Hamster-Drama

Seien wir ehrlich: Goldhamster sind fies. Mit ihren Kulleraugen, den dicken Backen und den herzigen Pfötchen sehen sie aus, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Bereitwillig lassen sie sich von Kinderhand füttern, voller Zutrauen schmiegen sie sich schon nach wenigen Tagen an ihren kleinen Menschen. Doch dieses Getue ist nur Ablenkung, denn während das arme Kind allmählich sein Herz verliert, baut das Vieh klammheimlich an seinem Fluchtweg aus dem Käfig. 

Natürlich hat es sich schon längst herumgesprochen, dass den Tierchen nicht zu trauen ist und so fallen längst nicht mehr alle Kinder auf diese zuckersüsse Masche herein. Zwar rufen alle erst einmal „Jööööö, wie herzig!“, wenn sie in die kugelrunden Äugeln blicken, doch die meisten lassen sich schnell einmal davon überzeugen, dass die fiesen Nager nicht als Haustier taugen. Einige aber erliegen dem Charme trotzdem und bald einmal verfallen sie dem Glauben, ohne Hamster könnten sie nie wieder glücklich sein. Mit Bitten und Flehen liegen sie ihren Eltern in den Ohren, bis die sich endlich erweichen lassen. Der Hamster zieht ins Kinderzimmer ein und die Tragödie nimmt ihren Lauf…

Früher oder später nämlich wird das Kind schniefend und schluchzend im Wohnzimmer stehen und verkünden, der Hamster habe das Weite gesucht. Und weil es oft die Zartbesaiteten sind, die dem Charme der Nager erliegen, wird das Schniefen und Schluchzen tagelang kein Ende mehr nehmen.

Da hilft kein „Mach dir keine Sorgen, dein Hamster will sich bloss ein wenig vergnügen. Der kommt bestimmt wieder zurück“, denn dass das Tier ohne seinen kleinen Menschen glücklich sein kann, mag sich das Kind beim besten Willen nicht vorstellen. 

Auch die Versicherung „Wenn das Tierchen nicht wieder auftaucht, bekommst du ein neues“, bringt keinen Trost, denn die Vorstellung, das gebrochene Herz an einen anderen Hamster verschenken zu müssen, ist allzu schmerzhaft. 

Und wenn das Kind ein gewisses Alter erreicht hat, hilft es auch nichts mehr, klammheimlich eine Kopie des Urhamsters anzuschaffen und zu verkünden: „Sieh mal, Murmel ist zurück. Unglaublich, wie die abgenommen hat auf ihrem Streifzug durch die Wohnung!“ Auf sowas fällt auch der leichtgläubigste Elfjährige nicht mehr rein. 

Tja, wer so blöd ist, seinem Kind den Wunsch nach dem Hamster zu erfüllen, handelt sich damit eben nicht nur einen gelegentlich schmutzigen Käfig ein, sondern auch eine gehörige Portion kindlichen Herzschmerz.

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Eine Vorwarnung wäre nett gewesen

Damit das klar ist: Ich bin den Ärztinnen und Ärzten, die sich in den vergangenen 10 Tagen um den Zoowärter gekümmert haben, unendlich dankbar. Selbstverständlich verstehe ich, dass wir oft auf sie warten mussten, weil sie noch so viel anderes zu tun hatten. Dass mein eigener Job dabei zurückstehen musste, steht für mich ausser Frage.

Dennoch dünkt mich, den Halbgöttern in Weiss sei kaum bewusst, dass auch wir, die wir beruflich kein Leben retten, hin und wieder noch anderes zu tun haben, als am Krankenbett unseres Kindes zu sitzen.

Fragst du nach einer Woche, wie lange der Spitalaufenthalt schätzungsweise dauern könnte, du hättest da noch ein paar andere Kinder, die dich brauchen, schaut man dich verwundert an. Noch ein wenig verwunderter ist der Blick, als du erklärst, du hättest am Donnerstag eine Sitzung und wärest deshalb froh, wenn du den Tag ein wenig planen könntest. Als dann endlich der Tag des Austritts gekommen ist, platzt die Ärztin mit einer Nachricht ins Zimmer, die jede berufstätige Mutter – auch eine, die im Home Office arbeitet – ins Schwitzen bringt: Eine volle Woche noch müsse das Kind zu Hause bleiben, das werde in solchen Fällen immer so gehandhabt, das sei doch sonnenklar. Nun, die Ärztin mag wohl eine Expertin bezüglich des Heilungsverfahrens in „solchen Fällen“ sein. Vom Familienalltag hingegen scheint sie keine Ahnung zu haben. Zumindest versetzt sie deine Erklärung, so etwas müsste man Eltern im Voraus mitteilen, weil das stets gewisse organisatorische Herausforderungen mit sich bringe, in grosses Erstaunen.

