So schlimm?

Wenn zwei heiraten: „Mal sehen, wie lange das hält. Hoffentlich haben die einen guten Ehevertrag abgeschlossen. Man kann ja nie wissen heutzutage…“

Wenn sich das erste Kind ankündigt: „Na, hoffentlich lässt es euch nachts noch schlafen. Und Zeit zu zweit werdet ihr euch jetzt wohl abschminken müssen.“

Wenn sich das zweite Kind ankündigt: „Wir wollen doch hoffen, dass es ein Junge ist. Wäre doch schön, wenn ihr ein Pärchen hättet. Wie, es ist schon wieder ein Mädchen? Na dann, viel Spass beim Schlichten des Zickenkriegs…“

Wenn sich das dritte Kind ankündigt: „Das wird aber eine teure Angelegenheit. Habt ihr euch schon mal überlegt, wie teuer euch so ein Kind zu stehen bekommt, bis es erwachsen ist?“

Wenn der erste Schultag naht: „Viel Spass beim Lösen der Hausaufgaben. Diese Lehrer heutzutage, einfach schrecklich, sage ich dir. Und dann noch das Mobbing in den Klassen. Habt ihr auch genügend Geld auf der Seite für die Markenkleider?“

Wenn die Pubertät sich ankündigt: „Glaubt mir, jetzt kommt’s jeden Tag nur noch schlimmer. Na ja, es soll einzelne Jugendliche geben, die ganz gut herauskommen, aber macht euch nicht allzu viele Hoffnungen. Die meisten saufen und prügeln bei jeder Gelegenheit. Und wer weiss, vielleicht werdet ihr schon bald Grosseltern.“

Wenn die Berufswahl bevorsteht: „Ja, das wird nicht einfach, bei dieser Wirtschaftslage. Wer stellt denn noch junge, unerfahrene Arbeitskräfte ein? Ich würde mich mal auf eine lange, erfolglose Suche einstellen.“

Wenn die Kinder ausfliegen: „Macht euch darauf gefasst, dass ihr die nicht so bald wieder sehen werdet. Die kommen nur noch, wenn sie Geld brauchen. Oder wenn ihr ihre Kinder hüten sollt.“

Wenn sich das erste Enkelkind ankündigt: „Lasst euch bloss nicht ausnützen. So ein Enkel ist ja ganz nett, aber die kosten einen Haufen Nerven. Und natürlich auch Geld…“

Wenn die Pensionierung naht: „Du Arme, jetzt hast du ‚Deinen‘ den ganzen Tag um dich herum. Wie willst du das bloss aushalten?“

Mir ist ja schon klar, dass die Familie nicht die schöne, heile Welt ist. Aber ist sie wirklich so schlecht wie ihr Ruf? 

Hassliebe

„Meiner“ hat mir ja schon lange in den Ohren gelegen, dass er wiedermal nach Italien reisen wolle. Italien, das Land, aus dem seine Eltern ausgewandert sind, das Land, in dem er jeden Sommer vier endlose, langweilige Wochen verbringen musste, weil seine Eltern dort ein Haus bauten, das Land, von dem er sich als Zwanzigjähriger wünschte, es möge im Meer versinken, weil er es so satt hatte. Heute ist er etwas milder geworden in seinem Urteil, wohl weil er schon sehr lange nicht mehr dort war. Und das liegt vor allem an mir.

