Grosse Zukunftsträume

Gesangsunterricht wäre doch etwas. Die Stimme schulen und nicht immer nur zu Hause ein paar Melodien trällern.

Nein, sicher nicht Gesangsunterricht! Ein Studium in Pharmazie wäre viel passender. Ganz genau verstehen, wie Medikamente wirken, das wäre doch unglaublich spannend.

Quatsch! Unterrichten an der Sonderschule wäre genau das Richtige. Mit einfachen Worten schwierige Zusammenhänge erklären, so dass sie auch jemand versteht, der anders lernt – das wäre einfach perfekt. 

Mir scheint, unseren Kindern sei aufgefallen, dass mir im letzten Jahr die Wörter und Sätze immer mehr abhanden gekommen sind. Darum fangen sie an, Zukunftsträume für mich zu schmieden. „Mama, das wäre doch etwas für dich“, sagen sie und sind ganz erstaunt, wenn ich abwinke. 

Mich dünkt nämlich, die Zukunftsträume, die sie da schildern, hätten mehr mit ihren eigenen Interessen und Fähigkeiten zu tun als mit meinen. Doch weil sie es noch nicht wagen, für sich selber zu träumen, muss eben die schreibblockierte Mutter dafür herhalten. Die weiss ja grad nicht so recht, was sie mit ihrer Zeit anfangen soll. 

Nun, ich glaube, ich habe verstanden, was zu tun ist: Mich in die Welt der Wörter und Sätze zurück kämpfen, damit sie nicht mehr das Gefühl haben, ich sei dringend auf Beschäftigung angewiesen. Und meine Kinder dazu ermutigen, jetzt schon viel konsequenter die Ziele anzustreben, die sie insgeheim haben. Damit sie später, wenn sie mal Eltern sind, mit voller Überzeugung sagen können: „Kind, ich habe meinen Traumberuf bereits gefunden.“

Und nicht wie ich, die ich sage: „Kind, ich habe meinen Traumberuf zwar gefunden und ich arbeite ja auch bereits auf diesem Gebiet, aber für mein eigenes kreatives Schaffen sind mir gerade die Wörter und Sätze abhanden gekommen, darum sitze ich nach Feierabend auf dem Sofa und lese grottenschlechte Bücher, die einem in der Buchhandlung aus unerfindlichen Gründen als lesenswert angepriesen werden.“ 

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Schreibzweifel

Eigentlich bin ich dieses Wochenende ja weggefahren, um zwei Lesungen vorzubereiten. Die Abläufe hätte ich vorbereiten wollen, neue Texte verfassen und bereits bestehende verbessern; zwei pannenfertige Lesungen, an denen ich höchstens noch ein wenig feilen müsste, hätte ich nach Hause bringen wollen. Stattdessen sitze ich in meinem noch immer nicht richtig warmen Zimmerchen, stöbere durch alte Blogtexte, finde alles nur schrecklich banal und frage mich, wie die auf die Idee gekommen sind, ausgerechnet mich einzuladen. Wieder so ein Moment also, in dem ich mir wünschte, ich hätte nicht nur eine grosse Leidenschaft in die Wiege gelegt bekommen, sondern auch das Selbstbewusstsein, nicht immer wieder aufs Neue an dem zu zweifeln, was ich so gerne tue.

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Konservative Bande!

