An die Menschen, die ähnlich denken wie ich…

Genau wie ich regt ihr euch auf über dieses unerträgliche Geschwätz von Toni, Christoph, Christoph, Roger und Konsorten. Ihr könnt es kaum ertragen, wenn sie so tun, als würden sie die Interessen von uns allen vertreten. Ihr schämt euch, wenn ihr im Ausland in den gleichen Topf geworfen werdet wie sie. Ihr wollt eine andere Schweiz als sie und darum setzt ihr fröhlich euer „Gefällt mir“, wenn irgendwo in den sozialen Medien ein kritischer Beitrag über sie veröffentlicht wird. Leisten sie sich Geschmacklosigkeiten, schreit ihr entrüstet auf. Satire, die sich gegen sie richtet, findet ihr zum Brüllen komisch.

Wenn ich mich so umsehe und umhöre, habe ich den Eindruck, es gebe viele von euch, ich sei bei Weitem nicht die einzige, die sich ärgert. Und doch stehen sie an so vielen Wahl- und Abstimmungstagen als grinsende Sieger da. Wieder haben sie die Mehrheit hinter sich. Nicht die Mehrheit der Bevölkerung, wie sie gerne behaupten, sondern die Mehrheit jener, die sich dazu bequemt haben, den Zettel auszufüllen und einzuwerfen. Okay, ich weiss, die anderen, die in Bern mitmischen, sind alles andere als perfekt und auch ich kenne keine Partei, die voll und ganz das vertritt, was ich für richtig halte. Aber man kann doch nicht vier Jahre lang lästern, bei jeder verlorenen Abstimmung bestürzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, sich für Volksentscheide schämen und dann den Wahlzettel ins Altpapier schmeissen.

Darum meine Bitte an euch, die ihr euch zwischen den Wahlen über Toni & Co. grün und blau ärgert: Füllt diesen elenden Wahlzettel aus – von mir aus auch mit Namen aus dem bürgerlichen Lager – und werft ihn ein. Nur mit Katzenjammer und Spott ist es nämlich nicht getan. 

peperoni freddi; prettyvenditti.jetzt

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Bitte nicht die Mottenkiste!

Schon früh wusste ich: Wenn ich mal nicht mehr ganz jung wäre, dann würde ich zu den Menschen gehören, die der Jugend keine Steine in den Weg legen. Ich würde mich freuen an ihrem Drang, die Welt verändern zu wollen, würde ihnen den Rücken stärken, wenn andere Leute meiner Generation sich gegen ihre Anliegen stemmten und hätte stets ein offenes Ohr für ihre Sicht der Dinge. 

Sofern Jugendliche mehr oder weniger ticken wie ich, bin ich tatsächlich so, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber in meinen rosaroten Träumen rechnete ich nicht mit einem Phänomen, das ich in letzter Zeit – vor allem im kirchlichen Bereich, aber auch anderswo – beobachte. Da gibt es junge Menschen, die sich an der Mottenkiste, die wir unter grossen Mühen und nach vielen Kämpfen mit der älteren Generation endlich auf den Estrich verfrachtet hatten, zu schaffen machen. Nun ja, das an sich wäre nichts Besonderes, denn auch wir haben hin und wieder in den alten Sachen unserer Vorväter herumgewühlt, allerdings haben wir uns dabei halb krank gelacht. Heute aber begegne ich manchmal sehr ernsthaften jungen Menschen, die dem, was sie in der Mottenkiste finden, gerne wieder einen Ehrenplatz einräumen möchten. „Sieh mal, wie edel, wie schön, wie gut“, sagen sie zueinander. „Warum nur war die Generation vor uns so kurzsichtig, das Zeug auf dem Estrich verschwinden zu lassen? Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass diese Sachen wieder ihren gebührenden Platz bekommen.“ 

Ich kann sie ja verstehen, die jungen Menschen. Auf den ersten Blick sehen die Dinge, die wir ihrer Meinung nach achtlos entsorgt haben, wirklich beeindruckend aus und in einer Welt, in der man manchmal nicht mehr weiss, was man denken soll, weil alles drunter und drüber geht, verleihen sie einem ein Gefühl der Sicherheit. Dass diese Sicherheit, die heute so verlockend aussieht, für uns einher ging mit einer bedrückenden Enge, mit verurteilender Härte, mit zerstörerischer Angstmacherei, können sie nicht wissen, solange sie uns nicht fragen, warum wir uns von diesen Dingen getrennt haben, ja, haben trennen müssen, um halbwegs frei durchs Leben gehen zu können. Sie haben keinen Schimmer, was es in einigen von uns auslöst, wenn wir uns plötzlich wieder mit Gespenstern einer Vergangenheit konfrontiert sehen, die wir so gerne hinter uns lassen möchten.