Ich hoffe sehr, die Gute schreibt sich das hinter die Ohren und informiert die nächsten Eltern etwas früher darüber, dass das Familienleben auch nach Spitalaustritt noch eine Weile lang auf dem Kopf stehen wird.

Befindlichkeiten

Tag 1: Leerer Magen? Bleierne Müdigkeit? Volle Blase? – Alles egal. Hauptsache, die finden endlich heraus, was mit dem Kind los ist.

Tag 2: Leerer Magen? Bleierne Müdigkeit? Volle Blase? – Alles egal. Hauptsache, wir bekommen bald den richtigen Arzt zu Gesicht, damit es dem Kind bald wieder besser geht.

Tag 3: Leerer Magen? – Wer mag denn schon essen, wenn das Kind gleich operiert wird? Bleierne Müdigkeit? – Bei so viel Nervosität spürt man die doch gar nicht mehr. Volle Blase? – Na ja, immerhin die stellt kein Problem mehr dar, weil man sich während der Wartezeit ja irgendwie die Zeit vertreiben muss. Zudem hat man immerhin mal Zeit gehabt, eine Dusche zu nehmen und sich umzuziehen. Also Luxus pur.

Tag 4: Magen voll, Blase leer und Müdigkeit spielt keine Rolle mehr, denn man sitzt ja ohnehin den ganzen Tag nur da und hofft, dem Kind gehe es endlich ein wenig besser.

Tag 5: Mit leiser Stimme melden sich ein paar Bedürfnisse, die während der Aufregung der vergangenen Tage vergessen gegangen sind. Schnell bringt man sie zum Schweigen, denn die Gesundheit des Kindes hat jetzt Vorrang. Und was sich nicht zum Schweigen bringen lässt, wird durch die Anforderungen des Spitalalltags schnell auf seinen Platz verwiesen. Mama hat da zu sein, wenn sie gebraucht wird, da liegt nichts anderes mehr drin.

Tag 6: Die Müdigkeit haut auf den Tisch. Sie hat jetzt wirklich genug davon, andauernd ignoriert zu werden. Weil es dem Kind inzwischen deutlich besser geht, wagt man es, eine Nacht zu Hause im eigenen Bett zu verbringen. Das schlechte Gewissen begehrt auf. Das arme, kranke Kind! So alleine und verlassen in seinem grossen Spitalbett! Ganz abgebrühte Mütter lassen sich dadurch natürlich nicht beeindrucken. Die brauchen schon die eine oder andere spitze Bemerkung von Pflegepersonal und Zimmernachbarin, um sich tüchtig dafür zu schämen, dass sie ihr Kind so schändlich vernachlässigen.

Tag 7: Das Kind lässt die Mama wissen, das mit der Nacht zu Hause sei ganz und gar nicht in seinem Sinne gewesen. Nein, es habe sich nicht gefürchtet und es sei auch nicht wirklich schlimm gewesen ohne die Mama. Aber trotzdem… Mehr braucht Mama nicht, um wissen, wohin ihre bleierne Müdigkeit gehört: Fest eingeschlossen in einen Schrank, aus dem sie erst wieder rausgelassen wird, wenn das Kind aus dem Spital entlassen wird. Da sich das Kind inzwischen mit dem Zimmernachbarn angefreundet hat, hätte die Müdigkeit zwar theoretisch viel Zeit, sich um sich selbst zu drehen. Doch in einem engen, von zwei lebhaften Jungs und zwei trägen Müttern bewohnten Spitalzimmer gibt es dafür tagsüber kaum Platz. Es sei denn, die Müdigkeit gebe sich mit einem ganz gewöhnlichen Stuhl zufrieden.

