Fast bereit – oder auch nicht

DONE

  • Geschenke gekauft
  • 88 % (oder so) der Geschenke eingepackt
  • Tannenbaumstamm abgeschliffen, damit er in den Ständer passt und dabei zum ersten Mal überhaupt mit einer Schleifmaschine hantiert. Das war ein Bild: Ich von Kopf bis Fuss in Pink auf dem orangefarbenen Sofa mit dem Baumstamm auf dem Schoss und der Schleifmaschine in der Hand. Damit unsere Kinder später etwas zum Lachen haben, wenn sie über die guten alten Zeiten reden.
  • Stall für die Wachteln soweit fertig gebaut, dass die Tierchen ihre erste Nacht im Hause Venditti katzensicher versorgt sind. 
  • Patenkind beschenkt
  • Nachbarn beschenkt
  • Geschenke für die Patenkinder von „Meinem“ eingekauft
  • 7 Guezlisorten gebacken
  • Vorweihnachtliches Chaos angerichtet, damit wir alle noch ein wenig nervöser werden: Schaffen wir es, die Wohnung aufzuräumen, bevor es mit all dem Geschenkpapier noch schlimmer wird?
  • To Do – Liste geschrieben
  • Eine E-Saite für Karlssons Geige gekauft (und zu Hause erst gemerkt, dass die uns eine A-Saite mitgegeben haben)

TO DO

  • Endlich entscheiden, was ich zur Familienfeier mit meinen Eltern, Geschwistern & Co.  morgen Abend zum Essen mitbringen werde
  • Endlich das Weihnachtsmenü planen. „Meiner“ wäre für Paella oder asiatisch aber wir anderen finden, dass so etwas überhaupt nicht geht. Und er findet, wir seien alle stockkonservativ und langweilig, weil wir lieber Suppe im Brot, Morcheln und Bûche de Noël wollen.
  • Wirklich einmal früh aufstehen und nicht nur davon reden. Damit ich die Erste bin in der Migros, um endlich das Essen für die Festtage einzukaufen. Und dann vor lauter Weihnachten das Katzenfutter, die Feuchttücher und den Essigreiniger nicht vergessen
  • Herausfinden, ob der Geigenbauer morgen noch offen hat, damit wir doch noch eine E-Saite auftreiben können. Karlsson will morgen vor der gesamten Verwandtschaft auftreten, was ohne E-Saite relativ schwierig sein dürfte. Und ein Karlsson, der nicht vor der ganzen Verwandtschaft auftreten darf, dürfte ebenfalls etwas schwierig sein. 
  • Endlich entscheiden, ob die Katzen auch etwas zu Weihnachten bekommen. Und wenn die Katzen etwas bekommen, warum dann die Wachteln nicht? Oder reicht es, wenn die armen Tierchen zu Weihnachten einen eigenen Stall, ein Futtergeschirr und sieben Vendittis bekommen?
  • Die restlichen 12 % (oder so) der Geschenke einpacken
  • Geschenke, die im Trubel der Vorweihnachtszeit ihr Papier schon wieder verloren haben,  wieder einpacken.
  • Weitere Geschenke für Nachbarn und Freunde verteilen
  • Tannenbaum gerade richten
  • Nicht vergessen, dass wir noch weitere Kerzenhalter kaufen müssen. „Meiner“ hat ausnahmsweise mal einen grossen Baum gekauft.
  • Tannenbaum schmücken
  • Den Stall für die Wachteln fertig bauen und endlich entscheiden, ob er vorerst mal auf den Balkon kommt, oder bereits in den Garten
  • Einstreu für den Stall kaufen
  • Mit „Meinem“ ausdiskutieren, wer sich sich morgen Abend frühzeitig davonmachen darf, um bei der Christanchtfeier zur Ruhe zu kommen 
  • Aufräumen, aufräumen und nochmals aufräumen
  • Putzen, putzen und nochmals putzen
  • Eine Strategie entwickeln, wie wir die Kinder motivieren können, damit sie mitmachen beim Aufräumen, aufräumen und nochmals aufräumen. Das Putzen, putzen und nochmals putzen dürfte einfacher sein, denn das machen sie gern.
  • Scharf nachdenken, ob wir beim Geschenkekauf wirklich niemanden vergessen haben und Notfallszenario entwickeln, falls uns doch noch jemand in den Sinn kommt
  • Endlich in Festtagsstimmung kommen, damit ich nicht wieder erst an Ostern Zeit finde, über den tieferen Sinn des Weihnachtsfestes nachzudenken
  • Endlich begreifen, dass morgen wirklich schon der Heilige Abend ist und nicht der 24. Juli 2011

