10 Dinge, die ich vermissen werde

Als wir heute die Öresundbrücke in der falschen Richtung überquerten, war mir klar, dass nicht einfach eine Ferienreise zu Ende geht, sondern eine Zeit, in der alte Sehnsüchte und neue Träume wach geworden sind. Es ist schwer, in Worte zu fassen, was „Meinen“ und mich – und bis zu einem gewissen Grad auch die Kinder – in diesen Wochen bewegt hat; ich weiss nicht, ob einiges davon früher oder später sicht- und fassbar wird, oder ob das hektische Leben in der Schweiz alles wieder ersticken wird, ehe es keimen konnte. Mehr als deutlich weiss ich aber jetzt schon, was ich zu Hause vermissen werde:

1. Das Grün: Glaubt mir, ich habe es versucht, aber man kann sich schlicht und einfach nicht satt sehen an all dem Grün. Dabei mag ich Grün als Farbe gar nicht besonders.

2. Die Stille: Nein, es war nie vollkommen still, da war stets ein Rauschen des Windes in den Bäumen, ein Zwitschern der Vögel oder nachts das Rascheln eines Tiers im Gebüsch und natürlich der Lärm, den unsere Kinder veranstalten. Doch all die Zivilisationsgeräusche, die ich zu Hause schon gar nicht mehr wahrnehme, weil sie auch an scheinbar abgeschiedenen Orten stets zu hören sind, die waren einfach ausgeschaltet. Erst in dieser Stille wurde mir bewusst, wie sehr mir die pausenlose Geräuschkulisse zusetzt. 

3. Die Dunkelheit: Ja, ich weiss, sommers wird es in Schweden nie so richtig dunkel, aber das meine ich auch nicht. Ich rede von den Strassenlampen, die eben nicht da waren und somit nachts nicht in mein Gesicht scheinen konnten, von den Leuchtreklamen, die nicht mal in den Städten besonders zahlreich anzutreffen sind, vom Mond und den Sternen, die dank der Abwesenheit von künstlichem Licht trotz der nächtlichen Helligkeit zu leuchten vermochten.

4. Die Tiere: Gut, die Tatsache, dass die in unserem Ferienhaus ein Gerät hatten, um Ratten fernzuhalten, hat mich leicht beunruhigt und die Sache mit den Schlangen ging mir nie ganz aus dem Hinterkopf. Doch wann habe ich zu Hause zum letzen Mal ein  Reh beobachten können, Feldhasen oder einen Raubvogel? Wo habe ich schon je so viele Kühe gesehen, die ihre Hörner behalten durften? Schafe mit grauem, gekräuseltem Fell, Pferde, die sich zu dritt eine Weide von der Grösse eines Fussballfeldes teilen? Oh ja, natürlich haben wir auch Elche gesehen, aber die waren in einem Gehege, also zählen die nicht wirklich.

5. Früher oder später musste ich ja aufs Essen zu sprechen kommen: Nein, die schwedische Küche bietet nicht allzu viel Abwechslung, schon gar nicht für Vegetarier. Aber wer braucht denn Abwechslung auf der Speisekarte, wenn er Blaubeer-, Hagenbutten- und Fruchtsuppen, Fruchtkräm in allen Variationen, Gurken, Zimt- und Kardamomwecken, geräuchten Käse, frische Beeren, Pfifferlinge, Pfannkuchen, Sauermilch und Lakritze  zur Auswahl hat? Keine Ahnung, wie ich zu Hause ohne all das Zeug auskommen soll.

6. Die Kinderfreundlichkeit: Nein, die Schweden machen nicht viel Aufhebens um Kinder, für sie gehören sie einfach dazu. Also werden sie nicht von Fremden angemotzt. Man lässt sie klettern, auch wenn das vielleicht aus Sicht eines Erwachsenen nicht unbedingt angebracht wäre. Man hat vor den Schulhäusern eine verkehrsberuhigte Zone . Man hat ein Kinderprogramm und zwar nicht irgend einen aufgesetzten Kitsch, sondern eine richtig gute Sache, die Erwachsene davon träumen lässt, noch einmal Kind sein zu dürfen. Man bekommt überall ein halbwegs anständiges Kindermenü und natürlich müsste man auch nie nach einem Wickeltisch suchen, wenn man denn ein Wickelkind hätte. 

