Alte Zöpfe?

Heute stellt sich ja die Frage, ob man sich überhaupt noch an die heiligen Tage halten soll. Oder muss man sagen: „Hört mal, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophie, über lange Zeit habe ich euch geehrt und geachtet. Ich habe mich eurem harten Regime gebeugt und versucht, nach eurer Pfeife zu tanzen. Heute aber, in diesen klimaerwärmten Zeiten, erscheint es mir einfach nicht mehr zeitgemäss, mich auf euren Hokuspokus zu verlassen.“

Erlaubt es der Klimawandel, diesen alten Zopf abzuschneiden und die bedingt frostharten Pflänzchen schon ins Freiland lassen, oder fordert man mit diesem frevelhaften Tun die Eisheiligen geradezu auf, den Frost, der fast den ganzen Winter ausgeblieben ist, doch noch über den Garten hereinbrechen zu lassen? Soll man den gestrengen Heiligen nicht einfach eine lange Nase drehen und die Artischocken in den Boden buddeln? Man wäre ja blöd, würde man Wärme und Sonnenschein nicht jetzt schon nutzen…

Was aber, wenn es nun doch noch einmal kalt wird?

Na ja, dann hole ich eben die Deckäste wieder hervor, die noch vom Winter, der aus temperaturgründen abgesagt worden ist, herumliegen.

Und weil die Eisheiligen den Artischocken im wettergeschützten Halbrundbeet ohnehin nicht viel anhaben können, habe ich heute Nachmittag mutig gesagt: „Ihr könnt mich mal, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophie!“ Mal sehen, wie die das hinnehmen…

img_2103

Lieber Frühling

Bitte nimm es mir nicht krumm, wenn ich heute ganz offen mit dir rede. Meine Worte sind freundschaftlich gemeint und als eine deiner grossen Verehrerinnen, die es dir nicht krumm nimmt, wenn du dich hin und wieder ganz garstig aufführst, fühle ich mich berechtigt, dir zu sagen, was ich von den Mätzchen halte, die du derzeit aufführst.

Dein Einknicken vor jenen, die schon wieder sämtliche sozialen Medien mit ihrem Gejammer vollpflastern, erscheint mir bedenklich. Ja, sie fordern von dir, dein sonniges, warmherziges Gesicht zu zeigen und möglichst schnell deine volle Pracht zu entfalten. Aber wer sagt denn, dass du das tun musst? Du bist der Frühling, du kannst es dir leisten, launenhaft und unberechenbar zu sein, mal garstig, mal sonnig, mal kühl, mal warm. Menschen, die noch wissen, wie du früher mal warst, erwarten gar nichts anderes von dir, sie sind vielleicht höchstens ein wenig erstaunt, dass du das alles bereits im März und nicht erst im April tust. 

Ich finde es geradezu peinlich von dir, wie du nun versuchst, jene zufrieden zu stellen, die ein ganz und gar unrealistisches, von der Waschmittelwerbung inspiriertes Bild von dir haben. Das mit den Narzissen, die du schon Ende Februar hast erblühen lassen, hätte ich dir noch nachsehen können. Narzissen sind ja bekanntlich ziemlich widerstandsfähig und lassen sich durch den Schnee, den du hin und wieder fallen lässt, nicht beirren. Was du jetzt aber mit unserem Aprikosenbaum abziehst, geht zu weit. Nur weil die Banausen jetzt schon blühende Bäume erwarten, brauchst du nicht gleich nachzugeben und die zarten rosaroten Blütenblättchen der Kälte aussetzen. 

Dein Verhalten spricht Bände über deine Unerfahrenheit mit sozialen Medien. Du glaubst, du müsstest tun, was sie dort lautstark von dir fordern, aber so ist das nicht. Die reden dort nur gross daher, aber anhaben können sie dir nichts. Immerhin warst du vor ihnen da, und hoffentlich wirst du auch noch da sein, wenn sie alle schon Geschichte sind. Darum möchte ich dir Mut zusprechen: Du musst das nicht tun, mein lieber Frühling, du darfst ganz dich selbst bleiben (und unserem Aprikosenbaum noch ein paar Tage oder Wochen Winterruhe gönnen).

IMG_0644

 

Unvernünftige Natur

Der Gartenkalender sagt ja, man solle sich im Februar allmählich Gedanken machen, was man in der herannahenden Gartensaison wo zu pflanzen gedenke und frisches Saatgut nachbestellen. Die Natur hingegen sagt dieses Jahr, sie wolle jetzt endlich loslegen, lange möge sie nicht mehr zuwarten mit dem Grünen und Blühen. Sie will die Gartenschere an den toten Zweigen spüren, ehe sich die Blüten öffnen, will von den schweren Deckästen befreit werden, weil die darunter verborgenen Blumen sonst ihre Schönheit nicht zeigen können und sie tut gar so, als wäre sie bereit, die zarten Setzlinge, die kein kaltes Lüftlein ertragen mögen, in ihrem Boden aufzunehmen.

