Im Luxemburgerli-Himmel

Samstagmorgen vor zwei Wochen. Mama Venditti sitzt mit Karlsson, Luise und dem FeuerwehrRitterRömerPiraten im Zug nach Zürich. Man ist unterwegs in die Ferien, die Stimmung ist bestens und Mama Venditti, naiv wie sie auch nach Jahren der Mutterschaft noch immer ist, stellt sich auf eine friedliche Zugfahrt ein und ist dankbar, dass „Ihrer“ mit den zwei Kleinen und dem Gepäck im Auto sitzt und nicht sie. Dann, völlig unerwartet, schlägt die Stimmung um: Der Zug fährt bei der Firma „Sprüngli“ vorbei, wo die Lastwagen mit riesigen, unwiderstehlichen Luxemburgerli verziert sind. Was Karlsson daran erinnert, dass am Vorabend, als er zu Bett ging, noch nicht alle Luxemburgerli, welche die Gäste mitgebracht hatten, aufgegessen waren. „Was habt ihr mit den restlichen Luxemburgerli gemacht?“, fragt er streng und als er erfährt, dass Mama und Papa diese einfach aufgegessen haben, weil sie der Meinung waren, das delikate Dessert werde mit der Zeit auch nicht besser – immerhin steht auf der Packung „Bitte sofort geniessen“ -,  ist es vorbei mit dem Frieden. Karlsson tobt, findet, seine Eltern seien ganz furchtbar gemein und er wolle jetzt gleich neue Luxemburgerli haben.

Mama Venditti, die weiss, dass in solchen Momenten Erklärungen sinnlos sind, geht gar nicht gross auf das Drama ein. Was einer  Zugpassagierin nicht passt. Ob das Kind denn nicht endlich Ruhe geben könne, mault sie. Mama Venditti erklärt ihr, dass sie mit ihrem Gemaule die ohnehin nicht ganz einfach Situation unnötig erschwere, weshalb sie ich froh wäre, wenn sie sich aus der Sache raushalten würde. Was sie zur Bemerkung veranlasst, Kinder seien ohnehin das Letzte, sie hätte sich als Kind nie so aufgeführt und Mama Venditti  hätte nie und nimmer so viele Kinder haben sollen. Wenn die wüsste, wie viele kleine Vendittis es in Wirklichkeit sind….  Irgendwann platzt Mama Venditti der Kragen, weil sie jetzt mit zwei Unzufriedenen im Kampf steht, und so wird sie ziemlich unhöflich mit der Dame. So unhöflich, dass Karlsson darob seine Luxemburgerli vergisst und Mama erschreckt anstarrt. So unhöflich auch, dass die Dame sich plötzlich auf die Seite der eben noch so verabscheuten Kinder schlägt und findet, die armen Kinder könnten einem ja Leid tun mit einer solchen Mutter.

Nun, diese Mutter ist tatsächlich nicht immer das beste Vorbild, aber zumindest schafft sie es jetzt endlich, ihren Ältesten zu beruhigen: „Karlsson, ich verspreche dir, dass es wieder einmal Luxemburgerli geben wird. Ganz bestimmt.“ Und innerlich fügt sie hinzu: „Spätestens dann, wenn das Konto diesen Ferienaufenthalt verdaut hat, die Rechnung der Musikschule, die Steuerrechnung, die nächsten Monsterwocheneinkäufe, die Kinderschuhe für den Herbst, das E-Bike, das „Meiner“ für den Arbeitsweg braucht…“ Also irgendwann, in zehn Jahren vielleicht, gibt’s wieder Luxemburgerli bei uns.“An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Luxemburgerli ein halbes Vermögen kosten – und Luxemburgerli für eine Grossfamilie ein Ganzes.

Zwei Wochen später, wieder ein Samstagmorgen, diesmal aber zu Hause. Alle sind schon wach, nur Mama Venditti schläft noch tief und fest auf dem Sofa, wohin sie sich nachts zurückgezogen hat, weil sie keinen Platz mehr fand im Bett, da Karlsson noch einmal im Elternbett übernachten wollte, bevor er endgültig zu gross ist. Zu irgend einer unchristlichen Zeit  – Mama Venditti würde sagen, es sei etwa um vier Uhr morgens gewesen, aber in Wirklichkeit war es wohl so gegen halb acht – klingelt es an der Haustüre. Schlaftrunken macht sie sich auf zur Haustüre, denn obschon alle anderen schon längst wach sind, ist offenbar keiner wach genug, um sich aus dem Bett zu quälen. Vor der Haustüre steht der Postbote mit einer Eilsendung. Was kann das bloss sein? Ausnahmsweise hat Mama Venditti nun wirklich keine offenen Bestellungen, auf deren Lieferung sie wartet. Bald schon ist klar, was da morgens in aller Frühe seinen Weg zu Vendittis gefunden hat: Die einzige Sache, die einem nicht die Laune verdirbt, sondern schlagartig verbessert, wenn man ihretwegen am Samstag aus den Federn geholt wird, nämlich eine Riesenpackung Luxemburgerli.

Wäre ich katholisch, ich würde sagen, dass Linders sich mit dieser guten Tat soeben die Eintrittskarte für den Himmel erstanden haben….

4 Gedanken zu “Im Luxemburgerli-Himmel

  1. Nun ja, Verständnis hätte ich ja auch. Wenn ich bloss nicht dummerweise die Mutter wäre, die das Gemotze irgendwie aushalten muss… 😉

  2. Ich gehe absolut einig mit euch! Luxemburgerli sind unwiderstehlich! So unwiderstehlich, dass ich als Kind so viele wie möglich aus dem Kühlschrank naschte, wenn meine Eltern welche geschenkt bekamen. Da mein Vater auch gerne nascht, ist es nie aufgeflogen… Das ist nicht gerade rühmlich, ich weiss, aber darum habe ich alles Verständnis für Karlssons Empörung und die Nascherei der Eltern 😉

  3. Ach, wenn doch alle Zugpassagiere Kaugummis dabei hätten! Das Leben von uns zugfahrenden Müttern wäre um Einiges einfacher.

    Sollte ich je genug bekommen von Luxemburgerli – was noch eine Weile dauern könnte, da ich sie ja nicht jeden Tag esse – werde ich mich mal an die Truffes du Jour wagen. Vorausgesetzt, mein Sparschwein macht mit… 🙂

  4. Luxenburgerli, die supersüssen Mini-Hamburger der Zürcher Zunft-Zuckerbäcker Zprüngli. Wenn sie etwas weniger süss wären – perfekt, aber wen mein Sparschwein gerade mal kein Sprüngli hat leiste ich mir lieber Truffes Du Jour, mmmmh… Auch wenn die Milka Kuh glaubt, die zarteste Versuchung zu sein, verglichen mit den Sprünglitrüffeln ist Milkaschoggi eine Militärschuhsohle.

    Und… ich habe eine Geheimwaffe gegen laute Kinder im Zug, die ist mutterkompatibel und funktioniert immer 😉 „Wottsch en Kaugummi?“ Klar doch – und schon ist das Kind mit kauen statt schimpfen oder brüllen beschäftigt.

    Auch maulende Mitpassagiere können so zum Schweigen gebracht werden. Reklamation ignorieren und freundlich Kaugummi oder Schoggi oder sonstwas zum Essen oder Trinken offerieren. Ob sie annehmen oder nicht, danach ist meistens Ruhe 🙂

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