Konservenbloggen

Hier sitzen wir also, irgendwo, weitab von allem, was uns gewöhnlich umgibt, weitab von Arbeit, Wohnung aufräumen, Stundenplänen, Mailbox checken und Internetverbindung. Und dennoch erscheint hier ein neuer Text. Warum bloss? Bin ich jetzt schon so übergeschnappt, dass ich glaube, die Welt könne nicht mehr ohne meinen Senf, den ich dazu gebe? Oh nein, ganz so schlimm steht es noch nicht mit mir. Oder vielleicht doch. Klar, ich weiss, die Welt kann ohne mein Geblogge, aber kann ich  noch ohne? Ich fürchte nicht. Da mag ich mir noch so sehr vornehmen, mal eine Woche aufs Schreiben zu verzichten, aber so, wie ich mich kenne, werde ich spätestens nach vierundzwanzig Stunden nervös und nach achtundvierzig mache ich mich auf, mitten im Nirgendwo einen Wireless-Hotspot ausfindig zu machen. Damit dies nicht geschieht, habe ich mal wieder vorgebloggt. Um meinen eigenen Schreibzwang zu überlisten. „Du hast ja heute bereits gebloggt“, werde ich zu mir sagen können, wenn die Finger zittrig werden und der Kopf anfängt, Sätze zu bauen. Und dann werde ich mich genüsslich zurücklehnen, das Buch, das ich zu Ende lesen möchte, zur Hand nehmen und das süsse Nichtstun geniessen. 

Nun ja, so ganz traue ich mir dennoch nicht. Das iPad kommt mit. Für den Fall, dass es doch nicht ohne schreiben geht. Und für den Fall, dass ich doch irgendwo per Zufall auf einen Hotspot treffe. Wobei ich mir da in Italien nicht allzu grosse Hoffnungen mache…

Tapetenwechsel

Ganz ehrlich, wir hatten nicht vor, in diesem Jahr noch einmal zu verreisen. Okay, zwei oder dreimal haben wir schon gen Himmel geseufzt, dass wir schon wieder reif sind für eine Verschnaufpause. „Wir würden ja nur zu gerne, wenn bloss dieses Konto sich nicht so standhaft querstellen würde…Italien wäre doch ganz hübsch, aber eben, leider ganz und gar unmöglich…“ Und dann, zwei oder drei Tage später diese Einladung: Eine Woche Piemont, die ganze Horde, einfach so geschenkt. Fast wie im Märchen, bloss real.

Nun sind wir also unterwegs, fest entschlossen, diese überraschende Verschnaufpause irgendwo zwischen Alba und Nirgendwo in vollen Zügen auszukosten. Habe ich eben „geniessen“ gesagt? Nun ja, bis jetzt war’s eher ein Gehetze, aber das ist ja auch nicht anders zu erwarten, wenn man morgens um sechs mit fünf Kindern und sieben Koffern durch die Dunkelheit hetzt. Aber wir haben es geschafft, der Zug nach Mailand rollt, wir alle sitzen drin und so langsam kommt diese unbändige Freude auf, dass wir so ganz unerwartet zu einem Tapetenwechsel kommen.

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Ihr lieben Deutschen

Auf die Gefahr hin, dass ich von gewissen Kreisen in der Schweiz des Landesverrats bezichtigt werde, muss ich hier mal etwas gestehen: Ich mag euch. So etwas dürfte ich als Schweizerin ja gar nicht sagen, denn hierzulande gilt es nicht gerade als cool, Deutsche nett zu finden. Aber wie soll ich denn behaupten, ihr wäret schnoddrig, wenn man uns bei allen Aufenthalten bei euch sehr (gast)freundlich behandelt hat? Wie soll ich mich darüber beklagen, ihr würdet uns langsamen Schweizer nie ausreden lassen, wo die Deutschen, die ich kenne, immer schön brav warten, bis ich in meinem holperigen Schweizer-Hochdeutsch bis zur Pointe einer vermeintlich witzigen Bemerkung vorgedrungen bin? Weshalb sollte ich mich darüber ärgern, dass ihr bei uns in den Spitälern arbeitet, wo ich doch selber nie und nimmer genug Mumm in den Knochen hätte, blutige Wunden zu verarzten und alte Menschen zu waschen? Klar, mir sind auch schon doofe Deutsche begegnet, aber die waren auch nicht doofer als die Doofen bei uns. Natürlich finde ich euer Privatfernsehen schrecklich, aber es zwingt mich ja keiner, mir das anzusehen. Nein, ich sehe wirklich keinen Grund, euch doof zu finden; hin und wieder etwas sonderbar vielleicht, aber ganz bestimmt sehr nett und sympathisch. 