Und falls mir dann noch etwas Zeit bleibt, können wir ja noch die Spitzbuben backen, bevor der Teig, der schon längst im Kühlschrank wartet, vor lauter Kummer schlecht wird.

Unerwartete Ruhe

Wohin geht man, wenn man kurz vor Weihnachten mal einige Momente der Ruhe geniessen möchte? In den Wald bestimmt nicht, denn wenn man nicht unversehens in eine Waldweihnachtsfeier hineinstolpert, dann trifft man bestimmt auf einen, der sich heimlich einen Gratis-Tannenbaum schlägt oder auf so viele andere Ruhesuchende, dass aus der Ruhe nichts wird. Auch all die netten Cafés sind nicht zu empfehlen, denn da findet man kaum einen freien Platz mehr, erstens, weil sich all die Leute zu weiteren Einkaufsorgien stärken wollen und zweitens, weil da so viele Einkaufstaschen zwischen Tischen und Stühlen stehen, dass der Weg zum letzten freien Platz blockiert ist. Und wer denkt, im trauten Heim könnte es ruhiger sein, der irrt. Zumindest, wenn im trauten Heim auch Kinder leben, die keine Sekunde länger warten mögen, bis sie endlich das Papier von den Päckchen reissen können.

Der Ruheort par Excellence, musste ich heute Abend feststellen, ist in diesen Tagen die Ikea in Spreitenbach. Ich hatte mich ja regelrecht vor diesem Einkauf gefürchtet, aber weil das Patenkind nicht alle Jahre zwanzig wird und in die WG zieht, nahm ich die Sache eben auf mich. Und wurde freudig überrascht. Das Parkhaus halbleer, kein Gedränge und an der Kasse keine Schlange. Und das Schönste am Ganzen: Weder „Last Christmas“ noch „All I want for Christmas is you“. Der reinste Frieden an einem Ort, wo ich ihn weder gesucht noch erwartet hatte. Warum, so fragte ich mich, kann ich hier vollkommen entspannt quatschend durch den Laden schlendern, wo doch alles über Weihnachtsstress klagt? Vielleicht, weil jeder denkt: „Ich bin doch nicht so doof und fahre am 22. Dezember in die Ikea.“ Vielleicht auch, weil die alle auf den Ausverkauf warten, der übrigens schon längst begonnen hat. Vielleicht aber auch, weil kein Mensch im Möbelhaus Geschenke kauft.

Was auch immer der Grund war, wir haben die unerwartete entspannte Zeit genossen. Einen Nachteil hatte die Sache aber schon: Bei so wenig Kundschaft war der Zugang zu den Regalen bedeutend einfacher als im üblichen Gedränge. Der Betrag auf der Quittung war dann eben auch etwas höher als erwartet.

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Hach, wie besinnlich

In diesen Tagen reagiere ich mal wieder besonders empfindlich auf tiefe Seufzer und „ach, diese Vorweihnachtszeit ist einfach furchtbar stressig“-Bemerkungen. Zumindest, wenn sie von Kinderlosen kommen. Ja, ich weiss, die Vorweihnachtszeit ist für die meisten Menschen ziemlich hektisch, aber für uns Kinderreichen ist sie mehr als das. Sie ist das, was für den Buchhalter der Jahresabschluss, für das Warenhaus der Sommerausverkauf, für den Magenbrotverkäufer die Herbstmesse und die Verkäuferin am Schwimmbadkiosk der erste Hitzetag nach drei Wochen Regen ist. Und zwar alles miteinander. Hochsaison für gestresste Eltern, sozusagen.

