10 Dinge, die mir auf den Geist gehen

  • Hysterische Haushaltgeräte. Ihr wisst schon, diese Herdplatten, die beim kleinsten Tropfen Feuchtigkeit auf dem Schaltfeld hysterisch zu piepsen anfangen und erst wieder damit aufhören, wenn man sie zuerst mit einem leicht feuchten Lappen, dann mit einem frischen Küchentuch und schliesslich – wenn man nichts anderes mehr zur Hand hat – mit dem Rockzipfel oder dem Pulloverärmel trocken reibt. 
  • Wenn „Meiner“, der als Siebenjähriger offenbar zu anständig und zu schüchtern war, den Mitschülerinnen den Rock hochzuziehen, glaubt, er müsse diese prägende Erfahrung bei mir nachholen. Ich habe ihm dann zu verstehen gegeben, dass ich auf diesem Gebiet ganz und gar keinen Nachholbedarf habe, da ich im Alter zwischen drei und dreizehn ausschliesslich Röcke getragen habe und damit zur Zielscheibe sämtlicher Siebenjähriger wurde, die weniger schüchtern und anständig waren als „Meiner“ damals. 
  • Okay, damit mache ich mich jetzt unbeliebt: Dieses doofe „Happy, happy, happy“-Gedudel, dem man in diesen Tagen permanent ausgesetzt ist. Was, um alles in der Welt, gefällt euch allen so an diesem Lied? Mich treibt es auf die Palme.
  • Fruchtfliegen, die sich mangels anderer Alternativen auf dem Küchenlappen niederlassen. Muss ich jetzt meine Lappen wirklich mehr als einmal täglich wechseln?
  • Leute, die es nicht mal nötig haben, mir ein kurzes „Danke für die Anfrage, aber ich habe keine Zeit“ zukommen zu lassen, wenn ich sie höflich frage, ob sie mir allenfalls, wenn es ihnen nicht zu viele Umstände macht, ein paar Auskünfte für einen Artikel geben würden, den sie selbstverständlich vor der Publikation gegenlesen dürften, damit alles in ihrem Sinne wäre. 
  • Samstage, die vorgeben, sie wären nahezu kinderfrei, dabei verbringt man den halben Tag damit, die verschiednen Kinder zu verschiedenen Terminen zu karren. 
  • Schädlinge, die an sämtlichen Gemüsesorten ihre Spuren hinterlassen, aber nicht die Grösse haben, dazu zu stehen und sich zu zeigen. 
  • Die Peperoni-Sucht unserer Kinder. Ich meine, ist ja toll, dass sie Peperoni lieben, aber egal, ob ich das Doppelte, Drei- oder Vierfache der in den Rezepten vorgesehenen Menge kaufe, am Ende ist doch nichts mehr da, wenn ich am Herd stehe. Und dabei habe ich doch immer so ein furchtbar schlechtes Gewissen, wenn ich vor der Peperoni-Saison das Zeug aus Spanien oder Holland kaufe. 
  • Dass es mir nicht gelingt, mein Lachen zu verbergen, wenn das Prinzchen einen Mist gebaut hat und ich ihm eigentlich ganz ernst ins Gewissen reden möchte. Muss der seinen Unfug immer so charmant anstellen?
  • Haushaltgeräte, die dann, wenn man auf ihr Piepsen angewiesen wäre, weil dieses das Ende der Kochzeit anzeigen würde, plötzlich verstummen, so dass alles verkocht. Noch ärger sind nur noch Haushaltgeräte, die mal stumm bleiben und sich wenige Augenblicke später wieder hysterisch gebärden. Also zum Beispiel unser Kochherd. 

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Weil auch hier nicht das Paradies ist…

Weshalb wir im Sommer überhaupt in die Ferien fahren würden, wollte il Cuginos grosser Bruder von mir wissen. Bei uns sei es so traumhaft schön, da könnte man doch eigentlich immer zu Hause bleiben. Die Frage überraschte mich nicht,  befanden wir uns doch gerade bei strahlendem Sonnenschein auf einer grünen Wiese, umgeben von blühenden Bäumen und bunten Frühlingsblumen. Zwitschernde Vögel, Kirchenglocken und ein vor Freude kreischendes Prinzchen sorgten für die perfekte Geräuschkulisse. Ja, bei uns ist es tatsächlich schön, dachte ich. Und für Gäste aus Süditalien, die mit Erstaunen feststellen, dass hierzulande eine öffentliche Wiese gemäht und gepflegt wird, muss das alles noch viel schöner aussehen. 