Eigentlich müsste ich das Land ja lieben, bietet es doch alles, was mir gefällt: Küche, Landschaft, historische Stätten, Sprache, alles einfach perfekt. Und doch sind da zuerst die schlechten Erinnerungen, wenn ich an meine bisherigen Besuche in Italien denke. Die Hühnerhälse, die man mir bei einem Verwandtenbesuch vorgesetzt hat. Der epochale Krach, den „Meiner“ und ich uns einmal in irgend einem Kaff fernab von jeder Tankstelle wegen eines leeren Benzintanks lieferten. Die Details sind mir entfallen, ich weiss nur noch, dass das Ganze mit einem Wutanfall meinerseits und einer zersprungenen Windschutzscheibe geendet hat. Da waren die zerstochenen Pneus in Lucca, als „Meiner“ und ich mal mit Freunden durch die Toscana reisten. Es war das Auto meiner Mutter und keiner von uns vieren verdiente eigenes Geld. Keine Ahnung mehr, wie wir damals die neuen Reifen bezahlt haben. Da waren die zwei Wochen in Sardinien, die doch eigentlich ein Traum hätten werden sollen und dann sassen „Meiner“ und ich am dritten Tag frustriert am Strand und wussten nicht, was wir hier noch anfangen sollten, weil wir uns so schrecklich langweilten. Wir entschieden uns, zu bleiben und sämtliche Museen der Insel abzuklappern, was eine sehr schlechte Idee war, denn die meisten Museen waren entweder geschlossen oder zwar offen, aber nur teilweise, weil der Rest gerade renoviert wurde. Da war später eine der ersten Ferienreise mit Karlsson. Sie führte ins Piemont. Wir hatten ein Studio gemietet und erst bei der Ankunft kam uns in den Sinn, dass wir ganz vergessen hatten, dass es in einem Studio mit Kind etwas eng werden könnte. Karlsson  schlief dann im Badezimmer, wo es ausserordentlich feucht war. Hätte er länger dort geschlafen, er wäre wohl schimmlig geworden, der arme Kleine. Aber auch ich war arm dran, denn ich war gerade mit Luise schwanger und da war mir rund um die Uhr so speiübel, dass ich kaum ein Glas Wasser runterbrachte, geschweige denn all das köstliche Essen. Noch heute dreht sich mein Magen um, wenn ich an jenes Trüffelrisotto denke. Ach ja, und da war da noch die Geschichte mit der Notbremse, als ich mal fürchtete, „Meiner“ stehe noch auf dem Perron, als der Zug den Bahnhof von Pescara verliess. Aber davon wollen wir jetzt nicht reden.

Bei all diesen Erinnerungen ist es mir wohl kaum zu verargen, dass ich jahrelang nichts mehr von Italien wissen wollte. Ob es diesmal anders sein wird? Ich weiss es noch nicht, aber ich hoffe es doch sehr. Denn eigentlich würde das Land ja wirklich alles bieten, was mir gefallen würde. Nun ja, die Politik und einen gewissen äusserst peinlichen Ministerpräsidenten blenden wir hier mal aus…

Nicht mehr ganz jung

Heute im Park. Eine junge Mutter, das Baby an der Brust, daneben der kleine grosse Bruder, der das Baby gerne mal halten möchte, der grosse grosse Bruder, der lieber schon weitergehen möchte, die grosse Schwester, die sich an die Mama schmiegt. „Wie schafft die Frau das bloss?“, fragt „Meiner“. Na wie wohl? So ähnlich wie wir noch vor ein paar Jahren, nur mit einem Kind weniger. 

Heute am MAG – einer Mischung aus Herbstmarkt und Messe. Wir zum ersten Mal mit allen fünf Kindern, ohne Kinderwagen, die grossen Kinder mit eigenem Taschengeld ausgerüstet, so dass sie uns nicht mehr fragen müssen, ob sie kaufen dürfen, sondern nur noch, ob sie sich das Ding der Träume auch leisten können. Kaum zu glauben, dass wir inzwischen schon soweit sind. „Meiner“ geniesst die neue alte Freiheit. Ich auch und schaue doch voller Wehmut in jeden Kinderwagen, in dem ein Neugeborenes friedlich schlummert. Obschon ich mit den armen Eltern, die den Wagen durch das Gedränge schieben müssen, nicht tauschen möchte. Ich persönlich würde in einem solchen Fall ja zum Tragtuch greifen…

Heute Abend ein Abstecher in verschiedenste Online-Schuhläden. Ich komme jetzt in das Alter, in dem Schuhe nicht nur schön, sondern auch bequem sein müssen. „Meiner“ blickt mir über die Schultern, kommentiert, was ihm gefällt und was nicht: „Nein, die kannst du nicht nehmen. Die sind für Vierzigjährige.“ Sein Standardspruch, wenn er etwas ganz schrecklich altmodisch findet. Nun, mein lieber Mann, du musst dir wohl allmählich einen neuen einfallen lassen. Ein paar Jahre noch und dann sind wir auch soweit…

 

