Wechselbad

Die ersten warmen Sonnenstrahlen beim Picknick im Garten, ein allerliebster Zoowärter schenkt mir rosarote Blüten, der FeuerwehrRitterRömerPirat macht ein romantisches Arrangement für die Bienen, erste Blüten am Aprikosenbaum, Karlsson spielt Bach auf der Geige und kümmert sich einen Dreck darum,  dass einige, die am Haus vorbeigehen, es sonderbar finden, dass ein Junge im Garten musiziert, der erste Schmetterling des Jahres und ein staunendes Prinzchen, der das zarte Wesen bewundert, Luise voller Vorfreude auf ihren Geburtstag, die Nachbarn, die man seit Monaten nicht mehr gesehen hat, grüssen freundlich, fröhliches Geplauder mit den Kindern, hin und wieder eine Ermahnung, doch bitte die noch ganz jungen Bäumchen nicht zu entwurzeln, die Velos werden aus der Garage geholt, Vogelgezwitscher überall.

Für einige Stunden gelingt es der Seele, das schwarze Loch zu verlassen, die Kinder zu geniessen, sich an der Natur zu freuen. Doch dann, beim Betrachten der zarten Aprikosenblüten ein Gedanke: Atomkatastrophe. Und schon droht die Seele wieder abzurutschen ins Bodenlose, dorthin, wo keine Hoffnung ist. Das Bild des im Kinderwagen friedlich dösenden Prinzchens tröstet. Und mahnt zugleich, dass die Welt, in die das friedliche kleine Menschlein geboren worden ist, zwar noch immer berauschend schön, aber sehr gefährdet ist.

Fast hätten wir’s geschafft….

Da habe ich mich gestern doch lauthals darüber beklagt, wie unausstehlich meine Kinder zurzeit sind, wenn sie aus dem Bett kommen, und was machen sie heute? Sie führen sich mustergültig auf. Sogar der FeuerwehrRitterRömerPirat, den ich sonst immer mit Schimpf und Schande aus dem Haus jagen muss, weil er mich sonst nicht verlassen will, war heute in den Kleidern, bevor ich überhaupt gemerkt hatte, dass er aufgestanden war. Und hätte ich mich nicht beeilt, ich hätte ihn nicht mal mehr zum Abschied umarmen und ihm einen schönen Morgen wünschen können.

Aber es war nicht bloss das mustergültige Verhalten, es waren auch die mustergültigen Gespräche, die wir heute beim Frühstück geführt haben. Glaubt mir: Wie im Erziehungsratgeber! Da fragt mich Karlsson so ganz nebenbei, ob denn Trinkhalme auch mitschuldig seien daran, dass die Eisbären vom Aussterben bedroht sind – Karlsson bangt noch immer Tag für Tag um das Wohl seiner Lieblingstiere – und bald schon waren wir in ein ganz wichtiges Gespräch vertieft. Wir redeten von Tieren, die andere Tiere fressen und der FeuerwehrRitterRömerPirat belehrte seine grossen Geschwister, dass Ameisen Marienkäfern den Kampf ansagen, weshalb Ameisen ganz ganz böse seien. Luise erklärte Karlsson, weshalb wir kein schlechtes Gewissen haben müssten, wenn wir Früchte essen, weil Bäume ja dazu da seien. Und wie es so läuft, irgendwann waren wir bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexico und ich versichere euch: So wie wir die Probleme unserer konsumwütigen Gesellschaft auf den Punkt gebracht haben, waren wir ganz nahe daran, die Welt zu retten. Noch ein paar Minuten länger und wir hätten es geschafft.

Doch leider war es plötzlich acht Uhr und die Kinder mussten gehen. Vielleicht schaffen wir es ja heute Nachmittag, die Welt zu retten. Wobei, nein, das geht nicht. Karlsson und Luise haben Schule und der FeuerwehrRitterRömerPirat und ich schaffen das nicht ohne ihre Hilfe. Na ja, dann vielleicht eben morgen, wenn nichts anderes dazwischenkommt….

Ist das die Lösung?