Warum also verreisen? Weil unser Leben leider nicht so beschaulich ist, wie die Kulisse, vor der es sich abspielt. Sind wir zu Hause, dann sind wir auch verfügbar. Für Besprechungen, spontane Arbeitsaufträge, Therapiegespräche, Tierarztbesuche, kaputte Haushaltgeräte, Werbeanrufe, Kinder chauffieren… Bleiben wir hier, beinhalten auch Ferientage eine gehörige Portion Alltag, was nicht nur schlecht ist, denn auch der Alltag hat einige ganz nette Dinge zu bieten. Eine spontane Kaffeerunde mit dem Nachbarn, zum Beispiel, Nachbarskinder, die bis zum Eindunkeln mit unseren Kindern herumtoben, Setzlinge auspflanzen,… So richtig zur Ruhe kommen wir aber nie, wenn wir zu Hause sind, nicht mal dann, wenn wir uns einmal zum süssen Nichtstun durchgerungen haben. Dann klingelt nämlich bestimmt das Telefon…

Darum verreisen wir, wann immer es unser Budget zulässt. Und natürlich auch, weil es nicht nur hier traumhaft schön sein kann, sondern an ganz vielen anderen Orten auf diesem Planeten ebenso. 

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Sind das wirklich schon sechs Jahre?

Sechs Jahre ist es her, seitdem ein guter Freund mich zum Bloggen herausgefordert hat. Anders kann man das gar nicht nennen. „Du solltest bloggen“, sagte er eines Tages. „Na ja…“, antwortete ich. Ein paar Tage später liess er mich wissen, mein Blog sei eingerichtet und heisse Beautifulvenditti. Noch immer war ich mir nicht sicher, ob das wirklich etwas für mich sei, also schrieb ich erst mal nichts. „Wann fängst du an zu schreiben? Ich warte“, wollte der Urheber dieser Seite nach zwei Tagen wissen. Also schrieb ich. Sehr zaghaft noch, denn ich wusste ja eigentlich gar nicht so recht, was man in einem solchen Blog schreibt. Doch die wenigen Menschen, die von meinem Schreiben wussten, ermutigten mich, weiterzumachen und irgendwann brauchte man mich nicht mehr zu schubsen, ich konnte gar nicht mehr anders, als fast täglich zu bloggen. Seither ist viel passiert.

Ich habe einen Weg gefunden, das in Worte zu fassen, was mich in meinem Leben als Mutter, Ehefrau, Ehrenamtliche, Berufstätige, Hausfrau, Schreibende, Schweizerin, Hobbygärtnerin, Glaubende, Zweifelnde, … begeistert, in den Wahnsinn treibt, zu Tränen rührt, zum Heulen bringt, überfordert, beschäftigt, zum Lachen bringt, erzürnt…

Ich bin ins Gespräch gekommen mit Menschen, die sich in meinen Texten wieder erkennen, habe erlebt, dass andere durch mein Schreiben neuen Mut gefasst haben, wurde aber auch selber immer wieder ermutigt, weil andere mir sagten, dass ich nicht die Einzige bin, der die Dinge manchmal einfach über den Kopf wachsen. Die positiven Reaktionen meiner Leserschaft haben mit dazu beigetragen, dass ich schliesslich den Mut gefasst habe, den Traum des Bücherschreibens zu verwirklichen.

Das Schreiben hilft mir, die Dinge mit mehr Humor zu nehmen. Herrlich, wie viel Schreibstoff die alltäglichen Missgeschicke bieten. Glaubt mir, ich fahre weitaus seltener aus der Haut, seitdem ich im Kopf schon mal den Blogpost entwerfe, währenddem ich klebrigen Honig vom frisch geputzten Fussboden aufputze. 

