Der weibliche Teenager während der Schulferien

Vor längerer Zeit habe ich mal beschrieben, wie der männliche Teenager seine Schulferien hinter sich bringt. Heute möchte ich darüber berichten, wie das beim weiblichen Teenager vor sich geht:

Zu sehen bekommt man den weiblichen Teenager allerfrühestens vor dem Mittagessen, manchmal auch erst gegen 14 Uhr. Wortkarg macht sie sich am Küchenschrank zu schaffen. Sind Cornflakes da, füllt sie sich eine Schale und verschwindet wieder in ihrem Zimmer. Sind keine Cornflakes da, schimpft sie lauthals auf ihre Brüder, die immer alles wegfressen und schnappt sich sonst etwas Essbares, um damit im Zimmer zu verschwinden. Da auch alle anderen spät gefrühstückt haben, beschliesst du, heute aufs Kochen zu verzichten. Ein Entscheid, den du Mitte Nachmittag bitter bereuen wirst, weil dann ein ziemlich übel gelaunter weiblicher Teenager wissen will, ob du gedenkst, heute vielleicht irgendwann eine warme Mahlzeit auf den Tisch zu bringen.

Mit einem anständigen Zvieri lässt sich der knurrende Magen und damit der ganze Teenager besänftigen und du kannst dich wieder anderen Dingen zuwenden, denn sie muss sich jetzt der Körperpflege widmen. Gegen Abend ist sie nicht nur frisch geduscht, sauber angezogen und artig frisiert, sie hat auch ganz ohne deine Ermahnungen das unter Wasser stehende Badezimmer wieder sauber gemacht. Dann verschwindet sie wieder in ihrem Zimmer, das sie erst wieder verlässt, wenn sie zum Abendessen gerufen wird. In der Regel stochert sie bloss ein wenig in ihrem Teller rum, denn das späte Frühstück und der anständige Zvieri sind noch nicht ganz verdaut. Nachdem sie ihr Geschirr weggeräumt hat, verschwindet sie wieder nach oben, bis die kleinen Brüder in ihren Betten sind.

Irgendwann, so zwischen halb neun und halb elf, kommst du auf die Idee, du könntest dir jetzt allmählich den Feierabend gönnen. Du brauchst das nicht laut zu sagen, es reicht schon aus, es nur zu denken und schon kommt der weibliche Teenager frisch und munter angetrabt. Ist der grosse Bruder zu Hause, steigt in der Küche eine laute, lustige spätabendliche Party, die erst ein Ende nimmt, wenn ein entnervter Elternteil dem lustigen Treiben mit einer Standpauke ein Ende setzt. Ist der grosse Bruder nicht zu Hause, macht sie sich eben mit dir einen netten Abend. Sie hat dir ja soooooo viel zu erzählen. Vielleicht lässt du dich sogar zu einem Film oder zu einer Runde Online-Shopping überreden. Oder du hast ein paar Tipps für sie auf Lager, wie es ihr am nächsten Tag wohl am besten gelingen könnte, endlich ihr Zimmer aufzuräumen, denn das will sie in diesen Ferien unbedingt erledigen.

Auf alle Fälle hat sie jetzt richtig Lust, Zeit mit ihrer Mama zu verbringen. An guten Tagen freust du dich über die späte Mama-Tochter-Zeit, an weniger guten Tagen siehst du dich dazu gezwungen, ihr unmissverständlich klar zu machen, dass du morgen früh wieder zu sprechen wärest, wenn sie denn wach wäre. So oder so wirst du noch bis tief in die Nacht hinein von ihr hören, denn wenn ihr Tag erst nach dem Mittagessen so richtig angefangen hat, kann man ja wohl kaum erwarten, dass er bereits vor Mitternacht wieder zu Ende ist. 

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Geburtstags-Absurditäten

Wenn die lebenslange Raucherin, die sich sogar in schlimmen Krankheitszeiten geweigert hat, den Tabakkonsum zu reduzieren, ihrem Enkel zum sechzehnten Geburtstag eine Glückwunschkarte, die ihr die Lungenliga zum Spendensammeln ins Haus geschickt hat, zukommen lässt. 

Wenn die Vegetarierin, die ihrem Sohn jedes Jahr Leberpastete und andere Schweinereien zubereiten musste, überall herumerzählt, er habe sich jetzt gemässigt, sie werde nie wieder Leber anrühren müssen, am Vorabend des Geburtstags trotzdem wieder mit spitzen Fingern Innereien in die Küchenmaschine schmeisst.