„Sonderbar?“, wundert ihr euch. „Sonderbar seid ihr Schweizer, aber wir doch nicht.“ Zwar muss ich euch da ein Stück weit Recht geben, aber ihr habt durchaus auch eure Eigenheiten, die sich dem auswärtigen Besucher nicht allzu leicht erschliessen. Wie muss ich zum Beispiel das Strassenschild deuten, das sich aus einem Überholverbot, einer Tafel mit einem Camper sowie der Zeitangabe 19 – 6 Uhr – vielleicht waren es auch andere Zahlen – zusammensetzt? Ergibt ja alles zusammen ein nahezu künstlerisches Arrangement, aber was bitte bedeutet das nun für mich als Autofahrerin? Bedeutet es überhaupt etwas für mich, oder geht das nur diejenigen etwas an, die mit Wohnwagen unterwegs sind? Ich muss gestehen, dass mich diese Kombination von Strassenschildern ziemlich verunsichert hat, so sehr, dass sie mich bis in meinen Traum verfolgt hat, in dem ich aus Angst, das falsche Schild zu befolgen, im Schneckentempo über eure Autobahnen gekrochen bin und nicht wagte, den Wohnwagen vor mir zu überholen. 

Sonderbar ist auch euer Umgang mit Jubiläen. Hat man uns damals als junge Lokaljournalisten gleich zu Beginn unserer Tätigkeit eingebleut, dass es keine „30-jährigen Jubiläen“ gibt, weil kein Mensch so viel Zeit zum Feiern hat, begeht ihr hemmungslos „25-jährige Gründungsfeste“, „50-jährige Geburtstage“ und vielleicht gar „100-jährige Jubiläen“. Und ich hatte mir stets gedacht, ihr wäret ein arbeitsames Volk. 

Was mich aber am meisten wundert ist euer Hang zu Klebrig-Süssem. Ihr ernährt euch doch wohl nicht mehrheitlich von Bonbons, Marzipan, Zuckerwatte und Plundergebäck, oder? Warum in aller Welt sind dann die Regale in euren Supermärkten von unten bis oben mit Süsswaren vollgestopft? Ich war immer der Meinung, das Anstehen am Schalter der Schweizer Post mit ihrem Süssigkeiten auf Kinderaugenhöhe sei der absolute Horror, aber nachdem ich erfolglos versucht habe, meine unvernünftigen, nach Süssem lechzenden Söhne tränenfrei durch eure Supermärkte zu lotsen, ist mein Respekt für alle Deutschen Mamas, die es schaffen, ihre Kinder gesund zu ernähren, ins Grenzenlose gestiegen. 

Vielleicht aber täuscht mich auch mein Eindruck, denn es könnte ja sein, dass ich bei euch einfach viel eher in Versuchung komme, zuzugreifen, weil es für sehr viel weniger Geld sehr viel mehr Kalorien zu kaufen gibt. Das Totschläger-Argument „Nein, das ist viel zu teuer, das können wir uns nicht leisten“ verfängt bei euch einfach nicht, zumal unsere Kinder schon ziemlich gewieft sind im Umrechnen des Euro-Kurses. Wenn das Ganze dann noch mit dem bei uns nicht erhältlichen, bei euch aber omnipräsenten, Waldmeistergeschmack daherkommt, dann kann auch ich nicht mehr widerstehen und ich sage ja, auch wenn ich sehr genau weiss, dass ich eigentlich nein sagen sollte. Und um den Bogen zum Anfang dieses Posts zu schlagen muss ich noch anfügen, dass man Menschen, die so viel Waldmeistergeschmack haben, doch einfach mögen muss.