Mein Blog hat mir auch beruflich Türen geöffnet, so dass ich heute meinen Anteil am Familieneinkommen alleine durchs Schreiben erarbeite. Etwas, was ich mir stets erträumt, aber nie zu erhoffen gewagt hätte. 

Oh ja, natürlich habe ich schon tausendmal daran gedacht, die ganze Sache wieder hinzuschmeissen. Manchmal fürchte ich mich davor, dass mir eines Tages der Schreibstoff ausgehen könnte. Und an gewissen Tagen quält mich die Frage, ob ich nicht eine fürchterliche Dilettantin bin, die versucht, Dinge in Worte zu fassen, die andere viel besser ausdrücken könnten. Dann versuche ich, einfach nicht zu bloggen, doch meist dauert es nicht lange, bis die Worte wieder darauf drängen, aus meinem Kopf befreit zu werden. 

Darum schreibe ich weiter. Und darum ist es heute wieder einmal Zeit, klar und deutlich zu sagen: Danke, Tobias, dass du mich vor sechs Jahren dazu gedrängt hast, endlich anzufangen. 

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Sind wir denn noch immer nicht weiter?

Keine Ahnung, wie der Prospekt seinen Weg zu uns gefunden hat, aber weil er gerade herumlag und ich nichts besseres zu tun hatte, sah ich ihn mir genauer an. „Mit Frau Sieber und Herrn Marti durchs neue Fiskaljahr“, lautete der Titel, abgebildet waren eine schwangere Frau und ein Mann mit Kissen unter dem Hemd, beide dezent geschäftlich gekleidet. Die zwei werben für eine digitale Agenda, die dem Chef dabei helfen soll, die schwangere Mitarbeiterin so durch die Schwangerschaft zu begleiten, dass sie nach dem Mutterschaftsurlaub wieder zur Arbeit zurückkehrt. 

Na ja, eigentlich ist das Thema für mich erledigt, aber man hat so seine Erfahrungen gemacht mit Chefs und Schwangerschaften. Zum Beispiel die, dass man im vierten Monat dazu gedrängt wurde, sich festzulegen, wie es nachher weitergehen soll – und auch naiv genug war, sich auf das miese Spiel einzulassen. Oder die, dass der Chef Monate brauchte, um sich endlich einmal nach dem Befinden zu erkundigen. Oder die, dass der Bürokollege weiterhin ungeniert am Nebentisch rauchen durfte. Oder die, dass der Chef drei Tage nach der Geburt ins Spital anrief, um zu verkünden, der Job werde leider gestrichen. Wahrlich, nicht jeder bringt es fertig, eine frischgebackene Mama mitten im schlimmsten Baby Blues noch mehr zum Heulen zu bringen. 

Wer solche Erfahrungen gemacht hat, sollte es also begrüssen, dass man die Arbeitgeber auf ihre Pflichten aufmerksam macht und ihnen dabei hilft, sich im Dschungel der Mutterschutz-Paragrafen zurechtzufinden. Und irgendwie begrüsse ich es ja auch. Ist doch gut, wenn endlich einmal schwarz auf weiss steht, welche Rechte die (werdende) Mama hat. 

Aber es ärgert mich auch, dass wir noch immer nicht weiter sind. Muss man Chefs denn noch immer sagen, wie sie sich gegenüber einer schwangeren Mitarbeiterin zu verhalten haben (Nämlich nach dem Vorgehen GEZI: Gratulieren, Einladen, Zuhören, Informieren)? Brauchen die wirklich noch eine Vorlage, wie man das Gratulationsschreiben nach der Geburt verfasst? Muss man denen wirklich noch ans Herz legen, während des Mutterschaftsurlaubs in Kontakt zu bleiben? Ist die Schwangerschaft einer berufstätigen Frau tatsächlich noch so eine verkorkste Sache, dass man Merkblätter mit Verhaltensregeln erarbeiten muss?

Offenbar schon, sonst hätte man keine so grosse Kampagne aufgezogen. Schade, ich hatte so gehofft, es hätten sich ein paar Dinge geändert, seitdem ich allen Mut zusammennehmen musste, um meinem Chef zu verkünden, dass ich Mutter werde (Ja, ich war sehr jung, sehr berufsunerfahren und sehr naiv und heute würde ich die Sache deutlich selbstbewusster angehen…).

