Wir Eltern sind schon sonderbare Wesen. Was wir den lieben langen Tag so machen, muss für Aussenstehende so ziemlich schräg aussehen. Nie werde ich vergessen, wie wir als Kinder über die Bekannte gelacht haben, die ihrem Baby nach jeder Breimahlzeit mit der Zunge den Mund sauber geleckt hat. Und heute ertappe ich mich selber bei so mancher Eigenart. Mich, oder manchmal auch die anderen, zum Beispiel unseren Nachbarn.
Nein, nicht den ewigen Junggesellen. Der hat ja keine Kinder. Aber unseren Freund, Vater von vier Kinder. Der übrigens weiss, dass ich heute über ihn schreibe, weshalb dieser Text sozusagen autorisiert ist. Sonntags fahren wir immer gemeinsam mit dem Bus zur Kirche, wir mit unseren fünf, die Nachbarn mit ihren vier Kindern. Und mit einer Haarbürste. Die einzige Haarbürste, die im Haushalt unserer Nachbarn noch auffindbar ist, fährt Sonntag für Sonntag mit zur Kirche. Okay, unser Nachbar findet, dass ich masslos übertreibe. Es sei erst dreimal vorgekommen, behauptet er steif und fest. Aber das Bild, wie er frühmorgens an der Bushaltestelle drei seiner Kinder kämmt, zuerst die Jüngste, dann die Buben, hat sich mir derart eingebrannt, dass ich glaube, es gehöre zum Sonntag wie die Anbetungszeit. Als ob wir vier Erwachsenen mit den neun Kindern nicht auch ohne Haarbürste genug auffallen würden!
Das Beste an der Sache ist übrigens, dass ich unseren Nachbarn bestens verstehe. Wann hat man denn schon Zeit, die Kinder zu kämmen? Ich habe ja auch schon die Zahnbürste mit der Zahnpasta drauf mitgeschleppt, wenn wir dringend weg mussten. Oder das Kind erst unterwegs fertig angezogen, weil wir zu spät dran waren. Jeder, der ab und zu mit einer Horde von Kindern unterwegs ist, versteht unseren Nachbarn. Genauso, wie er versteht, warum wir Eltern immer wieder den Breilöffel abschlecken, wenn wir ein Baby füttern (Für Unerfahrene hier der wahre Grund: Weil wir Eltern sonst verhungern würden, weil wir nie Zeit zum Essen finden). Oder warum wir immer so tun, als würden wir die Sandkuchen unserer Kinder tatsächlich essen. Oder warum wir jedes Gekritzel unserer Kinder loben, als sei es das grösste Kunstwerk. Oder warum wir immer auf so unappetitliche Weise an unseren Babies riechen um herauszufinden, ob die Windel voll ist. Oder warum wir plötzlich bei jedem Schimpfwort, das ein Kinderloser unbedacht von sich gibt, zusammenzucken.
Ja, wir Eltern verstehen perfekt, warum andere Eltern so sonderbar sind. Aber was denken wohl die Kinderlosen über uns? Wahrscheinlich halten sie unseren Nachbarn mit der Haarbürste, und uns anderen mit ihm, für vollkommen durchgeknallt. Genauso, wie wir als Kinder die Bekannte, die dem Baby den Mund sauber leckte für vollkommen durchgeknallt hielten. Was ich übrigens auch heute noch genauso sehe…