Gelernt

Das Prinzchen beherrscht jetzt nicht bloss seine ersten Zweiwortsätze, diesen unglaublich schelmischen Blick und das Kritzeln mit der linken Hand,- wenn er so weitermacht, wird er Linkshänder Nummer 4 in unserer Familie -, nein, der liebe Kleine weiss seit gestern auch, wie man mit Schlafsack aus dem Gitterbett klettert. Was den Feierabend für „Meinen“ und mich um eine gute Stunde nach hinten verschoben hat, was bedeutet, dass wir eigentlich gar nicht mehr zu Bett gehen müssten, da wir ohnehin gleich wieder aufstehen müssen.

Der Zoowärter will sich natürlich nicht lumpen lassen, wenn der kleine Bruder Dampf macht und deshalb legt auch er einen Zacken zu. Nicht nur hat er sich zum Grossmeister der Tobsuchtanfälle gemausert – so laut wie er hat noch keiner geschrien im Hause Venditti -, er hat auch gelernt, dass man die Herzen der Erwachsenen im Sturm erobert, wenn man versucht, Französisch oder Englisch zu reden. Und darum sagt er jetzt tagein,  tagaus „Moo döö, matiöö!“, was soviel heissen soll wie „Mon Dieu, Mathieu!“, was sich an eines unserer aktivsten Familienmitglieder richtet, aber ich sage nicht, an welches….

Der FeuerwehrRitterRömerPirat scheint inzwischen erkannt zu haben, dass man bei Vendittis derzeit am besten aus der Reihe tanzen kann, wenn man still, nachdenklich und artig ist. Und aus der Reihe tanzen, das will er, unser Dritter. Und so macht er derzeit den Musterknaben, der sich ohne Widerstand anzieht, die Zähne putzt und den Teller abräumt. Würde er nicht wie eh und je jeden Morgen massiven Widerstand leisten, wenn er in den Kindergarten gehen muss, ich würde mir ernsthafte Sorgen machen um meinen Sohn.

Luise bringt nicht nur jeden Tag einen ganzen Rucksack voller Wissen mit nach Hause, sie hat inzwischen auch gelernt, dass irgendwer die Zicke machen muss. Ich vermute, dass sie in unbeobachteten Momenten vor sich hingrummelt: „Immer muss ich diejenige sein, die hier zickt, nie hilft mir einer. Aber wenn ich es nicht mache, dann tut es ja sonst keiner in diesem elenden Männerhaushalt…“ Zum Glück hat sie sich auch wieder auf eine ihrer ältesten Eigenarten besonnen und so verbringt sie die Zeit, in der sie nicht zickt, bei  Mama oder Papa auf dem Schoss und schnurrt wie ein zufriedenes Kätzchen.

Wo so viel gelernt wird, will natürlich auch Karlsson dabei sein. Seine neueste Errungenschaft ist das Ziehen von Grenzen. Leider grenzt er sich aber nicht gegen solche ab, die ihm frech kommen, nein, er verteidigt gnadenlos die Grenzen zu seinem Zimmer. Wer das Wegrecht erhalten will, um mal kurz durch sein Zimmer zu gehen, der muss ihn zuerst auf Knien anflehen, er möge doch bittebittebitte für drei Sekunden die Türe aufmachen. Hoffen wir mal, das heldenhafte Verteidigen seiner Privatsphäre führe dazu, dass er auch mutiger wird, wenn ihm andere zu nahe treten. Ach und ja, er hat neulich auch gelernt, uns zu glauben, wenn wir ihm sagen, dass wir ihn schon vom ersten Moment an geliebt haben. Bis vor Kurzem hat er nämlich noch behauptet, das könne doch gar nicht wahr sein.

Und sogar „Meiner“, der doch eigentlich gar nichts mehr lernen müsste, weil Lehrer ja ohnehin alles wissen und alles können, hat sich etwas Neues angeeignet: Er hat gelernt, dass er auch mal liegenbleiben darf, dass nicht immer alles an ihm hängen bleiben muss. Ach, was bin ich stolz auf ihn! Wenn da bloss jemand wäre, der während der Zeit, in der er liegenbleibt, die Arbeit erledigt, die er sonst getan hat. Nun ja, eigentlich wäre da schon jemand, aber die Person hat auch eben erst gelernt, die Dinge auch mal liegenzulassen….

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