In ihren Augen sind wir die Engstirnigen, die nicht gesehen haben, wie wertvoll das alles war, denn für sie ist es neu und aufregend. In unseren Augen sind sie die Unvorsichtigen, die nicht wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie die Büchse der Pandora öffnen.

Ich muss mir wohl eingestehen, dass die Sache zwischen den Generationen nicht ganz so einfach ist, wie ich mir das früher jeweils vorgestellt habe. Zumindest dann nicht, wenn manche Jugendliche konservativer sind als wir. 

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Darf man noch…?

Eines Tages würde wieder einer diese Frage stellen, das wusste ich ganz genau. Na ja, „wissen“ ist vielleicht das falsche Wort, ich ahnte es wohl eher, als die Dinge auf dieser Welt anfingen, so aus dem Ruder zu laufen, dass wir nicht mehr einfach so tun konnten, als ginge uns das alles nichts an. Ich habe sie kommen sehen, diese Frage, weil sie mir in meinem Leben schon unzählige Male begegnet ist, mal garniert mit einem Hauch Selbstgerechtigkeit, dann wieder gewürzt mit dem unverkennbaren Geschmack einer tiefen inneren Zerrissenheit. „Darf man noch…? Wo doch die im Ostblock…?“, hiess es in meiner Kindheit. „Darf man noch…? Wo doch in Nordkorea….?“, fragte man etwas später. „Darf man noch…? Wo doch in Syrien…? In Griechenland…? In Eritrea…?“, lautet die Frage heute.

Berechtigte Fragen, finde ich, denn immer nur so tun, als ginge uns das alles nichts an, das geht nicht. Einfach nur ans eigene Vergnügen denken, wo doch andere ums nackte Überleben kämpfen, ist meiner Meinung nach schlicht und ergreifend unanständig. Und doch geht mir dieses „Darf man noch…?“ zuweilen gehörig auf den Geist. Wenn Menschen auf die kleinen Freuden ihres Alltags verzichten, nicht etwa, weil sie die gewonnene Zeit dazu verwenden, um etwas zu bewirken, sondern einfach nur, um ihr Gewissen zu beruhigen, dann bringt das nicht nur keinem etwas, sie machen sogar die Welt ein kleines bisschen schlechter, weil sie mit ihrer Leidensmiene anderen den Tag vermiesen. 

Darum sind mir Menschen lieber, die fragen: „Was kann ich…?“ Die machen nicht nur die Welt ein klein wenig besser, die erlauben sich auch, etwas zu dürfen, nachdem sie getan haben, was sie konnten.

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Mode für die Frau ab ääähm 12

Luise ist im Klassenlager, weil aber im Klassenlager wandern angesagt ist und Luise noch immer mit Gips unterwegs ist, habe ich heute Hütedienst in der Westschweiz. Luise zu hüten bedeutet, durch die Kleiderläden zu ziehen und Geld loszuwerden. Kleiderläden, die für heutige Teenager attraktiv sind, sehen in dieser Saison aus, wie Kleiderläden für die Generation 50+ aussahen, als ich ein Teenager war. Also so:

Gesteppte Daunengilets in Bordeaux, Marineblau und Schlammbraun

Hosen in den dazu passenden Farben, wenn’s ganz bunt sein soll, vielleicht noch in Senfgelb

Pullover mit Rosenaufdruck

Kleider mit Mustern, die irgendwie an Erbrochenes erinnern

Karohemden fürs Country-Konzert

Blazer im Hahnentrittmuster

Blümchenblüschen

Kunstpelzbesetzte Parkas in Schlammgrün, wie ich sie zuletzt vor Jahren in einer BBC-Doku über die Fuchsjagd gesehen habe (Diese Doku habe ich mir nur aus Höflichkeit angesehen, weil Schwiegermama irgendwann mal erkannt hat, dass ich kein italienisches Fernsehen mag, weshalb sie auf BBC umschaltete, denn ohne Fernsehen kann man ihrer Meinung nach unmöglich glücklich sein.)

