Blind Date

Vierzig zu werden gehört nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber mit „Meinem“ an der Seite ist es ganz erträglich. Der hat sich nämlich gedacht, es sei blöd, erst im Oktober zu feiern und schenkt mir deswegen jeden Monat eine Kaffeepause mit einer Freundin, einer Schwester, einer… Na ja, ich weiss nicht so genau, wen er alles ausgesucht hat, denn er verrät rein gar nichts. Er sagt mir nur, wann ich wo sein muss und dann kann ich mich überraschen lassen, wer da mit einem Gutschein, den „Meiner“ organisiert hat, auf mich wartet. Eine typische „Meiner“-Idee: Spontan, geheimnisvoll und perfekt auf meine derzeitigen Bedürfnisse zugeschnitten. 

Natürlich freue ich mich wie ein kleines Kind über dieses Geschenk und wie ein etwas grösseres Kind frage ich mich insgeheim: „Was, wenn die Frau, die er zu einem Kaffeeklatsch mit mir verdonnert hat, gar nicht mit mir kaffeeklatschen will?“ Allzu lange denke ich aber nicht über diese Frage nach, denn „Meiner“ hat mir versichert, die Frauen, die er bis jetzt kontaktiert habe, seien alle begeistert. Na, dann will ich ihm mal glauben…

Einen klitzekleinen Haken hat diese grossartige Geschenkidee natürlich trotzdem: Ich muss meine Arbeit vorholen. Darum werde ich jetzt schön brav eine Nachtschicht einlegen, um die Kolumne zu schreiben, die ich morgen, wenn ich beim Kaffee sitze, schreiben würde. Und die Wähe für das Mittagessen mache ich dann im Morgengrauen. Aber dieses kleine Zusatz-Schlafmanko nehme ich für einmal noch so gerne in Kauf.

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Freitagabendessen

„Im Orient dürfen sie manchmal den ganzen Tag gar nichts essen. Erst wenn die Sonne untergegangen ist, dürfen sie essen und dann essen sie ganz viel. Das heisst dann Ramadan…“, erzählt das Prinzchen. „Wie der Schulkamerad von…von wem schon wieder?“, sagt Luise.

Auf der anderen Seite versucht sich derweilen der FeuerwehrRitterRömerPirat im Schutze des Tulpenstrausses verbotenerweise ein abendliches Glas Pepsi Max einzuschenken, doch der grosse Bruder ist wachsam. „Gib sofort das Glas her“, fordert er, doch der kleine Bruder fühlt sich nicht dazu verpflichtet, Karlsson Folge zu leisten. Es entbrennt ein wilder Kampf ums halb volle Glas, die Mama malt sich schon aus, wie sie die Scherben wieder aus der einen oder der anderen Hand entfernen soll. Die väterlichen Warnrufe bleiben ungehört.

„Dann ruft der Muezzin und die Leute legen sich auf den Boden, um zu beten – so.“ Das Prinzchen wirft sich in einer perfekten Muslim-Imitation auf den Fussboden, Luise schaut bewundernd zu und fragt sich, weshalb der Kleine das Wort „Muezzin“ kennt, sie hingegen nicht. 

Der Kampf ums Glas ist zu Ende, Karlsson hat gesiegt und der FeuerwehrRitterRömerPirat ist rasend vor Wut, schnappt sich die offene Pepsi-Flasche und schüttelt sie. Der Tisch wird nass, Karlssons Pulli und Zoowärters Füsse ebenso, auch das Fenster bekommt Spritzer ab, was „Meinen“ zur Bemerkung veranlasst, zum Glück hätte er heute keine Zeit gefunden, das Fenster zu putzen. Karlsson setzt derweilen seine Fäuste ein, die zwei Pepsi-Kämpfer müssen den Tisch vorübergehend verlassen. 

„Ich hab jetzt auch schon meinen Turban angefangen und wir lernen eine Aladdin-Lied. Ich hab‘ der Lehrerin gesagt, dass ich das Aladdin-Theater gesehen habe…“

Der Zoowärter stellt fest, dass seine Socken so sehr mit Pepsi getränkt sind, dass er feuchte Fussspuren hinterlassen kann, Karlsson wird dazu verknurrt, sich für die Fausthiebe zu entschuldigen, der FeuerwehrRitterRömerPirat heult, weil er die Kampfspuren aufputzen muss, wo er doch gar nichts dafür kann, dass es in diesem miesen Schuppen nach 16 Uhr für Minderjährige keine koffeinhaltigen Getränke mehr gibt. 