Ich rede hier nicht in erster Linie von den unzähligen Geschenken, die es zu kaufen, zu verstecken und einzupacken gilt. Auch nicht von der Vorweihnachtsbäckerei, die den Kindern genau so lange Spass macht, bis es ans Aufräumen geht. Auch das Geschenkebasteln für Gotte, Götti, Grossmama, Grosspapa, Lehrerin und Lieblingstante ist hier nicht das Thema. Und für einmal will ich auch nicht klagen über die verschiedenen mehr oder weniger romantischen Veranstaltungen – im Wald bei Wind und Regen, vor der Kirche bei klirrender Kälte, in einem überheizten Wohnzimmer bei Kerzenschein -, zu denen wir Eltern in der Vorweihnachtszeit gerne eingeladen werden. Das sind ja eigentlich die schönen Seiten dieser besonderen Zeit und wenn auch nicht immer alles als besonders gelungen bezeichnet werden kann, so verleiht es doch diesen Tagen das ganz besondere Etwas, ohne das es nie so richtig Weihnachten werden könnte.

Nein, was uns in diesen Tagen so sehr zu schaffen macht, ist der Alltag, dem es schnurzegal ist, ob es noch ein halbes Jahr dauert bis Weihnachten oder nur noch zwei Wochen. So widrig die Widrigkeiten des Alltags während des Jahres auch sein mögen, sie sind nie so widrig wie dann, wenn man eigentlich allmählich besinnlich werden möchte. Wenn der FeuerwehrRitterRömerPirat am sechsten August das Gipspulver für seine Fossilien, die er giessen will, im Treppenhaus  verschüttet und danach im ganzen Haus Spuren verteilt, dann ist es ein Ärgernis. Geschieht das Malheur aber am siebten Dezember, dann möchte man laut heulen. Denn eigentlich hätte man so gerne eine Kerze angezündet, einen Tee aufgesetzt und mit den Kindern über den Sinn von Weihnachten philosophiert. Bekommen die Kinder an einem gewöhnlichen Dienstag zu viele Hausaufgaben, quittiert man dies mit einem Seufzer. Müssen sie aber am Nikolaustag lange über den Büchern brüten, möchte man sich die Haare raufen und laut schreien. Stattdessen treibt man die Kinder zur Eile an. „Nun mach schon vorwärts, in einer halben Stunde kommt der Samichlaus!“ Hach, wie romantisch!  Versinkt das Haus an einem gewöhnlichen Sonntag im Chaos, findet man das zwar lästig, aber man kann so halbwegs damit leben. Wenn da aber eine, zwei, drei oder gar vier Adventskerzen ihr sanftes Licht verbreiten sollten, sieht das Ganze einfach nur noch schrecklich aus und man kann gar nicht mehr anders, als der Unordnung zu Leibe zu rücken, alleine schon, um die Brandgefahr zu verringern denn Kerzen und Chaos passen nicht nur optisch so gar nicht zusammen. 

Nun macht der Alltag natürlich auch bei Menschen, die keine Kinder haben, keinen weiten Bogen um die Vorweihnachtszeit. Auch wer keine Kinder hat, ringt oftmals verzweifelt um ein paar stille Momente. Aber sie müssen nicht zuerst all die Erdnussschalen, die sich nach dem Samichlausbesuch im ganzen Haus verteilen, vom Sofa klauben, bevor sie sich zu einem gemütlichen Tässchen Tee hinsetzen. Und darum ertrage ich auch die Seufzer und „ach, diese Vorweihnachtszeit ist einfach furchtbar stressig“-Bemerkungen so schlecht. Vor allem, wenn ich gerade auf einer Erdnussschale sitze. Oder Gips vom Fussboden aufwische.

 

Was haben wir jetzt wieder falsch gemacht?

