„Meiner“

Ich glaube, ich muss da mal etwas klarstellen: Wenn ich öfters mal über „Meinen“ und seine ziemlich schrägen Einfälle berichte, ist dies nicht als Gejammer über meinen Mann, der sich einfach nicht in mein Schema pressen lässt, zu verstehen. Er ist weder mein sechstes Kind, noch mein soziales Projekt und schon gar nicht mein Gegner, ich habe nicht das Gefühl, ihn erziehen oder gar domestizieren zu müssen. 

Ja, er geht die Dinge anders an als ich und manchmal fällt er mir damit ziemlich auf die Nerven, aber ich sehe keinen Grund, ihm beibringen zu müssen, wie man „es richtig macht“. Ich bin doch nicht seine Chefin und bloss weil ich mehr zu Hause bin, heisst das noch lange nicht, dass ich ihm über die Schultern schauen und ihn korrigieren müsste. Ich sehe es übrigens auch nicht als besonders erwähnenswert an, dass er ganz selbstverständlich zu Lappen, Besen und Kochlöffel greift. Ich weiss, es gibt noch immer Frauen, die dies als äusserst bewundernswert und heldenhaft ansehen, aber er ist ja nicht bloss zu Gast hier, meine Kinder sind auch seine Kinder, meine Unordnung ist auch die Seine. Es käme keinem Menschen in den Sinn, zu mir zu sagen: „Wahnsinn, du verdienst tatsächlich Geld, damit ‚Deiner‘ nicht alleine die Familie ernähren muss. Hut ab!“ Dafür aber sagt man öfters: „Wahnsinn, ‚Deiner‘ kocht tatsächlich Abendessen. Das ist aber auch keine Selbstverständlichkeit.“

„Meiner“ und ich sind gemeinsam unterwegs, wir tragen beide unseren Teil dazu bei, den Karren zu ziehen und auch wenn wir uns nicht immer einig sind, so verspüre ich doch nicht das geringste Bedürfnis, in Frauenrunden – und im Blog –  über ihn herzuziehen, denn wenn mir etwas an ihm nicht passt, dann sage ich ihm das direkt. Ach ja, und „Meiner“ nenne ich ihn hier nicht, weil er mein Besitz wäre, sondern weil er und ich es absolut lächerlich finden, wenn Frauen ihren Partner als „Ihren“ bezeichnen. 

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Wir können auch so

Nach den Kapriolen der vergangenen Monate hatte ich es selber nicht mehr für möglich gehalten, aber „Meiner“ und ich bringen es tatsächlich fertig, einen unbeschwerten Tag zu zweit nicht nur im Kalender einzutragen, sondern auch durchzuziehen. Alle Lehrkräfte gesund, Kinder komplett käferfrei, Prinzchen für einmal ohne sein sonst übliches montägliches „Staatskinder“-Gehabe -„Ich will nicht in die Krippe, ich will bei dir bleiben Mama!!!“ -, die Gutscheine für die Wellness-Oase noch längst nicht abgelaufen und diesmal sogar ohne hektische Suchaktion auffindbar, keine Anrufer, die einen mit einem ganz dringenden Anliegen zu einer spontanen Hilfsaktion zwingen, das Auto fahrtüchtig und mit halb vollem Tank. Weder unsere hochschwangere Katze, die kaum mehr von meiner Seite weicht, noch die Programmänderung, zu der „Meiner“ mich in letzter Minute überredete, konnten uns daran hindern, in schönster Eintracht morgens vor halb neun das Familienleben für ein paar Stunden hinter uns zu lassen.  

Es gab viel zu geniessen in diesen Stunden – ein Frühstück, das so süss und ungesund war, dass unsere Kinder nie davon erfahren dürfen, eine ziemlich menschenleere Saunalandschaft voller Überraschungen, vollkommen ungestörte Gespräche im Wechsel mit himmlischer Stille, ein Mittagessen, nach dem andere unseren Dreck wegräumen mussten. Was mich an diesem rundum gelungenen Tag zu zweit am meisten freut: Egal, wie sehr wir uns im Familienalltag zuweilen auf die Nerven fallen und egal, wie oft wir in der Hektik aneinander vorbeireden und zuweilen auch -leben, wenn wir mal Zeit haben, dann sind „Meiner“ und ich sofort wieder siebzehn. Dann quatschen wir, schmieden Pläne, grinsen über Menschen, die einfach nur peinlich sind und freuen uns daran, dass wir einander haben. 