Mama versucht Luise zu erklären, dass es völlig okay sei, wenn das Prinzchen im Zusammenhang mit 1001 Nacht auch etwas kulturelles Wissen zum Leben in islamischen Ländern bekomme. Dann versucht sie, ihre Liebsten davon zu überzeugen, vom Apfel-French-Toast mit Ahornsirup zu probieren, auch wenn die Bäuche schon mit Corn-Dogs vollgestopft sind. Keiner hört zu, denn die einen möchten mehr über das Leben im Orient erfahren, die anderen rekonstruieren den Hergang des Pepsi-Kampfs und il Cugino versucht verzweifelt, aus dem ganzen Schweizerdeutschen Gequatsche herauszuhören, ob von ihm heute Abend noch eine Kissenschlacht erwartet wird, oder ob er auf eine geruhsamere Art und Weise verdauen darf. 

Wie? Ihr findet meinen Text heute ein wenig chaotisch und unzusammenhängend? Na ja, ihr könnt doch nicht erwarten, dass wir ein Drehbuch verfassen, ehe wir uns zu Tisch setzen. 

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Es gibt sie noch, diese Tage, an denen…

…die Schreibblockade ausgerechnet dann zu Besuch kommt, wenn zwei Kolumnen (über)fällig sind.

…der Autoschlüssel unauffindbar ist, weil er ohne mein Wissen mit il Cugino zur Schule gegangen ist, weshalb ich nicht aus dem Haus kann, um die Zutaten, welche die Kinder schon wieder als Zvieri zweckentfremdet haben, fürs Mittagessen einzukaufen.

…das Mittagessen in Folge des oben genannten Desasters äusserst dürftig ausfällt und erst noch anbrennt.

…das Bankkonto nicht hergibt, was man vermeintlich mit voller Berechtigung von ihm erwartet hätte.

…ich „Meinem“ die Ohren voll heule, weil es mir jetzt einfach reicht. 

…der vor einer Woche gekaufte Mixer seine Arbeit verweigert, weshalb ich die Meringue-Masse von Hand schlagen muss. Was mich nicht weiter stören würde, hätte ich nicht die offensichtlich vollkommen hirnrissige Erwartung, dass ein neuer Mixer seinen Dienst länger als eine Woche tut. 

…“jemand“ ganz zufälligerweise die Ofentemperatur von 100 auf 230 Grad verstellt, was bekanntlich nicht gerade die optimale Temperatur für Meringues ist. Natürlich bemerke ich dies erst, als es schon wieder angebrannt riecht.

…ich der Tatsache ins Auge sehen muss, dass wir jetzt zu den Menschen gehören, die zu viel verdienen, um noch irgendwelche Vergünstigungen zu bekommen, aber nicht genug, um diesen Umstand problemlos verkraften zu können. 

…ich mir obendrein beim Kochen Tabasco ins Auge schmiere, was erstaunlicherweise ziemlich heftig brennt, obschon Tabasco doch gar nicht so scharf ist. 

…ich so oft die Contenace verliere, dass die Kinder anfangen, lieb und zuvorkommend zu sein, um mir keinen weiteren Anlass zum Herumbrüllen zu bieten. Ich hasse es, wenn ich so bin. Der Brief des FeuerwehrRitterRömerPiraten, in dem stand, ich solle mich doch ein wenig schlafen legen, sie würden währenddessen spielen, rührte mich dennoch zutiefst. 

Zum Glück gibt es solche Tage seltener als auch schon.

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Da kommt wahrlich keine Routine auf

Endlich, nach vier Wochen Dauerbetrieb, waren wir heute Morgen wieder einmal alleine zu Hause, meine Gedanken und ich. Und wie es so geht, wenn auf einmal himmlische Ruhe herrscht, meldeten sich meine Gedanken sogleich mit heftigen Vorwürfen zu Worte. Saublöd hätte ich mich aufgeführt in den vergangenen vier Wochen, stets dieses Gejammer über mangelnde Ruhe und Tagesstruktur, dabei sei ich selber Schuld am ganzen Schlamassel, ich hätte mich ja vollkommen gehen lassen. Das sei doch keine Art, meinen Liebsten einfach so mitten ins Gesicht zu sagen, sie würden mich nerven mit ihrem ewigen Gezänke. Und dann auch noch diese unsägliche Aussage, ich sei froh, wenn sie alle wieder eine Beschäftigung hätten. Eine egoistische, undankbare Kuh sei ich, die eine solche Familie nicht verdient hätte. Ich solle mich gefälligst gehörig schämen… 

Das tat ich dann auch schön folgsam und ich beschloss, mich zu bessern. Kein Gejammer mehr über meine geliebten Familienmitglieder, die meine sauber geplanten Tagesstrukturen ins Wanken und schliesslich zum Einstürzen bringen, das schwor ich mir. 