Die Idee war doch eigentlich brillant: Um das ewige Gezanke beim samstäglichen Putzen und Aufräumen zu umgehen, erklärten „Meiner“ und ich die zu putzende Etage zur kinderfreien Zone. „Nach dem Frühstück wollen wir euch zwei Stunden lang nicht mehr hier unten sehen“, verkündete ich. „Ihr habt absolutes Aufräumverbot, zumindest hier unten und eure Zimmer müssen einfach bis am Abend fertig sein, es ist mir egal, wann ihr euch an die Arbeit macht.“ Ist doch unglaublich nett und grosszügig, so ein Vorschlag, nicht wahr? Das Sahnehäubchen obendrauf war, dass ich Lieblingsessen kochte und Lieblingsessen heisst bei uns nicht Dosenravioli mit Ofenfrites, sondern Gemüsecurry mit frischem Naan, also ziemlich aufwändig. Damit hatten „Meiner“ und ich unser Möglichstes an Entgegenkommen gezeigt.

Und trotzdem gab es Zoff. Der Zoowärter wollte die kinderfreie Zone partout nicht verlassen, mochten wir noch so oft mit dem Staubsauger um ihn herumkurven. Luise und der FeuerwehrRitterRömerPirat schlugen sich oben die Köpfe ein – man munkelt von einer Klobürste, die dabei zum Einsatz kam – und standen alle paar Minuten heulend in der Küche. Das Prinzchen wollte nach langer Zeit wieder einmal freiwillig baden, was natürlich nicht zu meinem Plan, die Badewanne gründlich zu putzen, passte. Und ausserdem befand er sich ebenfalls in der kinderfreien Zone, was der arme Kleine natürlich überhaupt nicht verstehen konnte. Einzig Karlsson hielt sich an unsere Abmachung und liess sich kaum einmal blicken. Doch leider stellte sich später heraus, dass er massgeblich an dem Gezanke zwischen Luise und dem FeuerwehrRitterRömerPiraten beteiligt gewesen war. Also war auch er mit Schuld daran, dass aus unserer Vorstellung vom fröhlichen Haushalten nichts wurde. Als dann auch noch das Lieblingsessen von einigen unserer lieben Kinderlein mit Verachtung gestraft wurde, da konnte ich nicht mehr anders als sehr tief zu seufzen und zu fragen: „Wie weit muss man euch denn noch entgegenkommen, damit so ein Samstag endlich einmal halbwegs erträglich wird?“

Natürlich bekam ich keine Antwort auf meine verzweifelte Frage, aber immerhin murmelten alle betreten ihr“ Tschuldigung, Mama“. Na, dann freue ich mich doch schon auf den kommenden Samstag. Mal sehen, mit welchem Versuch wir dann scheitern werden.