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Schadenersatz

Okay, es ist nicht nett, wenn die Leute mich während der Frühlingsferien unserer Kinder mit frühmorgendlichen Anrufen aus dem Bett schmeissen. Da aber die wenigsten wissen, was für ein Morgenmuffel ich bin, werde ich es niemandem verübeln dürfen, wenn er es dennoch tut. Immerhin geht die Mehrheit der Menschheit davon aus, eine fünffache Mutter sei jeden Tag vor dem ersten Hahnenschrei aus dem Bett, was vermutlich auch für die meisten fünf- und mehrfach-Mütter auf diesem Planeten zutrifft. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als den Menschen, die auf meine Morgenmuffeligkeit keine Rücksicht nehmen, grossherzig zu verzeihen.

„Meiner“ aber, der nun seit mehr als 22 Jahren mit mir unterwegs und seit bald 15 Jahren mit mir verheiratet ist, der schon meine miesesten frühmorgendlichen Gefühlsausbrüche über sich ergehen lassen musste und der Tag für Tag miterlebt, wie schwer ich morgens aus dem Bett komme, soll gefälligst darauf verzichten, mich morgens um fünf vor acht aus dem Tiefschlaf zu reissen, weil er zu Hause etwas vergessen hat, was er in der Schule braucht. Und das an einem Tag, an dem ausnahmsweise mal keines der Kinder um halb sieben ins Zimmer gestürmt war mit der dringenden Nachricht, das Erdnussbutterglas sei leer und das nur, weil der grosse Bruder, dieser Gierhals, den letzten Rest alleine gegessen habe.

Gut, natürlich habe ich auch „Meinem“ inzwischen verziehen, dass er meinem Tiefschlaf ein vorzeitiges Ende bereitet hat. Musste ich ja, wo er mir als Entschuldigung dieses traumhafte, weiche Kissen geschenkt hat. Vielleicht sollte ich bei den anderen Leuten, die mich frühmorgens aus dem Bett klingeln, auch auf Schadenersatz bestehen. Dann hätte ich bald einen Haufen wunderschöner Kissen. Oder zumindest endlich Ruhe am Morgen, weil keiner mehr auf die Idee käme, mich anzurufen, ehe ich richtig wach bin.

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Aber doch nicht tiefgekühlt!

Sollte in dieser grossen, weiten Welt der divergierenden Meinungen ein Kompost-Experte sein, der die Meinung vertritt, Kompost werde erst dann richtig gut, wenn er vor dem Einschichten in den Behälter tiefgefroren und wieder aufgetaut wird, dann ist er gebeten, seine Meinung für sich zu behalten. Ich lasse nicht zu, dass man in dieser Sache „Meinem“ das Wort redet, der meine Kompostschüssel für eines seiner Tiefkühl-Fotoexperimente an sich gerissen hat.

Da mache ich mich beim Kuchenbacken zum Gespött meiner Tochter, weil ich die Eierschalen zerkleinere, bevor sie in der Kompostschüssel landen, mit gestrengem Blick wache ich darüber, dass auch ganz bestimmt keine Fleischresten hineingeschmuggelt werden, ja, ich erwäge gar, einen familieninternen Informationsabend zu organisieren, damit auch ganz bestimmt keiner auf die Idee kommt, geplatzte Luftballons, einbeinige Playmobil-Figuren und missratene Prüfungen als Kompostiergut zu deklarieren.

Als ich aber heute – sehr – früh wiedermal Eierschalen zerkleinern wollte, war die Schüssel weg. Zuerst fürchtete ich ja, „Meiner“ hätte in einem Anflug von Ketzerei den ganzen Inhalt in den Abfallsack gekippt, aber er beruhigte mich, das Zeug ist noch da, einfach vorübergehend tiefgefroren. „Nur, bis ich die Zeit habe, ein paar Fotos zu schiessen, dann kannst du dein Zeugs wieder haben“, sagte er mit einem Blick, der wohl treuherzig hätte sein sollen, der in meinen Augen aber klar die Botschaft „Mein Tiefkühlwahn ist stärker als deine Kompostierwut“ vermittelte. Natürlich wollte er mir weis machen, der Kompost werde nach seiner Aktion noch viel besser, als wenn er auf konventionelle Weise behandelt werde und vermutlich hätte er, so er denn Zeit gehabt hätte, irgend einen fiktiven Experten aus irgendeinem Artikel, den er angeblich in der „NZZ am Sonntag“ gelesen hat, zitiert, der seine frevelhafte Tat rechtfertigt.