Tja, und dann kamen sie wieder nach Hause und brachten Zettel von der Schule mit: Am Donnerstag schulfrei ab 10 Uhr, weil die Schüler nach dem Fasnachtsauftakt am frühen Morgen nicht mehr bildungsfähig sind. Kein Englisch für Luise am 6. März, schulinterne Weiterbildung am 19. oder so, fünf Schulwochen bis zu den Frühlingsferien und danach die üblichen Feiertage… Bis zum Ende des Schuljahres wird kaum eine Woche so sein, wie es auf dem Stundenplan steht.

„Nicht jammern“, ermahnte ich mich selber, als ich einen Zettel nach dem anderen las. „Lass dir auf gar keinen Fall anmerken, dass du dich nervst, für die Kinder sind schulfreie Tage ja wirklich eine tolle Sache.“ Ich hätte es geschafft, nichts zu sagen, hätte nicht Karlsson auch noch irgendeine Verschiebung angekündigt, die nicht auf den Zetteln stand. Da brach es schliesslich doch noch aus mir heraus: „Himmel, habt ihr überhaupt irgendwann Schule, oder muss ich mich darauf einstellen, wieder rund um die Uhr im Einsatz zu sein?“

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Wollen täte ich ja schon…

Trotz viel zu kurzer Nacht raffe ich mich am letzten Ferientag unserer Kinder früh morgens auf, um eine oder zwei Stunden ungestört arbeiten zu können. Ich nehme mir sogar die Zeit, zum Tagesstart kurz inne zu halten zu einem Morgengebet. Heute werde ich mich nicht von den Ereignissen überrollen lassen, sondern schön diszipliniert meinen verschiedenen Aufgaben nachgehen. Mit dem Frühstück setze ich mich an den Computer, um gleich loszulegen, doch ich schaffe es gerade mal, zwei Mails zu beantworten, als das Telefon klingelt. Weshalb ich rangehe? Weil ich um diese Uhrzeit davon ausgehe, dass es dringend ist.

Fünfundvierzig Minuten lang hänge ich ziemlich hilflos am Draht, versuche zu helfen, wo ich helfen kann und starre mit Entsetzen auf die Uhr, deren Zeiger sich unaufhaltsam vorwärts bewegt. Gegen Ende des Telefongesprächs kommt Karlsson ins Zimmer geschlichen, Minuten später ist auch Luise da. Als ich endlich fertig bin mit Telefonieren muss ich mich zusammenreissen, um meinen Frust nicht an ihnen auszulassen. Sie können ja nichts dafür, dass ich in der einen Stunde, die mir zum ungestörten Arbeiten geblieben wäre, gestört worden bin. 

Da jetzt an Kopfarbeit nicht mehr zu denken ist, bereite ich eben das Mittagessen vor, damit ich vielleicht nachher, wenn alle gefrühstückt haben, noch einmal einen Arbeitsversuch starten kann. Zwei Anrufe später ist mir klar, dass heute Vormittag wohl nichts mehr daraus wird. Dann putze ich eben die Küche, damit ich das morgen nicht mehr machen muss. So kann ich morgen erledigen, was ich heute hätte tun wollen. Doch ehe ich putzen kann, muss aufgeräumt sein und schon steht ein neues Hindernis vor mir: Der Schlüssel des Vorratsschranks, der eben noch da war, ist unauffindbar, was bedeutet, dass Kakaodose, Vorn Flakes, leere Milchflaschen etc. nicht hinkönnen, wo sie hin müssen. Putzen geht also auch nicht.

Was bleibt mir da noch, als mich an den noch immer eingeschalteten Computer zu setzen, um darüber zu schreiben, dass alles Wollen meinerseits nichts nützt, solange der Tag läuft, wie es ihm beliebt? Mein Wollen, so muss ich leider einmal mehr einsehen, spielt im meinem Leben an gewissen Tagen eine sehr untergeordnete Rolle.

