Leftovers

Da ich noch komplett geschafft bin von meiner Lesung, heute einfach nur ein Text, den ich gestern meinem Publikum vorgelesen habe. Immerhin ist er taufrisch:

Acht Dinge, auf die man in der Weihnachtszeit verzichten könnte

Der Schwiegermama-Panettone

Ein anständiger Panettone ist eine richtig gute Sache, ein anständiger Panettone hat aber auch seinen Preis. Panettone wird aber gewöhnlich von italienischen Schwiegermamas für ihre Schwiegertöchter gekauft und für dieses Miststück, das einem den Sohn weggeschnappt hat, gibt man nicht mehr Geld aus als unbedingt nötig. Darum landet bei Menschen wie mir, die einer italienischen Mama den Sohn weggeschnappt haben, jedes Jahr ein Schwiegermama-Panettone unter dem Tannenbaum. So ein staubtrockenes Ding mit vielen Rosinen drin, das man irgendwann im Januar, wenn die Essensvorräte allmählich schwinden und noch kein Geld auf dem Konto ist, beim trüben Schein einer übriggebliebenen Weihnachtskerze verzehrt.

Die Weihnachtskarte vom Garagisten, bei dem du schon längst nicht mehr Kunde bist

Du nimmst dieses edle, gepolsterte Couvert mit von Hand geschriebener Anschrift aus dem Briefkasten und freust dich. Ob jemand heiratet? Vielleicht hat auch jemand ein Kind geboren. Oder ein lieber Mensch hat sich mit einem Tässchen Tee an einen Tisch gesetzt, um dir ein paar liebe Zeilen zu schreiben. Erwartungsvoll machst du das Couvert auf, ganz vorsichtig nur, um das edle Papier nicht kaputt zu machen, du greifst hinein – und hältst die kitschigste, billigte Festtagskarte aller Zeiten in den Händen. „Frohe Weihnachten und ach, wo wir schon dabei sind, wir haben diese tolle Aktion für Schneeketten…“

Die Weihnachtskarte von dem piekfeinen Ferienresort, das du zu finanziell besseren Zeiten mal besucht hast

Da besitzt doch tatsächlich einer die Frechheit, dich daran zu erinnern, dass du in grauer Vorzeit, als du noch gänzlich ohne Kinder warst, das Kleingeld hattest, dich auf ihrem Weingut in der Toscana auf einem Liegestuhl zu fläzen. Und das erst noch in der Weihnachtszeit, wenn dir täglich vor Augen geführt wird, dass alles, was von deinem sauer verdienten Geld nach Steuern und Krankenkasse noch übrig bleibt, draufgeht für „Lego Chima und Hot Wheels und Transformers und und und Mama, Kapla brauche ich auch noch mehr, ganz dringend und Inline Skates und dann noch Lego Movie…“

Der Weihnachtsundbrief von deinen amerikanischen Freunden

Ihr wisst schon: Der Fünfjährige hat gerade das Konzertdiplom am Klavier erlangt, die Zehnjährige macht nächstes Jahr den Doktor in Quantenphysik und der Zwölfjährige hat gute Chancen auf den Literaturnobelpreis. Papa wurde aufgrund seiner Verdienste zum persönlichen Berater des Präsidenten ernannt, Mama hat zur Belohnung, dass sie ein Medikament gegen Krebs entwickelt hat, ohne Sauerstoff den Mount Everest bestiegen, wo sie zusammen mit dem Familienhund eine ganze Expeditionstruppe vor dem sicheren Tod gerettet hat. Dazu ein Familienfoto, alle blitzsauber und piekfein angezogen, aufgenommen vor dem Taj Mahal. Nach der Lektüre solcher Briefe schaue ich jeweils mit trübem Blick auf meine eigene Truppe, die mal wieder nichts anderes zustande bringt, als mir kurz vor Weihnachten den Magen-Darm-Käfer ins Haus zu schleppen, und seufze tief.