Wieder da

Nach

…unzähligen Schritten durch Prags wunderschöne Gassen
…einigen sehr sehenswerten Sehenswürdigkeiten wie zum Beispiel das Musikmuseum und das Kommunismusmuseum in Prag oder der Altstadt von Regensburg
…einigen nicht so sehenswerten Sehenswürdigkeiten wie zum Beispiel dem Schloss Karlšteijn oder dem Turm der Burg Falkenstein
…dem Kauf von zahllosen Reiseandenken, vom Mini-Theater mit dem Kleinen Maulwurf für den Zoowärter bis hin zum Dirndl für Luise – das muss man sich mal vorstellen, wie die allem Volkstümlichen abgeneigte Mama mit ihrer einzigen Tochter im  Laden Dirndl bewundert, während der männliche Rest der Familie völlig entnervt im Auto wartet und dem Lieben Gott dafür dankt, dass es nicht mehr Frauen gibt in der Familie
…ein paar kleineren Familienstreitigkeiten und dem einen oder anderen Gemotze, sowohl von elterlicher als auch von kindlicher Seite
…sehr vielen Kilometern auf Tschechischen und Deutschen Strassen mit erstaunlich wenig Stau und keiner einzigen Panne und dies, obschon nachbars Auto, mit dem wir unterwegs waren, schon bessere Tage gesehen hat
…einigen sehr erfreulichen Begebnungen mit Menschen, die sich an unseren Knöpfen freuten
…zum Glück nur wenigen negativen Begegnungen mit Menschen, die unsere Knöpfe schrecklich fanden
…zu viel Fastfood, zumindest für Menschen, die eigentlich am liebsten viel Gemüse und dergleichen essen
…sehr viel Eis
…einigen äußerst faulen Tagen, an denen die größte Anstrengung darin bestand, die paar lästigen Wespen loszuwerden und sich ein Glas Wasser in der Küche zu holen
…keinem einzigen Morgen, an dem man vor neun aus den Federn war
…endlosen Kinderfragen zu den Weltkriegen, dem Kalten Krieg und anderen Katastrophen der jüngeren Vergangenheit
…endlosen Kinderfragen im Sinne von „Warum kriege ich diese mit Zuckerperlen gefüllte Nuckelflasche mit der Trillerpfeife dran nicht?“ – Nun  ja, offen gestanden war es keine Frage, sondern ein Tobsuchtanfall mitten im Laden
…sehr vielen gemütlichen Lesestunden
…zu vielen Wiederholungen der immer gleichen Hörspiel-CD

und

… dem Besuch beim ehemaligen Au-Pair  mit Familie, der einfach rundum perfekt und wunderschön war, der aber leider auch dazu führte, dass heute Abend fast alle kleinen Vendittis weinend ins Bett gingen, weil sie „ihr“ Au Pair so sehr vermissen

… sind wir nun wieder da. Eine unglaublich intensive Zeit, zwei Wochen, die sich anfühlen wie ein halbes Jahr, so voll waren sie mit Schönem, Unvergesslichem, aber auch Anstrengendem, was das Familienleben in Ferienzeiten zu bieten hat. Wie immer wird auch diesmal nicht allzu viel Fassbares bleiben, dafür umso mehr Erinnerungen. Ach ja, und dann wäre natürlich noch dies, aber das hat man eben davon, wenn man zwei Wochen lang so tut, als wisse man nicht, was das Wort „Wäscheberg“ bedeutet:

Nun, eigentlich käme jetzt hier ein Bild unseres Wäschebergs, aber mir scheint, der Kerl geniert sich und darum klappt das heute nicht ganz mit dem Bild. Da er nicht kleiner wird, wenn ich hier noch lange herumprobiere, muss meine Leserschaft leider auf das Bild verzichten. Aber ich nehme jetzt mal an, dass 90% meiner Leserschaft einen eigenen Ferienwäscheberg abzutragen hat, also was sitzt ihr eigentlich noch hier…

Neues aus dem Haushalt

Reisen bildet, sagt man und wie es sich gehört, habe auch ich in diesen Ferien Weisheiten gesammelt. Die weiseste dieser Weisheiten möchte ich meiner Leserschaft nicht vorenthalten, zumal es sich dabei um einen Haushaltstipp handelt, den ich gerne schon vor Jahren gekannt hätte.