Gestern war Kolumnen-Tag und wie so oft begann er damit, dass morgens um acht die Schreibblockade an der Tür klingelte. „Du schon wieder?“, fragte ich entgeistert, als sie vor mir stand. „Wir haben uns doch schon soooooo lange nicht mehr gesehen“, säuselte sie mit Unschuldsmiene und drängte sich rasch an mir vorbei, ehe es mir gelang, ihr die Tür vor der Nase zuzuknallen. „Machst du mir einen Kaffee?“, fragte sie. „Vergiss es“, gab ich unfreundlich zur Antwort. „Wenn ich erst anfange, mit dir Kaffee zu trinken, dann werde ich dich den ganzen Tag nicht mehr los. Von mir aus kannst du mit mir in die Sauna kommen. Hab‘ mir beim Stricken die Schulter verspannt, ich brauche ein wenig Wärme…“ „Ach, was bist du doch gemein!“, protestierte die Schreibblockade. „Du weisst genau, dass ich es in der Sauna nie lange aushalte. Kaum bin ich da drin, muss ich flüchten und dann schleichst du dich davon, um an deinen Texten zu arbeiten.“ Die Schreibblockade sah mich mit traurigem Hundeblick an und fuhr dann fort: „Warum willst du mich immer so schnell als möglich loswerden? Magst du mich etwa nicht?“ „Na ja, wenn ich ganz viel Zeit habe, stören mich deine gelegentlichen Besuche nicht. Aber ich hab‘ nun mal selten Zeit, mit dir rumzuhängen. Meistens gibt es da einen Abgabetermin. Oder das Essen muss auf den Tisch. Oder…“ „Alles faule Ausreden“, unterbrach mich mein ungebetener Gast. „Du magst mich einfach nicht. Punkt. Aber glaub bloss nicht, dass ich mich einfach abschütteln lasse. Heute werde ich die Hitze der Sauna ertragen, das verspreche ich dir…“ 

Wie meistens, wenn sie mir damit droht, bei mir zu bleiben, machte die Schreibblockade ihre Drohung wahr. Sie, die gewöhnlich schon nach fünf Minuten in der Sauna das Weite sucht und mich dem Schreibfluss überlässt, hielt ganze drei Saunagänge durch, ehe sie das Weite suchen musste. Endlich hätte ich ungehindert schreiben können, doch leider musste ich jetzt an den Herd. Natürlich auch später als geplant und darum würde die Suppe nicht rechtzeitig fertig sein und ich würde mir wieder das Gemotze der hungrigen Meute anhören müssen. Darauf hatte ich nach diesem elenden Vormittag mit der Schreibblockade wirklich keine Lust, also beschloss ich, meine Familie mit einem Sauna-Zmittag zu besänftigen. „Hört mal, ihr setzt euch jetzt ein wenig in die Sauna währenddem ich die Suppe fertig mache. Dann kommt ihr hoch, esst eine Portion, kühlt euch ein wenig ab und macht Pause. Dann wieder zurück in die Sauna, wieder ein wenig essen und wenn die Zeit vor der Schule noch reicht, ein dritter Saunagang.“ 

Tolle Idee, nicht wahr? Meine Familie, die mir gewöhnlich in den Ohren liegt, endlich wieder mal die Sauna einzuheizen, sah das anders. Luise motzte, sie wolle doch nachmittags nicht mit nassen Haaren in die Schule gehen. Der Zoowärter wollte zwar in die Sauna, aber „noch nicht jetzt, sondern erst am Nachmittag, wenn ich von der Schule nach Hause komme“. Der FeuerwehrRitterRömerPirat verschanzte sich sofort hinter seinem neuesten Buch und sagte gar nichts. Das Prinzchen hatte noch unverdaute Legosteine und „Meiner“, der sonst keine Gelegenheit zum Schwitzen auslässt, faselte etwas von „viel zu tun heute Nachmittag“. Einzig Karlsson zeigte sich flexibel und wechselte fröhlich zwischen Sauna, Esstisch und Sofa, genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Rest der Familie bestand darauf, das Mittagessen gutbürgerlich und gesittet einzunehmen. Was für eine konservative Bande!

(Und falls mir jetzt jemand sagen möchte, Sauna und Essen gingen nicht zusammen, dann muss ich ihn leider darauf aufmerksam machen, dass Mrs. Perfect mir das schon vor langer Zeit gesagt hat, was mich aber schon damals nicht interessiert hat.)

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Schreib mal drüber

„Meiner“ hat mir heute im Brockenhaus zwei riesige Pinnwände besorgt, damit ich mit meiner Ideensammlung loslegen kann. Das neue Jahr bringt nämlich neue Aufgaben mit sich. Eine neue Kolumne, einen oder zwei neue Blogaufträge, einen Schreibauftrag für ein Geschäft und dann noch eine Handvoll eigener Ideen, die ich endlich umsetzen möchte. Damit meine Ideen für die verschiedenen Aufgaben nicht im Putzkessel ersaufen oder von den Kindern versehentlich zu Tode getrampelt werden, soll alles fein säuberlich notiert und nach Themen getrennt aufgehängt werden. Damit ich an meinem Schreibtag frisch drauflos schreiben kann, so, wie ich es mir stets erträumt hatte.