7. Die Häuser: Man hat nie genug rote Häuser gesehen, denn kaum eines ist gleich wie das andere. Und dann gibt es die schmucken Dinger ja auch in Gelb, Blau, Rosa, Grün, Himmelblau, Braun… Ja, ich habe zum ersten Mal in meinem Leben ein schwarzes Haus gesehen, das mich wegen seiner Schönheit aus den Socken gehauen hätte, so ich denn welche tragen würde.

8. Die netten Menschen: In unseren Breitengraden glaubt man ja, nur im Süden seien die Menschen gastfreundlich und aufgeschlossen. Nun, vielleicht hatten wir einfach nur Glück, aber die Menschen, die wir getroffen haben, waren äusserst warmherzig, gastfreundlich und nur zu gerne bereit, uns die Schönheiten ihres Landes zu zeigen. So sehr, dass unsere Kinder das fast ein bisschen aufdringlich fanden…

9. Die Seen: Ich finde keine Worte, ihre Schönheit zu beschreiben. Man muss sie einfach gesehen haben, um es zu glauben.

10. Die vielen Cafés, Museen, Badestellen, Waldlichtungen,…, die wir nur von ferne gesehen haben und deretwegen wir unverzüglich unsere nächste Ferienplanung in Angriff nehmen müssen.

Aber ehe ich zu heulen anfange, geniessen wir noch ein paar Tage in Kopenhagen…

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Traumhaft

Wenn ein Abendspaziergang mit der Familie ganz unerwartet zu einer privaten Führung mit einem ortskundigen Reiseleiter wird,…

Wenn du nur mal schnell dem Prinzchen die Kälbchen zeigen willst und ihr gleich in den Stall gebeten werdet, wo dein staunender Jüngster sieht, wie die Milch von der Kuh in den Tank kommt,…

Wenn dich die Leute bei jedem Wort, das du auf Schwedisch stammelst, mit Lob überhäufen,…

Wenn du zum ersten Mal im Leben wild wachsende Bartnelken siehst,…

Wenn es an jeder Strassenecke frische, süsse Erdbeeren zu kaufen gibt,…

Wenn du anfängst, mit einem wildfremden Menschen in einem Mix aus gebrochenem Englisch und gebrochenem Schwedisch über die Vorzüge eines Gewächshauses zu fachsimpeln,…

Wenn die Häuser rot, gelb, blau, rosa, hellgrün, dunkelgrün… auf gar keinen Fall aber grau sind,…

Wenn du keine Worte findest, um die Schönheit der Natur zu beschreiben,…

Wenn Lachs aus nachhaltiger Fischerei so günstig ist, dass die ganze Familie davon satt wird,…

…dann läuft Mama Venditti Gefahr, zu glauben, in Schweden sei alles besser als zu Hause.

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Wechselbad

Die ersten warmen Sonnenstrahlen beim Picknick im Garten, ein allerliebster Zoowärter schenkt mir rosarote Blüten, der FeuerwehrRitterRömerPirat macht ein romantisches Arrangement für die Bienen, erste Blüten am Aprikosenbaum, Karlsson spielt Bach auf der Geige und kümmert sich einen Dreck darum,  dass einige, die am Haus vorbeigehen, es sonderbar finden, dass ein Junge im Garten musiziert, der erste Schmetterling des Jahres und ein staunendes Prinzchen, der das zarte Wesen bewundert, Luise voller Vorfreude auf ihren Geburtstag, die Nachbarn, die man seit Monaten nicht mehr gesehen hat, grüssen freundlich, fröhliches Geplauder mit den Kindern, hin und wieder eine Ermahnung, doch bitte die noch ganz jungen Bäumchen nicht zu entwurzeln, die Velos werden aus der Garage geholt, Vogelgezwitscher überall.

Für einige Stunden gelingt es der Seele, das schwarze Loch zu verlassen, die Kinder zu geniessen, sich an der Natur zu freuen. Doch dann, beim Betrachten der zarten Aprikosenblüten ein Gedanke: Atomkatastrophe. Und schon droht die Seele wieder abzurutschen ins Bodenlose, dorthin, wo keine Hoffnung ist. Das Bild des im Kinderwagen friedlich dösenden Prinzchens tröstet. Und mahnt zugleich, dass die Welt, in die das friedliche kleine Menschlein geboren worden ist, zwar noch immer berauschend schön, aber sehr gefährdet ist.

Sind das wirklich meine Kinder?