Unvernünftige Natur! Weiss die nicht, dass es noch bis spät im Frühling Schnee geben kann? Und Frost? Und Stürme? Kann die sich nicht einfach an den Gartenkalender halten?

Dann müsste ich mich nämlich nicht wie der letzte Idiot fühlen, wenn ich bereits jetzt in der Erde buddle, als hätten wir Mitte April.

img_1987

Pflanzen pflanzen

In diesen Tagen bin ich öfters leise vor mich hin murmelnd im Garten anzutreffen. Es ist nämlich Zeit, die Stauden in den Boden zu bringen und das geht nicht ganz ohne Diskussionen ab, wie das Beispiel einer hellgelben Skabiose zeigt: 

Ich: „Meine liebe kleine Skabiose, wo möchtest du denn wachsen?“

Skabiose: „Mir egal. Hauptsache volle Sonne, nicht zu viel Wind und durchlässiger Boden. Hast doch den Gartenrargeber gelesen…“

Ich: „Natürlich habe ich das, aber wie du siehst, bietet der Garten dir eine Vielzahl solcher Stellen. Welche davon gefällt dir denn am besten?“

Skabiose: „Mir egal. Hauptsache, du lässt mich nicht noch länger auf diesem Gartentisch stehen. Es zieht dort nämlich ganz gewaltig und du weisst ja, dass ich Wind nicht mag.“

Ich: „Dann sag mir doch bitte endlich, wo du wachsen möchtest.“

Die Skabiose und ich schauen uns ein wenig im Garten rum. Endlich zeigt sie völlig unmotiviert auf irgend eine Stelle und zwar etwa so wie der Rollstuhlfahrer bei „Little Britain“, wenn er seinem Sozialarbeiter sagt: „I want that one.“

Ich: „Aber das geht doch nicht. Dort werden im Frühling die Iris blühen. Die passen doch überhaupt nicht zu dir.“

Skabiose: „Dann eben dort drüben.“

Ich: „Okay, das sieht gut aus. Äääähm, halt, das geht nicht. Du sollst im Frühling ja noch Kolleginnen bekommen und für die ist dort kein Platz.“

Skabiose: „Was soll ich bekommen?“

Ich: „Kolleginnen. Ich habe eigens eine dunkelrote und eine beinahe schwarze Sorte aus England kommen lassen.“

Skabiose: „Bin ich dir vielleicht nicht schön genug? Hab schon gehört, wie du neulich zu deiner Tochter gesagt hast, Gelb hättest du nicht besonders gern…“

Ich: „Das hatte doch nichts mit dir zu tun, du gefällst mir ausserordentlich gut. Aber ich finde nun mal, etwas Gesellschaft könnte dir nicht schaden.“

Skabiose: „Du weisst aber schon, dass ich mich ziemlich gut vermehre, wenn ich erst mal angewachsen bin?“

Ich: „Klar weiss ich das, aber ich will ja auch, dass die Bienen in unserem Garten etwas zu tun finden. Darum sollst du einen Platz bekommen, wo du dich ausbreiten kannst. Wäre nett, wenn du dich endlich für einen Standort entscheiden könntest, mir wird kalt.“

Skabiose: „Warum nicht gleich hier, wo du stehst?“

Ich: „Sieht gut aus. Ich fange dann mal an, dir ein schönes, tiefes Loch zu buddeln…“

Skabiose: „Willst du nicht vielleicht noch ein wenig jäten? Ich mag keine Konkurrenz.“

Ich: „Immer diese Ansprüche. Da warten noch andere Pflanzen auf mich…“

Skabiose: „Du willst doch, dass ich im nächsten Sommer gut gedeihe. Also sei gefälligst nett zu mir, sonst gehe ich auf der Stelle ein.

Ich: „Schon gut, ich jäte ja schon…“ 

Und so geht das bei jeder einzelnen Pflanze, die in diesen Tagen bei uns Einzug hält. 

IMG_0405

Umwelterziehung?

„Nicht zu viel Badezusatz ins Wasser“, predige ich. „Ein paar Tropfen reichen, um richtig schönen Schaum zu machen.“ Beim nächsten Vollbad landen dann doch wieder zwei – ja, richtig gelesen Z-W-E-I – volle Flaschen Duschgel im Wasser. Und nein, es war nicht etwa das jüngste, unerfahrenste Kind, das dieses Verbrechen begangen hat.