Nur ein Viertelstündchen

„Nur ein Viertelstündchen“, seufzte ich, als ich mich heute nach dem allmorgendlichen „Nun zieht euch doch endlich die Schuhe an und macht, dass ihr rechtzeitig zur Schule kommt“-Ritual aufs Sofa legte. Aus dem Viertelstündchen wurden zwei, dann drei und schliesslich, als die Kirchturmuhr elf schlug, musste ich mit Schrecken feststellen, dass ich den ganzen Vormittag verschlafen hatte, währenddem das Prinzchen friedlich an meiner Seite spielte. „Mist, so etwas darf doch einfach nicht vorkommen“, meldete sich sogleich mein Gewissen zu Wort. „Dein armer Herr Gemahl rackert sich in der Schule ab, deine Kinder brüten über Rechenaufgaben, im Küchentrog stapelt sich das Frühstücksgeschirr und was tust du? Du pennst, als hättest du nichts Besseres zu tun.“ Zerknirscht wollte ich vom Sofa aufspringen und mich sogleich in der Küche zu schaffen machen, da meldete sich eine andere Stimme zu Wort: „Hör mal, mein gutes altes Gewissen“, sagte die Stimme, „ich bin von der Gewerkschaft und ich muss dir leider sagen, dass das, was die gute Frau heute Morgen getan hat, schon längst überfällig war. Endlich macht sie sich daran, die Überstunden abzubauen, die sie in den vergangenen Jahren angehäuft hat.“ „Welche Überstunden denn?“, fragte ich verdutzt und mein Gewissen lachte höhnisch: „Überstunden? Wir sind doch hier nicht in einem Betrieb. Die Frau hat Kinder gewollt, sie hat sich dazu bereit erklärt, einen Haushalt zu führen, also ist das, was sie hier zu tun hat, nichts weiter als ihre heilige Pflicht, ihre Berufung sozusagen. Wo kämen wir denn hin, wenn all die Mütter nun auch noch anfangen würden mit dem Geschwätz von fairen Arbeitsbedingungen, dreizehntem Monatslohn und Kompensation von Überstunden?“ „Nun, ich würde sagen, wir kämen ein ganzes Stück weiter. Überleg dir doch mal, wie oft so eine Mutter anstelle der vorgesehenen acht Stunden am Tag geschlagene sechzehn Stunden im Einsatz ist, oft gänzlich ohne Pause und selbstverständlich ohne Lohn. Es ist also höchste Zeit, dass wir die Kompensation der Überstunden in Angriff nehmen, sonst streikt die gute Frau eines Tages und was machen wir dann?“ „Ha! Als ob sie nicht schon längst streiken würde!“, ereiferte sich mein Gewissen. „Eben erst war sie im Ländli, den Sonntagnachmittag hat sie auch schon verpennt und glaub mir, wenn sie nicht ins Schwimmbad gefahren wäre mit den Kindern, sie hätte auch gestern Nachmittag nichts Anständiges zustande gebracht. Wenn diese Frau sich nicht endlich wieder aufrafft, dann laufen hier die Dinge noch ganz aus dem Ruder.“ 

Ob diesem Gekeife wurde ich allmählich wieder wach genug, um die zwei zum Schweigen zu bringen. „Hört mal“, sagte ich, „ihr habt ja beide ein Stück weit Recht. Klar muss ich mich wieder etwas mehr am Riemen reissen, denn immerhin bin ich noch Teilzeit-Hausfrau und kann nicht einfach den ganzen Kram auf ‚Meinen‘ und die Putzfrau abwälzen. Aber ich wage zu behaupten, dass nach all den durchwachten Nächten ein paar zusätzliche Stunden Schlaf noch nicht als Todsünde gelten.“ Und zu mir selber sagte ich: „Zm Glück hast du viele Kinder. Bei Kind Nummer eins hättest du es noch nie und nimmer fertiggebracht, einfach so einen Vormittag zu verschlafen, egal wie kurz die Nacht zuvor war. Jetzt hingegen kannst du das nicht bloss, du musst es. Zumindest hin und wieder…“

 

(Nicht ganz)alles beim Alten

So eine Auszeit, wie ich sie mir vergangenes Wochenende habe gönnen dürfen, ist ja schnell wieder vergessen. Kaum fällt die Wohnungstür hinter dir ins Schloss, bist du nicht nur  umringt von deinen Lieben, die dich vermisst haben, sondern auch von all dem Kram, den der Alltag jeweils liegen lässt. Spätestens eine halbe Stunde später hältst du zum ersten Mal wieder einen Putzlappen in der Hand und wenn du am nächsten Morgen die Kinder weckst, ist es, als wärest du nie weg gewesen; sie motzen dich an wie eh und je, weil du dazu gezwungen bist, sie aus dem Schlaf zu reissen. 

Es gibt Mütter, die auf Auszeiten verzichten, weil der Stress des Heimkommens grösser ist als der Genuss der Entspannung. Auch ich habe am Montagmittag geseufzt, als ich mich gehetzt wie eh und je  zum Essen hinsetzte. „Ich weiss schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht und dabei war mir während der Tage im Ländli so einiges klarer geworden“, klagte ich. „Ich hatte mir doch so sehr vorgenommen, ein wenig Ruhe in den Alltag einfliessen zu lassen. Aber mir scheint, ich bin nicht lernfähig.“