Der Samichlaus,

der ein paar Momente, nachdem er bei uns war, gut sichtbar in Nachbars Wohnzimmer sitzt und das erst noch in einem anderen Gewand, als der bei uns anhatte. Wie, bitte sehr, erkläre ich das meinem Kind? Wenigstens die Vorhänge hätten die während seines Besuchs zuziehen können, wo sie schon dieses Riesenfenster haben einbauen lassen.

Diese Kindergeschenke…

Die Kinder können wirklich nichts dafür, es sind die Lehrer, die noch immer die Geschenkidee, die sie irgendwann zu Beginn ihrer Laufbahn mal hatten, bei jeder Klasse wieder hervorkramen. Wer mehrere Kinder hat, darf sich also Jahr für Jahr das gleich geformte Paket mit gleichem Inhalt überreichen lassen. Wehe dem, der den überraschten Blick nicht fleissig genug geübt hat. Ein zutiefst enttäuschtes Kind ist ihm auf sicher.

Die Nachrichten aus aller Welt,

die sich einen Dreck darum scheren, dass du jetzt eigentlich Weihnachten feiern und so tun möchtest, als wäre alles nur glitzerig und glänzend.

Last Christmas I gave you my heart but the very next day you gave it away…

Dazu brauche ich ja wohl nichts weiter zu sagen…

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Warum so nervös, Mama Venditti?

Natürlich war meine Nervosität vollkommen unbegründet, für einmal war nicht einmal die Kleiderfrage ein Problem, alles lief bestens, die Suppe war so gut, wie Kürbissuppe immer ist, die Gäste waren zufrieden und auch wenn sie nicht in Scharen kamen, so war es doch ein wunderschöner Abend. Wie immer in solchen Fällen hätte ich mir die ganze Aufregung sparen können, denn im Grunde genommen spielt es ja keine Rolle, ob ich meinen Kindern oder meinen Gästen vorlese. Vielleicht lerne ich eines Tages, dies schon im Voraus zu erkennen und auf das ganze nervöse Getue zu verzichten. Vielleicht aber kann ich einfach nicht anders, weil es mir einfach sehr viel bedeutet, mein Geschriebenes und die Menschen, die es lesen, zusammenzubringen.

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Mama Venditti bereitet sich auf eine Lesung vor

08:15 Der Wecker klingelt, ich stelle fest, dass Prinzchen und Herr Gemahl mich mal wieder an die äusserste Bettkante gedrängt haben. Doch was heisst hier „an“? Auf die Bettkante haben die Herren mich gedrängt, darum rapple ich mich mit ziemlich müden Knochen auf, um den Tag in Angriff zu nehmen.

08:25: Ein Glas Wasser runterkippen und dann auf zum Markt, Kürbisse kaufen.

08:45: Die ersten zwei Kürbisse sind gekauft, Schwatz mit der Marktfrau über Wachtelhaltung. Wie sind wir überhaupt von Kürbissen zu Wachteln gekommen? Keine Ahnung mehr, aber die Frau freut sich, dass ich durch so viele Fehler gelernt habe und ihr jetzt ziemlich genau sagen kann, wie sie es nicht machen soll, wenn sie sich dann mal Wachteln zulegt.

08:50: Der nächste Kürbis ist gekauft. Dazu frisch gepressten Apfelsaft. Kurzer Schwatz, dann weiter zum nächsten Stand.

08:53: Bewundern der Kürbis-Auslage am Stand mit dem Pro Specie Rara-Gemüse. Eine Kundin neben mir erzählt mir, wie sie Kürbisse zubereitet und will mir einen Schutzengel verkaufen. Als ich ihr sage, dass ich fünf Kinder und gerade nicht allzu viel Geld für Krimskrams übrig habe, bedauert sie, dass sie gerade kein Gemüse dabei habe, das sie mir schenken könne. Ob ich Selbstgestricktes brauchen könne. Ich erkläre ihr, dass wir ganz gut über die Runden kommen, aber ihre fürsorgliche Art wärmt mir trotzdem das Herz.