Also, hier kommt er endlich, nach mehr als zwei Jahren Bloggerei, mein allererster Haushaltstipp: Flecken von Babybel-Wachs auf Kachelböden – es kann auch das Wachs vom Edamer-Käse sein – entfernt man am einfachsten mit einem Baby-Feuchttuch. Das funktioniert übrigens auch bestens bei versiegeltem Parkett. Habe ich heute Morgen beim Aufräumen der Ferienwohnung festgestellt, nachdem ich die hartnäckigen Wachsflecken einfach nicht wegbkriegen konnte.

Weshalb ich diesen Tipp hier weitergebe? Erstens, weil ich keinen Bedarf dafür habe, da wir weder Kachelböden noch versiegelte Parkettböden haben. Und zweitens, weil man von einer bloggenden Teilzeithausfrau doch Haushalttipps erwartet und ich möchte meine Leserschaft nicht enttäuschen.

Wie, ihr wollt hier gar keine Haushaltstipps lesen? Umso besser. Das mit dem Babybel-Wachs ist nämlich der Einzige, den ich auf Lager habe. Aber vielleicht ist ja dennoch die eine oder andere verzweifelte Mama, die eine Ferienwohnung in halbwegs anständigem Zustand hinterlassen möchte, froh darum.

Es gäbe da natürlich noch eine andere Möglichkeit: Sich konsequent weigern, Babybel-Käse zu kaufen, wenn die Kinder wieder unbedingt welchen haben wollen. Dies allerdings erfordert ziemlich starke Nerven und wer diese nicht hat – wie ich zum Beispiel -, der sollte sich zusammen mit dem Käse auch gleich noch eine Packung Feuchttücher kaufen.

Es gibt uns noch…

… bloss haben wir es geschafft, uns genau den Winkel Deutschlands für unsere Restferien auszusuchen, der noch nie etwas von Wireless & Handyempfang gehört hat. Nun ja, ich übertreibe mal wieder, das familiemfreundliche Feriendorf verspricht natürlich Internetempfang, wie es sich heutzutage gehört. Zu dumm nur, dass auf fünfzig Ferienwohnungen gerade mal 20 Modems kommen und von denen haben wir natürlich keines abbekommen. Internetcafés gibt’s nicht im Ort und wenn man die grosse weite Welt nicht aus den Augen verlieren möchte – mal kurz Mails und die neueste „Spiegel“-Ausgabe herunterladen und ein paar Zeilen bloggen – muss man bis Regensburg reisen.

Nun könnte man ja gut und gern einmal ein paar Tage ohne meine Gedankenergüsse auskommen und sogar ich habe mich beinahe damit abgefunden, dass ich gezwungenermassen mal eine Woche Kreativpause einlege, aber da gibt es ja noch die Swissmom-Kolumne, die jeweils am 1. des Monats fällig ist und aus mir vollkommen unerklärlichen Gründen habe ich in Prag keine Zeit für diese Kolumne gefunden. Und so kam es, dass wir am Sonntag eiligst nach Regensburg fuhren, damit der Text noch rechtzeitig online geschaltet werden konnte. Offen gestanden war meine Familie nicht gerade begeistert darüber, dass man meinetwegen durch Regensburg hetzen musste, immer auf der Suche nach der besten Internetverbindung.

Immerhin haben wir dabei festgestellt, dass Regensburg eine wunderschöne Stadt ist, so, dass wir heute gleich noch einmal gekommen sind. Und diesmal, das schwöre ich, hat es nichts mit meiner Schreiberei zu tun. Wobei, wo wir schon mal hier sind, kann ich ja gleich….