Tag 8 & folgende: Wir werden sehen… Ein inzwischen putzmunteres Kind und eine übermüdete Mutter, die beide noch nicht nach Hause dürfen, weil die Ärzte zuerst ganz sicher sein wollen, dass die Entzündungswerte sich in die richtige Richtung bewegen, werden irgendwie ein paar sehr lange Stunden hinter sich bringen müssen. Vermutlich wird es sich anfühlen wie ein endloser Aufenthalt im Wartezimmer, denn eigentlich geht es nur noch darum, aus ärztlichem Mund ein „Sie dürfen nach Hause gehen“ zu vernehmen.

Schon wieder improvisieren…

So ein unerwarteter Spitalaufenthalt wirft uns nicht mehr komplett aus der Bahn. Natürlich werden wir erst einmal leicht nervös, wenn der Kinderarzt erklärt, der Zoowärter könne nicht zu Hause genesen, der brauche mehr als nur ein paar Tabletten und ein wenig Salbe, um gesund zu werden. Ist diese Nachricht aber erst mal verdaut, laufen die Dinge einfach weiter – zwar nicht ganz so geordnet, wie wir das gerne hätten, aber dennoch irgendwie. Wir spielen so etwas ja nicht zum ersten Mal durch. 

Luises Termin beim Kieferorthopäden fällt deswegen nicht ins Wasser und wenn sie Fragen zu den Deutsch-Hausaufgaben hat, bekommt sie die nötigen Antworten. Karlsson muss bei seinen musikalischen Auftritten nicht gänzlich auf Familienmitglieder im Publikum verzichten und der FeuerwehrRitterRömerPirat kommt trotz frühmorgendlichem Chaos rechtzeitig zur Schule. Auch an organisatorisch komplizierten Tagen wissen wir, wo sich das freiheitsliebende Prinzchen aufhält, wenn gerade keine Schule ist und selbst wenn die gesunde Ernährung nicht zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist, sind doch alle mehr oder weniger satt, wenn sie satt sein sollten. Unsere Arbeitgeber müssen nicht gänzlich auf unsere Dienste verzichten, der Haushalt läuft nicht komplett aus dem Ruder und die Momente, in denen der Zoowärter ohne elterliche Begleitung im Spitalzimmer liegen muss, sind rar. Nur noch gelegentlich stolpern wir über den einen oder anderen Denkfehler, wenn wir versuchen, unsere Einsätze im Spital so zu koordinieren, dass sie sich mit unseren jeweiligen anderen Verpflichtungen am besten vereinbaren lassen. 

Man könnte uns also durchaus als alte, erfahrene Hasen bezeichnen. Dennoch wären wir nicht unglücklich gewesen, wenn uns diese Geschichte erspart geblieben wäre. Nicht nur, weil uns der arme Zoowärter so furchtbar leid tut. Sondern auch, weil sogar alte, erfahrene Hasen irgendwann die Nase voll haben vom Improvisieren.

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Wie haben wir das bloss überstanden?

Der Zoowärter hat sich vor ein paar Tagen einen Sonnenbrand geholt – und zwar einen richtig heftigen. Dies, obwohl er sich so dick eingecremt hat wie noch nie zuvor. Doch was hilft das schon, wenn er die neue Sonnencreme links liegen lässt und zu der Flasche greift, die eigentlich hätte entsorgt werden müssen?

Ja, ich weiss, bei guten Müttern zu Hause würde so etwas nicht passieren, bei denen stehen keine alten Sonnencremeflaschen rum.

Aber ich war an jenem Tag keine gute Mutter. In mir drinnen wütete nämlich ein fieser Käfer, der für Schädelbrummen, Gliederschmerzen und eine triefende Nase sorgte. Und um mich herum tobte das frühmorgendliche Familienchaos, wie es eben tobt, wenn „Meiner“ schon früh weg muss und ich den Laden alleine schmeisse: Zwei eigene Kinder und ein Gast, die sich für den Sporttag bereit machen müssen. Einer, der ganz und gar keine Lust auf Schule verspürt und deshalb mehrere mütterliche Motivationsspritzen benötigt, ehe er in die Gänge kommt. Eine, die dringend Hilfe mit ein paar Kleinigkeiten braucht. Einer, der sich schnell ein Mittagessen zusammensucht und dabei ein wenig plaudern möchte, bevor er aus dem Haus geht. Dann noch ab und zu jemand, der an der Türe klingelt, um zu fragen, ob diejenigen, die bereit sein müssten, schon bereit sind.

Mir ist klar, dass es durchaus Mütter gibt, die auch an so einem Morgen noch alles im Griff haben, aber ich gehöre offensichtlich nicht zu dieser Sorte.