Sollte jemand unter meinen Lesern die gleiche Meinung vertreten wie „Meiner“, ist er ausdrücklich gebeten, dies für sich zu behalten. In Kompostfragen dulde ich keinen Widerspruch. Zumindest nicht bevor mein Projekt grandios gescheitert ist.

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Zweisam

Man kann es in jedem Babyratgeber nachlesen: Kommt Nachwuchs, wird es schwieriger, Zeit zu zweit zu finden. Wer aber sagt dir, dass es später, wenn die Kinder grösser sind, eher noch etwas schwieriger wird? Hier ein paar Erschwernisse, vor denen kaum einer warnt und die der Beziehung ganz schön zusetzen können:

Hausaufgaben: In der Theorie werden sie erledigt, kaum hat das Kind einen Zvieri im Bauch. In der Praxis sitzt das Kind an gewissen Tagen durchaus bis neun Uhr abends hinter den Büchern – mal, weil auf dem Tagesprogramm noch andere Dinge standen, mal weil der Lehrer einen ganzen Berg Hausaufgaben aufgegeben hat, mal weil das Kind die Sache zu lange vor sich hergeschoben hat. Und nun versuch mal, Feierabend zu machen, solange nicht die allerletzte Aufgabe gelöst ist…

Sorgen: Grosse Kinder verdrängen ihre Alltagssorgen oft erfolgreich, solange der Tag noch in vollem Gang ist. Abends aber, wenn es ruhiger wird, sind die Sorgen wieder präsent und dann muss geredet werden. Weil du so dankbar bist, dass dein Teenager mit dir reden will, wirst du ihm das Gespräch ganz bestimmt nicht verweigern.

Müdigkeit: Du glaubst doch nicht etwa, nach der Babyphase lasse sich das wieder ins Lot bringen? Klar, irgendwann werden die durchwachten Nächte weniger und die körperliche Anstrengung lässt nach. Die Verantwortung für die Kinder aber bleibt, lastet vielleicht sogar schwerer als früher auf deinen Schultern, der Job fordert dich voll und ganz, früher oder später lässt die Gesundheit von Eltern und Schwiegereltern nach und du wirst voll gefordert. Weil du dich mit der Geburt deiner Kinder daran gewöhnt hast, deine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen, wirst du damit vermutlich nicht ausgerechnet in dieser Phase aufhören. Weil du aber in der Zwischenzeit nicht jünger geworden bist, zehrt das Ganze an deinen Kräften und so geschieht es schnell, dass man den Abend dösend vor dem Fernseher verbringt, anstatt in trauter Zweisamkeit.

Babysitter: Gar nicht so einfach, für grössere Kinder einen Babysitter zu finden und zwar darum, weil die Kinder partout nicht einsehen wollen, weshalb ihr ihnen noch keinen sturmfreien Abend gönnen wollt.

Volles Programm: Früher warst vielleicht du der Chef, aber heute bestimmen Sportvereine, Jugendgruppen, Freunde und Freizeitveranstaltungen das Programm. So kommt es, dass du am Samstagabend um halb elf den Chauffeur machst, anstatt mit „Deinem“ bei Kerzenschein und einer guten Tasse Tee den Abend zu geniessen.

Will ich damit sagen, das Familienleben sei der Tod der Beziehung? Nein,auf gar keinen Fall, ich bin da ganz optimistisch. Aber es bleibt wohl eine Herausforderung, Zeiten zu finden, in denen man nur füreinander da ist. Vielleicht muss man in der Gestaltung noch ein wenig kreativer werden als man es als Eltern ohnehin schon sein muss, weil der Abend nicht mehr automatisch der Partnerschaft gehört. Dafür vielleicht der Samstagnachmittag, eine Mittagspause oder sonst ein Tag, an dem ausnahmsweise mal alle gleichzeitig Programm haben.

Na ja, dann sollte man natürlich noch schlau genug sein, diese neuen Gelegenheiten zu erkennen, aber da haben zumindest „Meiner“ und ich noch einiges zu lernen.