Wenn zwei Kinder hungrig vom Tisch gehen, weil sich unter all den Leckereien, die sich der grosse Bruder gewünscht hat, nichts findet, was sie mögen. Nein, nicht einmal Nudeln ohne Sauce und Käse, denn es gibt Kinder die zwar Teigwaren mögen, aber keine Nudeln. (Fragt nicht bitte nicht, was der Unterschied zwischen Teigwaren und Nudeln sein soll…)

Wenn der Jüngste, der so dünn ist, dass man seine Rippen zählen kann, dreissig Minuten nach dem üppigen Geburtstagsmahl, hinter einem vierstöckigen Sandwich sitzt und verkündet, er müsse jetzt Zvieri essen, sonst werde er kläglich verhungern. 

Wenn die Mutter, die den ganzen Tag in der Küche steht, um die kulinarischen Wünsche ihres Sohne zu erfüllen, irgendwann auf die Frau zu schimpfen beginnt, die den Jungen dermassen verwöhnt hat.

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Getrennte Fernsehzeiten

In letzter Zeit kommt es mir vor, als herrschten bei uns zu Hause süditalienische Verhältnisse. Andauernd läuft die Glotze, die Theme-Songs der einzelnen Sendungen kenne ich schon fast auswendig, immer wieder werde ich herbeigerufen, weil die Fernbedienung streikt. Was ist bloss schief gelaufen bei uns? Sind „Meiner“ und ich auf unsere alten Tage etwa unseren Prinzipien untreu geworden? Sind wir ermüdet von dem ständigen Kampf um die Zeitbeschränkung? Haben wir resigniert im Kampf gegen die Werbespots, die Wünsche wecken, die kein Kind von sich aus haben würde?

Nicht unbedingt. Zwar sind wir nicht mehr ganz so streng wie früher, aber im Grossen und Ganzen gelten die gleichen Regeln wie immer schon: Eine oder zwei Folgen einer Kinderserie, dann ist Schluss. Werbung wird nach Möglichkeit umgangen, ganze Filme gibt es nur bei speziellen Gelegenheiten wie Krankheit, Kinoabend oder endlosen Regenperioden. 

Aber warum, um Himmels Willen, dröhnt trotzdem andauernd die Glotze im Wohnzimmer? Ganz einfach: Weil Prinzchen, Zoowärter und FeuerwehrRitterRömerPirat nicht gleich ticken wie Luise und Karlsson tickten, als sie in dem Alter waren. Die beiden Grossen schauten nämlich immer alles gemeinsam. Zuerst „Bob de Sou“… ääähm, ich meine „Bob de Boumaa“, später „Angelina Ballerina“ und schliesslich „Meine Schwester Charlie“. Auch Kinoabende waren leicht zu organisieren. „Nemo“ kam nicht in Frage, denn das war zu traurig, dafür kannten sie „Ein Zwilling kommt selten allein“ fast auswendig. Erst seit einiger Zeit glotzen Karlsson und Luise getrennt, er vorzugsweise schwedische Krimis und Biopics, sie himmeltraurige Teenie-Dramen. 

Wie das bei den drei Jüngeren entwickeln wird, will ich mir gar nicht ausmalen, denn schon heute bringen sie es nicht fertig, in friedlicher Eintracht mit glasigem Blick vor der Mattscheibe zu sitzen. Das Prinzchen liebt „Tim und Struppi“, der Zoowärter hasst sie und der FeuerwehrRitterRömerPirat mag sie nur, wenn sich gerade sonst nichts anbietet. Der Zoowärter liebt Pokémons, das Prinzchen hasst sie und der FeuerwehrRitterRömerPirat findet sie zwar lustig, zöge aber eigentlich „Puss in Boots“ vor. Manchmal möchte das Prinzchen aber auch Sport schauen, doch seine beiden Brüder würden nie und nimmer ihre kostbaren Fernsehminuten für so einen Mist opfern. Und dann erfrecht sich der FeuerwehrRitterRömerPirat gar hin und wieder, etwas sehen zu wollen, was erst ab zwölf freigegeben ist. 

Ich habe also die Wahl: Entweder, ich spiele jedes Mal die Mediatorin, um zwischen den verschiedenen Parteien zu vermitteln, oder ich gestatte getrennte Fernsehzeiten, damit jeder nach seiner Façon seine Zeit verschwenden glücklich werden kann. 

Darum kommt es mir vor, als lärme die Glotze bei uns schon fast so häufig wie bei Schwiegermama.

Na ja, immerhin sitzt bei uns jeweils einer da und schaut zu. Bei Schwiegermama plärrt das Gerät meistens ganz alleine vor sich hin. 

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Kann mir mal einer sagen,…

…weshalb Teenager ihre Handy-Wecker, die sie schon im Alltag mitten in der Nacht klingeln lassen, um sich noch einmal genüsslich im Bett umdrehen zu können, im Ferienhaus, wo die Wände so dünn sind, als existierten sie nicht, fröhlich weiter klingeln lassen müssen?

…wie man einem Kind beibringt, dass ein Pokéball nicht als Souvenir aus Schweden durchgehen kann, auch wenn es ein Exemplar ist, das in der Schweiz nicht, oder zumindest nicht zu diesem umwerfend tiefen Hammerpreis erhältlich ist?