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Da kommt wahrlich keine Routine auf

Endlich, nach vier Wochen Dauerbetrieb, waren wir heute Morgen wieder einmal alleine zu Hause, meine Gedanken und ich. Und wie es so geht, wenn auf einmal himmlische Ruhe herrscht, meldeten sich meine Gedanken sogleich mit heftigen Vorwürfen zu Worte. Saublöd hätte ich mich aufgeführt in den vergangenen vier Wochen, stets dieses Gejammer über mangelnde Ruhe und Tagesstruktur, dabei sei ich selber Schuld am ganzen Schlamassel, ich hätte mich ja vollkommen gehen lassen. Das sei doch keine Art, meinen Liebsten einfach so mitten ins Gesicht zu sagen, sie würden mich nerven mit ihrem ewigen Gezänke. Und dann auch noch diese unsägliche Aussage, ich sei froh, wenn sie alle wieder eine Beschäftigung hätten. Eine egoistische, undankbare Kuh sei ich, die eine solche Familie nicht verdient hätte. Ich solle mich gefälligst gehörig schämen… 

Das tat ich dann auch schön folgsam und ich beschloss, mich zu bessern. Kein Gejammer mehr über meine geliebten Familienmitglieder, die meine sauber geplanten Tagesstrukturen ins Wanken und schliesslich zum Einstürzen bringen, das schwor ich mir. 

Tja, und dann kamen sie wieder nach Hause und brachten Zettel von der Schule mit: Am Donnerstag schulfrei ab 10 Uhr, weil die Schüler nach dem Fasnachtsauftakt am frühen Morgen nicht mehr bildungsfähig sind. Kein Englisch für Luise am 6. März, schulinterne Weiterbildung am 19. oder so, fünf Schulwochen bis zu den Frühlingsferien und danach die üblichen Feiertage… Bis zum Ende des Schuljahres wird kaum eine Woche so sein, wie es auf dem Stundenplan steht.

„Nicht jammern“, ermahnte ich mich selber, als ich einen Zettel nach dem anderen las. „Lass dir auf gar keinen Fall anmerken, dass du dich nervst, für die Kinder sind schulfreie Tage ja wirklich eine tolle Sache.“ Ich hätte es geschafft, nichts zu sagen, hätte nicht Karlsson auch noch irgendeine Verschiebung angekündigt, die nicht auf den Zetteln stand. Da brach es schliesslich doch noch aus mir heraus: „Himmel, habt ihr überhaupt irgendwann Schule, oder muss ich mich darauf einstellen, wieder rund um die Uhr im Einsatz zu sein?“

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Wollen täte ich ja schon…

Trotz viel zu kurzer Nacht raffe ich mich am letzten Ferientag unserer Kinder früh morgens auf, um eine oder zwei Stunden ungestört arbeiten zu können. Ich nehme mir sogar die Zeit, zum Tagesstart kurz inne zu halten zu einem Morgengebet. Heute werde ich mich nicht von den Ereignissen überrollen lassen, sondern schön diszipliniert meinen verschiedenen Aufgaben nachgehen. Mit dem Frühstück setze ich mich an den Computer, um gleich loszulegen, doch ich schaffe es gerade mal, zwei Mails zu beantworten, als das Telefon klingelt. Weshalb ich rangehe? Weil ich um diese Uhrzeit davon ausgehe, dass es dringend ist.

Fünfundvierzig Minuten lang hänge ich ziemlich hilflos am Draht, versuche zu helfen, wo ich helfen kann und starre mit Entsetzen auf die Uhr, deren Zeiger sich unaufhaltsam vorwärts bewegt. Gegen Ende des Telefongesprächs kommt Karlsson ins Zimmer geschlichen, Minuten später ist auch Luise da. Als ich endlich fertig bin mit Telefonieren muss ich mich zusammenreissen, um meinen Frust nicht an ihnen auszulassen. Sie können ja nichts dafür, dass ich in der einen Stunde, die mir zum ungestörten Arbeiten geblieben wäre, gestört worden bin. 