Zu dumm nur, dass ich heute nicht nur meine Pinnwände geliefert bekam, sondern auch eine gigantische Schreibblockade, gepaart mit dem altbekannten „Ich kann doch überhaupt nicht schreiben und ich werde bestimmt alle enttäuschen“-Gejammer. Zum Glück habe ich noch meinen Blog, denn wie ich schon mehrmals erlebt habe, hilft nichts so gut gegen Schreibblockaden, wie darüber zu schreiben. Mal sehen, ob es auch dieses Mal wirkt. 

 

Wortverstopfung

Ja, dieses Novemberschreiben ist schon eine grossartige Sache. Einen Monat lang jede freie Minute schreibend verbringen, wie ich das liebe. Oder genauer gesagt, lieben würde, wenn ich denn nicht einmal mehr mit dieser blöden Schreibblockade zu kämpfen hätte. Nun, eigentlich ist es gar keine Schreibblockade, es ist vielmehr so eine Art Wortverstopfung. Die Handlung geistert in meinem Kopf herum, aber sie will sich nicht in Worte pressen lassen und schon gar nicht will sie einen Weg finden, hinaus aus meinem Kopf und ab in den Computer. Jeder Satz eine Zangengeburt, jedes zweite Wort völlig quer im Text, so dass ich alles wieder lösche.

Irgendwie erinnert mich das Ganze an das Prinzchen, das neulich morgens um halb sechs laut schreiend im Bett stand und versuchte, seine Windel mit etwas zu füllen, was nicht aus ihm heraus wollte. Nun gut, ich stehe nicht morgens um halb sechs schreiend im Bett, dafür aber sitze ich eine halbe Stunde später mit gequältem Gesichtsausdruck am Computer und versuche, die Geschichte aus meinem Kopf herauszupressen. Beim Prinzchen war die Sache relativ einfach: Ein paar Mandarinen und die Verstopfung war Vergangenheit.

Ich fürchte, bei meiner Verstopfung braucht es mehr als ein paar Mandarinen. Auch wenn Mandarinen zur Erfrischung gar nicht schlecht wären.  Aber die Kinder haben die fünf Kilo, die das Au-Pair und ich gestern nach Hause geschleppt haben, bereits aufgegessen. Nein, ich glaube, bei mir bräuchte es eine radikalere Kur: Mehr Schlaf, weniger trockener Papierkram, der auch noch im November fertig werden muss, mehr Musse, um einfach mal zu sein und die Gedanken wandern zu lassen. Ein Luxus, der momentan leider nicht drinliegt, so sehr ich mich auch darum bemühe.

Aber vielleicht ist es gerade dieses Bemühen, das die Worte daran hindert, herauszukommen. Vielleicht kommen sie ja lieber, wenn ich nicht so viel Druck mache. Und deshalb werde ich für heute Abend den November November sein lassen und mich aufs Ohr hauen. Zu einer so unvernünftig frühen Stunde, dass die Gefahr besteht, dass ich für einmal noch vor den Kindern schlafen werde.

Übrigens beruhigt es mich ungemein, dass auch andere Novembrige mit ähnlichen Blockaden zu kämpfen haben. Und wenn ich bei gleicher Gelegenheit daran erinnert werde, dass ich  – Novemberschreiben sei Dank – diejenige war, die der Schreibschaukel den ersten Schubser gegeben hat, dann bin ich schon fast ein wenig gerührt. Ist eben trotz allem eine grossartige Sache, dieses Novemberschreiben.

PowerPoint-Blockade

Da bin ich doch eben erst frisch gestärkt aus dem Ländli nach Hause gekommen mit dem Gefühl, jetzt werde alles besser. Nun ja, ich wusste natürlich schon, dass nicht alles besser werden würde, aber immerhin war meine Schulterverspannung weg, die schwarzen Augenringe waren etwas verblasst, mein Optimismus war wieder aus der Versenkung aufgetaucht und, das Allerwichtigste, ich hatte den Anfang einer neuen Geschichte im Gepäck. Einfach so, aus dem Nichts, hatte mich im Ländli die Muse geküsst und ich war mir sicher, dass aus der Sache etwas werden könne.