Es könnte zum Heulen sein: Das gesamte Ausflugsprogramm, das wir für diese Woche geplant hatten, ist ins Wasser gefallen. Die Bergbahnen sind geschlossen oder noch nicht fertig gebaut, die Museen, von denen man gelesen hatte, sind unauffindbar, die Touristenattraktionen ruhen sich aus, bevor die Wintersaison beginnt. Das alles stört unsere Kinder nicht im Geringsten. Es gibt hier ja massenhaft winzige Molche und Frösche. Sie bauen ihnen Teichlein aus Suppenschüsseln, lassen sich die Tierchen  über die Arme krabbeln und küssen sie, so wie es sich für jedes Kind gehört, das die Geschichten aus Bullerbü kennt. Nicht, dass ich etwas gegen das Küssen von Fröschen hätte. Besser, die Kinder tun es jetzt und nicht dann, wenn sie erwachsen sind und meinen, sie müssten jeden dahergelaufenen Frosch, jede dahergelaufene Kröte küssen, in der Hoffnung, es werde ein Prinz oder eine Prinzessin daraus. Hat man in der Kindheit genug Frösche geküsst, braucht man es vielleicht später nicht mehr zu tun. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob die Fröschchen auch wirklich geküsst werden möchten. Und ich glaube auch, dass das Fröschchen mit dem verletzten Bein ganz gut ohne das „Grasbein“ auskommen kann, welches Karlsson ihm verpassen wollte, „weil die Piraten ja auch Holzbeine haben, wenn ihnen ein Bein fehlt.“

Auch „Meiner“ ist vollkommen fasziniert von den kleinen Hüpfern, wenn auch eher von den Toten. Er bwahrt sie im Eiswürfelfach auf, fotografiert sie, studiert ihren Körperbau und erschreckt mich ein ums andere Mal fast zu Tode indem er mir das Getier unter die Nase hält oder es auf einem Teller liegen lässt. Und wiedermal bin ich die Memme in der Familie. Denn während alle anderen über die „goldenen Augen“, die „süssen Beinchen“ und die „unglaublich zarte Haut“ staunen, kreische ich wie ein hysterischer Teenager, wenn sie mir zu nahe kommen mit den Fröschen und Molchen. Okay, von ferne besehen sind sie ja ganz hübsch und ich weiss auch, dass sie nicht gefährlich, nicht glitschig und nicht giftig sein sollen. Aber für eine Memme wie mich sind Frösche auf dem Küchentisch einfach zu viel des Guten. Wer weiss denn schon, wohin überall die hüpfen, wenn sie mal losgelassen sind?

Also ziehe ich mich vorübergehend von meiner Familie zurück und wende mich dem „Spiegel“ zu. Bei Buchstaben muss ich wenigstens keine Angst haben, dass sie mir ins Gesicht hüpfen, wenn ich ihnen zu nahe komme.

Ach und übrigens: Die Frösche auf dem Bild waren schon tot, als „Meiner“ sie gefunden hat. Nicht dass man ihn der Tierquälerei bezichtigt…

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Kein Ende in Sicht

Während die Blogkrise dank der Hilfe von lieben Freunden schon fast durchgestanden ist, spitzt sich die Eisbärenkrise immer mehr zu. So langsam fürchte ich, dass Karlsson sich nicht so leicht wieder auffangen wird, wie man dies von einem Kind in seinem Alter erwarten würde. Den ganzen Tag brütet er vor sich hin und überlegt, wie man sich noch etwas umweltfreundlicher verhalten könnte, womit man die Menschheit von der Falschheit ihres Tuns überzeugen könnte.

An sich ist es ja keine schlechte Sache, wenn sich ein Kind Gedanken macht über die Zukunft unseres Planeten. Doch so langsam nimmt Karlsson extremistische Züge an. So wollte er uns heute tatsächlich verbieten, mit dem Bus in die Stadt zu fahren. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir alle, inklusive Prinzchen und Zoowärter, einen einstündigen Fussmarsch auf uns nehmen müssen, nur damit die Eisbären nicht aussterben.

Okay, ich weiss, um die Umwelt zu schützen muss man  bereit sein, etwas von seiner Bequemlichkeit aufzuopfern. Aber genügt es denn fürs Erste nicht, dass „Meiner“ und ich uns vor mehr als einem Jahr bereitwillig von unserem benzinsaufenden, dreckschleudernden Siebenplätzer getrennt haben und seither nur noch höchst selten mit unserem sparsamen Fünfplätzerchen unterwegs sind? Müssen wir jetzt tatsächlich auch noch auf den Bus verzichten? Wenn das so weitergeht mit Karlsson, verlangt er demnächst, dass wir uns in Tierfelle hüllen, in eine Höhle umziehen und uns von Wurzeln, Beeren und Nüssen ernähren.