Da jetzt an Kopfarbeit nicht mehr zu denken ist, bereite ich eben das Mittagessen vor, damit ich vielleicht nachher, wenn alle gefrühstückt haben, noch einmal einen Arbeitsversuch starten kann. Zwei Anrufe später ist mir klar, dass heute Vormittag wohl nichts mehr daraus wird. Dann putze ich eben die Küche, damit ich das morgen nicht mehr machen muss. So kann ich morgen erledigen, was ich heute hätte tun wollen. Doch ehe ich putzen kann, muss aufgeräumt sein und schon steht ein neues Hindernis vor mir: Der Schlüssel des Vorratsschranks, der eben noch da war, ist unauffindbar, was bedeutet, dass Kakaodose, Vorn Flakes, leere Milchflaschen etc. nicht hinkönnen, wo sie hin müssen. Putzen geht also auch nicht.

Was bleibt mir da noch, als mich an den noch immer eingeschalteten Computer zu setzen, um darüber zu schreiben, dass alles Wollen meinerseits nichts nützt, solange der Tag läuft, wie es ihm beliebt? Mein Wollen, so muss ich leider einmal mehr einsehen, spielt im meinem Leben an gewissen Tagen eine sehr untergeordnete Rolle.

Und wer jetzt einwendet, bloggen sei doch auch Kopfarbeit, warum ich das denn könne, dem kann ich getrost antworten, im Bloggen sei ich inzwischen so geübt, dass ich es auch im Schlaf erledigen könnte. 

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Komfortabel, nicht?

Versteht mich bitte auf gar keinen Fall falsch, ich will mich wirklich nicht beklagen. Und erst recht will ich nicht behaupten, für mich sei es schwieriger als für andere Mütter. Ich will einzig darauf hinweisen, dass es nicht mal in meiner privilegierten Situation einfach ist, Familie und Job unter einen Hut zu bringen.

Komfortabler als ich kann man es ja wirklich nicht haben: Will ich zur Arbeit gehen, muss ich bloss meinen Laptop auf den Tisch stellen, eine Tasse Tee kochen, den guten alten Johann Sebastian auf Endlosschlaufe setzen und schon kann ich mich meinen Aufgaben widmen. Vierzig Minuten bevor die Kinder nach Hause kommen, setze ich das Mittagessen auf, wenn der Herd ohne meine Anwesenheit auskommt, kann ich mich wieder meiner Arbeit zuwenden, danach essen wir gemeinsam. Wenn es der Stundenplan der Kinder erlaubt, arbeite ich am Nachmittag weiter, ansonsten eben erst am nächsten Morgen. Steht ein Abgabetermin bevor, gibt’s auch mal eine Nachtschicht. Wirklich ideal, nicht wahr?

Na ja, in der Theorie schon. In der Praxis sieht das leider ein wenig komplizierter aus, denn in der Praxis ist auch eine von zu Hause aus arbeitende Mutter zu stetiger Flexibilität gezwungen. Mal machen einem die Schulferien einen Strich durchs sorgfältig geplante Arbeitsprogramm – diesmal dank unterschiedlicher Schulferien im Aargau und in Solothurn ganze vier Wochen lang -, mal ist die Lehrerin krank. Dann wieder liegen meine eigenen Kinder im Bett… Ach, was, ich brauche das nicht weiter auszuführen, die Situationen kennt jede berufstätige Mutter und wahrscheinlich denkt sich manch eine hin und wieder: „Wenn ich bloss von zu Hause aus arbeiten könnte. Dann könnte ich nach meinen Kindern schauen und trotzdem meine Sachen erledigen.“