Da wagte das „Migros-Magazin“ vergangene Woche eine Familie zu portraitieren, die mit acht Kindern glücklich lebt. Ja, die Eltern tönten gar an, dass sie nicht abgeneigt wären, ein neuntes Kind zu haben, würden die Platzverhältnisse im Haus stimmen. Und was liest man diese Woche in den Leserbriefspalten?  Sätze wie diesen: „… ist es sinnvoll, hunderte von Jahren Umweltbelastung auf hohem Niveau in unsere sterbende Umwelt zu bringen?“ Oder wie diesen: „Man stelle sich vor, jedes fruchtbare Paar würde so viele Kinder zeugen wie die Schlattingers. Allein diese Vorstellung genügt, um die Antwort darauf zu geben, warum dieses Beispiel nicht unbedingt Schule machen sollte.“ Grund für diese Aussage auch hier die belastete Umwelt und die Überbevölkerung.

Solche Sätze lassen mich erschaudern. Was stimmt nicht mehr mit der Menschheit, dass man ein Kind mit den Worten „hunderte von Jahren Umweltbelastung“ umschreibt? Klar, auch ich weiss, dass die Welt ein paar Probleme hat, die dringend zu lösen sind. Aber muss man denn gleich mit der Problemlösung beginnen, indem man das Natürlichste der Welt in Frage stellt? Wäre es nicht sinnvoller, erst mal Absurditäten wie die unbegrenzte Mobilität, den übermässigen Fleischkonsum, die ungerechte Verteilung der Nahrungsmittel, die Energieverschwendung, ja, den modernen Lebensstil als Ganzes, zu hinterfragen? Denn die Umweltbelastung ist ja eigentlich nicht der Mensch, sondern all der Mist, der inzwischen völlig selbstverständlich zum Menschsein dazugehört: „Kinder“-Überraschungseier, Wegwerf-Handys, überfüllte Kleiderschränke, immer verfügbare Autos und dergleichen. Sollte man nicht eher darauf verzichten, als auf das Schönste, was das Leben zu bieten hat? Dazu müsste man allerdings ein paar Bequemlichkeiten opfern. Doch wer will das schon? Da schaffen wir doch lieber die Grossfamilie ab. Wo doch Kinder ohnehin nur quengeln, nerven und Dreck machen.

Ein kleines bisschen weiser geworden

Heute stand mal wieder eine Kundgebung gegen den Klimawandel auf dem Programm. Die Kinder sollen ja frühzeitig für das Thema sensibilisiert werden. Neben vielen guten Eindrücken, einem klitzekleinen schlechten Gewissen, weil wir immer noch Mineralwasser trinken und schönen Erinnerungen an eine gute Zeit mit Freunden, bringe ich auch einige Einsichten von Bern mit nach Hause:

1. Wenn „Meiner“ vor der Abfahrt sagt, der FeuerwehrRitterRömerPirat dürfe sein Römerschwert mitnehmen, das Ding sei ja so klein und leicht, dann gebe ich in Zukunft nicht mehr nach. Denn wer ist schliesslich den ganzen Nachmittag mit dem doofen Plastikschwert über den Bundesplatz gezogen? Na, wer wohl! Und ich kann Ihnen versichern: Schwerterschwingende Mütter sind in linksgrünen Kreisen nicht sonderlich gern gesehen.

2. Zu einer Kundgebung nimmt man einen Rucksack mit und keine Handtasche. Der Regenschirm mag dort drin zur Not ja noch Platz finden, Karlssons Mütze auch noch. Aber wenn die Kinder dann  Prospekte anschleppen, Jo-Jos von Greenpeace, Schlüsselanhänger vom VCS, wenn dann noch die afrikanischen Kochbananenspiesschen an mir hängen bleiben, dann wird es in der Handtasche definitiv zu eng.

3. Zu einer Kundgebung mitten im Oktober, wenn es trotz Klimaerwärmung schon empfindlich kalt ist, trägt man keine grünen Ballerinas. Auch nicht Rote, oder Gelbe, oder Blaue. Und schon gar nicht trägt Luise Schwarze. Das Gejammer über kalte Füsse ist einfach zu viel. Und man darf das Kind nicht mal zurechtweisen, weil man selber kein anständiges Schuhwerk trägt.

4. Mag mein Herz noch so sehr links schlagen, meine Einstellung noch so grün sein, mein Musikgeschmack bleibt klassisch. Mögen die anderen sich noch so sehr für Stille Hasen, Waterlilies und dergleichen begeistern, mir selber dröhnt nur der Schädel. In diesem Bereich werde ich wohl immer ein Outsider bleiben an solchen Anlässen.