Hoffentlich geht es den Eisbären bald besser, denn zu so viel Verzicht  bin ich trotz aller Liebe zur Natur nicht bereit.

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Familienausflug

Die Ferien im Hotel sind längst vorbei, der Umzug ist bis auf ein paar Kleinigkeiten geschafft, die Kinder beginnen sich zu langweilen und geben einander wegen jeder Bagatelle aufs Dach. „Mama, Karlsson hat mich geschlagen!“, heult Luise. Warum er das getan habe, fragen „Meiner“ und ich im Chor. „Sie ist selber schuld. Sie hat mich so blöd angeschaut und da musste ich sie einfach hauen.“ So tönt es, mit unterschiedlicher Rollenverteilung, von früh bis spät. Manchmal muss gar das Prinzchen als Bösewicht herhalten, obschon er vom Streiten noch keinen blassen Schimmer hat.

Die Streitereien hören erst auf, wenn wir Ausflüge machen, was zur Folge hat, dass die Streitereien zwischen „Meinem“ und mir anfangen. Er will in die Natur, ich ins Museum. Die Natur ist mir zu unbequem, das Museum ihm zu historisch. So diskutieren wir hin und her und irgendwann gibt das Wetter den Ausschlag. Wenn die Sonne scheint, geht man einfach nicht ins Museum, ist doch klar.

Und so stehe ich dann am Aareufer und versuche, meine schlechte Laune zu verbergen, um dem Rest der Familie die Freude nicht zu verderben. Ist ja wirklich wunderbar, wie die vier Grossen fröhlich im Wasser planschen, das Prinzchen vergnügt mit einem Weidenzweig spielt und „Meiner“ sich beim Betrachten der Landschaft sichtlich entspannt. Aber was mache ich derweil? Sobald ich meinen Anteil der Sandwiches vertilgt habe, weiss ich nichts mehr mit mir anzufangen. Das Wasser ist mir zu schmutzig zum Planschen, die Steine sind mir zu hart zum Sitzen, die Sonne brennt mir zu heiss und obendrein plagt mich das schlechte Gewissen.

Das schlechte Gewissen? Aber klar doch. Darf man denn heutzutage noch offen zugeben, dass man ein bekennender Stubenhocker ist? Wo doch alle Welt nach mehr frischer Luft, mehr Bewegung, mehr Sinneserfahrungen schreit. Nicht dass ich die Natur nicht lieben würde. Nicht dass ich mich nicht freuen könnte an einer verträumten Flusslandschaft, einem Schwarm zarter Libellen, einem frischen Wind, der durch die Blätter streicht. Noch mehr aber freue ich mich über einen gelungenen Satz, den irgend ein kluger Mensch so treffend formuliert hat, dass er mich zu stundenlangem Nachdenken bewegt. Oder an einer tiefschürfenden Ausstellung, die mich derart packt, dass ich mich noch Monate später mit Vergnügen daran erinnere.

Und so frage ich mich: Bin ich ein schlechterer Mensch, bloss weil ich ein gutes Buch einem verglühenden Lagerfeuer vorziehe? Weil ich meinen Drang nach Outdoor-Abenteuern mit jener Jungscharübung vor dreiundzwanzig Jahren, als ich bäuchlings im Schlamm liegen musste, für immer gestillt habe? Weil ich die Natur vor allem dann geniesse, wenn ich alleine durch den Wald streifen und ungestört nachdenken kann? Weil ich nicht den geringsten Drang verspüre, jemals in meinem Leben Campingferien zu machen, obschon das doch zu einer guten Kindheit gehören soll wie die gemeinsamen Mahlzeiten, die packenden Gutenachtgeschichten und die liebevolle Zuwendung?

Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, währenddem ich dabei zusehe, wie die Kinder immer dreckiger und „Meiner“ immer zufriedener werden. Nach endlosen zwei Stunden sind alle dreckig und zufrieden genug und wir können aufbrechen, zurück in die gute Stube. Eigentlich könnte ich das Ganze jetzt wieder vegessen. Wenn sich nur meine Familie nicht darin einig wäre, dass wir diesen Ausflug in den nächsten Tagen unbedingt noch mindestens zweimal wiederholen sollten…