Und wer jetzt einwendet, bloggen sei doch auch Kopfarbeit, warum ich das denn könne, dem kann ich getrost antworten, im Bloggen sei ich inzwischen so geübt, dass ich es auch im Schlaf erledigen könnte. 

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Schlecht verteilt

Ihnen ist soooooo unglaublich langweilig – und ich hätte sooooooo unglaublich viel zu tun.

Sie schieben jede Aufgabe so lange wie möglich vor sich her – und ich werde allmählich kribbelig, weil ich meine Sachen vor mir herschieben muss, solange sie gelangweilt zu Hause herumhängen.

Sie wissen einfach nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen – und ich weiss einfach nicht, wie mir die Zeit für alles reichen soll.

Sie verspüren nicht die geringste Lust, das schöne Wetter zu geniessen – und ich wünschte mir, ich hätte Zeit für einen Waldspaziergang.

Sie möchten andauernd unterhalten werden – und ich möchte wenigstens fünf Minuten ungestört meinen Gedanken nachhängen können.

Sie hätten genügend Energie, um Bäume auszureissen, aber keine Idee, wo sie diese Energie einsetzen sollen – und ich hätte die Ideen, aber nicht genügend Energie zum Bäume ausreissen.

Sie haben Ferien – und ich bräuchte Ferien.

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In der Discounter-Oase

Discounter sind nicht so mein Ding. Also, eigentlich überhaupt nicht, aber wenn eine Freundin mich darum bittet, sie dorthin zu fahren, wäre es ziemlich doof, im Auto zu warten, bis sie fertig eingekauft hat. Darum fand ich mich heute kurz vor dem Mittagessen inmitten von Dauertiefpreisen und Einführungsangeboten. Weil mir für das Mittagessen noch einige Zutaten fehlten, zwang ich mich dazu, über meinen Schatten zu springen und das zu kaufen, was ich brauchte.

Nun ja, ich versuchte, zu kaufen, was ich brauchte, aber das war gar nicht so einfach denn wie mir scheint, bestimmt im Discounter nicht der Einkaufszettel darüber, was in den Wagen kommt, sondern das Angebot. Und dieses ist zumindest für meinen Geschmack ziemlich dürftig. Oh ja, mit Süssigkeiten, Chips und Beutelsuppe könnte man sich eindecken, zur Not findet man auch Knoblauch, Kokosmilch und Currypaste hingegen sucht man vergeblich, auch im Regal mit den asiatischen Produkten.

Nachdem ich jeden Regalmeter erfolglos nach den gewünschten Zutaten abgesucht hatte, sagte ich meiner Freundin, ich würde mich noch schnell im Discounter gegenüber – die Läden treten ja meist im Rudel auf – umsehen, vielleicht würde ich dort fündig. Wurde ich nicht. Im dritten Geschäft fand ich dann endlich Kokosmilch, Currypaste gab es aber auch dort nicht. Manchmal hätten sie diese schon im Sortiment, erklärte mir einer der Verkäufer. 

Manchmal, aber eben nicht heute, bei meinem hoffentlich einzigen Besuch in dieser Discounter-Oase. Ein Besuch, den ich nur schon deshalb nicht so bald wiederholen werde, weil ich schlicht keine Zeit habe, für eine Handvoll Zutaten dreissig Minuten durch die Läden zu hetzen. Als sich beim Mittagessen auch noch der Knoblauch in den Knoblauchbroten eigenartig grün-violett verfärbte, war klar, dass ich bei meiner bisherigen Haltung bleibe: Solange wir es uns leisten können, kaufe ich dort ein, wo für mich die Qualität stimmt. Auch wenn ich dafür etwas tiefer in die Tasche greifen muss. 

