Was denn nun?

Da soll einer noch drauskommen. Was heute noch richtig war, ist morgen schon genau das Falsche. Nehmen wir zum Beispiel die Frage, ob man ein Baby gleich nach der Geburt baden soll. Bei Kind Nummer eins war das noch keine Frage. Es wurde gebadet, ob man wollte oder nicht. Bei Kind Nummer zwei war Baden nach der Geburt „nicht mehr üblich“, man durfte aber, wenn man unbedingt so altmodisch sein wollte. Bei Kind Nummer drei durften die Eltern selber entscheiden. Bei Nummer vier musste man doch ziemlich lange warten, bis eine Badewanne aufgetrieben war und bei Kind Nummer fünf war Baden ein Fremdwort, das im Wortschatz der Hebamme nicht mehr existierte.

Ähnliches erlebt man derzeit mit der Ernährung. Durften sich die ersten vier Kinder im ersten Lebensjahr einer Erdbeere oder einem Kuhmilchjoghurt nicht auf 500 Meter nähern, heisst es jetzt, man solle den Kleinen ohne Bedenken alles, sogar Nüsse,  zutrauen. Das beuge Allergien vor. Erst noch war das Gegenteil wahr, aber wir Eltern sind ja flexibel. Müssen wir auch sein, denn bei den Kindern ist das ja ähnlich. Gestern war Kartoffelgratin noch das Beste und heute, wo man absichtlich eine dreifache Portion der Leibspeise gekocht hat, bleibt man auf dem Zeug sitzen, weil keiner diesen ekligen Frass auch nur anrührt. Letzte Woche war Brigitte noch die dümmste Kuh auf diesem Planeten, heute ist sie die beste Freundin, die unbedingt bei uns übernachten muss.

Die Flexibilität ist also nicht das Problem. Mehr Kummer bereitet mir, dass jetzt schon absehbar ist, dass wir als Grosseltern auf völlig verlorenem Posten stehen werden. Ich sehe es schon vor mir, das mitleidige Lächeln von Luise, wenn ich ihr erklären werde, die Temperatur eines Babys messe man am besten im Nacken. Wo man doch bereits heute sagt, die Stelle zwischen den Schulterblättern sei viel besser geeignet. Und wie wird das erst mit den Schwiegertöchtern? Als Mutter von vier Söhnen sind meine Zukunftsaussichten da doch ziemlich düster. Der Zoff ist programmiert,  wenn ich meine Enkel dereinst ganz vorschriftsgemäss in der Rückenlage ins Bettchen legen werde. Wo doch bis dahin jeder Depp wissen wird, dass einzig der Kopfstand das Baby vor dem plötzlichen Kindstod schützt. 

Deshalb mein Appell an alle Experten: Bleibt endlich bei eurer Meinung! Ich will meine Enkel auch mal hüten dürfen.

Erfolgserlebnis

So ällmählich, wenn die Kinder älter werden, beginnt sich abzuzeichnen, dass doch das eine oder andere von dem, was wir über die Jahre gepredigt haben, hängengeblieben ist. Zum Beispiel was den Besuch in Fastfood-Buden betrifft. In grauer Vorzeit, als wir noch ohne Kinderwagen und Wickeltasche durchs Land zogen, hatten wir uns geschworen, nie wieder einen Fuss in eine Mc Donald’s Filiale zu setzen. Dann, kurz bevor unser Ältester zu laufen begann, sahen wir den Film „About a Boy“. Der Vorpubertäre, der wegen der Strenge seiner körnchenpickenden Mutter glaubt, Mc Donald’s sei das Paradies, brachte unsere Überzeugung ins Wanken.

Schweren Herzens beschlossen wir, von Zeit zu Zeit alle unsere Bedenken über ungesundes Essen und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zu verdrängen und die Tortur über uns ergehen zu lassen. Lange Zeit sah es ganz danach aus, als würde unsere Strategie nicht aufgehen. Ronald McDonald war der Grösste. Doch letzte Woche konnten wir endlich erste Erfolge sehen. Nach einem kurzen Abendausflug in die Stadt begaben wir uns mit der gesamten Meute zum Abendessen ins Mc Donald’s. Die Kinder verdrückten ihr Happy Meal, wir unsere lauwarmen (Vegi)-Burger. Nach dem „Essen“ schaut mich unser Ältester plötzlich traurig an: „Weisst du, als du gesagt hast, wir würden noch etwas essen, habe ich gemeint, wir gingen in ein richtiges Restaurant und nicht in eines, in dem es jedesmal den gleichen Frass gibt.“ Wunderbar, den ersten haben wir überzeugt. Bleiben nur noch vier zu bearbeiten. Fragt sich bloss, wo wir den Ältesten unterbringen, wenn wir bei den anderen die Überzeugungsarbeit in Angriff nehmen wollen.
Ach und übrigens: Die Erfolge beginnen sich auch in anderen Bereichen abzuzeichnen. „Hast du AKWs gerne?“, wollte unser Ältester neulich von unserer Praktikantin wissen. Er fragte ganz harmlos. Doch als sie antwortete, natürlich möge sie keine AKWs, fragte er spitz: „Warum lässt du dann überall das Licht brennen?“ Wenn wir da nur keinen kleinen Besserwisser heranzüchten…