Und das stimmt ja auch irgendwie. Immerhin fällt das Problem mit dem verärgerten Chef und der Krippe, die keine kranken Kinder nimmt, weg. Aber glaubt mir, das Leben findet immer einen Weg, einer berufstätigen Mutter Steine in den Weg zu legen, auch wenn eine glaubt, sie hätte die ideale Lösung gefunden. Die Steine sehen einfach ein wenig anders aus. Da ist zum Beispiel der grosse Bruder, der den kleinen „zufällig“ in den Gartenteich stösst. Oder das Telefon, das pausenlos klingelt, weil irgendwelche Kinder sich einen kleinen Venditti zum Spielen ausleihen möchten, damit es in den Schulferien nicht so langweilig ist. Oder die „Mama, mir ist soooo langweilig und warum musst du immer arbeiten, wenn wir Ferien haben?“-Diskussion. Oder die fiese Programmänderung, die dazu führt, dass „Meiner“ nicht da ist, wenn er eigentlich für die Kinder zuständig wäre, damit ich wenigstens einmal in diesen Schulferien ungestört arbeiten könnte. Und wenn mal mit Mann und Kindern alles reibungslos läuft, steht bestimmt plötzlich eine entfernte Bekannte vor der Tür, die beim besten Willen nicht begreifen will, dass ich den Computer nicht zum Spielen, sondern zum Arbeiten aufgestartet habe. Warum begreifen gewisse Menschen nicht, dass man nicht automatisch Zeit zum Kaffeetrinken hat, wenn man zu Hause ist und an einem Tisch sitzt?

Wie gesagt, ich will mich nicht beklagen, ich habe wirklich die für mich derzeit ideale Form von Familien- und Berufsleben gefunden. Und doch bin ich zuweilen ziemlich frustriert, wenn ich meine Arbeitsstunden schon wieder in den Feierabend schieben muss, weil ich die einzige in unserem ziemlich lebhaften Familiengefüge bin, die ihren Verpflichtungen zu jeder Tages- und Nachtzeit nachgehen kann. 

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Eine Familien-Ära geht zu Ende

Immer mal wieder zwischen 1996 und 2004:

„Eine Putzfrau kommt mir nie ins Haus. Ist doch das Letzte, jemanden die Drecksarbeit machen zu lassen und selber auf der faulen Haut zu liegen. Und nachher motzen, dass sie es nicht recht gemacht hat. Sind doch alles nur verwöhnte Tussis, die sich zu fein sind, selber einen Lappen in die Hand zu nehmen…“

2005, drei Vorschulkinder, ein kürzlich abgeschlossener Umbau, ein Feierabend-Teilzeitjob:

„Manchmal überlege ich mir schon, ob es nicht Zeit wäre, eine Putzfrau einzustellen. Jemand, der einmal pro Woche gründlich sauber macht und ich würde während der übrigen Zeit Schadensbegrenzung betreiben. Aber ob unser Budget das mitmachen würde? Und überhaupt, meine Mama hat es auch ohne hingekriegt und die hatte ein paar Kinder mehr als ich. Ich kann doch nicht einfach jemand anderem meine Drecksarbeit aufbürden.“

Ende 2006, drei Wochen vor dem Geburtstermin, Mutterschaftsurlaub, beginnende Erschöpfung, weil Töchterchen seit zwei Jahren keine Nacht durchschläft:

„Auuuuuutsch!!! Scheissmöbel!!!! Das war mein Zeh!!!!“

Drei Stunden später:

Zeh gebrochen, der Arzt befiehlt Hochlagerung des Fusses und eine Haushalthilfe.

Drei Tage später:

„Es tut mir wirklich schrecklich Leid, dass ich hier faul auf dem Sofa liege, währenddem Sie für mich die Drecksarbeit erledigen müssen, aber ich schaffe es einfach nicht, mehr als fünf Minuten auf den Beinen zu sein. Ach, das ist mir jetzt peinlich, dass Sie auch noch hinter diesem Buffet putzen müssen. Das hätte ich schon längst tun wollen, aber Sie wissen ja, mit drei kleinen Kindern. Und jetzt dieser elende Zeh. Wenn ich Ihnen doch bloss helfen könnte, aber der Arzt hat gesagt…“

Ende Januar 2007, Heimkehr aus dem Spital mit Zoowärter und einem Rezept für mehrere Monate Haushalthilfe:

„Ich bin ja schon froh, dass die Haushalthilfe noch etwas länger bleibt, aber eigentlich müsste ich das jetzt selber schaffen. Ich kann doch nicht immer faul herumliegen. Klar, ich bin müde und der Zoowärter braucht mich rund um die Uhr, aber irgendwie muss ich das doch wieder alleine hinkriegen. Und die Krankenkasse will ja jetzt doch nichts daran zahlen. Also, wir machen das nicht länger als unbedingt nötig.“