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Eine Familien-Ära geht zu Ende

Immer mal wieder zwischen 1996 und 2004:

„Eine Putzfrau kommt mir nie ins Haus. Ist doch das Letzte, jemanden die Drecksarbeit machen zu lassen und selber auf der faulen Haut zu liegen. Und nachher motzen, dass sie es nicht recht gemacht hat. Sind doch alles nur verwöhnte Tussis, die sich zu fein sind, selber einen Lappen in die Hand zu nehmen…“

2005, drei Vorschulkinder, ein kürzlich abgeschlossener Umbau, ein Feierabend-Teilzeitjob:

„Manchmal überlege ich mir schon, ob es nicht Zeit wäre, eine Putzfrau einzustellen. Jemand, der einmal pro Woche gründlich sauber macht und ich würde während der übrigen Zeit Schadensbegrenzung betreiben. Aber ob unser Budget das mitmachen würde? Und überhaupt, meine Mama hat es auch ohne hingekriegt und die hatte ein paar Kinder mehr als ich. Ich kann doch nicht einfach jemand anderem meine Drecksarbeit aufbürden.“

Ende 2006, drei Wochen vor dem Geburtstermin, Mutterschaftsurlaub, beginnende Erschöpfung, weil Töchterchen seit zwei Jahren keine Nacht durchschläft:

„Auuuuuutsch!!! Scheissmöbel!!!! Das war mein Zeh!!!!“

Drei Stunden später:

Zeh gebrochen, der Arzt befiehlt Hochlagerung des Fusses und eine Haushalthilfe.

Drei Tage später:

„Es tut mir wirklich schrecklich Leid, dass ich hier faul auf dem Sofa liege, währenddem Sie für mich die Drecksarbeit erledigen müssen, aber ich schaffe es einfach nicht, mehr als fünf Minuten auf den Beinen zu sein. Ach, das ist mir jetzt peinlich, dass Sie auch noch hinter diesem Buffet putzen müssen. Das hätte ich schon längst tun wollen, aber Sie wissen ja, mit drei kleinen Kindern. Und jetzt dieser elende Zeh. Wenn ich Ihnen doch bloss helfen könnte, aber der Arzt hat gesagt…“

Ende Januar 2007, Heimkehr aus dem Spital mit Zoowärter und einem Rezept für mehrere Monate Haushalthilfe:

„Ich bin ja schon froh, dass die Haushalthilfe noch etwas länger bleibt, aber eigentlich müsste ich das jetzt selber schaffen. Ich kann doch nicht immer faul herumliegen. Klar, ich bin müde und der Zoowärter braucht mich rund um die Uhr, aber irgendwie muss ich das doch wieder alleine hinkriegen. Und die Krankenkasse will ja jetzt doch nichts daran zahlen. Also, wir machen das nicht länger als unbedingt nötig.“

Herbst 2007, vier kleine Kinder, ein Feierabend-Teilzeitjob, drei Ehrenämter, keine Haushalthilfe mehr:

„Okay, wir schaffen es nicht ohne. Rufen wir halt die Frau, die das Inserat aufgehängt hat, mal an. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir es eine Weile lang so machen. Zumindest, bis ich die Ehrenämter abgegeben habe.“

Eine Woche später, Samstagmorgen:

„Gut, einmal die Woche, nur putzen, das Aufräumen erledigen wir selber. Schön, dann sehen wir uns nächsten Montag.“

März 2008, vier kleine Kinder, Feierabend-Teilzeitjob aufgegeben, Ehrenämter fast abgegeben, Erschöpfungszustand ärztlich diagnostiziert, ein positiver Schwangerschaftstest:

„Die Putzfrau bleibt, koste es, was es wolle! Und wenn das Baby kommt, muss für die ersten Monate ein Au Pair her, anders schaffe ich das auf keinen Fall.“

Oktober 2008, fünf Kinder, Familienchaos pur:

„Gott sei Dank haben wir eine Putzfrau! Sonst würden wir im Chaos untergehen.“

Bis Frühling 2013 wird sich an dieser Überzeugung nichts mehr ändern. 

Herbst 2013, der Familienalltag ist etwas ruhiger geworden, Körper und Seele haben sich von den Strapazen der vergangenen Jahre erholt, der neue Teilzeitjob lässt sich von zu Hause aus erledigen, alle Kinder sind theoretisch gross genug, um selber zu Staubsauger und Putzlappen zu greifen:

„Ich glaube, wir müssen uns allmählich Gedanken darüber machen, ob es nicht auch ohne Putzfrau geht. Die Kinder nehmen das alles viel zu selbstverständlich und ich habe ja jetzt auch wieder mehr Zeit. Aber ich bringe es einfach nicht übers Herz, sie gehen zu lassen. Klar, sie hat ihre Eigenarten, aber sie ist eine tolle Frau und ich mag sie wirklich.“

Ende 2013, das Familienbudget ächzt unter Weiterbildungskosten, die sich weniger schnell als erwartet bezahlt machen:

„Es geht nicht mehr anders, wir müssen auf die Putzfrau verzichten. Es klappt ja jetzt wirklich ganz ordentlich ohne ihre Hilfe, aber es fällt mir trotzdem unglaublich schwer. Es muss wohl einfach sein… nun ja, vielleicht können wir sie später hin und wieder für den Frühjahrsputz oder andere grössere Einsätze engagieren. So ganz ohne sie ist das ja auch irgendwie schwierig…“

29. Januar 2014:

„Sie muss unbedingt bald einmal zum Kaffee kommen, sag ihr das, wenn sie heute zum letzen Mal kommt. Schade, dass ich nicht zu Hause bin, ich hätte sie so gerne noch einmal gesehen. Du musst sie aber wirklich unbedingt einladen, ich will sie nach all den Jahren doch nicht einfach so ohne irgend eine Anerkennung ziehen lassen. Und ich muss ihr unbedingt noch ein Geschenk besorgen…“

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Geständnis

Schon mehrmals stand ich kurz davor, dieses Geständnis hier abzulegen, doch jedes Mal entschied ich mich nach reiflicher Überlegung dagegen. Es ist ja auch nicht ganz einfach, so etwas zu gestehen, aber der Moment ist gekommen, wo ich nicht mehr länger schweigen kann und darum schreibe ich mir die Sache jetzt einfach mal von der Seele. Hier also die ungeschminkte Wahrheit:

Ich hasse den Samstag. Ich verabscheue ihn zutiefst, diesen miesen Kerl, der so tut, als wäre er ein freier Tag, dabei ist er ein Sammelbecken für all den kleinen Mist, den du wochentags nicht erledigen kannst und sonntags nicht erledigen willst. Möbelpolitur und Teppichschaum kaufen, zum Beispiel, oder den Kühlschrank putzen, oder zu Hause die Stellung halten, damit „Deiner“ Sperrgut entsorgen gehen kann.

Weil der Samstag vorgibt, er sei ein freier Tag, bleibst du morgens länger liegen als die Kinder, was dem Chaos einen Vorsprung verschafft, den du den ganzen Tag nicht mehr wettmachen wirst. Das bedeutet, dass du erst frühstücken wirst, nachdem du die Kinder dazu verdonnert hast, ihre Kakaospuren und leeren Joghurtbecher zu beseitigen – oder aber, nachdem du das selber erledigt hast, weil du den Tag nicht mit Zoff anfangen willst. Wenn du dann endlich frühstücken kannst, werden sich deine Kinder unterdessen frisch und fröhlich hinter die Fingerfarben machen, oder sie werden mit sämtlichen Decken eine Hütte bauen, dabei hast du doch verkündigt, heute müsse aufgeräumt werden, weil morgen Gäste kommen.

Den Rest des Tages wirst du damit verbringen, Spuren zu beseitigen, den Sinn des Aufräumens für Gäste zu erläutern, Kleinkram zu erledigen und dich insgeheim zu ärgern, weil du von diesem Tag doch irgendwie mehr erwartest – mehr Zeit mit den Kindern, mehr Zeit mit „Deinem“, mehr Raum, nette Dinge zu tun, die Wochentags eben auch keinen Platz finden.

Vielleicht steht gegen Abend doch noch etwas Nettes auf dem Programm, eine Geburtstagseinladung zum Beispiel oder Gäste zum Kaffee, aber bis dieser Programmpunkt endlich da sein wird, ist dir schon längst die Decke auf den Kopf gekracht und dir ist jede Lust vergangen, dich jetzt noch einmal aufzuraffen und doch noch etwas Anständiges aus dem Tag zu machen.

So ist er, der Samstag, zumindest bei uns. Weder Werktag noch Sonntag, weder Pflicht noch Freiheit, nur so ein ärgerliches Zwischending, das sich nicht entscheiden kann, was es sein will. Manchmal wünschte ich mir, der Samstag wäre ein Werktag wie jeder andere. Dann wüsste man wenigstens, woran man bei ihm ist und würde von ihm nicht erwarten, was er nicht bieten kann.