Barbaren

„Meiner“ hat vor ein paar Tagen gelesen, dass die modernen Jungs einfach nicht mehr auf ihre Kosten kommen würden. Schuld daran seien natürlich mal wieder wir Frauen. Wir wollten nicht, dass die Jungen kämpfen, prügeln, schiessen und herumbrüllen. Wir wollten sie zu kleinen Pazifisten erziehen, obschon das gar nicht in ihrer Natur liege. Nun ja, in unserer Familie ist „Meiner“ fast gleich pazifistisch eingestellt wie ich und auch von den typischen Männlichkeitsritualen wie Biersaufen, Herumballern und Fussballschauen hält er herzlich wenig. Und auch das Fischen aus einem vollen Fischteich, das einzig und allein dazu dienen soll, zu beweisen was für ein toller Hecht man ist, findet „Meiner“ nicht gerade toll.

Trotzdem beschlossen wir, dass „Meiner“ heute Morgen mit den Kindern zum Angeln mitgehen sollte, damit sie einmal einen typischen Männermorgen erleben dürften. Luise wollte zuerst auch mit, doch als sie hörte, dass die Fische nach dem Angeln auch getötet wurden, zog sie es vor, mit mir Trivial Pursuit zu spielen. Während Luise und ich spielten, zogen Karlsson, der FeuerwehrRitterRömerPirat und der Zoowärter einen Fisch nach dem anderen an Land und der FeuerwehrRitterRömerPirat erschlug den Fang eigenhändig. Der machohafte Tischnachbar, der bestimmt alle typischen Männlichkeitsrituale mitmacht und schon zig mal Fischen gegangen war, wurde gelb vor Neid, weil bei ihm einfach nichts anbeissen wollte.

 Nach zwei Stunden kamen die Männer mit stolzgeschwellter Brust und einem Sack voller toter Fische zum Hotel zurück. Sogar „Meiner“ strahlte wie ein Neandertaler auf der Heimkehr von der Jagd. Und was war die Anerkennung, die ihnen für ihre Heldentat zuteil wurde? Mama kreischte, Luise heulte zum Steinerweichen, weil sie soviel Mitlieid hatte mit den armen armen Fischlein. 

Vielleicht ist doch etwas dran an diesem Geschwätz über Frauen, die nicht verstehen können, warum die Männer von Zeit zu Zeit den Barbaren rauslassen müssen…

Komm lieber Mai…

Wissen die nichts besseres mit ihrer freien Zeit anzufangen? Müssen die alle am ersten Mai im Garten malochen, in der Erde wühlen, Setzlinge einpflanzen und den Rasen mähen? So denkst du, wenn du zwischen 5 und 34 Jahre alt bist. Erst neulich wollte mein fünfzehnjähriger Neffe von mir wissen, was die Erwachsenen so toll daran finden, sich den halben Sommer im Garten abzurackern. Ich wusste keine Antwort, denn ich war ja erst 34.

Dann plötzlich dauert es nur noch ein halbes Jahr bis zu deinem 35. Geburtstag und ganz unvermittelt findest du dich am ersten Mai mit der Rebschere im Garten wieder. Du schneidest die Brombeerranken ab, beginnst, die uralten, knorrigen Wurzeln aus der Erde zu buddeln und freust dich darauf, etwas Neues einzupflanzen. Du denkst nach über die ewig gleiche Hässlichkeit der Regenwürmer, findest einen alten Flaschenverschluss, und fragst dich, wer ihn wohl vor vielen Jahren, als du von 35 noch weit entfernt warst, dort liegengelassen hat. Du überlegst dir, ob die Schweinegrippe wohl wirklich so schlimm ist, wie alle befürchten, ob es einen Weg gibt, unliebsame Gemeinderäte abzuwählen, ob du das geblümte Toilettenpapier kaufen sollst oder das Weisse, was wohl aus deinen Kindern werden wird und ob du wiedermal Götterspeise zubereiten sollst.

Und plötzlich weisst du, warum sie alle nicht anders können, die, die 35 und älter sind. Sie wollen nachdenken. Und nachdenken kann man am Besten, wenn man in der Erde buddelt, mit Verbissenheit das Ende der Wurzel sucht und dann mit aller Kraft daran zerrt, die Wurzel  im hohen Bogen auf den Haufen wirft und weiterbuddelt. Würden alle graben, die Welt sähe anders aus.

Ach ja, und wer mich jetzt vor seinem geistigen Auge vor sich sieht, wie ich mit weissen Ballerinas und geblümter Bluse in der Erde herumwühle, liegt genau richtig. Gummistiefel und Faserpelzjacke gibt’s erst, wenn man 40 ist.