Familienticket

Auch in Prag hat man erkannt, dass Eintrittspreise zu Sehenswürdigkeiten ins gute Tuch gehen, wenn man mit der Familie reist und darum werden vielerorts vergünstigte Familientickets angeboten. Dumm nur, dass die Definition dafür, was eine Familie ist, meist ziemlich eng gefasst wird: 1 Familie = 2 Erwachsene + 2 Kinder.

Kommt ein Erwachsener mit drei Kindern daher, kann er die Reduktion glatt vergessen. Auch zwei Erwachsene mit drei oder vier Kindern haben keine Chance, die überzähligen Kinder mit der Pauschale hereinzuschmuggeln. Wer nicht fähig ist, seine Familie nach dem 2 + 2 – Schema zu planen, der hat keine Vergünstigung verdient, die Kinder, die zuviel sind, werden ganz normal verrechnet, so dass man am Ende trotz Familienticket ziemlich tief in die Tasche greifen muss. Zumindest, wenn man nicht dazu bereit ist, die überzähligen Kinder im Schliessfach zu deponieren.

Zwei Ausnahmen sind mir in dieser Woche begegnet: Im jüdischen Viertel lautet die Gleichung 1 Familie = 2 Erwachsene + 4 Kinder, im Botanischen Garten heisst es 1 Familie = 3 Erwachsene + 2 Kinder, was ja durchaus Sinn macht, denn wenn man schon den mühsamen Onkel, der sich sonntags immer so einsam fühlt, mitschleppen muss, will man nicht eigens für ihn bezahlen, nicht wahr?

Ins Schwarze getroffen

Als „Meiner“ und ich im Januar durch Prag spazierten, fielen immer wieder Bemerkungen wie „Das müssten unsere Kinder sehen“ oder „Stell dir bloss vor, wie begeistert sie davon wären“. Wir sahen all die malerischen Winkel, die uns schon bei unseren früheren Besuchen so sehr gefallen hatten, mit den Augen unserer Kinder und das war auch der Grund, weshalb wir uns dazu entschlossen, diesen Sommer mit ihnen hierher zu kommen. Wir konnten es kaum erwarten, ihnen zu zeigen, was uns selber immer wieder aufs Neue begeistert.

Jetzt, wo wir hier sind, zeigt sich, dass wir für einmal voll ins Schwarze getroffen haben. Der Zoowärter wandelt auf den Spuren des kleinen Maulwurfs, Luise shoppt bis zum Umfallen – soll sie doch, ist ja ihr eigenes Erspartes -, Karlsson träumt davon, eine der wunderschönen Geigen aus dem Musikmuseum zu besitzen, der FeuerwehrRitterRömerPirat deckt sich mit Holzwaffen und Schmuck ein und das Prinzchen hat die ganze Stadt zu seinem Abenteuerspielplatz erklärt. Somit sind alle rundum zufrieden, mal abgesehen von dem üblichen Gejammer über müde Füße und „ich will jetzt aber auf der Moldau Ruderboot fahren und nicht mehr länger in dieser langweiligen Synagoge bleiben“. Perfekter können Ferien mit sieben doch ziemlich unterschiedlichen Menschen wohl nicht sein.

Bloss eines haben „Meiner“ und ich nicht in Betracht gezogen, als wir diese Ferienwoche planten: Die Ausdauer, die unsere fünf Knöpfe an den Tag legen. Die ziehen ohne mit der Wimper zu zucken ein zehnstündiges Touristenprogramm durch und wenn wir Eltern danach in der Ferienwohnung erschöpft aufs Sofa plumpsen fragen die Kinder, die eben noch behauptet hatten, sie könnten keinen weiteren Schritt mehr tun: „Was machen wir denn heute Abend? Gehen wir noch auf die Karlsbrücke?“

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Kenne ich die?

„Meiner“ und ich sollten es inzwischen ja schon längst wissen: Es gibt Tage, an denen man mit unseren Kindern nicht auswärts essen sollte. Heute war so ein Tag, aber wir taten es trotzdem. Klar, vier von fünf Kindern waren schrecklich aufgedreht und das fünfte klagte noch immer laut über Bauchschmerzen, wenn auch etwas weniger als gestern. Aber nachdem ich den ganzen Tag mit wirrem Kopf und grummelndem Bauch im Bett verbracht hatte und „Meiner“ sich vom Apotheker – nicht dem gleichen wie gestern – hatte sagen lassen, der FeuerwehrRitterRömerPirat brauche frische Luft, beschlossen wir, auf der Halbinsel Kampa eine böhmische Kartoffelsuppe zu essen. Genau das Richtige für Mägen, die zwar vor Hunger grummeln, aber nicht sicher sind, ob sie das Essen dann auch wirklich behalten wollen.