Und so kam es eben, dass wir ein paar Stunden später einen ziemlich verbrannten Zoowärter in Empfang nehmen mussten. Einen Zoowärter, der in der Folge ziemlich oft nachts wach wurde, weil sich die Schmerzen wieder bemerkbar machten, was mitten in der Nacht noch viel schlimmer war als am Tag. Also waren „Meiner“ und ich alle paar Stunden im Einsatz, um zu salben, zu kühlen, gut zuzureden, Ängste zu verscheuchen und zu trösten. Mal stand „Meiner“ auf, mal ich, mal waren wir beide an seiner Seite.

Drei Nächte lang ging das so…

… und jetzt gehen wir auf dem Zahnfleisch.

Gereizt, mit müdem Blick und wirrem Kopf kämpfen wir uns durch scheinbar endlose Tage und jeder, der uns begegnet, muss sich anhören, wie unglaublich erschöpft wir sind.

Gerade so, als hätten wir so etwas noch nie erlebt.

Als wäre das nicht über Jahre der Normalzustand gewesen.

Als ob wir alten Hasen so etwas nicht mit einem müden Lächeln und einem Schulterzucken wegstecken müssten.

Nein, wir stecken so etwas nicht mehr so locker weg. Wir jammern.

Und fragen uns, wie wir es bloss geschafft haben, jahrelang in diesem Zustand zu existieren und den Karren trotzdem nicht vollends gegen die Wand zu fahren.

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Geschwisterneid

So manch ein jüngstes Kind ist sauer auf seine grösseren Geschwister, weil sie länger aufbleiben dürfen. Andere plagt der Neid, weil die Grossen mehr Taschengeld bekommen. Wieder andere finden es ungerecht, dass sie noch für alles und jedes um Erlaubnis fragen müssen, während die grossen Brüder und Schwestern scheinbar unbegrenzte Freiheit geniessen. Schliesslich gibt es auch solche, die sich daran stören, dass sie viele der Abenteuer, von denen die Grossen erzählen, nicht – bewusst – miterlebt haben.

Auch das Prinzchen hadert zuweilen mit seiner Position als jüngstes Kind, aber dabei plagt ihn eine andere Sorge: „Es stresst mich, wenn Karlsson und Luise andauernd von Quersummen und Flächenberechnungen reden“, sagte er heute beim Abendessen. „Wenn ich ihnen zuhöre, wird mir immer wieder bewusst, wie lange es noch dauert, bis ich das auch endlich lernen darf.“

Und wieder einmal frage ich mich, ob ich auch wirklich die Mutter dieses Kindes bin…

Kampf ums Sofa

Noch so etwas, was irgendwie gleich ist wie in der Kleinkindphase und doch ganz anders: Mitten in der Nacht wirst du wach, weil du die Kinder hörst. Schlaftrunken tappst du ins Wohnzimmer, um herauszufinden, was los ist. Soweit also alles noch wie zu alten Zeiten, als keine Nacht ohne nächtliche Ruhestörung verging.

Was du im Wohnzimmer antriffst, ist dann aber doch ein wenig anders. Dort findest du nämlich zwei Teenager, die mitten in einem erbitterten Streit stecken. Da wollte nämlich einer nach einem Albtraum Zuflucht auf dem Sofa suchen, fand das Sofa jedoch besetzt vor, weil es sich dort bereits ein anderer bequem gemacht hatte. Und dieser andere hatte nicht etwa mit einem Albtraum zu kämpfen, sondern war bloss zu faul gewesen, sein übliches Nachtlager aufzusuchen, nachdem er sich mit dem Eltern die „Medici“ reingezogen hatte. Wer ohne Albtraum-Legitimation auf dem Sofa nächtigt, braucht sich natürlich nicht zu wundern, wenn man versucht, ihn mitten in der Nacht unsanft aus dem Wohnzimmer zu vertreiben. 

Während in früheren Zeiten noch ein Windelwechsel und ein nächtlicher Snack reichten, um die Ruhe wieder herzustellen, solltest du heute also tatsächlich nachts um halb zwei eine pädagogisch wertvolle Problemlösung aus dem Pyjamaärmel schütteln. Und weil du das mit vom Schlaf umnebelten Verstand natürlich nicht schaffst, weisst du jetzt endlich wie unglaublich toll es sich anfühlt, im Halbschlaf zwei zornigen Teenagern ein wenig Vernunft einreden zu wollen.

