Traumhaft

Wenn ein Abendspaziergang mit der Familie ganz unerwartet zu einer privaten Führung mit einem ortskundigen Reiseleiter wird,…

Wenn du nur mal schnell dem Prinzchen die Kälbchen zeigen willst und ihr gleich in den Stall gebeten werdet, wo dein staunender Jüngster sieht, wie die Milch von der Kuh in den Tank kommt,…

Wenn dich die Leute bei jedem Wort, das du auf Schwedisch stammelst, mit Lob überhäufen,…

Wenn du zum ersten Mal im Leben wild wachsende Bartnelken siehst,…

Wenn es an jeder Strassenecke frische, süsse Erdbeeren zu kaufen gibt,…

Wenn du anfängst, mit einem wildfremden Menschen in einem Mix aus gebrochenem Englisch und gebrochenem Schwedisch über die Vorzüge eines Gewächshauses zu fachsimpeln,…

Wenn die Häuser rot, gelb, blau, rosa, hellgrün, dunkelgrün… auf gar keinen Fall aber grau sind,…

Wenn du keine Worte findest, um die Schönheit der Natur zu beschreiben,…

Wenn Lachs aus nachhaltiger Fischerei so günstig ist, dass die ganze Familie davon satt wird,…

…dann läuft Mama Venditti Gefahr, zu glauben, in Schweden sei alles besser als zu Hause.

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Sieben unter einem Hut

Familienferien sind schön, ganz klar, aber Familienferien sind auch eine Herausforderung, denn wenn der Einzelgänger dazu gezwungen ist, sein Zimmer mit dem Herdentier zu teilen, dann kommt es früher oder später unweigerlich zum Krach. Vor allem, wenn die Leseratte ebenfalls im gleichen Zimmer schlafen muss und abends das Licht nur so lange brennen lassen darf, wie die anderen es dulden. Für weiteren Zündstoff sorgt, dass das Herdentier unglaublich unternehmungslustig ist, was dem Genussmenschen, der einfach nur in den Tag hinein leben möchte, vollkommen gegen den Strich geht. Während der Krachmacher hier draussen endlich mal so richtig laut sein darf, ringt der Ruhesuchende verzweifelt um Fassung. Warum muss der ausgerechnet hier so laut sein, wo endlich mal weder Motorenlärm noch Nachbars Rasenmäher stören? Der Ordnungsliebende rauft sich derweilen die Haare, weil die anderen sich einfach so gehen lassen, als wäre Ordnung im Urlaub vollkommen unwichtig. Um dem ganzen Chaos noch das Sahnehäubchen aufzusetzen, schmieden die einzelnen Charaktere im Laufe des Tages immer wieder neue Allianzen, denn es findet sich immer ein Verbündeter, der auch gerade das will, was die anderen Fünf nicht wollen.

Es könnte ziemlich schwierig werden, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, wollten wir nicht trotz Unterschiedlichkeiten alle dasselbe: Die Zeit in diesem wunderschönen Land geniessen, möglichst viel Unbekanntes kennenlernen und jeden Tag in Frieden mit einem Kapitel „Michel“ abschliessen.

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Bildungslücken füllen

Heute Nachmittag, als wir gemütlich durch Mariannelund schlenderten, wurde auf einmal eine riesige Bildungslücke sichtbar. “ Mama, weisst du noch, wie der Michel einmal mit seiner Büsse einen Dieb verjagte?“, fragte Karlsson. „Und als er Klein-Ida an der Fahnenstange hochzog? Das muss ein Spass gewesen sein…“, sagte Luise. „Und sein armer Papa war immer das Opfer…“, meinte der FeuerwehrRitterRömerPirat kichernd. „Oh ja, der arme Papa mit dem Blutklösseteig…“, fing ich an, doch der Zoowärter unterbrach mich: „Was hat der Michel mit der Fahnenstange gemacht?“ Und noch ehe ich antworten konnte, wollte das Prinzchen wissen, was denn eine Büsse sei. Als ich nicht gleich zu erklären begann, wandte sich das Prinzchen an „Meinen“: „Papa, was ist eine Büsse und warum hatte der Michel eine?“ „Also, äääähh, ich glaube…also ja, da musst du die Mama fragen…“, stammelte „Meiner“ und da dämmerte mir, dass etwas geschehen muss und zwar sofort.

„Luise, hast du nicht den ‚Michel‘ mitgenommen?“, fragte ich. Als sie bejahte, stand das Programm für heute Abend fest: Zuerst ein Ausschnitt aus dem Bullerbü-Film, dann ein Kapitel „Michel“ für die Kleinen und schliesslich Pflichtlektüre für „Meinen“. Karlsson, Luise, der FeuerwehrRitterRömerPirat und ich können uns doch unmöglich mit solch ungebildetem Pack in Vimmerby zeigen.

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Stille

In Sichtweite kein Nachbarhaus, einzig das Rauschen des Windes in den Bäumen, das Summen der Bienen und das Lachen – wahlweise auch das Streiten – unserer Kinder, kühles Gras unter nackten Fusssohlen, Grün soweit das Auge reicht, ein altmodisches, kleines Haus, natürlich in Rot, die Freiheit, einfach in den Tag hinein zu leben, Hagenbuttensuppe aus dem Tetrapack zu probieren und mit einem Ball, dem bald die Luft ausgeht, Fussball auf der riesigen Wiese vor dem Haus zu spielen. Wann war unser Leben zum letzten Mal so herrlich entspannt und unkompliziert?

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