„Licht löschen, wenn man den Raum verlässt. Man kann nicht gegen AKWs sein und andauernd sinnlos Strom verbrauchen“, wiederhole ich so oft, dass ich die Sache bald selber nicht mehr hören mag. Und warum wiederhole ich das so oft? Na, warum wohl?

„Nein, Getränke in Dosen kaufe ich euch nicht“, sage ich, wenn sie unterwegs allzu durstig werden. Es kümmert sie nicht weiter. Sie haben ja Taschengeld und mit dem wird man ja wohl noch machen dürfen, was man will. 

„Bütschgi in den Grünabfall!!! Wie oft muss ich das noch sagen?“, brülle ich, wenn der Abfallkübel mal wieder von auffällig vielen Fruchtfliegen umsummt wird. Das Bütschgi landet natürlich trotzdem nicht im Grünabfall, sondern hier

„Lieber weniger Auswahl im Kleiderschrank, dafür fair produziert“, doziere ich und glaube, sie hätten verstanden, weil die Sache mit der Kinderarbeit ihnen immer zu Herzen geht. Aber dann lockt eben doch der Ausverkauf. 

Und noch ein paar weitere Dinge, die mit ähnlicher Begeisterung aufgenommen werden. Manchmal frage ich mich, ob sie je begreifen werden. Doch dann erinnere ich mich, dass auch ich erst dann grüner wurde, als ich nicht mehr ganz so grün war hinter den Ohren. 

IMG_7003

Garagen-Igel (oder vielleicht auch Igel-Garage)

Menschen wie wir, die ihr Auto als Gebrauchsgegenstand betrachten, brauchen keine Garage, finde ich. Darum sehne ich den Tag herbei, an dem ich das potthässliche, nutzlose Ding gegen ein anständiges Gewächshaus mit Geräteschuppen eintauschen kann. Besonders jetzt, wo unser Grundstück von Tag zu Tag kahler wird, kann ich es kaum mehr ertragen. „Hier ist kein Leben mehr weit und breit, nur diese hässliche Garage“, klage ich, wenn es mir mal wieder nicht schnell genug vorwärts geht mit der Gartengestaltung.

„Hier ist kein Leben mehr weit und breit, nur diese hässliche Garage“, hat sich auch der Igel gesagt, der ab und zu bei uns vorbeischaut, um sich die paar Nacktschnecken zu schnappen, die der Hitze getrotzt haben. „Aber Menschen, die ihr Auto als Gebrauchsgegenstand betrachten, brauchen keine Garage, da könnte ich doch eigentlich einziehen“, sprach er weiter, schlüpfte durchs halb geöffnete Tor und und machte es sich drinnen gemütlich. Jetzt haben wir also einen Garagen-Igel – oder vielleicht auch eine Igel-Garage – und ich bin bis auf Weiteres versöhnt mit dem Schandfleck auf unserem Grundstück. So als Provisorium, bis wir endlich ein anständiges Igelhotel eingerichtet haben, kann die Garage von mir aus noch ein paar Monate stehen bleiben.

IMG_0805

An die Wetterverwirrten,…

…die nach dem zweiten nicht ganz sonnigen Wochenende in Folge nicht mehr ein und aus wissen und deswegen in diversen sozialen Medien den Jammergesang „So ein mieses Wetter und das mitten im August!“ angestimmt haben…

Ich möchte euch etwas erklären: Das, was seit einigen Stunden auf eure ach so empfindlichen Köpfchen herab tropft und eure noch empfindlicheren Seelchen in tiefste Trauer stürzt, nennt sich Regen. Die Tröpfchen fühlen sich gar kalt an auf der nackten Haut, ich weiss, und sollten eure zarten Füsschen in einem Pfützchen landen, holt ihr euch am Ende noch einen Schnupfen und dann ist es aus mit dem Sommerfeeling. Ach, so ganz ohne Sonnenschein will einfach keine rechte Lebensfreude aufkommen. Vierundzwanzig kostbare Sommerstunden vergeudet! Womit haben wir das verdient? Wo doch schon bald der Herbst vor der Tür steht und dann dauert es wieder sooooooo lange, bis endlich wieder Sommer wird. 