Herbst 2007, vier kleine Kinder, ein Feierabend-Teilzeitjob, drei Ehrenämter, keine Haushalthilfe mehr:

„Okay, wir schaffen es nicht ohne. Rufen wir halt die Frau, die das Inserat aufgehängt hat, mal an. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir es eine Weile lang so machen. Zumindest, bis ich die Ehrenämter abgegeben habe.“

Eine Woche später, Samstagmorgen:

„Gut, einmal die Woche, nur putzen, das Aufräumen erledigen wir selber. Schön, dann sehen wir uns nächsten Montag.“

März 2008, vier kleine Kinder, Feierabend-Teilzeitjob aufgegeben, Ehrenämter fast abgegeben, Erschöpfungszustand ärztlich diagnostiziert, ein positiver Schwangerschaftstest:

„Die Putzfrau bleibt, koste es, was es wolle! Und wenn das Baby kommt, muss für die ersten Monate ein Au Pair her, anders schaffe ich das auf keinen Fall.“

Oktober 2008, fünf Kinder, Familienchaos pur:

„Gott sei Dank haben wir eine Putzfrau! Sonst würden wir im Chaos untergehen.“

Bis Frühling 2013 wird sich an dieser Überzeugung nichts mehr ändern. 

Herbst 2013, der Familienalltag ist etwas ruhiger geworden, Körper und Seele haben sich von den Strapazen der vergangenen Jahre erholt, der neue Teilzeitjob lässt sich von zu Hause aus erledigen, alle Kinder sind theoretisch gross genug, um selber zu Staubsauger und Putzlappen zu greifen:

„Ich glaube, wir müssen uns allmählich Gedanken darüber machen, ob es nicht auch ohne Putzfrau geht. Die Kinder nehmen das alles viel zu selbstverständlich und ich habe ja jetzt auch wieder mehr Zeit. Aber ich bringe es einfach nicht übers Herz, sie gehen zu lassen. Klar, sie hat ihre Eigenarten, aber sie ist eine tolle Frau und ich mag sie wirklich.“

Ende 2013, das Familienbudget ächzt unter Weiterbildungskosten, die sich weniger schnell als erwartet bezahlt machen:

„Es geht nicht mehr anders, wir müssen auf die Putzfrau verzichten. Es klappt ja jetzt wirklich ganz ordentlich ohne ihre Hilfe, aber es fällt mir trotzdem unglaublich schwer. Es muss wohl einfach sein… nun ja, vielleicht können wir sie später hin und wieder für den Frühjahrsputz oder andere grössere Einsätze engagieren. So ganz ohne sie ist das ja auch irgendwie schwierig…“

29. Januar 2014:

„Sie muss unbedingt bald einmal zum Kaffee kommen, sag ihr das, wenn sie heute zum letzen Mal kommt. Schade, dass ich nicht zu Hause bin, ich hätte sie so gerne noch einmal gesehen. Du musst sie aber wirklich unbedingt einladen, ich will sie nach all den Jahren doch nicht einfach so ohne irgend eine Anerkennung ziehen lassen. Und ich muss ihr unbedingt noch ein Geschenk besorgen…“

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Und noch etwas gelernt

Nur weil dein Heizungsmonteur grossmäulig einen 24-Stunden-Service verspricht und dir einen Aufkleber mit der Notfallnummer auf den Heizkessel klebt, heisst das noch lange nicht, dass du ihn morgens um Viertel nach sieben schlotternd und zähneklappernd anrufen darfst. Gut, man verbietet es dir nicht gerade, aber du darfst dich nicht wundern, wenn du ziemlich giftig angefahren wirst. Der Kollege sei zuständig, erfährst du und eigentlich sei man davon ausgegangen, das Problem habe sich erledigt. Du entschuldigst dich dafür, dass sich das Problem leider noch nicht erledigt hat und wählst mit klammen Fingern die Nummer des Kollegen, doch der Kollege geht nicht ans Telefon. Warum soll er auch? Er hat ja nicht die 24-Stunden-Notfallnummer und muss darum nicht rangehen, wenn das Telefon klingelt.