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Wunderhaus

Als ich am Mittwoch das Mini- Gewächshaus besorgte, in dem bald schon Peperoni, Melonen und Auberginen wachsen sollen, fürchtete ich Schlimmes. Das Ding stammt aus einem Baumarkt, kommt in einer Schachtel voller Einzelteile daher und kostete fast gar nichts. Jeder, der schon einmal etwas aus dem Baumarkt zusammengebaut hat, weiss, was das bedeutet: Fehlende Schrauben, Teile, die nicht richtig aufeinander passen, keine passenden Werkzeuge und Ehekrach.

Die Anmerkungen zu Beginn der Anleitung verstärkte meine Befürchtungen zusätzlich. Da hiess es nämlich, man solle das Haus nicht aufbauen, wenn man müde sei, an Schwindelanfällen leide oder unter dem Einfluss von Drogen stehe. Nun gut, das mit den Drogen brauchten wir nicht zu beachten, dafür aber stellte die Sache mit der Müdigkeit ein echtes Problem dar, müssten wir doch bis zu unserem Lebensende warten mit dem Aufbau, wollten wir diese Warnung berücksichtigen. Nach einigem Zögern entschlossen wir uns dazu, es trotz Müdigkeit zu versuchen, hielten uns dafür aber sklavisch an die Anleitung, sogar in dem Punkt, dass Kinder von der „Baustelle“ fernzuhalten seien.

Und siehe da, wir haben das Unmögliche geschafft, das Häuschen steht und zwar erstaunlich stabil. Das alles ganz ohne verzweifelte Suche nach verlorenen Schrauben, ohne Zurechtbiegen von unpassenden Teilen, ohne Schimpftiraden auf unbrauchbare Skizzen, ja, sogar ohne eheliches Gezanke. Nur die Kinder mussten wir zwei oder dreimal in die Schranken weisen, aber darauf hatte uns die Anleitung ja bereits hingewiesen. Hätte „Meiner“ am Ende nicht die Tür verkehrtherum angebracht, wir hätten heute Abend auf unseren Erfolg anstossen können.

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Copyright-Streit

Nicht nur unsere Kinder lernen von uns, auch wir lernen von ihnen. Die Bedeutung des Copyrights im Familienalltag hätten wir ohne sie wohl nie erkannt. Kommt einem ein unschuldiges „Au au“ über die Lippen, zetert der FeuerwehrRitterRömerPirat sofort los: „Das darfst du nicht sagen, das habe ich erfunden. ‚Au au‘ gehört mir und sonst niemandem!“. Und er hat damit ja in gewisser Hinsicht Recht, denn er war der einzige unserer Kinder, der als Kleinstkind jeweils „Au au!“ schrie, wenn er bekommen wollte, was die anderen bereits hatten. Singt jemand ohne Hintergedanken „So so so, zwei Chämi uf em Brot…“ steht sofort Karlsson da und fordert seine Tantiemen. Auch er zu Recht, haben doch er und sein bester Freund das Lied im zarten Alter von viereinhalb Jahren zur Melodie von „Summ summ summ, Bienchen summ herum“ getextet. Und äussert einer den sehnsüchtigen Wunsch, einmal eine echte, flauschige Wolke sein Eigen zu nennen, macht ihn der Zoowärter darauf aufmerksam, dass dieser Traum auf seinem Mist gewachsen ist, als er einmal abends brüllend im Bettchen stand und schrie, er wolle eine Wolke haben.

Im Laufe der Jahre sind „Meiner“ und ich zu regelrechten Experten in Sachen innerfamiliäres Copyright geworden und ich weise nicht ohne Stolz darauf hin, dass ich in diesem Bereich dank meines guten Gedächtnisses für frühkindliche Episoden klar die Führungsposition inne habe. Bis jetzt habe ich meine überragenden Fähigkeiten in Sachen Copyrightschutz aber nur angewendet, wenn der Streit ums Urheberrecht den Familienfrieden zu gefährden drohte. Nun aber hoffe ich, meine Überlegenheit für einmal zu meinem eigenen Vorteil einsetzen zu können. 