Nach einigem Suchen fanden wir das perfekte Restaurant: Ein lauschiger Garten, ein Tisch etwas abseits von den anderen Gästen und grossfamilienfreundliche Preise. Nachdem auch noch die Kellnerin voller Bewunderung fragte, ob all diese Kinder aus eigener Produktion stammten, hatten „Meiner“ und ich das Gefühl, dass heute ein Abend werden könnte, an den man noch Jahre später sehnsüchtig zurückdenken würde. „Wisst ihr noch, damals, auf der Halbinsel Kampa, als wir diese köstliche böhmische Kartoffelsuppe aus dem Brot löffelten…“

Nun, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns immer mal wieder an diesen Restaurantbesuch erinnern werden, wenn auch nicht voller Sehnsucht. Es fing damit an, dass der Zoowärter und das Prinzchen unablässig über die Sitzbänke kletterten und dazu einen Riesenlärm veranstalteten. Etwas später meldeten sich die Bauchschmerzen und damit auch das laute Jammern unseres Dritten zurück. Karlsson und Luise stritten sich derweilen, wer den grünen Trinkhalm bekommen sollte.

Dann kam das Esen und jetzt ging es richtig los. Luise verschüttete ihre Erdbeerlimonade über die gebratenen Zwiebelringe, das Prinzchen füllte sich die Windel, der FeuerwehrRitterRömerPirat raste aufs WC und der Zoowärter wollte sich aus dem Staub machen, weil er in nächster Nähe einen Spielplatz vermutete. Derweilen versuchte Karlsson, den griechischen Salat, den er sich mit Luise teilte, in Essig zu ertränken. Aus irgend einem Grund gerieten sich das Prinzchen und der FeuerwehrRitterRömerPirat in die Haare, weshalb unser Jüngster seine Sandalen auszog, um sie dem grossen Bruder an den Kopf zu werfen. „Meiner“ schaffte es in letzter Sekunde, das Schlimmste zu verhindern, aber der FeuerwehrRitterRömerPirat heulte dennoch Rotz und Wasser. Auch der Zoowärter heulte, weshalb weiss ich nicht mehr, ich weiss nur noch, dass ihm vor lauter Heulen das Abendessen wieder hochkam. Ich schaffte es gerade noch, ihm eine leere Schale hinzuhalten, deren Inhalt „Meiner“ mithilfe von zwei – sauberen – Windeln im nahe gelegenen Abfalleimer diskret entsorgen konnte. Danach wollten wir eiligst unsere Rechnung bezahlen und sofort verschwinden. Währenddem wir auf die Kellnerin warteten, stellte der Zoowärter fest, dass er jetzt, wo sein Abendessen in Windeln gewickelt im Abfalleimer lag, wieder hungrig war und da sonst nichts mehr auf dem Tisch war, wollte er sich über die letzten Pommes Frites seines größeren Bruders hermachen. Natürlich liess ihn dieser nicht einfach so gewähren, was zu erneutem Geheul führte.

Als wir uns wenige Minuten später mit unserer Barbarenhorde – mindestens drei davon laut heulend – aus dem Staub machten, glaubte ich, das Schlimmste sei überstanden. Doch was musste ich sehen, als ich mich ungeduldig umwandte, um zu sehen, wo „Meiner“ und die Kinder so lange blieben? Die machten sich doch tatsächlich über den Inhalt eines Abfalleimers her, allen voran „Meiner“, der voller Begeisterung zwei hässliche alte Ledertaschen, die wohl noch die Anfänge des Kommunismus in Prag miterlebt hatten, herauszog. Der Zoowärter tat es seinem Papa gleich und schwenkte bald darauf voller Stolz einen ausgedienten Squash-Schläger.

