Sie habe so einen eigenartigen Schulkameraden, erzählt mir neulich eine Zwölfjährige. Was denn so sonderbar sei an ihm, will ich wissen. „Ja weisst du, der ist so still. Und der interessiert sich für so komische Sachen. So richtig unheimlich eben.“ Unheimlich? Ich werde hellhörig. Liest man denn nicht immer von diesen stillen Sonderlingen, die in ihrer eigenen Welt leben und plötzlich drehen sie durch und knallen alle nieder. Sind wir jetzt schon so weit an unserer Schule? Bevor ich mir das Schlimmste vorstelle, hake ich aber noch einmal nach:“Ja, was macht er denn? Spielt er Gewaltspiele am Computer? Oder sammelt er Waffen?“ Nein, so einer sei er nicht, sagt die Zwölfjährige. Aber er interessiere sich für Eisenbahnen. „So richtig unheimlich eben“, meint sie noch einmal. Was sie denn so unheimlich finde an Eisenbahnen, will ich wissen. „Ja, das ist vielleicht nicht unheimlich“, gibt sie zu. „Aber weisst du, der spinnt total. Ist völlig durchgedreht.“ „Ja, aber was ist denn so sonderbar an ihm?“, frage ich erneut. Jetzt endlich rückt sie mit der schrecklichen Wahrheit raus: „Der sammelt Briefmarken! Er hat schon ganz viele Bücher voller Briefmarken!“
Ich nehme mal an, die Zwölfjährige wird die Briefmarkensammlung des „Sonderlings“ nie sehen wollen.