Ade, du kleine heile Welt

Bevor ich hier loslege, muss ich eines klarstellen. Ich gehöre nicht zu jenen Müttern, die an das Prinzip „Kleine Kinder, kleine Sorgen, grosse Kinder grosse Sorgen“ glauben. In meinen Augen gibt es nichts Gemeineres, als einer übernächtigten, überforderten und vom schlechten Gewissen geplagten Mutter eines Kleinkindes zu sagen, dass das, was ihr so zu schaffen mache, überhaupt nicht schlimm sei, sie werde dann sehen, was ihr blühen werde, wenn die Kinder erst mal gross seien. Das ist nämlich gleich zweifach unfair: Erstens nimmt man die Probleme der Mutter nicht ernst und zweitens nimmt man ihr allen Mut für die Zukunft. Wenn ich jetzt also zu jammern beginne, wie schwer es mir fällt, von der Kleinkinderwelt Abschied zu nehmen, will ich damit keineswegs sagen, die Kleinkinderwelt sei immer nur rosarot und himmelblau.

Jetzt, wo dies klargestellt ist, kann ich ja hemmungslos klagen, dass Karlsson und Luise langsam gross werden und mir neue Probleme ins Haus bringen, von denen ich zwar schon gelesen habe, die ich aber in der Praxis noch nicht habe lösen müssen. Wie soll ich zum Beispiel damit leben können, dass Luise mich plötzlich jedesmal schräg ansieht, wenn ich ihr rosarote Kleider anschleppe? Mein einziges Mädchen fühlt sich zu gross für Rosa! Bald schon wird sie wohl schwarz gekleidet und gepierct vor mir stehen!

Oder nehmen wir die Sonntage. Bis vor zwei Wochen war alles noch so einfach: Sonntag ist Familientag, wir bestimmen gemeinsam, was wir machen und mit Klassenkameraden abgemacht wird am Sonntag grundsätzlich nicht. Ja, und jetzt stehen da plötzlich Luises Freundinnen vor der Tür und wollen, dass sie rauskommt. Uns Eltern bleibt die Wahl zwischen einer übellaunigen Luise, die sehnsüchtig vom Balkon aus ihre Freundinnen beobachtet und nichts mit uns zu tun haben will oder einer Luise, die wir sonntagnachmittags nur noch von Weitem zu sehen bekommen.

Dann wäre da noch die Technik. Bis anhin waren der Computer, das Handy und der Fernseher die Domäne von Mama und Papa. Okay, unsere Kinder haben zum Glück noch immer nicht begriffen, dass man sich am Fernseher rund um die Uhr Mist anschauen könnte, doch beim Handy und dem Computer sind sie kräftig am Aufholen. So weckte mich heute Karlsson mit meinem Handy in der Hand, auf dem Display irgend ein Spiel mit Bomben, von dem ich nicht einmal gewusst hatte, dass es existiert, geschweige denn auf meinem Handy installiert ist. Ein paar Tastendrucke später sieht sich Karlsson mit der Frage konfrontiert, ob er noch weitere Spiele auf mein Handy laden wolle. Spätestens jetzt war ich hellwach und zum ersten Mal wurde mir so richtig bewusst, dass ich für die nächsten zwanzig Jahre hellwach werde bleiben müssen, wenn ich nicht will, dass meine Kinder vor die Hunde gehen.

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