Doch dann ertappte ich mich am Dienstag dabei, wie ich auf eine Anfrage etwas sagte, was ich sonst kaum über die Lippen bringe, nämlich die vier Buchstaben N-E-I-N. Nicht zu einem Kind, dem ich die Süssigkeiten verweigern musste, auch nicht zu „Meinem“, der mich zu einem gemütlichen Filmabend überreden wollte, sondern zu einer Anfrage, die einmal mehr dazu geführt hätte, dass ich irgendwie zwischen Kind, Haushalt,  Ehe und Arbeit noch eine Verpflichtung hineingewürgt hätte. Ein unglaublich gutes Gefühl. So gut, dass ich es heute gleich noch einmal ausprobierte. Es klappte, das Nein wurde akzeptiert, der Tag verlief deutlich ruhiger als wenn ich ja gesagt hätte. Er verlief nicht vollkommen beschaulich, natürlich nicht. Ist ja gar nicht möglich bei uns. Aber er verlief immerhin so beschaulich, dass ich mir heute Abend ohne schlechtes Gewissen und ohne „Mist, das hätte ich auch noch erledigen sollen“, die Borgias reinziehen konnte. 

Ich bin natürlich nicht so vermessen, vollmundig zu behaupten, ich hätte meine Lektion gelernt und ab jetzt werde alles anders. Dafür kenne ich mich viel zu gut. Aber ein kleines bisschen stolz bin ich schon auf die zwei N-E-I-N, die mir da über die Lippen gekommen sind. 

Wie weiter?

Schon beim Frühstück fällt es mir auf: Die anderen sitzen gelassen am Tisch und geniessen den sonnigen Morgen, die Bewegungen sind langsam und bedächtig, was längst nicht bei allen am Alter liegt. Ich hingegen kann kaum stillsitzen, schlinge mein Brot zu schnell herunter, stehe so hastig auf, dass ich beinahe das verletzte Bein der Tischnachbarin überrenne. Und kaum habe ich den letzten Bissen hinuntergeschluckt, bin ich auch schon wieder auf dem Sprung.

Als ich wenig später nach dem Saunagang im Ruheraum liege, wird es noch deutlicher: Nach fünf Minuten im Liegestuhl habe ich das Gefühl, eine Ewigkeit schon dort zu liegen und ich überlege mir krampfhaft, was ich denn sonst noch tun könnte, denn zurück in die Sauna geht noch nicht, mein Körper braucht eine längere Ruhezeit.

Noch einmal später, als ich entspannt im warmen Wasser treibe, lasse ich mir noch einmal den gestrigen Tag durch den Kopf gehen. Es war ein einziges Gehetze vom Morgen bis zum Abend und dann, im Ländli angekommen, nur noch ein Gedanke: So schnell wie möglich schlafen. Nicht einmal mehr lesen oder in den Whirlpool sitzen. Die Auszeit hier wird gerade mal knapp ausreichen, damit ich mich vom gestrigen und vielleicht noch vom vorgestrigen Gehetze erholen kann. Aber es gab viel Gehetze in den vergangenen Wochen und zu Hause geht das Leben wieder weiter wie zuvor. Wie lange müsste eine Auszeit denn sein, damit ich wieder den Nerv habe für das, was ich „mein“ Leben nenne?

Wie ich so dahintreibe und die Schwerelosigkeit im Wasser geniesse, wird eines immer klarer: Ich kann so nicht weitermachen, ich will so nicht weitermachen.

Aber wie denn sonst?

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Geschenkt gibt’s nichts

Oh ja, ich habe dieses Erholungswochenende wirklich nötig. Wenn dir andere Mehrkindermütter sagen, dass du müde aussiehst, dann weisst du, dass du endgültig reif bist für eine Auszeit. Gewöhnlich kommen solche Aussagen von Kinderlosen und sind folglich nicht allzu ernst zu nehmen, aber wenn dir eine Abgekämpfte sagt, dass du abgekämpft aussiehst, dann muss etwas Wahres dran sein. Und so kommen mir die zwei Tage im Ländli, die mir „Meiner“ zum Geburtstag geschenkt hat, gerade gelegen.