Meine lieben Wetterverwirrten, ihr nervt und zwar gewaltig. Schaut ihr denn eigentlich nie aus dem Fenster? (Ich meine, jetzt mal abgesehen von eurem sorgenvollen Blick, mit dem ihr überprüft, ob der Himmel „endlich“ wieder blau werden will?) Seht ihr denn nicht, wie die Natur förmlich nach Flüssigkeit lechzt? Glaubt ihr wirklich, das Wetter habe einzig und alleine die Aufgabe, euch fröhlich zu stimmen und euch das Gefühl zu vermitteln, ihr wäret am Strand und nicht zu Hause in der langweiligen Schweiz? Hat eure Mama euch nie erklärt, dass eitel Sonnenschein ziemlich schnell eine trostlose Wüste entstehen lässt?

Falls nein, dann solltet ihr vielleicht mal im Estrich euer altes Schulmaterial ausgraben, dort findet ihr bestimmt noch irgendwo die Zeichnung mit dem Wasserkreislauf und dann versteht ihr vielleicht, was ich meine.

(Und sonst könntet ihr euch wenigstens ein Beispiel am Prinzchen nehmen. Der hat heute, als die Lehrerin wissen wollte, worüber sich die Kinder freuen, gesagt, er sei glücklich, weil es endlich mal wieder regne.)

will I be happy?; prettyvenditti.jetzt

will I be happy?; prettyvenditti.jetzt

Mein lieber Regen…

Natürlich habe auch ich dich herbeigesehnt und ich will ja nicht grundsätzlich an deinem Erscheinen herummäkeln. Ich gehöre nämlich zu der altmodischen Sorte Mensch, die im Klimawandel durchaus auch bedrohliche Seiten sieht und sich darum nicht grenzenlos über eitel Sonnenschein freut. Aber dir ist ja hoffentlich schon klar, dass du mir einen Haufen pädagogischer Floskeln hättest ersparen können, wenn du noch ein paar Tage zugewartet hättest? Ich meine, jetzt, wo die Heidelbeeren ohnehin schon vertrocknet und die Wiesen braun sind, wäre es darauf auch nicht mehr angekommen. Ja, klar, dieser Anblick schmerzt, aber glaubst du wirklich, die Sache mit dem Feuerwerk sei weniger schmerzhaft? 

Hättest du, mein lieber Regen, dich nur noch ein ganz klein wenig zurückgehalten, dann hätte ich dieses eine Mal das alljährlich zum 1. August wiederkehrende Gebettel nach Feuerwerk mit einem müden Schulterzucken und einem „Sorry, Kinder, Waldbrandgefahr, Feuerwerksverbot“ abtun können. Darüber hätten sich nicht nur mein Portemonnaie und ich gefreut, auch die Natur und die zahlreichen gestressten Haustiere wären überaus glücklich gewesen. Und jetzt muss ich mir doch allen Ernstes überlegen, wie ich mich dieses Jahr wieder aus der Affäre ziehe, ohne als die ewige Spielverderberin dazustehen, die ihren Kindern nie, aber auch gar nie ein klein wenig umweltschädigenden Spass gönnen mag. Wetten, mein lieber Regen, ohne irgend so eine dämliche Mehrfachpackung, die nach viel mehr aussieht als sie tatsächlich zu bieten hat, werde ich wieder nicht davonkommen. 

Nein, komm mit jetzt bitte nicht mit dem Geschwätz von „So viele Tropfen habe ich ja gar nicht fallen lassen, die Waldbrandgefahr ist weiterhin hoch genug…Bla bla bla…“ Glaubst du wirklich, unsere Kinder liessen sich damit abspeisen? Die wissen doch genau, dass es von hier bis zum Wald weiter als 200 Meter sind, dass uns offiziell also keiner verbieten wird, Feuerwerk zu zünden. Wie, du meinst, ich solle die Sache mit den 200 Metern verheimlichen? Die Knöpfe halt eiskalt anlügen und behaupten, der Kanton habe die Ballerei verboten? Wie, bitte sehr, soll ich das anstellen, jetzt, wo sogar schon das Prinzchen Zeitung liest? Und dort werden sie morgen ganz bestimmt in den höchsten Tönen jubeln, der Nationalfeiertag sei – einem kleinen bisschen Regen sei Dank – gerettet. 

