Umgangsformen

Gestern sah ich im Internet ein Inserat, das mich interessierte. Also schrieb ich dem Verkäufer eine Nachricht und zwar so, wie ich das für anständig halte: Höfliche, aber eher informelle Anrede, ein einleitender Satz, zwei Fragen und freundliche Grüsse. Ein paar Stunden später kam die Antwort. Ohne Anrede, ohne Gruss, einfach nur drei Worte: „Ist schon weg!“

Ich war offen gestanden ziemlich brüskiert, aber auch verunsichert. Macht man das heutzutage so? Muss ich einen auf Kulturpessimismus machen? Oder beweist meine Empörung über die kaltschnäuzige Antwort, dass ich allmählich wirklich alt werde?

Karlsson, der noch deutlich weniger Jahre auf dem Buckel hat als ich, teilte meine Empörung. So etwas gehe nun wirklich nicht, meinte er. Mindestens eine Anrede und ein Gruss wären Pflicht gewesen.

Im ersten Moment beruhigte mich Karlssons Reaktion. Offenbar sind gute Manieren noch nicht gänzlich abgeschafft worden. Dann aber fiel mir ein, dass Karlsson seine Korrespondenz vorzugsweise handschriftlich in schwungvollen Buchstaben, wie sie zuletzt wohl vor neunzig Jahren in Mode waren, erledigt.

Ob einer, der ganz offensichtlich im falschen Jahrhundert zur Welt gekommen ist, als Experte für Umgangsformen im Jahr 2016 taugt?

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3 Gedanken zu “Umgangsformen

  1. du verlangst einfach zu viel. Dass der Verkäufer überhaupt geantwortet hat, ist das höchste Mass an Höflichkeit, das du erwarten kannst.

  2. Liebe Tamar,
    da muss ich stille Mitleserin mich doch mal wieder zu Wort melden.
    Du bist mit deinem Sohn mit Sicherheit nicht die einzige, die sich an diesen Umgangsformen stört. Ich habe zuletzt auf meine Fragen bei Kleinanzeigen auch oft solche minimalistischen Antworten bekommen oder mit sehr höflicher Anrede solche wie diese (von einen Nutzer dessen Name sich sehr deutsch anhörte): „die ab Maße für den Schließ Riegel den Schnapper können aufpassen ob die Türen aus Echtholz oder Echtholz von mir sind weiß ich nicht. Sie können sich gerne ein Bild vor Ort machen.“ Meine Frage zielte darauf ab, abwägen zu können, ob es sich nun lohnt, den Weg auf sich zu nehmen, um sich ein Bild vor Ort zu machen.
    Muss man fürchten, dass die Menschheit verlernt, Sprache als Verständigungsmittel zu gebrauchen? Vielleicht kommunizieren zukünftige Generationen irgendwann nur noch mit per Smartphone verschickten Fotos und Emoticons.
    Deine Texte lassen hoffen, dass es auch noch anders geartete Leute gibt!
    Liebe Grüße aus Norddeutschland

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