Unknown

 

Keine Vorsätze, aber…

Das mit den guten Vorsätzen ist nicht so mein Ding, einerseits, weil ich dem Jahreswechsel keine allzu grosse Bedeutung beimesse, andererseits, weil ich wohl einfach zu bequem bin, mir selber irgendwelche Vorschriften zu machen, die ich dann ohnehin bald einmal missachten werde. Nun ergibt es sich aber, dass ich mich nach Jahren der Überlastung endlich wieder einmal energiegeladen genug fühle, um etwas bewusster zu leben, anstatt mich von den äusseren Umständen treiben und einengen zu lassen.

Dass dieser Wandel ausgerechnet mit dem Start des Jahres, in dem Menschen mit Jahrgang 1974 vierzig werden, zusammenfällt, ist purer Zufall und wenn ich nun aufschreibe, was ich in den kommenden Wochen und Monaten angehen möchte, hat das nichts mit guten Vorsätzen zu tun, sondern mit meinem Wunsch, keine frustrierte Mittelalterliche zu werden, die immer nur jammert, was sie alles täte, wenn sie sich doch bloss dazu aufraffen könnte und wenn man ihr doch nicht immer Steine in den Weg legte.

Einen ersten kleinen Schritt zum bewussteren Leben habe ich heute unternommen, indem ich google den Rücken zugekehrt habe und fortan mit ecosia.org das Internet durchforste, in der Hoffnung natürlich, dass die auch wirklich halten, was sie versprechen. Weitere Schritte sollen folgen, zum Beispiel:

  • Diese nervtötende Hauptfigur aus einer meiner unfertigen Texte in den Griff bekommen, damit ich endlich ihre Geschichte erzählen kann. Jedes Mal, wenn ich denke, ich hätte sie jetzt endlich an dem Punkt, an dem ich sie haben will, entwischt sie mir und stellt irgend eine Dummheit an, die sie in ihrer Entwicklung um Jahre zurückwirft. Und meinen Text, mit dem ich nun auch schon seit Jahren ringe, reisst sie gleich mit sich. In den kommenden Monaten, das habe ich mir geschworen, werde ich die Dame kleinkriegen.
  • Wie zwanzig kann und will ich nicht aussehen, aber ein bisschen mehr Sorge tragen zu meiner Gesundheit und dabei ein paar Kilos – alle überschüssigen zu beseitigen schaffe ich wohl nicht –  liegen zu lassen, wäre keine schlechte Idee und ich habe sogar einen Hauch von einer Ahnung, wie das gehen soll. 
  • Wer ein Kind bekommt, steckt vorher mal grob die erzieherischen Grenzen ab. Natürlich sind diese Grenzen in erster Linie dazu da, fröhlich niedergerissen zu werden, wenn die Grundsätze mit der Realität in Berührung kommen, aber immerhin hat man sich mal Gedanken gemacht. Bei Teenagern ist das nicht mehr so einfach, denn erstens kündigt sich der Übergang vom Kind zum Teenager nicht so deutlich an wie der Übergang von Schwangerschaft zu Elternsein und zweitens lässt einem das Familienleben wenig Zeit, in aller Ruhe zu überlegen, welche Grenzen gelten sollen. Plötzlich reagiert man nur noch, anstatt in groben Zügen vorzugeben, in welcher Richtung es gehen soll. Es soll kein umfangreiches Regelwerk werden, das auf ewige Zeiten gelten soll, aber ein paar Dinge müssen geregelt werden, auf die Gefahr hin, dass es zu lautem Protestgeheul kommt. 
  • Alt fühle ich mich nicht, aber das Bewusstsein, dass wir nicht ewig Zeit haben, um das zu verwirklichen, was uns wichtig ist, steigt. Darum gilt es, bei den Träumen auszumisten. Die einen müssen in konkrete Ziele umgewandelt werden, andere werden wohl auf ewig ins Reich der Fantasie verbannt, wo ich sie gelegentlich besuchen und sehnsüchtig betrachten werde. 
  • Der neu geschaffenen Ordnung Sorge tragen. Auch wenn ich dem Perfektionismus – bis auf wenige Bereiche – abgeschworen habe, so weiss ich es doch wieder zu schätzen, zu wissen, welches Ding wohin gehört. Und da die ganze Familie auf wundersame Weise zur gleichen Erkenntnis gelangt ist, stehen die Erfolgschancen für einmal erstaunlich gut.

Natürlich ist nichts davon in Stein gemeisselt, denn die vergangenen Jahre haben mich zur Genüge gelehrt, dass sich das Leben nicht gängeln lässt, doch das soll mich nicht davon abhalten, wieder etwas überlegter durch die Tage zu gehen. 

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