Von Kindern und Katzen

Als ich Mutter wurde, begannen all die Leute um mich herum, die auch schon mal Mutter geworden waren oder die im Begriff waren, es zu werden, ihre Geschichten zu erzählen. Zum Teil ganz amüsante Geschichten, andere nahezu unglaublich, wieder andere tieftraurig. Ich mag es, wenn man mir Gesichten erzählt und darum hörte ich immer gerne zu, steuerte auch die eine oder andere Geschichte bei und hatte meinen Spass. Nun ja, fast immer, denn es gibt ja auch die Frauen, die tischen dir bei der ersten Begegnung jeder ihrer Fehlgeburten en détail auf, erzählen dir, welches Kind von welchem Papa ist und welcher dieser Papas der mieseste Kerl ist und die Alimenten nicht zahlt und vielleicht, wenn es dich ganz schlecht trifft, erzählt dir auch eine, dass sie erst schwanger wurde, als sie jedes Mal nach dem Akt den Handstand machte. Too much information, zumindest für meinen Geschmack. 

Jetzt, wo meine Kinder zahlreicher und grösser sind, höre ich nicht mehr so viele Geschichten. Mir scheint, einer Mehrfachmutter erzählt man nicht mehr so viel. „Die hat ja ohnehin schon alles erlebt, was soll ich da noch mit meinen armseligen Erlebnissen kommen?“, mag man sich denken. Eigentlich schade, ich vermisse diese Geschichten ein wenig. Nun ja, zumindest die amüsanten, die unglaublichen und die tieftraurigen, die anderen fehlen mir nicht so sehr. 

Aber vielleicht ist es ja auch ganz gut, dass die Geschichten weniger werden, denn seitdem sich in meinem Einkaufswagen auch Katzenfutter und Katzensand befindet, würde ich wohl zu gar nichts mehr kommen, wenn man mir auch noch Baby- und Kleinkindergeschichten erzählte. Katzenhalter, so habe ich bereits beim ersten Einkauf für Leone und Henrietta gemerkt, sind nämlich ebenso erzählfreudig wie neugeborene Mütter. Haben sie mal angefangen, von ihren Haustieren zu erzählen, finden sie kein Ende mehr. Noch keine zwei Wochen wohnen die Tierchen bei uns und schon weiss ich von Katzen, die per Kaiserschnitt geboren haben – habe gar nicht gewusst, dass so etwas möglich ist -, von wüsten Eifersuchtsszenen zwischen Katze und Baby und von der vorgeburtlichen Untersuchung beim Tierarzt. „Was es nicht alles gibt“, staune ich, die ich als Kind mit Katzen gross geworden bin, die ganz ohne menschliche Hilfe im Heustock ihre Babys zur Welt bringen mussten, die armen, vernachlässigten Tiere. Die Katzengeschichten sind ganz amüsant, manchmal auch tieftraurig oder nahezu unglaublich, aber ich muss gestehen, dass ich Geschichten von Menschenkindern bevorzuge. Mal abgesehen davon, dass einem bei den Katzen die Klagen über miese Kerle, Fehlgeburten und ausstehende Alimentenzahlungen erspart bleiben.

Hoffe ich zumindest.

Stöberfieber

Seitdem es das Internet seinen Weg in unser Zuhause gefunden hat – also schätzungsweise seit etwa hundertfünfzig Jahren, denn ihr wollt mir doch wohl nicht weismachen, dass es einmal eine Zeit ohne Internet gegeben hat -, bin ich dem Stöberfieber verfallen. War ein Baby unterwegs, stöberte ich nach dem besten Kinderwagen, der schönsten Umstandskleidung, dem perfekten Nachtlicht. Stand Weihnachten vor der Tür, verglich ich die Preise der verschiedenen Anbieter und kaufte dann die Duplo-Eisenbahn dort, wo sie am günstigsten war. Sehnte ich mich nach Ferien, machte ich mich auf die Suche nach dem perfekten Ferienort.