Heute, nicht ganz sieben Wochen später, sind nicht bloss meine Schultern wieder verspannt und meine Augenringe wieder da, nein, auch die gute alte Schreibblockade hat sich wieder bei mir eingefunden. Hat sich einfach so, ganz frech, an meinen Bürotisch gesetzt, mich süss angelächelt und gesäuselt: „Da bin ich wieder! Hast du mich vermisst?“ „Habe ich nicht“, knurrte ich. „Verschwinde aus meinem Büro, aber sofort!“ „Aber aber, warum so unfreundlich?“, fragte mich die Schreibblockade mit unschuldigem Augenaufschlag. „Ich bin doch bloss gekommen, um dir zu helfen.“ „Du mir helfen? Ausgerechnet! Du hinderst mich bloss am Arbeiten, das ist alles.“ „Ich hindere dich überhaupt nicht am Arbeiten“, entgegnete die Schreibblockade, setzte sich mit geschäftiger Miene aufrecht hin, startete den Computer und öffnete das Dokument mit meiner angefangenen Geschichte. „Ich möchte mit dir über diesen Wörtersalat sprechen“, sagte sie abschätzig. „Das ist kein Wörtersalat“, setzte ich mich zur Wehr. „Das ist der Anfang meiner neuen Geschichte. Das wird eine ganz tolle Sache. Kannst mir glauben.“ „Ein Wörtersalat ist das und wenn du daraus eine Geschichte machen willst, dann fängst du am besten noch einmal von vorne an. Mit einer anderen Hauptperson, mit einem neuen Thema, einer anderen Geschichte. So wie das jetzt ist, kann und will das kein Mensch lesen.“ Mit hämischem Grinsen fing sie an, mir meinen Text vorzulesen. Zwischendurch lachte sie höhnisch, machte sich über meine Formulierungen lustig, mäkelte an Satzstellungen herum, die mir beim Schreiben ganz gut gefallen hatten und schliesslich, als sie fertig gelesen hatte, meinte sie: „Alles Quatsch ist das. Schmeiss das Zeug weg und hör auf mit dem Schreiben. Du kannst es einfach nicht und damit basta.“

Verdattert sass ich da und las meine Geschichte noch einmal durch. „Die ist ja tatsächlich unbrauchbar. Was soll ich bloss tun? Ich habe schon so viel Arbeit da reingesteckt und ich glaube auch, dass wirklich etwas werden könnte daraus.“ Verzweifelt schaute ich die Schreibblockade an. „Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht“, munterte sie mich auf. Ich hab dir ja gesagt, dass ich dir helfen werde. Wenn du unbedingt darauf bestehst, dass du dich lächerlich machen willst, dann helfe ich dir selbstverständlich, das Zeug zu Ende zu bringen.“ „Aber wie willst du mir denn helfen? Die Sache ist hoffnungslos“, jammerte ich. „Jetzt setzt du dich mal schön artig an deinen Schreibtisch und machst ein paar PowerPoint Folien“, befahl die Schreibblockade. „PowerPoint Folien? Du spinnst ja wohl“, wandte ich entgeistert ein. „Ich will schreiben. Eine Geschichte erzählen. Ich will kein Projekt auf die Beine stellen und Investoren überzeugen.“ „Nun mach schon! Ein paar Folien, auf denen du darstellst, wer deine Hauptfigur beeinflusst, wo sie steht, wohin sie sich entwickelt, was aus ihr werden soll. Du wirst sehen, danach kannst du wieder schreiben wie im Ländli. Und ich verspreche dir: Wenn du die Folien machst, dann verschwinde ich wieder.“

Ich war zwar noch immer nicht überzeugt von den Methoden der Schreibblockade, doch da sie mir keine Ruhe liess, gab ich eben nach. Stellte Grafiken zusammen, die für niemanden einen Sinn ergeben, zog Pfeile, wo keine Pfeile hingehören, färbte Flächen in den scheusslichsten Farben ein und am Ende war da die erste PowerPoint-Präsentation meines Lebens. Immerhin etwas habe ich heute also gelernt. Die Schreibblockade aber sass noch immer hämisch grinsend an meinem Schreibtisch.