Variationen

Auf die Gefahr hin, dass ich mich – wenn ich schon endlich mal wieder schreibe – auch noch wiederhole, hier eine Weisheit aus einem Haus voller Teenager und solcher, die es bald schon werden wollen:

  • Abends, wenn du allmählich zur Ruhe kommen möchtest, tropft auf einmal Wasser durch die Zimmerdecke, denn oben steht einer so lange unter der Dusche, bis die Duschtasse überläuft und sich das Wasser in den Eingangsbereich ergiesst. Weil er gerade unter der Dusche steht, kann er nicht dabei helfen, die Sauerei zu beseitigen und es liegt an den Erzeugern, den Schaden so rasch als möglich zu beheben, bevor das ganze Haus unter Wasser steht. Und weil du ihm erst hundert Mal gesagt hast, dass er nicht so lange duschen darf, bis es eine Überschwemmung gibt, trifft ihn keinerlei Schuld. 
  • Nachts, wenn dir endlich die Augen zugefallen sind, plötzlich laute Schritte im Treppenhaus. Bald darauf geht die Tür und wenig später steht ein halbwüchsiger Mensch mit einer Sorge in deinem Schlafzimmer. Vorbei ist es mit der Nachtruhe und du ahnst, dass du morgen einmal mehr mit schwerem Kopf erwachen wirst.
  • Mittags am Tisch, alles ist halbwegs friedlich, bis einer wagt, dem anderen einen falschen Blick zuzuwerfen. Vielleicht hat er sich auch erfrecht, ein unerwünschtes Geräusch von sich zu geben. Oder er nimmt sich die Freiheit heraus, nicht so frisch zu riechen wie alle anderen. Was auch immer der Grund sein mag – am Ende fliegen die Fetzen und man weiss nicht, wie die Dinge enden würden, wenn nicht ein Erwachsener schlichtend eingriffe. 
  • Irgendwann, im Laufe des Tages, völlig aus dem Nichts eine Frage, auf die du keine Antwort weisst. „Mama, warum…?“ und du stammelst irgend etwas zusammen, denn mit einem „Das erkläre ich dir, wenn du grösser bist“, lässt sich keiner mehr abspeisen.
  • Am Ende eines langen Tages, wenn du dir sehnlichst wünschst, endlich ins Bett gehen zu dürfen, schwirren energiegeladene junge Menschen durch die Räume und sämtliche Ermahnungen, es sei jetzt wirklich Zeit für Feierabend, stossen auf taube Ohren.

Immer wieder Situationen, die du irgendwie kennst und die doch nicht mehr ganz gleich sind. Und plötzlich dämmert dir: „Kleine Kinder, kleine Sorgen – grosse Kinder, grosse Sorgen“ ist komplett falsch.

Es müsste heissen: „Kleine Kinder, tausend Sorgen – grosse Kinder, Variationen von genau den gleichen Sorgen.“

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Wer trägt hier eigentlich die Konsequenzen?

Das Prinzchen hat etwas ausgefressen und weil es in der Sache in erster Linie um verspätetes Heimkommen und unvollständige Informationen ging, muss er seine Freizeit  in den nächsten sieben Tagen zu Hause verbringen. Kein Fussballspiel auf dem Schulhausplatz, keine kleinen Gäste zum Mittagessen, kein „Ich geh mal ein wenig im Dorf spazieren und schaue, ob ich einen Freund antreffe“.

Noch keine 24 Stunden ist es her, seitdem ich ihn voller Zorn dazu verdonnert habe, brav an meiner Seite zu bleiben und schon frage ich mich, wen von uns beiden ich eigentlich mehr bestraft habe. Seit gestern Abend liegt er mir nämlich im Zehnminutentakt mit seinen Klagen in den Ohren:

„Mir ist soooo langweilig.“

„Was soll ich bloss machen?“

„Aber Mama, ich muss mich doch austoben können. Bewegung ist gesund.“

„Du musst doch verstehen, dass ich nicht einfach nur im Garten bleiben kann, wenn ich nach draussen gehe.“ 

„Darf ich denn nicht wenigstens Velo fahren? Ich verspreche dir auch hoch und heilig, dass ich nicht heimlich zu einem meiner Freunde gehe.“

