Bis heute hat mir meine Weiterbildung eigentlich keine Probleme bereitet. Ich lebe mein turbulentes Leben wie gewohnt, balanciere zwischen Wocheneinkäufen, Kinder umarmen, Mittagessen kochen, Sitzungen, Krankenkassenbelegen einsenden, seichten Filmen, Geschichten erzählen, Konzepten verfassen, Bloggen, herumbrüllen, schreiben, Lieder singen, Sorgen anhören, Blumen giessen, mit Freundinnen quatschen, Saunabesuch mit „Meinem“, Schwimmkursen, dem Salat beim Wachsen zusehen und was mein Leben sonst noch an Schönem und Mühseligem zu bieten hat. Und zwischendurch, wenn alles mehr oder weniger ruhig ist, vertiefe ich mich in Lektüre mit so spannenden Titeln wie zum Beispiel „Führung und Moderation“ oder „Grundlagen Prozessmanagement“ oder – mein Lieblingstitel, den ich immer wieder gerne zur Hand nehme, wenn mir nach herzerwärmender Lektüre ist – „Betriebswirtschaftliche Grundlagen“. Nicht gerade mein Ding, aber für das Projekt, das ich leiten soll, unabdingbar, wenn die Sache nicht scheitern soll. Und bisher habe ich mich eigentlich ganz tapfer geschlagen, habe gute Noten geschrieben und hin und wieder ganz nützliche Dinge gelernt.
Heute aber wagte ich mich an Buch Nummer 10 – ich lerne mithilfe eines Fernkurses – und plötzlich war da wieder diese Wand, Mathematik genannt. Ich öffnete das Buch auf einer beliebigen Seiten und was sprang mir ins Auge? Eine Wortschlange, die sich folgendermassen las: „Berechnung der statischen Amortisationszeit unter der Prämisse von Zinszahlungen in Höhe der kalkulatorischen Zinsen“. Allein das Wort „Berechnungen“ jagte mir kalte Schauer über den Rücken, in Kombination mit den restlichen Schimpfwörtern wurde mir beinahe schwarz vor den Augen. Da lernt man immer, man solle anständig reden und dann liefern die einem ein Lehrmittel voller Schimpfwörter und nennen die Sache Weiterbildung. Nun ja, dachte ich, vielleicht habe ich ja ausgerechnet die schlimmste Seite erwischt und blätterte weiter. Aber was ich da vorfand, stimmte mich nicht optimistisch: „Isoquante für X=5“, las ich da oder „Führen Sie eine Kalkulation der Stückkosten durch“, oder – schlimmer noch – „Führen Sie ebenso eine Kapitalwertberechnung bei 10% durch“.
Spätestens jetzt war mir zum Heulen zumute. Da schlage ich mich mehr oder erfolgreich durchs Leben, jongliere Familie, Schreiben, Projekte, Haushalt und Freundschaften und habe dabei das Gefühl, das alles sei irgendwie machbar, wenn auch zuweilen ziemlich anstrengend. Und alles geht gut, solange ich nicht mit Zahlen zu tun bekomme. Doch unvermittelt, wenn alles gut läuft und ich es am wenigsten erwarte, steht sie wieder vor mir, diese für mich unbezwingbare Zahlenmauer. Früher habe ich darüber gespottet, dass der Mathelehrer mir einen Besuch beim Psychologen ans Herz legte, anstatt mir die Aufgabe zu erklären, worum ich ihn eigentlich gebeten hatte. Heute weiss ich, dass nicht mal ein Psychologe bei meiner Zahlenphobie helfen kann. Vor dieser Beschränktheit müsste selbst der beste Therapeut kapitulieren. Und so fürchte ich, dass mir das Lehrmittel mit dem grauenvollen Titel „Produktions- und Kostentheorie, Finanzierung“ noch ein paar schlaflose Nächte bereiten wird, bevor ich es erfolgreich abschliessen kann.
Ach ja, und was um Himmels Willen ist eine Isoquante? Tönt für mich nach einem ganz übeln Geschwür.