Süchtig

Bis anhin hatte ich mich eigentlich nicht für einen suchtgefährdeten Menschen gehalten. Okay, ich kann Luxemburgerli nicht widerstehen. Aber die Dinger sind so teuer, dass ich sie mir alle Schaltjahre leiste, – oder schenken lasse,- so dass keinerlei Suchtgefahr besteht. Dass ich süchtig sein könnte nach Lesen ist mir schon eher mal durch den Kopf gegangen. Wenn ich mich dabei erwischt habe, wie ich eine Gebrauchsanweisung durchgelesen habe, weil gerade kein anregenderer Lesestoff zur Hand war. Oder den Text auf der Shampooflasche. Oder die Wegleitung zur Steuererklärung.

Gestern aber ist mir klar geworden, dass auch ich ein Suchthaufen bin. In meinem Kopf schwirrten zwei Texte herum. Wunderschöne, geschliffene Sätze, Pointen, die ich nicht vergessen wollte, Worte, die so treffend waren, dass ich sie auf keinen Fall vergessen wollte. Aber ich hatte keine Zeit. Der Zoowärter wartete auf sein Frühstück, das Prinzchen hatte eine volle Windel, die Putzfrau wartete darauf, dass ich das Chaos aus dem Weg räume, damit sie ungehindert staubsaugen konnte. Keine Chance zu entkommen, sich hinter den Bildschirm zu setzen und zu tippen, was das Zeug hält. Nicht mal Zeit, mir ein paar Notizen zu machen, damit die Sätze nicht wieder verschwinden. Und so verwandelte ich mich in eine Furie mit zittrigen Fingern, rasendem Puls und starrem Blick. Ich wollte schreiben, musste schreiben und zwar jetzt gleich, sofort! Es fehlten nur noch die Schweissausbrüche, und ich hätte mich gefühlt wie ein Junkie auf Entzug. Nicht, dass ich Erfahrung hätte mit solchen Dingen…

Wenn das so weitergeht mit mir, kann das ja heiter werden. Im Moment zum Beispiel schwirren in meinem Kopf Blog-Posts durcheinander, Sätze für das Novemberschreiben, Ideen für die nächste Geschichte. Und ausserdem habe ich da noch ein Buch, dass ich unbedingt fertig lesen muss. Nichts Hochstehendes, bloss eine belanglose Chick-Lit-Schnulze in miserabler deutscher Übersetzung, die ich mir gekauft habe, um die Fahrt von Zürich nach Aarau zu verkürzen. Aber ich muss doch wissen, ob die Tussi am Ende Ed nimmt oder Josh, nicht wahr? Okay, ich geb’s zu, ich weiss, dass sie Ed nimmt. Ich habe das Ende schon gelesen. Aber ich muss doch wissen, wie es dazu kommt.

Während ich mich in einem Rausch von Lesen und Schreiben befinde, dämmt „Meiner“ das Chaos in Haushalt, Terminkalender und Wäschekorb ein, so gut es geht. Mit solchen Trivialitäten kann ich mich momentan einfach nicht herumschlagen…

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