtet: „Du, Mama, die Eleonora hat in der Pause gesagt, ich solle dir sagen, wie du besser Ordnung halten könntest. Sie findet, du solltest alle Zimmer mal ausräumen und dann fein säuberlich wieder einräumen“, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Ein Kind, das andere nur nach ihrer Ordentlichkeit beurteilt, finde ich echt beängstigend und offen gestanden höre ich hier nicht das Kind reden, sondern die Mutter, die dem Kind vor dem Besuch bei uns sagt: „Dass du mir aber auch ganz bestimmt keine schlechten Gewohnheiten mit nach Hause bringst. Du weisst, wie es diese Vendittis mit der Ordnung halten. Eigentlich sind solche Leute ja kein Umgang für dich…“

Nun könnt ihr mir natürlich sagen, ich solle das alles nicht so wichtig nehmen, Kinder seien halt gnadenlos ehrlich. Und ein Stück weit muss ich euch auch Recht geben. Luise hatte ja auch mal eine Phase, während der sie äusserst Einzelkind-feindliche Aussagen machte. „Weisst du, Sven“, hörte ich sie mal beim Spielen im Garten sagen, „du kannst eigentlich nichts dafür, dass du bist, wie du bist. Du bist eben ein Einzelkind.“ Peinlich, ganz klar, und es lässt sich nicht leugnen, dass die damals Vierjährige etwas aufgeschnappt haben musste, was „Meiner“ und ich einmal unüberlegt über ein Einzelkind in unserer Bekanntschaft dahergesagt hatten. Wenn aber eine Fünftklässlerin der Mutter eines Schulkameraden ausrichten lässt, sie solle gefälligst etwas mehr Ordnung halten, dann verletzt mich das und ich frage mich, was man diesem Kind auf den Lebensweg mitgegeben hat. 

Ich weiss, ihr, die ihr so viel Wert auf eine blitzblanke Wohnung legt, könnt nicht verstehen, weshalb mich diese Episode traurig stimmt. Ich versuche, es euch zu erklären: In meinem Leben haben Menschen allererste Priorität, mir ist fast jeder zu fast jeder Zeit willkommen. Für Menschen lasse ich fast alles stehen und liegen, auch Mopp und Besen. Oft brüskiere ich sogar meine Familie, weil ich auch dann die Tür aufreisse, wenn wir eigentlich Ruhe haben möchten  und ich eben noch laut verkündet hatte, ich wolle eine Weile lang gar niemanden sehen, nicht mal meine Liebsten. Wenn nun jemand ins Haus kommt und nur die mangelhafte Ordnung, nicht aber den Teller voller frischem Gebäck sieht, dann schmerzt das. Und weil ich weiss, dass ein Kind irgendwo gelernt haben muss, auf Menschen wie mich herabzusehen, werde ich wohl auch der Mutter dieses Kindes in nächster nicht mehr ganz unbeschwert begegnen können. 

Darum, ihr lieben Ordnungsliebenden, bitte ich euch, euren Kindern beizubringen, dass auch weniger ordentliche Menschen ihre liebenswerten Seiten haben. Im Gegenzug verspreche ich, meinen Kindern zu erklären, wer gerne alles blitzblank habe, sei deswegen noch lange nicht kaltherzig, auch wenn er vielleicht mal sagt, man solle bitte die schmutzigen Schuhe ausziehen, der Boden sei gerade frisch gewischt. Würde ich übrigens auch sagen, wäre der Boden bei uns jemals blitzblank…

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2 Gedanken zu “Meine lieben Ordnungsliebenden

  1. Theoretisch leben wir auch nach diesem Grundsatz, in der Praxis sind unsere Jüngsten noch zu klein, um die Sache selber in Griff zu bekommen.

  2. Ich verstehe sehr gut, dass dich solche Aussagen schmerzlich treffen. Ganz sicher würde ich ebenso verletzt reagieren, halte ich es doch ganz ähnlich…. wer mich besucht hat Vorrang, putzen und aufräumen kann ich irgendwann danach auch noch.
    Im Laufe der Jahre habe ich es so gelernt, (und zwar mit Hilfe meiner Kinder 😉 ) dass ich in den Räumen „meiner Zuständigkeit“ eine gewisse Grund-Ordnung (weiiiiit entfernt von penibler Sauberkeit) einhalte. Während die Kinder- und das Schlafzimmer (das der Schnarchmann sozusagen ganz alleine nutzt) DEREN Sache sind. Heißt: dort räumen SIE auf, und zwar so, dass SIE sich wohlfühlen oder dafür schämen können, eben so, wie sie denken es sei „in Ordnung“.
    Damit bin ich aus dem Schneider, kommen solche Kommentare, sind diese definitiv nicht an mich gerichtet, soindern an die Besitzer und Bewohner der Zimmer. Die das wiederum sehr genau wissen, denn: als nicht-mehr-hinterher-schimpf-Mutter gelte ich sowohl beim eigenen Nachwuchs als auch bei deren Besuchern als „total gechillt und cool und verständnisvoll“.
    (und ein bisschen Schadenfreude ist mir auch gegönnt, schließlich kriege ich es ja mit, wenn eine Freundin zur Tochter sagt: bei Dir siehts ja NOCH schlimmer aus als bei mir…..)
    Niemals würde Töchterlein sagen: meine Mutter räumt hier ja auch nie auf…. denn DAS weiß sie, dass es ihre Zuständigkeit ist. Das genießt sie, wenn sie lieber draußen Fußball spielen geht als „Ordnung“ zu schaffen, deshalb kann sie es auch „ausbaden“ und aushalten.
    (natürlich bin ich bereit, den Kindern zu helfen, wenn sie mich darum bitten. Ich ordne, sortiere, miste aus, gebe Tipps in welcher Reihenfolge der Raum wieder auf Vordermann gebracht werden kann. Aber nur dann wenn sie es von sich aus wollen)
    „Chill dich mal“…. den Satz der Jugend befolge ich. Tut mir sehr gut! 😉

    Viele liebe Grüße

    anabel

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