Es ist nämlich so: Gestern drehte ich beim Putzen den Küchentisch um 90 Grad und weil ich nach dieser Aktion von einer Schlafattacke übermannt wurde, blieb das Möbelstück so stehen, wie ich es gedreht hatte. „Meiner“ nützte meinen komatösen Zustand auf schamlose Weise aus, indem er das von mir begonnene Werk perfektionierte, was allerdings keines grossen Könnens bedurfte, hatte ich mit meiner raffinierten Tischdrehung doch bereits den Grundstein für eine vollkommen neue Küchenordnung gelegt. „Sieht gut aus, findest du nicht auch?“, bemerkte ich, als ich endlich wieder wach genug war, um mein Umfeld klar zu erkennen. „Da staunst du, wie ich das hingekriegt habe, wo doch gewöhnlich du fürs Möbelrücken zuständig bist“, fügte ich noch hinzu. „Aber das hab ich doch gemacht“, gab „Meiner“ leicht verwundert zurück. „Hast du nicht, das war meine Idee“, beharrte ich worauf er behauptete, er hätte den Tisch noch ganz gerade gerückt und die Hocker neu geordnet. Und deswegen glaubt er jetzt natürlich, jegliches Lob, das wir fürs Umstellen bekommen, könne er auf seinem Konto verbuchen, was natürlich gar nicht geht, wo ich doch die bahnbrechende Entdeckung gemacht habe, dass die Küche mit gedrehtem Tisch viel besser aussieht.

Ich glaube, ich muss mal die Kinder fragen, wie sie ihren Forderungen jeweils Nachdruck verleihen. Im Schlichten bin ich nämlich eindeutig erfahrener als im Beharren auf meinem Urheberrecht.

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Dreisamkeit

Zugegeben, im ersten Moment hätte ich laut aufschreien können vor lauter Enttäuschung. Drei Wochen lang hatten wir uns auf diesen Montag gefreut, auf unseren Montag. Eine kleine Entschädigung für die drei Tage in Bonn, die wegen des Spitalaufenthalts von „Meinem“ ins Wasser gefallen waren. Kostbare Zeit zu zweit, ohne nur eine einzige Programmänderung vornehmen zu müssen. 

Und dann wird Zoowärters Kindergärtnerin krank. Natürlich habe ich Mitleid mit der Frau, aber ich bemitleide auch mich selbst. Warum kommt jedes Mal etwas dazwischen, wenn „Meiner“ und ich etwas für unsere Beziehung tun wollen? „Meiner“ reagiert zuerst einmal ganz ähnlich. „Dann blasen wir das Ganze eben ab, räumen wir halt morgen die Wohnung auf, anstatt den Tag zu geniessen“, ist sein erster Kommentar, als ich ihm mitteile, dass nichts wird aus unseren Plänen. Ob wir versuchen sollen, ganz kurzfristig einen Babysitter zu finden?

Doch dann fällt uns der Zoowärter ein. Wann haben wir denn schon die Möglichkeit, uns voll und ganz diesem einen Kind zu widmen, das mit seinem verträumten Wesen im Trubel allzu oft zu kurz kommt? Zeit zu zweit bekommen wir nicht, aber Zeit zu dritt ist ebenso kostbar und fast ebenso rar. Also weg mit dem Frust, her mit einem neuen Plan. 

Es wird nicht der Tag, den wir uns erträumt hatten, rundum gelungen ist er dennoch. Weil es einfach schön ist, mit dem Zoowärter Zeit zu verbringen. Weil wir alles ganz gemächlich angehen können, da der Zoowärter auch ohne grosse Action glücklich ist. Weil sich zwischen „Meinem“ und mir erstaunlich tiefgründige Gespräche entspinnen. Weil der Zoowärter so dankbar ist für das rare Geschenk der Dreisamkeit, dass er mich abends mit ganz viel Hilfe beim Kochen beschenkt. Weil wir den Tag nicht mit Selbstmitleid und Aufräumen vergeudet haben.

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Umgewöhnung

Morgens um Viertel nach sieben. „Meiner“ schwirrt wie eine wütende Wespe durch die Wohnung, will noch alles halbwegs erledigt haben, bevor er zur Arbeit geht: Wäsche, Geschirr, Abfall, Speisereste, Altpapier. Zwischendurch noch kurz Kakao kochen und Brötchen schmieren. Aber sich selber mal einen Moment lang hinsetzen, etwas essen und trinken? Kommt nicht in Frage, keine Zeit.