Dabei verfolgte ich nicht primär das Ziel, auch wirklich etwas zu kaufen, denn solche Stöberorgien haben einen unschätzbaren Unterhaltungswert. Allein die gesammelten Absurditäten, die den werdenden Eltern angepriesen werden, sorgen für mehrere Tage ausgesprochener Heiterkeit. Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, mir in der Schwangerschaft einen Gurt zuzulegen, der das Baby im Bauch mit klassischer Musik beschallt, um nichts in der Welt hätte ich mich dazu hinreissen lassen, einem meiner Babies eine Puppe mit leuchtendem Gesicht ins Bettchen zu legen und auch um den Baby-Anzug mit integriertem Mopp, von dem ich bis heute nicht weiss, ob es sich dabei um Spass oder Ernst handelte, machte ich einen weiten Bogen. Nein, solche Dinge habe ich nur gebraucht, um mich schiefzulachen, gekauft habe ich dann ganz vernünftig. Nun ja, bis auf dieses elende musikalische Töpchen, das ich für den Zoowärter anschaffte, aber das geschah aus reiner Verzweiflung, weil ich des Wickelns überdrüssig geworden war.

Leider werden die Gelegenheiten zum Stöbern weniger, je grösser die Kinder werden, denn jetzt stöbern sie selber. Die aktuelle Hitliste der Suchbegriffe: 1. Barockperücke 2. Empire-Kleid 3. Meerschweinchen 4. Pferd 5. Mundharmonika. Zu sagen habe ich da nicht mehr viel ausser „Nein, das kaufen wir nicht, das ist zu teuer.“ oder „Meerschweinchen kriegst du erst, wenn du endlich lernst, dein Zimmer in Ordnung zu halten“ was man auch übersetzen könnte als „Vergiss es. Solange du die Füsse unter meinen Tisch streckst kommt mir kein Tier ins Haus, dessen Käfig ausgemistet werden muss, denn am Ende bleibt die Arbeit doch an mir hängen, das weiss ich noch aus meiner eigenen Kindheit.“

Dabei sind Haustiere ja ideal dazu, die Stöberei fortzusetzen, wenn man keinen Babykram mehr braucht, denn bei Haustieren neigt der Mensch ja zu ähnlich absurden Einfällen wie bei Babies und Kleinkindern. Da gibt es zum Beispiel den Edelstahl-Trinkbrunnen, das „Erlebniscenter“, das Baldriankissen oder das Kratzschloss – alles für die Katz. Natürlich haben wir uns nicht darum dazu entschieden, unsere Familie um zwei Katzen zu erweitern, aber währenddem ich nach dem perfekten Katzenklo, der katzenfreundlichsten Transportkiste und dem kindersicheren Futternapf suche, kann ichgleich ein wenig stöbern. Nur so zum Spass. Sofern mich die Kinder überhaupt noch lassen. Möchte ja zu gerne wissen, weshalb die alle so fanatisch das Internet durchforsten…

Meine lieben Kinderlein…

… wisst ihr denn nicht, dass die Lizenz, Mama und Papa den Schlaf zu rauben spätestens nach dem dritten Geburtstag verfällt? Klar, irgendwann, wenn ihr zwischen fünfzehn und achtzehn seid, könnt ihr sie noch einmal erneuern lassen, aber dazwischen wäre eigentlich eine Pause vorgesehen, in der die Eltern ihr Schlafmanko auskurieren können. Auf dass sie dann wieder halbwegs erholt in die zweite Runde der schlaflosen Nächte gehen können.

Ja, ich weiss, ihr habt uns ziemlich gut schlafen lassen, als ihr Babys wart. Nun ja, du Luise hast Nacht für Nacht auf den Putz gehauen, aber ihr anderen, ihr wart meist erstaunlich gut im Durchschlafen. Das heisst aber noch lange nicht, dass ihr all die verpasste Schlaflosigkeit jetzt, wo für uns Eltern eigentlich Schonzeit wäre, nachholen müsst, indem ihr euch nachts zu uns ins Bett schleicht, wo ihr euch dermassen quer legt, dass Papa auf der einen, Mama auf der anderen Seite des Bettes herausfällt. Und wenn ihr es dann geschafft habt, entweder sie oder ihn aufs Sofa zu vertreiben, dann ist es nicht unbedingt nötig, dass ihr euch durchs Dunkel tappt, um den verloren geglaubten Elternteil aufzusuchen. Ja, wir sind noch da, auch wenn wir uns auf der Suche nach dem Schlaf etwas von euch entfernt haben. Wir sind auch ganz bestimmt am Morgen gerne wieder für euch da, aber wenn wir auf dem Sofa endlich den heiss ersehnten Schlaf gefunden haben, dann wären wir ganz froh, wenn sich kein kleiner Mensch auf unsere Beine setzen würde. Die Rechnung „Mama auf dem Sofa = Geschichten erzählen“ geht nur tagsüber auf, nachts heisst das  „Mama auf dem Sofa = Mama flüchtet vor der Kinderinvasion, die sie aus dem Bett vertrieben hat“.