Als ich das sah, tat ich etwas, was ich noch nie zuvor getan habe: Ich ging so schnell als möglich weiter und tat, als würde ich die da hinten nicht kennen.

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Wie hätte es auch anders sein können?

Das mit der käferfreien Reise hat sich einmal mehr als netter Wunsch herausgestellt. Okay, die meisten von uns haben es zumindest geschafft, den guten alten Noro auf Sparflamme zu halten, aber den FeuerwehrRitterRömerPiraten hat es erwischt wie seit Jahren nich mehr. Das arme Kind verbrachte heute den ganzen Tag entweder schreiend auf dem WC oder dösend im Bett. Und so war heute Morgen eben zuerst die Apotheke dran und nicht der Prager Zoo. Mit Händen und Füssen sowie der Hilfe einer netten Kundin schaffte ich es, dem Apotheker klar zu machen, dass ich leider kein Tschechisch spreche, worauf er seine Englisch sprechende Mitarbeiterin herbeirief, die mir ein paar Medikamente verkaufte, von denen ich hoffe, dass sie gegen Durchfall helfen. Um dies herauszufinden gibt es zwei Möglichkeiten: Beobachten, ob sich beim FeuerwehrRitterRömerPiraten endlich eine Besserung einstellt, oder aber ganz schnell Tschechisch lernen, damit ich den Beipackzettel verstehen kann. Momentan habe ich den Eindruck, dass ich mit Tschechisch lernen schneller ans Ziel käme, denn von einer Besserung ist weit und breit nichts zu sehen. Ich habe schon mal angefangen, mich nach einem ärztlichen Notfalldienst umzusehen. Und nach einem Tschechisch-Kurs, damit ich den Arzt auch verstehen würde, falls wir einen aufsuchen müssten.

Nun, wenn ein Kind krank ist, kann man nicht gut von allen anderen erwarten, dass sie den ganzen Tag in der Wohnung sitzen, so schön diese auch sein mag. Also doch in den Zoo. Ich ganz alleine mit den vier gesunden Kindern mit U-Bahn und Bus. Zwei von diesen vier Kindern musste ich zuerst mal erklären, was eine U-Bahn ist und ich glaube „Meiner“, der danebenstand und den Rucksack für unseren Ausflug packte, zweifelte einen Moment lang dran, ob er Frau und Kinder je wieder sehen würde, oder ob sie irgendwo zwischen vystúp und nàstup verloren gehen würden.

Wir gingen natürlich nicht verloren. Wie denn, wo doch die Prager U-Bahn übersichtlicher ist als unser Vorratsschrank zu Hause? Und ausserdem verhielten sich unsere Kinder, als hätten sie seit ihrem ersten Lebenstag nichts anderes getan als U-Bahn fahren. Es wurde ein ganz und gar gelungener Familienausflug mit Eis essen, Lieblingstieren anschauen – Eisbären für Karlsson, Flamingos für Luise, Elefanten für den Zoowärter und „Tiger ist sooooooo cool“ für das Prinzchen -, mit einem Besuch beim Baby-Nilpferd, mit einem Riesenkrach, weil wir nicht mit der Sesselbahn fahren konnten, weil der Zoowärter Angst hatte und ich auf dem kleinen Sessel nicht zwei kleine Jungs auf den Schoss hätte nehmen können, mit müden Beinen, sich paarenden Riesenschildkröten – „Mama, findest du doof, was die zwei Schildkröten da machen?“ -, mit Gedränge auf der Rutschbahn und „Nein, Prinzchen, nicht über den Zaun klettern!“. Ein Familienausflug, wie er im Buche steht, wunderschön und anstrengend zugleich.

Ein Familienausflug, den wir unbedingt werden wiederholen müssen. Denn der FeuerwehrRitterRömerPirat will den Zoo ja auch noch sehen. Sobald die Medikamente endlich gewirkt haben und er nicht alle drei Minuten aufs WC rennen muss. So es denn überhaupt Medikamente gegen Durchfall und nicht gegen Verstopfung sind…

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