Anfangs lasse ich ihn gewähren, aus lauter Gewohnheit. So lief es in den vergangenen zwei Jahren immer, warum sollte es jetzt also anders sein, wenn er wieder zur Arbeit geht? Plötzlich aber dämmert mir, was da abgeht. „Meiner“ versucht mal wieder, den Hausalt irgendwie über Wasser zu halten, wie wir das eben getan haben, als weder er noch ich richtig Zeit hatten dafür. Die Hausarbeit wurstelten wir irgendwie zwischen Arbeit, Familienzeit, Sitzungen, Arztterminen und Kindergeburtstagsparties durch. Das war zwar alles andere als befriedigend und man sah es sowohl der Wohnung als auch unseren Augenringen bald einmal an, aber anders schafften wir es nicht.

Jetzt aber ginge es anders, nur leider hat es „Meiner“ noch nicht bemerkt. Noch glaubt er, er müsse seinen sich verbessernden Gesundheitszustand aufs Spiel setzen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Er hat sich so sehr daran gewöhnt, dass der Posten der Hausfrau bei uns über Jahre unterbesetzt war, dass es ihm schwer fällt, sich daran zu gewöhnen, dass er jetzt überbesetzt ist. Denn seien wir doch ehrlich: Mit einem einzigen – äusserst ordnungsliebenden – Kind, das noch den ganzen Tag im Haus ist, sollte selbst ich es hinkriegen, die Dinge einigermassen unter Kontrolle zu halten.

Nun ja, das Prinzchen hat sich zwar bei „Meinem“ beklagt, ich sei faul, aber ich hoffe doch sehr, dass der gute Mann auf eine solche Verleumdung nicht hereinfällt und deswegen wie ein Irrer der Hausarbeit hinterher hetzt.

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Probelauf

Mir kommt es so vor, als würden „Meiner“ und ich in diesen Tagen einen Probelauf für das Rentenalter absolvieren. Rund um die Uhr sind wir zusammen und immer wieder ergeben sich Dialoge, die es im Familienalltag gar nicht geben dürfte. Zum Beispiel beim gemeinsamen Start in den Tag, nachdem alle Kinder aus dem Haus gegangen sind:

Er: „Nimmst du auch en Tässchen Tee?“
Ich: „Nein, ich glaube, heute nehme ich lieber einen Kaffee.“
Er: „Bist du sicher? Ich hätte gerade heisses Wasser…“
Ich: „Sicher, heute lieber Kaffee. Ich konnte gestern nicht so gut einschlafen, darum brauche ich jetzt ganz dringend Koffein.“
Er: „Ich bin auch nicht so gut eingeschlafen. Vielleicht lege ich mich heute nach dem Mittagessen noch einmal hin.“
Ich: „Das solltest du wirklich tun. Man hat ja nicht immer die Gelegenheit dazu. Reichst du mir mal eine Zeitung?“
Er: „Die AZ oder das OT?“
Ich: „Kommt nicht so drauf an, steht ja ohnehin das gleiche drin.“
Er: „Also gut, ich nehme zuerst das OT.“

Schweigen. Wir lesen beide.

Ich: „Das ist doch nicht zu fassen…“
Er: „Was denn?“
Ich: „Da hat doch tatsächlich einer versucht…“
Er: „Ach ja, das habe ich auch gelesen. So etwas ist doch einfach die Höhe.“
Ich: „Man möchte glauben, dass so etwas nicht möglich ist, aber die Leute schrecken ja vor nichts mehr zurück…“

Wieder schweigen und lesen.

Er: „Hast du den hier gesehen? Ein totaler Spinner!“
Ich: „Nein, soweit bin ich noch nicht. Ich lese da noch dieses Interview.“
Er: „Ach so, das habe ich nicht gelesen. Du, bevor ich es wieder vergesse, wir müssen heute unbedingt noch Abfallsäcke besorgen.“
Ich: „Haben wir schon wieder keine mehr.“
Er: „Doch, aber ich kann sie nicht mehr finden. Ich habe sie wohl in der Garage liegen lassen, bloss weiss ich nicht mehr wo.“
Ich: „Ich habe doch letztes Mal zwei Rollen gekauft. Und jetzt sind die schon wieder aufgebraucht. Unglaublich, wie viel Abfall wir immer produzieren.“

So würde das den lieben langen Tag weitergehen, hätten wir nicht fünf Kinder, die uns Gott sei Dank davon abhalten, für den Rest unseres Daseins solche Gespräche zu führen. Und dann sind da zum Glück noch einige Lebensträume und Visionen, über die wir uns jeweils unterhalten, wenn uns der alltägliche Gesprächsstoff ausgegangen ist.

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