Nein, meine lieben Kinderlein, ich sage das alles nicht, weil ich euch nicht lieben würde, oder weil ich die Nase voll hätte von euch. Mitnichten. Ich sage das zu eurem eigenen Wohl, denn vielleicht ist euch schon mal aufgefallen, dass ausgeschlafene Eltern erheblich angenehmer sind als unausgeschlafene. Darin unterscheiden wir Erwachsenen uns nicht von euch Kindern und darum bitte ich euch, dass ihr uns die wohlverdiente Nachtruhe gönnt. Als Gegenleistung verspreche ich euch, dass ich euch dereinst, wenn mich die senile Bettflucht ereilt, nicht morgens um halb fünf anrufen werde, bloss weil ich mir nicht sicher sein werde, ob ich euch bei eurem letzten Besuch die Pfannen, die ich im Sonderangebot für euch gekauft haben werde, auch tatsächlich mitgegeben habe.

Ich hoffe, meine lieben Kinder, dass wir uns darauf einigen können, denn sonst werde ich morgen, übermorgen und all die Tage danach genau gleich ungeniessbar sein wie heute und das wäre doch eigentlich schade, nicht wahr?

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Der Prinz und der Nuggi

Ob wir denn eine Regel hätten, wann das Prinzchen seinen Nuggi haben dürfe und wann nicht, fragte man mich neulich, als ich unseren Jüngsten in die Krippe brachte. Zuerst einmal schaute ich die Fragende etwas ratlos an, dann dämmerte mir, dass man als Mama ja gewöhnlich ziemlich genaue Vorstellungen davon hat, wann das Kind nuckeln darf und wann nicht. Also schickte ich mal eine Suchanfrage an mein Gehirn los: „Prinzchen – Nuggi – Regel“ Es dauerte eine Weile bis mein Gehirn sich wieder meldete: „Keine Übereinstimmung gefunden“. Um nicht als völlig planlos dazustehen, murmelte ich etwas von „wenn er dann drei ist, muss er den Nuggi abgeben und meistens will er ihn ja nur zum Schlafen“ und dann machte ich mich hinter meine Arbeit.

Später, als ich wieder zu Hause war, wollte ich noch einmal überprüfen, ob da tatsächlich nichts über Prinzchen-Nuggi-Regeln zu finden sei in meinem Kopf. Also noch einmal eine Suchanfrage, diesmal aber nur mit den Begriffen „Nuggi – Regel“. Und siehe da, meine grauen Zellen wurden fündig: „Wenn sie in die Spielgruppe kommt, muss Luise ihren Nuggi abgeben. Um ihr den Abschied zu erleichtern, fangen wir kurz vor dem dritten Geburtstag damit an, ihr den Nuggi nur noch im Bett und wenn sie sehr müde ist, zu geben. In den Sommerferien werden wir ihr das nuckeln dann schrittweise abgewöhnen, so dass sie am ersten Spielgruppentag ganz ohne ihren Nuggi auskommt“, las ich da in einem ziemlich verstaubten Artikel, der vermutlich weit hinten im Archiv gelegen hatte. Und wie ich da so las, erinnerte ich mich wieder daran, wie wir damals während unserer Sommerferien in Malta alles daran gesetzt hatten, unsere Tochter vom Schnuller zu lösen. Kein Tag, an dem wir uns die Laune nicht durch eine tränenreiche Auseinandersetzung mit Luise trüben liessen. Wir waren dennoch äusserst erfolgreich. Luise verzichtete auf den Nuggi und saugt seither fröhlich an ihrem Zeigefinger, wenn sie müde ist.