Fehlen nur noch die Mephisto-Schuhe, der Faltenrock und der Pullunder und die Ü-50-Kluft meiner Jugendzeit wäre komplett. Luise, die natürlich nicht wissen kann, was ich weiß, fragt mich allen Ernstes, was sie sich von dem Zeug kaufen soll und mir fällt nichts anderes ein als: „Kind, spar dir dein Geld, bis der Neokonservatismus nicht mehr in Mode ist. Kannst doch nicht rumlaufen wie eine Oma.“

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Weshalb ich bis heute geschwiegen habe

Die Welt versinkt im Chaos, an Europas Grenzen spielen sich Dramen ab und Mama Venditti weiss nichts Besseres, als ein wenig aus ihrer winzig kleinen heilen Welt zu plaudern. So dachte ich immer mal wieder in letzter Zeit und so dachte vielleicht auch der eine oder andere Leser. Dennoch brachte ich es nicht fertig, mich zum Thema zu äussern. Warum nicht?

Nun, zum einen, weil es mir ob des Grauens schlicht und ergreifend die Sprache verschlägt. Sehe ich Bilder wie dasjenige des kleinen Aylan, dann formen sich in meinem Kopf für einmal keine Sätze, dann fliessen nur die Tränen. „Mein Gott, wie erträgst du eine Welt, in der kleine Kinder auf diese Art zu Tode kommen?“, sind die einzigen Worte, zu denen ich dann noch fähig bin. Ja, und dann vielleicht noch zu der Frage: „Was kann ich denn schon tun?“ Ohnmacht, Trauer, Wut, Scham und auch ein wenig Angst, wie das weitergehen soll mit diesem Planeten – diese Gefühle lähmen mich.

Ich habe aber auch geschwiegen, weil ich keine Plattform bieten wollte für jene, die es gar beim Anblick von toten Kindern noch immer nicht lassen können, ihr Gift zu verspritzen. Wo auch immer etwas zum Thema geschrieben wird, sind sie als erste da, um ihre Mäuler aufzureissen und ich kann sie nicht länger ertragen. Inzwischen aber weiss ich, was ich tun werde, falls sie auch hier herumbrüllen wollen: Ich werde Zensur walten lassen. Ja, ich weiss, das widerspricht ganz und gar meiner üblichen Haltung, aber die Widerlinge haben genügend andere Orte, wo sie ihre hasserfüllten Worte unters Volk bringen können.

Oaky, ich wollte nicht nur wüste Kommentare verhindern, ich hatte auch keine Lust, über die Sache zu diskutieren und das war vielleicht feige. Diskutieren will ich aber auch jetzt noch nicht, denn ich sehe die Sache so: Steht es mir etwa zu, zu urteilen, ob jene, die kommen, auch wirklich ein Anrecht hatten, sich aufzumachen, um einen neuen Anfang zu suchen? Ich mag nicht urteilen, mag nicht debattieren über Beweggründe, die ich nie kennen werde, sofern ich nicht mit diesen Menschen bei einer Tasse Tee darüber geredet habe, was sie dazu bewogen hat, alles hinter sich zu lassen. Mir ist klar, dass diese Angelegenheit sehr viele unterschiedliche Aspekte hat und je nachdem, von welchem Standpunkt aus man sie beleuchtet, kann man die Dinge so oder so sehen. Aber ich finde es schlicht anmassend, zu behaupten, ich hätte anders gehandelt als sie, wo ich doch keinen Schimmer habe, welche Entscheidungen ich für richtig ansähe, wäre ich dazu verdammt gewesen, ein Leben zu leben, wie sie es müssen. Diskutieren finde ich also müssig, es sei denn, man suchte ernsthaft nach Lösungen, immer im Bewusstsein, dass wir es hier mit ganz vielen einzelnen Menschen und ihren Geschichten zu tun haben und nicht mit irgendwelchen diffusen Massen.

Ja, und dann treibt mich natürlich auch die Frage um, wie wir unsere eigenen Kinder lehren, zu teilen und nicht zu verurteilen.  

Dies ist es, was ich momentan zu den Tragödien zu sagen habe, die sich in diesen Tagen abspielen. Und jetzt überlege ich mir, ob ich nicht nur gross daherschwätzen kann, sondern ob ich nicht doch wenigstens einen winzig kleinen Beitrag leisten kann, um dieses elende Dreckloch namens Welt ein ganz klein wenig besser zu machen.