Aber wie das so ist im Leben von uns Eltern, geschenkt gibt’s selten etwas und Erholung muss man sich verdienen. Und so erstaunt es mich nicht im Geringsten, dass heute Abend alle Züge mit einer netten, kleinen Vierminutenverspätung unterwegs waren. Genau richtig, damit ich in Rotkreuz den Anschlusszug nach Zug verpasste und folglich auch den letzten Bus ins Ländli kurz nach sieben. Okay, die zwanzig Minuten Fussmarsch zum Ziel meiner Reise werde ich auch noch überstehen, aber offen gestanden hatte ich mir erhofft, bereits auf der Hinfahrt mit dem Erholen anfangen zu können. Erholungszeit ist das Kostbarste, was man mir in diesen Tagen schenken kann und darum ist jede Minute, die mit Hetzen und sich Ärgern verbracht wird, eine zuviel.

Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als den Fussmarsch als romantischen Abendspaziergang an den Ufern des Aegerisees zu deklarieren. zum Glück habe ich nicht viel Gepäck dabei.

Spiegel

Luise kurvt auf Prinzchens Bobby Car durch die Wohnung und spielt „Mama beim Autofahren“:

„Mist, schon wieder verfahren! Mal sehen, wo ich wenden kann. Ach, komm schon, wo kann ich denn wenden? Vielleicht da? Ja, das könnte gehen. Wenn bloss nicht dieser Trottel hinter mir wäre. Mist, schon wieder verfahren und das iPad ist auch ausgeschaltet. Wie soll ich denn jetzt wissen, wo ich durchfahren muss? Jetzt kauf‘ ich mir dann doch noch ein Navi. Und dann muss ich auch noch tanken.“ Lusie steigt vom Auto, tut so, als würde sie tanken, geht zur imaginären Kasse und wird nervös. „Wo ist denn schon wieder mein Portemonnaie? In der Tasche? So ein Mist, hier in der Tasche ist es nicht. Dann vielleicht in der Hosentasche? Auch nicht. So ein elender Mist. Habe ich das Ding schon wieder zu Hause vergessen? Aber halt, vielleicht…ja, da ist es. Gott sei Dank! Aber teuer war das wieder. Immer muss man so viel Geld ausgeben. So, mal sehen, dass wir nicht zu spät kommen. Oh je, jetzt habe ich mich schon wieder verfahren…“

Eigenartig. Jetzt habe ich stets gemeint, ich sei Luises Mama, doch nach dieser Imitation bin ich mir da nicht mehr so sicher. Nun ja, ein oder zweimal in meinem Leben habe ich mich schon verfahren und es soll sogar schon vorgekommen sein, dass ich mein Portemonnaie zu Hause vergessen habe, aber dass ich  so oft „Mist“ sage, ist eine unverschämte Unterstellung. 

Wieder so ein Tag

Der erste Satz des Tages: „Du musst sofort aufstehen, es ist schon Viertel vor sieben und ich muss heute früher zur Arbeit!“ Ein klares Zeichen, dass man sich sofort die Decke über den Kopf ziehen und den Rest des Tages im Dämmerschlaf verbringen sollte. Aber was tut man stattdessen? Man schlurft in die Küche, wo man sich zuerst einmal mit dem Teig zu schaffen macht, damit das Prinzchen frische Brötchen zum Krippengeburtstag bringen kann. Und dann gleich noch einmal Teig, denn man hat ja versprochen, dass es im Familienzentrum heute Kuchen zum Dessert gibt und der wird ja nicht von selbst, auch wenn jetzt eigentlich die Raubtierfütterung auf dem Programm steht. Heute also nur unter reduzierter mütterlicher Aufsicht, was natürlich einige der Raubtiere zum Spielen und Streiten verleitet. Nachdem die Raubtiere satt, sauber und auf dem Weg zur Schule sind, kommt der Haushalt dran, aber der hätte so viel Zuwendung nötig, dass ich es bei einem kurzen Brief an die Putzfrau belasse: „Musste heute früh backen, bitte entschuldige das Chaos.“ Danach ab unter die Dusche und dann mit Teig, Geburtstagsbrötchen und Springformen los zur Arbeit, wohin ich es gerade noch pünktlich schaffe, weil meine Mutter sich des Prinzchens, der unbedingt mit seinem neuen Laufrad in der Krippe aufkreuzen will, annimmt. 