So beständig redet er auf mich ein, bis ich ihm irgendwann erlaube, ein paar Runden auf dem Velo zu drehen. Ein Entscheid, der Prinzchens Gejammer für ein paar Minuten zum Verstummen bringt, mir dafür aber Ärger mit Karlsson einhandelt. Der hat sich nämlich diebisch darüber gefreut, dass der jüngste Bruder auch mal die Konsequenzen seines leichtfertigen Handelns tragen muss und findet nun, wenn ich so lasch sei, werde das nie etwas mit der guten Kinderstube. Ich habe also die Wahl: Stur bleiben und Prinzchens Gejammer aushalten oder die Leine ein wenig lockern und mir mit Karlsson hitzige Erziehungsdiskussionen liefern.

Ich fürchte, die kommende Woche wird nicht nur für das Prinzchen sehr, sehr lang…

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Her mit meiner Waage!

Es muss an dem schlechten Ruf liegen, den Eltern heutzutage geniessen, anders kann ich mir die Sache nicht erklären. „Die setzen ihren Kindern doch ohnehin nur Fertigprodukte vor. Die kommen doch problemlos eine Zeit lang ohne ihre Küchenwaagen klar“, muss einer der Lehrer gesagt haben. „Die meisten schicken ihre Brut über Mittag doch ohnehin in die Kebab-Bude“, muss eine Lehrerin darauf geantwortet haben. „Man wird wohl froh sein müssen, wenn überhaupt jedes Kind eine Waage auftreiben kann.“ 

So oder so ähnlich muss es in der Besprechung getönt haben, als man beschloss, die Kinder zu beauftragen, eine Küchenwaage mitzubringen, auf dass die Klasse das Thema „Schätzen und Abwägen“ praxisnah üben könne. 

Man verstehe mich bitte nicht falsch. Gegen praxisnahen Unterricht habe ich ganz und gar nichts einzuwenden. Aber bitte nicht mit meiner Küchenwaage. Die wird in unserem Haushalt nämlich nicht nur zu Übungszwecken gebraucht. Die ist ein ausgesprochen wertvolles Mitglied meiner Küchenausstattung, denn ohne sie wüsste ich nicht, ob der Lievito Madre ausreichend Futter bekommt, ob die Verhältnisse von Dinkel und Weizen im Brotteig ausgewogen sind und ob ich es bei der Brioche mal wieder mit der Butter übertreibe. Natürlich habe ich gewisse Dinge inzwischen so halbwegs im Gefühl, aber an manchen Tagen ist auf meine Gefühle ganz und gar kein Verlass, weshalb die Waage eben doch unerlässlich ist. 

Man mag sich fragen, weshalb ich nicht laut vernehmlich Nein gesagt habe, als das Prinzchen mich bat, die Waage mitnehmen zu dürfen. Nun, das hat durchaus seine Gründe. Zum einen habe ich in den vergangenen Jahren gelernt, dass Lehrpersonen nicht sehr erfreut sind, wenn Kinder ihre Hausaufgaben nicht erledigen. Zum anderen hat mir das Prinzchen hoch und heilig versprochen, es sei doch bloss für einen Tag und weil noch Brot da war, glaubte ich, so lange ohne sie auskommen zu können. Und dann soll mal einer versuchen, dem Prinzchen einen Wunsch auszuschlagen, wenn er so vor einem steht, mit treuherzigem Blick, zuckersüssem Lächeln und dem Gesicht voller Sommersprossen. Bei so viel Charme kann man einfach nicht nein sagen.

Tja, und jetzt muss ich eben damit klarkommen, dass es halt doch nicht nur für einen Tag war. Meine Waage wird nun bereits seit einer Woche im Schulzimmer festgehalten. Und das Schlimmste an der Sache ist: Während ich mich vor lauter Sehnsucht nach ihr verzehre und mich bereits zweimal dazu gezwungen sah, Brot zu kaufen, feiert sie wohl gerade Party mit ihren Kolleginnen, denn so viele verschiedene Küchenwaagen wie jetzt hatte sie zum letzen Mal um sich, als sie noch in irgend einer Haushaltabteilung darauf wartete, von mir gekauft zu werden. 

Ob ich versuchen soll, sie mithilfe von Lösegeld zurückzuholen? 20 hausgemachte Croissants sollten wohl reichen, um den Lehrer gnädig zu stimmen. 

Wobei, wie soll das gehen? Wo ich doch die Zutaten nicht abwägen kann…

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