„Das kann doch nicht alles sein, was nach all den Familienjahren zum Thema Nuggi zu finden ist“, murmelte ich vor mich hin und schickte eine neue Suchanfrage los. Wieder wurde ich im Archiv fündig. „Karlsson verzichtet im zarten Alter von 8 Monaten freiwillig auf seinen Nuggi. Abgewöhnen nicht nötig“, hiess es da in einer kurzen Notiz. „Beim FeuerwehrRitterRömerPiraten machen wir das genau gleich wie bei Luise. Gerechtigkeit muss sein“, las ich in einem anderen Bericht, der unten mit einer handschriftlichen Notiz ergänzt war: „Entwöhnung fast problemlos. Bis auf die wenigen Gelegenheiten, bei denen der Junge versucht hat, sich den Nuggi seines kleinen Bruders zu schnappen.“ Der kleine Bruder, so denke ich beim Lesen, muss das Prinzchen gewesen sein, denn der Zoowärter hat ja auf einen Nuggi verzichtet. Er nahm von Anfang an mit einem Schmusetuch Vorlieb, das er sich seit einiger Zeit nicht nur in den Mund, sondern auch noch ins linke Nasenloch steckt. Zum Glück erlaubt er uns inzwischen wieder, das Ding von Zeit zu Zeit zu waschen.

Nachdem ich auf all diese Einträge gestossen war, unternahm ich einen letzten Versuch, um doch noch herauszukriegen, ob da irgendwo zumindest ein Ansatz von einem Plan zur prinzlichen Nuggi-Entwöhnung existiert. Aber da ist nichts. Der einzige Eintrag zum Thema „Nuggi und Prizchen“ lautet folgendermassen: „Heute vermutlich den allerletzten Nuggi meiner Karriere gekauft. Bald wird das Prinzchen zu gross sein dafür. Schluchz!“ Und siehe da, seit drei Nächten schläft das Prinzchen problemlos ohne Nuggi. Nicht, weil wir nun doch noch einen Plan entwickelt hätten, sondern einfach deshalb, weil er das Ding an den unmöglichsten Orten verliert. Und natürlich auch, weil er sich seinen Mittagsschlaf abgewöhnt hat und deswegen abends so hundemüde ist, dass er meist schon eingeschlafen ist, bevor sein schwerer Kopf auf dem weichen Bären gelandet ist.

Schlaf-Fragen

Heute Nachmittag tauchte ich mal wieder trotz Mittagsschlaf laut gähnend auf dem Fussballplatz auf, wo ich Luise abholen musste, die sich dummerweise zu diesem Fussballturnier angemeldet hat, obschon sie gar nicht gern Fussball spielt. Eine Bekannte, die mein Gähnen bemerkte,  meinte, es würde wohl einige Monate dauern, bis ich mein über Jahre angehäuftes Schlafmanko wieder abgebaut hätte. Ich gähnte ein weiteres Mal, murmelte etwas von „wird wohl etwas länger als ein paar Monate dauern“, vergass die Sache wieder und ging mit Luise nach Hause, wo ich alsbald wieder einschlief. Und dann, als ich zwei Stunden später das Prinzchen zu Bett brachte, übermannte mich der Schlaf ein weiteres Mal. 

Jetzt, wo ich wieder halbwegs wach bin, treibt mich die Sache mit dem Schlaf, die ich nachmittags so dämmerig zur Seite geschoben habe, wieder um: Kommt zwischen der Kleinkinderzeit und der Zeit der durchwachten Nächte, weil die Teenager noch nicht zu Hause sind, eine Erholungsphase, oder muss ich davon ausgehen, dass es nahtlos so weiter geht mit zu wenig Schlaf? Lässt sich verpasster Schlaf überhaupt je nachholen, oder hatte meine Schulkameradin Recht, die vor Jahren jeweils verkündete, nachschlafen sei unmöglich? Wird in meinem Leben je wieder eine Zeit kommen, in der ich nicht müde bin, oder lässt man den seligen Zustand des Ausgeschlafenseins ein für alle Mal hinter sich, sobald man kein Baby mehr ist, das immer und überall schlafen kann, egal, wie laut und stürmisch es rundherum zugeht? Werde ich am Ende meines Lebens seufzend im Lehnstuhl sitzen und sagen „Hätte ich doch bloss mehr geschlafen“? 

Noch mehr als all die Fragen, treibt mich aber diese um: Darf man samstags um Viertel nach zehn zu Bett gehen, wenn man morgens bis neun in den Federn gelegen hat und sich auf den Tag verteilt drei Nickerchen gegönnt hat, oder ist man ein unersättlicher Gierhals, wenn man einem Tag mit so viel Schlaf so früh ein Ende setzt?