Du beschliesst, so bald als möglich den Heizungsmonteur zu wechseln und versuchst, die Herstellerfirma zu erreichen. Auch die hat einen grossen Aufkleber mit einer Notfallnummer auf dem Heizkessel angebracht und dort nimmt man sogar deinen Anruf entgegen, ohne ausfällig zu werden. Wenn du jetzt glaubst, das Frieren würden damit bald ein Ende nehmen, irrst du aber gewaltig. Bis endlich einer Zeit hat, dir Bescheid zu geben, ob und wann einer kommt, um deiner Heizung zu zeigen, wie sie Pellets ansaugen muss, darfst du weiter frieren. Wie lange, das kann dir leider keiner so genau sagen.

Und glaubt mir, wir Schreibenden können so schnell auf der Tastatur tippen wie wir wollen, warm wird uns dabei noch lange nicht. Auch nicht, wenn wir dicke Socken und zwei Jacken übereinander anziehen, eine wärmende Katze auf den Schoss nehmen und literweise heissen Tee in uns hineinkippen. 

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Wer betreut denn da?

Weil Ende November Abstimmung ist, diskutiert man mal wieder über das richtigere Familienmodell. Noch habe ich mich nicht definitiv auf ein Ja oder ein Nein festlegen können, doch bereits habe ich die Nase gestrichen voll von dem Geschwätz über Familien, die „ihre Kinder selber betreuen“. Da soll mir doch mal einer die Schweizer Durchschnittsfamilie zeigen, die ihre Kinder nicht selber betreut.

Ja, ich weiss, es gibt Kinder, die tagsüber in der Krippe sind, einige etwas häufiger, andere etwas seltener. Manche sind an zwei oder drei Tagen pro Woche bei den Grosseltern oder bei einer Tagesmutter, in einigen Familien hilft man sich mit einem Au-Pair. Meines Wissens schliessen aber Krippen irgendwann, meist so gegen 18:30 Uhr, Tagesmütter erwarten, dass die Kinder am Abend abgeholt werden, Grosseltern bestehen meist darauf, früh zu Bett zu gehen und sogar Au-Pairs haben ein Anrecht auf Feierabend, auch wenn dies längst nicht allen Au-Pair-Familien passt. Es soll mir bloss keiner weismachen wollen, Kinderbetreuung lasse sich auf die Öffnungs- und Arbeitszeiten des gewählten Betreuungsmodells beschränken.

Oder kennt etwa einer von euch einen Vater, der mitten in der Nacht zu seinem kreidebleichen Kind sagt: „Tut mir Leid, du kannst jetzt nicht kotzen. Die Krippe öffnet erst um halb sieben wieder. Bis dahin musst du dich gedulden, ich bin nicht für deine Betreuung zuständig.“ ? Oder eine Mutter, die ihr Kind von der Tagesmutter abholt, es zu Hause ins Zimmer steckt und sich einen netten Abend macht? Oder Eltern, die am Mittwoch zu ihrem Kleinkind sagen: „Hör mal, eine normale Arbeitswoche hat 42 Stunden und wir haben uns diese Woche bereits 50 Stunden um dich gekümmert. Wir weigern uns, weitere Überstunden für dich zu schieben. Geh zu Oma, wenn du unbedingt betreut sein willst.“

Viele Eltern in der Schweiz delegieren einen Teil ihres Rund-um-die-Uhr-Betreuungsjobs an andere Personen, kümmern sich aber ausserhalb ihrer Arbeitszeiten sehr wohl intensiv um ihren Nachwuchs. Gewöhnlich lassen sie auch alles stehen und liegen, falls ihr Kind sie während ihrer Arbeitszeit braucht. So zu tun, als würden nur Familien, bei denen Mama – und bitte nicht Papa! – zu Hause bleibt, ihre Kinder selber betreuen, ist eine Frechheit.

Zumal sogar Mamas, die auf eine Arbeit ausser Hause verzichten, ganz froh sind, wenn der Nachwuchs hin und wieder ein paar Stunden bei Nachbars spielt. 

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