Grosse Zukunftsträume

Gesangsunterricht wäre doch etwas. Die Stimme schulen und nicht immer nur zu Hause ein paar Melodien trällern.

Nein, sicher nicht Gesangsunterricht! Ein Studium in Pharmazie wäre viel passender. Ganz genau verstehen, wie Medikamente wirken, das wäre doch unglaublich spannend.

Quatsch! Unterrichten an der Sonderschule wäre genau das Richtige. Mit einfachen Worten schwierige Zusammenhänge erklären, so dass sie auch jemand versteht, der anders lernt – das wäre einfach perfekt. 

Mir scheint, unseren Kindern sei aufgefallen, dass mir im letzten Jahr die Wörter und Sätze immer mehr abhanden gekommen sind. Darum fangen sie an, Zukunftsträume für mich zu schmieden. „Mama, das wäre doch etwas für dich“, sagen sie und sind ganz erstaunt, wenn ich abwinke. 

Mich dünkt nämlich, die Zukunftsträume, die sie da schildern, hätten mehr mit ihren eigenen Interessen und Fähigkeiten zu tun als mit meinen. Doch weil sie es noch nicht wagen, für sich selber zu träumen, muss eben die schreibblockierte Mutter dafür herhalten. Die weiss ja grad nicht so recht, was sie mit ihrer Zeit anfangen soll. 

Nun, ich glaube, ich habe verstanden, was zu tun ist: Mich in die Welt der Wörter und Sätze zurück kämpfen, damit sie nicht mehr das Gefühl haben, ich sei dringend auf Beschäftigung angewiesen. Und meine Kinder dazu ermutigen, jetzt schon viel konsequenter die Ziele anzustreben, die sie insgeheim haben. Damit sie später, wenn sie mal Eltern sind, mit voller Überzeugung sagen können: „Kind, ich habe meinen Traumberuf bereits gefunden.“

Und nicht wie ich, die ich sage: „Kind, ich habe meinen Traumberuf zwar gefunden und ich arbeite ja auch bereits auf diesem Gebiet, aber für mein eigenes kreatives Schaffen sind mir gerade die Wörter und Sätze abhanden gekommen, darum sitze ich nach Feierabend auf dem Sofa und lese grottenschlechte Bücher, die einem in der Buchhandlung aus unerfindlichen Gründen als lesenswert angepriesen werden.“ 

img_5296.jpg

Schnuppern

In der Schule befassen sie sich eingehend damit, wie man einen passenden Beruf findet. Sie lernen, eine Bewerbung zu erstellen, wie man ein Telefongespräch führt und worauf in der Berufswelt Wert gelegt wird.

Bei der Berufsberatung finden sie heraus, wo ihre Stärken und Schwächen liegen und welche Berufe für sie in Frage kämen. Zudem bekommen sie einen Haufen Infos: Welcher Ausbildungsweg zum gewünschten Ziel führt, wo die offenen Lehrstellen ausgeschrieben sind und natürlich auch, wo man im Internet die Firmen findet, bei denen man möglicherweise schnuppern könnte

Selbstverständlich führen sie auch mit den Eltern zahllose Gespräche. Was passt zu mir? Wie seht ihr mich? Was traut ihr mir zu? Wo soll ich schnuppern gehen? Was findet ihr besser, weiterführende Schule oder Berufslehre?

Früher oder später kommt bei jedem Teenager der Tag, wo weder Lehrerin, Berufsberaterin noch Eltern helfen können. Er oder sie muss zum Telefon greifen, um zu fragen, ob ein Platz zum Schnuppern frei sei. Ein Telefonat, das viel Mut und Überwindung kostet. Unzählige Fragen, bevor man sich endlich traut: Was soll ich zuerst fragen? Was soll ich sagen, wenn ich dies oder jenes gefragt werde? Glaubst du, die sind nett zu mir, wenn ich anrufe? Ob die wohl wirklich Schnupperstifte nehmen, wenn sie auf der Liste mit den Lehrbetrieben aufgeführt sind? 

Nach langem Ringen mit sich selbst fassen sie sich ein Herz, wählen mit zittrigen Fingern die Nummer, bringen bei der Person, die ans Telefon geht, ihr Anliegen vor – und kommen wenig später mit langem Gesicht zurück in die Küche. In der Firma, die angeblich Lehrstellen anbietet, weiss man nichts von einem Eintrag auf dieser Liste, man soll sich doch bitte anderswo melden. Aber anderswo lautet die Antwort leider nicht anders und weil diese Antworten selten so richtig freundlich rüberkommen, schmilzt das kleine Häufchen Mut, das sich die jungen Menschen angesammelt haben, wie Schnee an der Sonne. 