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Frau Mutter

Man könnte ja glauben, dass sich die Menschheit so langsam daran gewöhnt hat, dass Frauen hin und wieder schwanger werden. Zuweilen möchte man hoffen, dass auch die Schweizer Bevölkerung sich damit abgefunden hat, dass eine Frau, die Mutterfreuden entgegensieht, nicht alles stehen und liegen lässt und fortan nur noch auf dem Sofa sitzt, um zu brüten. Man wagt zu denken, dass es niemanden gross stört, wenn eine Schwangere gar hin und wieder das Haus verlässt und zwar nicht nur, um zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen oder um sich die Babyausstattung zu besorgen. 

Ein Blick in die Sonntagspresse macht jedoch schnell einmal klar, dass noch fas alles beim Alten ist: Ist Frau Nationalrätin guter Hoffnung, dann liest man nicht mehr, dass „die Nationalrätin am Mediengipfel“ zu Gast war, dann steht da, dass „die schwangere Nationalrätin“ anwesend war. Weil jetzt, wo Frau Nationalrätin mit Fötus unterwegs ist, natürlich alles ganz anders ist. Nun gut, für sie persönlich ist natürlich schon einiges anders geworden. Aber für den Rest des Landes? Nicht wirklich, oder? Es sei denn, man habe Mühe damit, zu verdauen, dass Frau Nationalrätin nach der Geburt des Kindes zwar den Job, nicht aber die Politik an den Nagel hängen will. Und wo kommen wir denn hin, wenn immer mehr Frauen im Parlament sitzen, die auch an die Zukunft ihres eigenen Kindes denken, wenn sie sich die Zähne daran ausbeissen, wie die Schweiz dereinst aussehen soll?

Oh ja, ich weiß, jetzt kommt dann gleich der Einwand, wir hätten in der Schweiz eben ein Milizparlament und da dürfe es nicht sein, dass ein Politiker keinen Job habe, sonst verliere er den Kontakt zum Alltagsleben und werde zum Berufspolitiker. Und da gehen mir natürlich die Argumente aus, denn es ist eine altbekannte Tatsache, dass man im Elfenbeinturm des Familienlebens von der harten Alltagsrealität so gut wie nichts mitkriegt.

Demontiert

Zum letzten Mal habe ich heute zum Schraubenzieher gegriffen, um das Gitterbett, das nun ziemlich genau zehn Jahre lang ohne Unterbruch belegt war, zu demontieren. Klar, es war nicht das erste Mal, dass ich das Ding auseinander genommen habe, denn wir haben es ja hin und wieder vom einen ins andere Zimmer bringen müssen und da das Möbel ziemlich sperrig ist und durch keine Tür passt, mussten wir es eben jeweils zerlegen. Diesmal aber wird es nicht in einem anderen Zimmer wieder zusammengebaut, diesmal landet es in der Müllabfuhr. Einerseits bin ich ja ganz froh, das Ding endlich loszuwerden, denn es ist nicht nur sperrig, es ist auch hässlich. Und ziemlich kaputt obendrein. Also höchste Zeit, dem Prinzchen, der zuletzt darin geschlafen hatte, ein anständiges Bett zu bieten.

Andererseits aber wurde mir auch ziemlich schwer ums Herz, bedeutet doch dieser Abschied vom Gitterbett auch ein erster Schritt in Richtung Abschied von der Kleinkinderzeit, eine Zeit, die ich trotz aller Grenzerfahrungen sehr genossen habe. Während eine Schraube nach der anderen zu Boden fiel, das Bett immer wackliger dastand und schliesslich zusammenkrachte, kam diese unendliche, bittersüsse  Traurigkeit über mich. Bittersüss deshalb, weil diese Traurigkeit durchwoben ist mit unzähligen wunderbaren Erinnerungen an erste Schritte, hinreissend komische Versprecher, zahnloses Lächeln. Am Ende war das Bett kein Bett mehr, sondern nur noch ein Stapel alter, hässlicher Bretter. Und mir wurde klar, dass ich nicht nur ein altes Bett demontiert hatte, sondern auch meinen innigsten Wunsch, vielleicht eines Tages doch noch einmal ein kleines Menschlein in unserer Familie empfangen zu dürfen.

Als ob ich die Nerven dazu noch hätte…