5. Vor Coop hast du nirgendwo deine Ruhe. Nicht mal am Klimafest. Auch dort muss eine Sprecherin des Unternehmens auf der Bühne stehen und aller Welt erzählen, wie absolut umweltfreundlich Coop sei. Dass für die hochgelobte  Minergie-Coopfiliale in unserem Dorf zwei andere in der Region geschlossen wurden, so dass jetzt die Kunden mit dem Auto kommen müssen, darf man ja getrost ausblenden…

6. Wenn der FeuerwehrRitterRömerPirat sagt, er wolle beim WWF auch Wasser degustieren, dann will er das wirklich. Und zwar aus einem eigenen Becher und nicht aus dem von Luise. Wer sich also wundert, woher die tiefen Schleifspuren quer über den Bundesplatz stammen,  weiss jetzt, dass sie von einem ziemlich starrköpfigen Fünfjährigen verursacht wurden, der sich unter den teils belustigten, teils verärgerten Blicken der andern Anwesenden von seiner Mama vom Platz zerren lassen musste, weil wir sonst den Zug verpasst hätten.

Trotz allem: Der Ausflug hat sich gelohnt. Karlsson hat seine Botschaft zur Rettung der Eisbären nach Kopenhagen gesandt (ab morgen unter  www.rechtaufnahrung.ch zu sehen), ich habe eine Initiative unterschrieben und wir alle sind uns einmal mehr bewusst geworden, dass es auf dieser Welt so nicht weitergehen kann. Und heute Nacht werde ich gut schlafen. Ich habe nämlich dem WWF versprochen, dass ich zwar nicht auf Mineralwasser verzichten werde, mir aber sonst etwas ausdenken werde, um meinen ökologischen Fussabdruck zu verkleinern.

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Eisbärenkrise

Die Eisbärenkrise ist noch nicht durchgestanden, auch wenn „Meiner“ vorgestern tatsächlich noch lange an Karlssons Bett gesessen hat und versucht hat, ihn zu trösten. Leider aber hat dies nichts geholfen. Noch immer beginnt Karlsson jedes zweite Gespräch mit „Ich will aber nicht, dass es keine Eisbären mehr gibt“, noch immer bricht er unvermittelt in Tränen aus, wenn er seinen abgeliebten Plüscheisbären zu lange anschaut.

Doch immerhin sucht er jetzt nach Lösungen. Die erste war, alle zu erschiessen, die für die Klimaerwärmung verantwortlich sind. Nur mit Mühe konnte ich ihn davon überzeugen, dass es nicht gerade besonders nett wäre, die gesamte Erdbevölkerung zu eliminieren um so die Eisbären zu retten. Irgendwann glaubte er mir und kam zum Schluss, dass er dann eben alle erschiessen wolle, die all die blöden Erfindungen wie Autos, Flugzeuge und dergleichen gemacht haben.  Nun, abgesehen davon, dass wir „Meinem“ sei Dank keine Schusswaffen im Haus haben, – er hat sich erst einbürgern lassen, nachdem er sicher war, dass er nicht mehr in die RS muss, – wäre es ja auch völlig sinnlos, Tote zu erschiessen. Denn diejenigen, die uns den ganzen Schlamassel eingebrockt  haben, haben sich ja schon längst aus dem Staub gemacht, bevor sie sehen mussten, was sie mit ihrem grenzenlosen Optimismus angerichtet haben.

Inzwischen haben wir zur Abmachung durchgerungen, dass wir, sollte es mit der Klimaerwärmung so weitergehen, in unserem Garten ein Gehege für die letzten Eisbären einrichten. Bis dahin haben wir hoffentlich noch etwas Zeit, uns in der Eisbärenpflege weiterzubilden. Ja, und dann müssen wir uns natürlich auch noch um die Braunbären kümmern. Denn wenn die Eisbären bedroht sind, fürchtet der Zoowärter, dass gleich danach seine Lieblingstiere, die Braunbären dran sind.  Einzig Luise ist derzeit gänzlich unbesorgt: Bis ihre Lieblingstiere, die Karnickel, aufhören, sich zu vermehren, braucht es wohl mehr als eine Klimaerwärmung.

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