09:00: Der letzte Kürbis, den ich kaufe, bringt satte 10 Kilo auf die Waage und weil ich den Ganzen nehme, bekomme ich ihn günstiger. Grossmäulig behaupte ich, ich würde es schon schaffen, all die Kürbisse und den Apfelsaft zum Auto zu schleppen, ich hätte ja auf dem Frauenparkplatz parkiert, das sei ja nicht weit…

09:12: Schwer atmend stehe ich im Durchgang und überlege mir, wie ich meine Bagage besser verteilen kann. Noch 150 Meter bis zum Auto und ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich das hinkriegen soll. Eine Verkäuferin, die ihren Schmuckstand ganz in der Nähe hat, bietet mir ihren Transportwagen an. Die nette Geste rührt mich fast zu Tränen. Ob ich allmählich ein wenig nervös werde? So sentimental bin ich doch nun auch wieder nicht…

10:05: Nach einem kurzen Zwischenstopp zu Hause – Kürbisse aus- und Kinder einladen – bin ich bereit zu neuen Taten. Drei Kinder sind für den Tag am Spielturnier versorgt, die anderen zwei helfen zu Hause. Vielleicht. Jetzt also noch Getränke besorgen, mehr Mehl, Kerzen, Rahm, Wacholderlatwerge,… Ein erster Anflug von Panik…

10:20: Getränke sind gekauft, Rahm und Kerzen auch. Panik wächst. Oder ist es der Hunger. Für Frühstück war ich zu aufgeregt heute Morgen. Ich erinnere mich daran, dass ich noch den winzigen Gummi-Hamburger habe, den mir der Mann, der heute neben dem Markt Handzettel für die 1:12 Initiative verteilte, geschenkt hat. Das Ding ist wirklich winzig, aber es ist essbar, also runter damit.

11:00: Alles eingekauft, jetzt schnell nach Hause. Panik sehr gross. Was, wenn keiner kommt? Was, wenn zu viele kommen? Wenn die Suppe nicht reicht? Wenn sie anbrennt? Wenn ich meine Stimme verliere? Keine Ahnung, wie das geschehen sollte, aber man kann nie wissen…

11:30: Zu Hause. Das Prinzchen schenkt mir ein Bild, das er nach dem Vorbild seines Papas gemalt hat. Ich könnte schon wieder heulen…Einkäufe hoch schleppen, Sauna einschalten, Vorteig mit Mehl, Hefe und Zucker füttern, nachdenklich das Chaos in der Küche betrachten, Beruhigungsbloggen, geschäumte Milch schlürfen und ab in die Sauna.

Fortsetzung folgt. Vielleicht. Wenn ich meine Nerven in den Griff bekomme…

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Herzliche Einladung

Wer…

  • am Samstag, 9. November um 17 Uhr gerade in unserer Region ist,…
  • gerne einmal die einmalige Atmosphäre im Kreuzgang unserer Stiftskirche geniessen möchte,…
  • einen gemütlichen Abend mit netten Menschen verbringen möchte,…
  • den Beweis braucht, dass es „Meinen“, Karlsson, Luise, den FeuerwehrRitterRömerPiraten, den Zoowärter und das Prinzchen wirklich gibt,…
  • Lust auf Kürbissuppe hat,…
  • sehen will, wie ich ins Rotieren gerate,…
  • „Meinem“ zu seinen gelungenen Illustrationen gratulieren möchte,…
  • sich auf die Adventszeit einstimmen möchte,…
  • mich lesen hören will,…
  • ein signiertes Exemplar meiner Bücher kaufen möchte,…
  • sonst irgend einen Grund findet, vorbeizuschauen,…

…ist herzlich zur Lesung beim offenen Bücherregal eingeladen. Hier geht’s zum Einladungsflyer mit allen nötigen Angaben: Flyer Lesung 9.11.13.

Ich freue mich riesig!

backen mit vernunft

Und hier noch ein Bild vom Kreuzgang, zur Verfügung gestellt von Eulenkling:

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