Bei allem Verständnis, dass eine Firma nicht alle paar Tage einen Schnupperlehrling im Haus haben kann – zuweilen wünschte man sich schon, die Leute, die einen solchen jungen Menschen am Telefon haben, würden sich erinnern, wie schwer es war, zum ersten Mal einen Zeh ins unergründliche Wasser des Berufslebens zu tauchen.

Soll mir keiner weis machen wollen, im zarten Alter von 13 oder 14 sei das irgend jemandem leicht gefallen…

hus

Debattieren wir ruhig weiter…

Internationaler Frauentag. In den Medien toben einmal mehr die Debatten um Lohngleichheit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die gerechte Aufteilung von Hausarbeit. Jede Zeitschrift, die etwas auf sich hält, liefert eine Strickanleitung für den „Pussy Hat“ und als ein Ewiggestriger behauptet, Frauen könnten nun mal besser putzen als Männer, brandet eine Welle der Empörung durch die Sozialen Medien. Die Dinge müssten sich endlich ändern, fordern Frauen und Männer im Chor. 

Am Ende dieser Woche kehrt der FeuerwehrRitterRömerPirat aus dem Skilager nach Hause. Er sei gelobt worden, weil er in der Küche so gut geholfen habe, erzählt er. Die meisten Jungs in seiner Gruppe hätten gesagt, sie müssten im Haushalt nie mithelfen. Von den Mädchen hingegen müsse eigentlich jede zu Hause mit anpacken. 

Da können wir am Frauentag noch lange weiter debattieren…

Warme Luft

Hat man mal ein paar Jahre ein Dasein als Hausfrau gefristet, verliert man ziemlich schnell den Draht zur Geschäftswelt. Hat man sich vor seinem Dasein als Hausfrau als Lokaljournalistin betätigt, dann hat man zwar ein breites Allgemeinwissen, aber einen Draht zur Geschäftswelt hat man gar nicht erst aufgebaut. Hat man vor dem Dasein als Hausfrau und vor dem Dasein als Lokaljournalistin dazu noch Geisteswissenschaften studiert, dann hat man von Tuten und Blasen keine Ahnung. Und dann schwirren grosse Fragezeichen um den Kopf, wenn man Sätze wie diese liest: „Ein weiterer Wissensbaustein sind die Anforderungen der Prozessschritte an eine softwaretechnische Umsetzung. Werden sie der Umsetzung angepasst, liegt eine Dokumentation der Programmabläufe vor“.

Es ist nicht etwa so, dass die Ex-(beinahe)Geisteswissenschafterin, Ex-Lokaljournalistin und derzeitige Hausfrau nicht die intellektuellen Kapazitäten hätte, solche Sätze zu verstehen. Aber sie hat sich in derart anderen Kreisen bewegt, dass in ihrem Gehirn keine Verknüpfungen zustande kommen zu irgend etwas, was sich in ihrer Realität abspielt. Und deswegen fühlt sie sich ganz und gar unfähig, den Lernstoff zu erfassen. Dennoch beschliesst sie, ihre Aufgaben gewissenhaft zu erledigen und greift hie und da, wenn nach Beispielen aus dem Berufsalltag gefragt wird, auf Begebenheiten zurück, die sich im Kinderzimmer, an der Vorstandssitzung irgend eines Vereins oder auf der Redaktion abgespielt haben. Und während sie die Frage beantwortet, denkt sie bei sich: „So banal! Ich mache mich ja vollkommen lächerlich, wenn ich das aufschreibe. Aber ich habe nun mal kein besseres Beispiel.“ Verschämt sendet  sie die Aufgabe ein und ist froh, dass sie das Gesicht des Dozenten nicht sehen kann, wenn er ihre Arbeit korrigiert.

Ein paar Tage später schaut sie auf dem Online-Campus nach, ob die Aufgabe schon korrigiert und bewertet ist. Und sie stellt mit Erstaunen fest, dass sie eine 6 bekommen hat. Eine 6, muss man wissen, ist in der Schweiz nicht die schlechteste, sondern die beste Note. Und deshalb dämmert es der Ex-(beinahe)Geisteswissenschafterin, der Ex-Lokaljournalistin und derzeitigen Hausfrau, dass ganz viel von dem, was da so hochgestochen und knochentrocken daherkommt, nichts weiter ist als in gewundene Sätze verpackte warme Luft.

Auch nicht komplizierter, als herauszufinden, wer von den fünf Kindern derjenige war, der die Badewanne mit Schokolade vollgeschmiert hat. Und nie und nimmer so kompliziert, wie einem brüllenden, zappelnden und tretenden Kind mit Durchfall die Windeln zu wechseln…