Da bin ich doch eben erst frisch gestärkt aus dem Ländli nach Hause gekommen mit dem Gefühl, jetzt werde alles besser. Nun ja, ich wusste natürlich schon, dass nicht alles besser werden würde, aber immerhin war meine Schulterverspannung weg, die schwarzen Augenringe waren etwas verblasst, mein Optimismus war wieder aus der Versenkung aufgetaucht und, das Allerwichtigste, ich hatte den Anfang einer neuen Geschichte im Gepäck. Einfach so, aus dem Nichts, hatte mich im Ländli die Muse geküsst und ich war mir sicher, dass aus der Sache etwas werden könne.
Heute, nicht ganz sieben Wochen später, sind nicht bloss meine Schultern wieder verspannt und meine Augenringe wieder da, nein, auch die gute alte Schreibblockade hat sich wieder bei mir eingefunden. Hat sich einfach so, ganz frech, an meinen Bürotisch gesetzt, mich süss angelächelt und gesäuselt: „Da bin ich wieder! Hast du mich vermisst?“ „Habe ich nicht“, knurrte ich. „Verschwinde aus meinem Büro, aber sofort!“ „Aber aber, warum so unfreundlich?“, fragte mich die Schreibblockade mit unschuldigem Augenaufschlag. „Ich bin doch bloss gekommen, um dir zu helfen.“ „Du mir helfen? Ausgerechnet! Du hinderst mich bloss am Arbeiten, das ist alles.“ „Ich hindere dich überhaupt nicht am Arbeiten“, entgegnete die Schreibblockade, setzte sich mit geschäftiger Miene aufrecht hin, startete den Computer und öffnete das Dokument mit meiner angefangenen Geschichte. „Ich möchte mit dir über diesen Wörtersalat sprechen“, sagte sie abschätzig. „Das ist kein Wörtersalat“, setzte ich mich zur Wehr. „Das ist der Anfang meiner neuen Geschichte. Das wird eine ganz tolle Sache. Kannst mir glauben.“ „Ein Wörtersalat ist das und wenn du daraus eine Geschichte machen willst, dann fängst du am besten noch einmal von vorne an. Mit einer anderen Hauptperson, mit einem neuen Thema, einer anderen Geschichte. So wie das jetzt ist, kann und will das kein Mensch lesen.“ Mit hämischem Grinsen fing sie an, mir meinen Text vorzulesen. Zwischendurch lachte sie höhnisch, machte sich über meine Formulierungen lustig, mäkelte an Satzstellungen herum, die mir beim Schreiben ganz gut gefallen hatten und schliesslich, als sie fertig gelesen hatte, meinte sie: „Alles Quatsch ist das. Schmeiss das Zeug weg und hör auf mit dem Schreiben. Du kannst es einfach nicht und damit basta.“
Verdattert sass ich da und las meine Geschichte noch einmal durch. „Die ist ja tatsächlich unbrauchbar. Was soll ich bloss tun? Ich habe schon so viel Arbeit da reingesteckt und ich glaube auch, dass wirklich etwas werden könnte daraus.“ Verzweifelt schaute ich die Schreibblockade an. „Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht“, munterte sie mich auf. Ich hab dir ja gesagt, dass ich dir helfen werde. Wenn du unbedingt darauf bestehst, dass du dich lächerlich machen willst, dann helfe ich dir selbstverständlich, das Zeug zu Ende zu bringen.“ „Aber wie willst du mir denn helfen? Die Sache ist hoffnungslos“, jammerte ich. „Jetzt setzt du dich mal schön artig an deinen Schreibtisch und machst ein paar PowerPoint Folien“, befahl die Schreibblockade. „PowerPoint Folien? Du spinnst ja wohl“, wandte ich entgeistert ein. „Ich will schreiben. Eine Geschichte erzählen. Ich will kein Projekt auf die Beine stellen und Investoren überzeugen.“ „Nun mach schon! Ein paar Folien, auf denen du darstellst, wer deine Hauptfigur beeinflusst, wo sie steht, wohin sie sich entwickelt, was aus ihr werden soll. Du wirst sehen, danach kannst du wieder schreiben wie im Ländli. Und ich verspreche dir: Wenn du die Folien machst, dann verschwinde ich wieder.“
Ich war zwar noch immer nicht überzeugt von den Methoden der Schreibblockade, doch da sie mir keine Ruhe liess, gab ich eben nach. Stellte Grafiken zusammen, die für niemanden einen Sinn ergeben, zog Pfeile, wo keine Pfeile hingehören, färbte Flächen in den scheusslichsten Farben ein und am Ende war da die erste PowerPoint-Präsentation meines Lebens. Immerhin etwas habe ich heute also gelernt. Die Schreibblockade aber sass noch immer hämisch grinsend an meinem Schreibtisch.
Stimmt schon: Trau nie einer Schreibblockade… 😉
Allein die Erwähnung von Powerpoint hätte mich ja schon misstrauisch gemacht. Irgendwie ist Powerpoint so ein Zeitfresserdingens – von wegen „eben mal schnell“
Warte mal ab bis die Schreibblockade Dir „Mindmap“ vorschlägt. Dann kannst Du sie einfach mit einer Wörterlawine davonfegen und loslegen….
Ich wünsche Dir jedenfalls einen entspannten Abend.