Der Arbeitsmorgen ist auch nicht gerade beschaulich, aber immerhin etwas überschaubarer, weil ich hier nur einen Job zu erfüllen habe und nicht drei oder vier zur gleichen Zeit. Dennoch bin ich ganz schön geschafft, als ich nachmittags mit einer widerspenstigen Kinderschar – Einer weigert sich, die Schuhe anzuziehen, der andere scheint sich Petersilie in die Ohren gestopft zu haben, um keine mütterlichen Anweisungen hören zu müssen und der Dritte heult schon wieder, weil irgend etwas total unfair war –  zu Hause ankomme. Also sofort hinlegen und zwar alle, inklusive Mutter. Nach drei Minuten sind alle wieder auf den Füssen. Alle, ausser die Mutter, denn die schnarcht und würde nicht eines der Kinder irgendwann zu schreien anfangen, wir kämen viel zu spät zum Schwimmkurs. 

Wir kommen nicht viel zu spät, nur zu spät. Und dann stelle ich an der Kasse fest, dass das Portemonnaie zu Hause geblieben ist. Also schnell den Zoowärter, der noch keinen Eintritt bezahlen muss und der in dieser Saison unser einziger Schwimmschüler ist, in die Badehose zwängen, bei der Schwimmlehrerin abliefern und wieder zurück nach Hause düsen, wo das Portemonnaie unauffindbar ist. Also schnell eine herumstreunende Zwanzigernote auftreiben und wieder zurückrasen, damit der Zoowärter keine Angst kriegt und die anderen Kinder doch noch zu ihrem Badevergnügen kommen. Nach zwei Stunden auf der Treppe des Kinderbeckens – „Ja, Luise, du darfst noch dreimal vom Sprungbett springen, ja, du auch, FeuerwehrRitterRömerPirat. Halt, Prinzchen, nicht auf den nassen Fliesen herumrennen! Hilfe, der Zoowärter hat sich in einen gefährlichen Tyrannosaurus Rex verwandelt und will mich fressen!“ – bin ich komplett durchgefroren und ziemlich genervt, weil zuerst keiner aus dem Wasser will und sich dann alle in den Garderobenschränken verstecken. Mir scheint, so langsam werde ich heiser…

Zu Hause erwartet mich „Meiner“ mit der Nachricht, dass Karlsson vom Kinderorchester abgeholt werden muss und so sitze ich wenige Minuten später schon wieder im Auto. Diesmal immerhin ohne drei Streithähne auf den hinteren Sitzen. Und man lese und staune, ich komme sogar pünktlich an, um Karlsson in Empfang zu nehmen. Wenig später sitzen wir alle am Tisch und man wünschte sich, dass es jetzt allmählich ruhiger wird, bis man schliesslich den Abend bei Kerzenschein und einem netten Gespräch mit „Meinem“ ausklingen lassen kann. So etwas gibt es tatsächlich, aber doch nicht an einem solchen Tag. Und darum dauert es nicht lange, bis das ganze Haus wieder summt wie ein Bienenstock. Die Kinder räumen ihre Zimmer auf und können sich nicht entscheiden, ob sie sich nun kooperativ zeigen wollen oder nicht, „Meiner“ schneidet Kuchen für die Verkleideten, die im Minutentakt an der Türe klingeln und Süsses verlangen, damit wir kein Saures kriegen, aber von all dem bekomme ich nichts mehr mit, denn ich bin schon längst wieder abgerauscht, weil da noch eine Sitzung bevorsteht.

Wenn ich jetzt so auf den Tag zurückblicke, dann dünkt mich, es wäre eindeutig gemütlicher gewesen, wenn ich mir heute früh die Decke über den Kopf gezogen hätte.