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ÖV-Eindrücke

Nach einer längeren Pause war ich heute mal wieder ganz alleine mit dem Zug unterwegs und wie immer, wenn ich ohne Begleitung unter Menschen bin, habe ich ein paar Eindrücke gesammelt:

  • Wenn eine Vierzigjährige im Bus pausenlos in voller Lautstärke „Meins! Meins!“ und „Bananaaa!“ kräht und sich selber ganz furchtbar witzig findet, wünschte ich mir, ich hätte Zoowärters Plüsch-Minion zur Hand, um ihr damit das Maul zu stopfen. 
  • Eine Mutter, die zu ihren Kind sagt: „Nein, Stefanie, du trägst deinen Rucksack selber, so, wie wir das vorhin vereinbart haben. Du musst dich an unsere Abmachung halten“, dürfte eigentlich nicht so aussehen, als wäre sie ein Hippie.
  • Väter, die während der Stosszeiten mit ihren Kleinkindern durch den Bahnhof hetzen und laut werden, weil etwas schief gelaufen ist, werden ebenso schräg angesehen wie Mütter, die während der Stosszeiten mit ihren Kleinkindern durch den Bahnhof hetzen und laut werden, weil etwas schief gelaufen ist. Wenigstens in einer Sache werden Männer genau gleich behandelt wie Frauen. 
  • Was hilft es eigentlich, wenn die einem in sämtlichen Journalismuslehrgängen beibringen, es müsse heissen „Die SBB sind…“ und „Die SBB haben….“, wenn es bei der Begrüssung im Zug heisst: „Die SBB begrüsst Sie…“?
  • Wer nicht mehr zum Pendlervolk gehört, verlernt ein paar wichtige Dinge. Zum Beispiel, ein Sandwich zu essen, wenn man dicht an dicht in ein Viererabteil gepfercht ist.

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An die Wetterverwirrten,…

…die nach dem zweiten nicht ganz sonnigen Wochenende in Folge nicht mehr ein und aus wissen und deswegen in diversen sozialen Medien den Jammergesang „So ein mieses Wetter und das mitten im August!“ angestimmt haben…

Ich möchte euch etwas erklären: Das, was seit einigen Stunden auf eure ach so empfindlichen Köpfchen herab tropft und eure noch empfindlicheren Seelchen in tiefste Trauer stürzt, nennt sich Regen. Die Tröpfchen fühlen sich gar kalt an auf der nackten Haut, ich weiss, und sollten eure zarten Füsschen in einem Pfützchen landen, holt ihr euch am Ende noch einen Schnupfen und dann ist es aus mit dem Sommerfeeling. Ach, so ganz ohne Sonnenschein will einfach keine rechte Lebensfreude aufkommen. Vierundzwanzig kostbare Sommerstunden vergeudet! Womit haben wir das verdient? Wo doch schon bald der Herbst vor der Tür steht und dann dauert es wieder sooooooo lange, bis endlich wieder Sommer wird. 

Meine lieben Wetterverwirrten, ihr nervt und zwar gewaltig. Schaut ihr denn eigentlich nie aus dem Fenster? (Ich meine, jetzt mal abgesehen von eurem sorgenvollen Blick, mit dem ihr überprüft, ob der Himmel „endlich“ wieder blau werden will?) Seht ihr denn nicht, wie die Natur förmlich nach Flüssigkeit lechzt? Glaubt ihr wirklich, das Wetter habe einzig und alleine die Aufgabe, euch fröhlich zu stimmen und euch das Gefühl zu vermitteln, ihr wäret am Strand und nicht zu Hause in der langweiligen Schweiz? Hat eure Mama euch nie erklärt, dass eitel Sonnenschein ziemlich schnell eine trostlose Wüste entstehen lässt?

Falls nein, dann solltet ihr vielleicht mal im Estrich euer altes Schulmaterial ausgraben, dort findet ihr bestimmt noch irgendwo die Zeichnung mit dem Wasserkreislauf und dann versteht ihr vielleicht, was ich meine.

(Und sonst könntet ihr euch wenigstens ein Beispiel am Prinzchen nehmen. Der hat heute, als die Lehrerin wissen wollte, worüber sich die Kinder freuen, gesagt, er sei glücklich, weil es endlich mal wieder regne.)

will I be happy?; prettyvenditti.jetzt

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Cinderella muss abspecken

Karlsson und Luise zogen sich neulich spät abends einen seichten Film rein und weil ich noch später abends zwar einen Brummschädel hatte, nicht aber müde genug war, um mich schon ins Bett zu verkriechen – Himmel, es war noch nicht mal Mitternacht! -, schaute ich mir das Zeug auch an. Es war einer dieser unzähligen Cinderella-Verschnitte, diesmal aber nicht mit kreischenden Teenies, sondern mit angeblich erwachsenen Frauen, die mitten im Berufsleben stehen. Die Story ging etwa so:

Drei in den Augen des amerikanischen Publikums wohl deutlich übergewichtige Frauen werden nicht für voll genommen. Sie beschliessen, gemeinsam abzunehmen, gestehen einander unter Tränen, dass sie sich den Speck nur angefressen haben, um sich vor der bösen, bösen Welt da draussen zu schützen und weil sie einfach nie gelernt haben, sich selbst zu mögen. Damit der Zuschauer auch weiss, wie man den Speck auf den Hüften los wird, darf er den drei Frauen dabei zusehen, wie sie sich mit dem Personal Trainer auf dem Sportplatz quälen, wie sie mit grösster Willensstärke dem Doughnut widerstehen und wie eine von ihnen nur dank chirurgischer Hilfe zur Traumfigur zurückfindet. Schliesslich aber sind die Frauen dünn genug, um dem Publikum als Vorbild zu dienen und jetzt darf das Glück endlich auf sie herabregnen. Im Falle der Hauptfigur kommt dieses – wie könnte es anders sein – in Form eines gut situierten Prince Charming und eines fetten Buchdeals daher. 

Cinderella ist heute also nicht mehr arm, sondern dick. Wenn sie haben will, was andere Frauen ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen, soll sie abspecken. Und wenn sie das endlich geschafft hat, soll sie gefälligst dankbar sein, dass Prince Charming sie haben will. Obschon sie ihn natürlich warnen muss, ihr Körper sei „nicht so schön wie der von anderen Mädchen“, bevor er mit ihr in die Kiste springt. (Natürlich versichert er ihr pflichtbewusst, sie sei wunderschön und habe ihm schon gefallen, als sie noch runder war, aber wir wissen alle, dass er das nur um der politischen Korrektheit Willen sagen muss.)

Zum Glück fanden Karlsson und Luise dieses Machwerk ebenso übel wie ich, sonst müsste ich sie ganz dringend einer Gehirnwäsche unterziehen. 

remain connected; prettyvenditti.jetzt

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Wenn mir jetzt noch einer erklären könnte…

…warum Menschen, die viel Geld für eine professionell gestaltete Homepage ausgeben, nicht einen einzigen roten Rappen für eine professionelle Korrektur ausgeben und am Ende ihrer Kundschaft ganz ungeniert solche Sätze zumuten: „Mir viel die Decke auf den kopf, also machte ich Eine Recherge im internet“.

…wie man Schulbücher in durchsichtige Folie einpackt, ohne dass das Zeug andauernd reisst.

…wie der Kerl, der neulich in einem Leserbrief geschrieben hat, fast alle Flüchtlinge, die derzeit auf diesem Planeten nach einem sicheren Zuhause suchen, hätten ihre Heimat freiwillig und ohne Not verlassen, es geschafft hat, all die unzähligen Menschen nach den Beweggründen für ihre Flucht zu fragen.

…wie Luises Schmusetier aus Kleinkindertagen es fertig gebracht hat, trotz ständiger Beobachtung in den Garten zu entweichen, viele Jahre unbemerkt dort vor sich hin zu modern – bis wir auf die Idee kommen, Bäume zu fällen – und trotz allem immer noch als Luises Schmusetier aus Kleinkindertagen erkennbar zu bleiben.

…woher ich den langen Atem nehmen soll, um bei den ganzen Schulweg- und Pausenplatzstreitereien, die noch nie so heftig waren wie in dieser ersten Schulwoche, kühlen Kopf zu bewahren.

…weshalb sich gewisse Menschen doch heute tatsächlich schon zum ersten Mal über „diesen blöden Regen und das ausgerechnet am Wochenende“ beklagt haben.

il paese delle meraviglie; prettyvenditti.jetzt

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Der Herrgott und das Feuerwerk

Da gibt also heute in meiner Tageszeitung ein Leser oder eine Leserin den folgenden Gedanken weiter: Wir Schweizer sollten doch einfach mal dankbarer sein. Gerade noch rechtzeitig sei der Regen gekommen, so dass wir morgen unseren schönen Nationalfeiertag wie gewohnt feiern dürften. Der oder die Schreibende geht nicht näher darauf ein, wem wir dankbar sein sollen, aber ich nehme mal an, es war der Herrgott gemeint.

Eine unbedachte Äusserung von einem Menschen, der nicht besonders weit denkt, ich weiss. Und doch eine hierzulande weit verbreitete Sicht der Dinge: Umweltkatastrophen? Flüchtlingstragödien? Europäische Identitätskrise? Religiös verbrämter Terror? Aufkeimender Fremdenhass, hier und anderswo? Seuchen? Diktaturen? Krieg? – Was geht uns das alles an? Ist ja nicht unsere Welt, die da draussen. Und überhaupt: Wenn der Herrgott noch Zeit hat, seinen lieben Schweizern rechtzeitig Regen fürs Feuerwerk zu schicken, kann es so schlimm ja nicht sein.

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