IMG_9307

So nah ist mir zu nah

Glaubt mir, ich bin keineswegs naiv genug, um mir einzureden, auf dem weitläufigen Naturgrundstück, umgeben von kleinen Wasserläufen und menschlichen Behausungen mit reichlich Speiseabfällen treibe sich neben Kröten, Eidechsen, Eichhörnchen und einer Unmenge von Vögeln nicht auch die eine oder andere Ratte rum. Als ich nachts gelegentlich durch ein Krabbeln in der Hauswand geweckt wurde, sagte ich mir ganz ruhig, dass das irgend ein beliebiges Nagetier, sehr wohl aber auch eine Ratte sein könnte. Und als gestern das Prinzchen erzählte: „Mama, ich habe in der Wiese so ein Tier gesehen, so ähnlich wie eine Maus, aber grösser und mit einem Schwanz wie eine Eidechse“, da konnte ich mir nur noch mit Mühe einreden, vielleicht habe unser Jüngster einfach nicht so genau beobachtet und deswegen falsche Schlüsse gezogen. In Panik geriet ich deswegen aber nicht. Klar, so eine Ratte auf dem Grundstück ist doof, aber so lange sie uns nicht zu nahe kommt… 

Von wegen nicht zu nahe! Seit heute Morgen herrscht Klarheit: Das Rattenvieh treibt sich nicht nur im Garten rum, es hält sich vorzugsweise zwei oder drei Schritte neben dem Sitzplatz auf, wo wir gerne unsere Morgen-, Mittag- und Abendmahlzeiten einnehmen. Nur ein paar Schritte weiter geht’s ins Haus hinein, direkt in die Küche und diese Tür steht – ähhhm, ich meine stand bis vor Kurzem – beinahe immer offen. Frech und selbstbewusst hockt das Biest da und verschwindet nicht etwa, wenn es uns bemerkt, sondern erst dann, wenn es unseren Anblick satt hat. Keine Frage, wer hier wen als Eindringling betrachtet. (Fragt mich nicht, warum es einige Familienmitglieder vorgezogen haben, mir zu verschweigen, dass sie dem Tier schon mehrmals an der gleichen Stelle begegnet sind.)

Was das Rattenvieh nicht weiss: Auch wenn wir leicht einzuschüchtern sind, vertreiben lassen wir uns nicht einfach so. Das musste schon unsere griesgrämige Nachbarin feststellen, die alles mögliche unternommen hat, um uns loszuwerden und nun doch hat einsehen müssen, dass wir wie ursprünglich vorgesehen bis Ende Mai bleiben. (Inzwischen lässt sie sich übrigens kaum mehr blicken. Sie hat einen Käufer für ihr Haus gefunden und ist nun wohl mit der Einrichtung ihrer neuen Bleibe beschäftigt.) Wir haben uns also mit Gift und Köderboxen eingedeckt und schauen mal, wer den längeren Atem hat, die Ratte oder wir. 

Rückblickend muss ich mir aber wohl trotz allem vorhalten, ich sei ein wenig zu naiv gewesen. Hätte ich mich beim Einkaufen etwas besser geachtet, wäre mir schon längst aufgefallen, welch riesiges Sortiment an Rattengift hier jeder noch so kleine Supermarché hat und ein solches Sortiment legt man sich ja nicht zu, wenn nicht eine gewisse Nachfrage besteht…

il castello; prettyvenditti.jetzt

il castello; prettyvenditti.jetzt

Eichelhäher

Wann habe ich zum letzen Mal einen Eichelhäher gesehen? Das muss mindestens 22 Jahre her sein. Still sass er damals da, mit glasigen Augen und liess sich seelenruhig von zwanzig eher weniger interessierten Gymnasiasten beobachten. Nun gut, er konnte gar nicht anders, als seelenruhig zu sein, denn der Kerl war mausetot und ausgestopft, aber immerhin war er ein Prachtexemplar. 

Meine vorletzte Begegnung mit einem dieser Vögel liegt noch weiter zurück, schätzungsweise 35 Jahre. Damals teilten wir uns sogar eine Zeit lang ein Zimmer. Er sass auf dem Fenstersims und beobachtete, was meine Geschwister und ich den lieben langen Tag alles anstellten. Oder er hätte zumindest beobachtet, wenn er nicht ebenfalls Glasaugen im Kopf und Füllmaterial im Leib gehabt hätte. Irgendwann flog er dennoch davon, ich vermute, in eine Abfallmulde, nachdem er genügend Kinderzimmerstaub angesammelt hatte. 

Hier also kreuzen sich unsere Wege wieder, aber hier ist er nicht still und glotzäugig, sondern ausgesprochen lebendig. Frühmorgens fliegt er jeweils zwischen den Bäumen hin und her und posiert gelegentlich auf dem Kirschbaum, damit wir seine blauen Federn bewundern können. Weltbewegend? Wohl kaum. Für gewisse Menschen aus dem Schweizer Mittelland, die schon dankbar sein müssen, wenn sie hin und wieder eine Blaumeise oder einen Spatzen zu Gesicht bekommen, aber doch immerhin denkwürdig genug, dass sie sich dazu gedrängt fühlen, einen Blogpost darüber zu schreiben. 

IMG_0111