…warum ein anderes Kind lieber mit dem „Tolino“ vor der Nase durch die Strassen stolpert, anstatt sich Göteborg anzuschauen?

…weshalb ich inzwischen in der Lage bin, das Wort „sjuksköterska“ korrekt auszusprechen, aber immer noch bei jeder Gelegenheit vergesse, artig „Nej, tack“ und „Ja, tack“ zu sagen, anstatt die Leute mit meinem knappen „Nej“ und „Ja“ vor den Kopf zu stossen?

…wie es kommt, dass sich unsere Knöpfe immer dann, wenn wir gemeinsam etwas unternehmen möchten, einander nicht ausstehen können und mitten im schönsten Museum Streit anfangen, nur um ein paar Stunden später, wenn wir die Nachtruhe herbeisehnen, in ungetrübter Eintracht ein kunstvolles Ballett auf unseren Nerven zu tanzen?

…warum dieses elende Radar-Messgerät, mit dem man sich im Museum messen lassen konnte, sich erfrecht hat, von meiner durch das Messband ermittelten „Grösse“ ganze 1,3 cm abzuziehen? (Dies erst noch vor den Augen meiner vier Söhne, die nun natürlich darüber rätseln, ob ich sie in all den Jahren bezüglich meiner „Grösse“ belogen habe, oder ob der Schrumpfprozess bei mir bereits eingesetzt hat. Und wem vertrauen die Herren Söhne? Ihrer Mama, die ihnen das Leben geschenkt hat? Nicht doch! Die glauben tatsächlich diesem Radar-Dings, denn das lag ja bei ihnen angeblich goldrichtig.)

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So nicht, kleiner Prinz

Mein lieber kleiner Prinz

Dass du dich vom Fussballfieber, das auf den Pausenhöfen grassiert, hast anstecken lassen, ist ein herber Schlag für mich. Würdest du bloss in der Freizeit mit deinen Freunden dem Ball nachrennen, wäre das zwar noch kein Problem für mich. Ob du nun mit dem Velo herumkurvst, oder das Tor zu treffen versuchst, ist mir einerlei. Hauptsache, du hängst nicht unmotiviert herum. Dass aber ausgerechnet du, der Liebhaber von klassischer Musik und antiken Denkmälern, erst den Marketing-Gurus von der Firma Panini auf den Leim gekrochen und dann dem Lockruf der Mattscheibe erlegen bist, will mir gar nicht gefallen.

Verzweifeln werde ich deswegen natürlich nicht gleich. Der FeuerwehrRitterRömerPirat schafft es ja auch irgendwie, sich brennend für Weltgeschichte zu interessieren und zugleich mit der Squadra Azzurra mitzufiebern. 

Wenn aber du, mein Jüngster, dich in deinem Fussballwahn an meiner Qualitätszeitung vergreifst, die in diesen Tagen leider auch nicht gänzlich ohne Bilder von verschwitzten Fussballern auskommt, geht mir das entschieden zu weit. Zumal du das Blatt nicht etwa sorgfältig von vorne bis hinten durchblätterst und dann, nach dem Ausschneiden deiner Heiligenbilder, wieder säuberlich gefaltet zurücklegst. In deiner Gier nach Bildern reisst du meine kostbare Lektüre in Fetzen. Vor dem Ausbruch des Fussballfiebers hättest du wenigstens noch den einen oder anderen Artikel im Wissensteil überflogen, aber jetzt zählen für dich nur noch Bälle, Tore und die Farben der Trikots. Lesbar ist meine Zeitung nach deinem Raubzug nicht mehr, dafür ist deine Zimmerwand vollgepflastert mit Zeitungsschnipseln. 

So etwas, mein Sohn, tut mir im Innersten weh und glaub bloss nicht, es mache für mich einen Unterschied, ob du mein Leibblatt wegen eines Italieners oder eines Schweden in Fetzen reisst. Wenn es um Fussball geht, lässt mich sogar Schweden kalt. 

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Aufsichtspflicht

Prinzchen hat sich mit zwei Freunden zum Spielen verabredet, der eine von beiden taucht mit seinem grossen Bruder im Schlepptau auf. Perfekt, denn so hat der Zoowärter auch einen Spielkameraden und muss Prinzchen nicht die Gäste abspenstig machen. Bald rennen alle zusammen lachend und schreiend ums Haus, wenig später stösst Prinzchens bester Freund dazu, der FeuerwehrRitterRömerPirat und sein bester Freund schliessen sich ebenfalls an, irgendwann saust einer von Zoowärters Freunden auf dem Trottinett herbei und beschliesst zu bleiben. Einer, der nicht so leicht Anschluss bei Gleichaltrigen findet, schliesst sich der Gruppe ebenfalls an, hin und wieder schauen gar ein paar Mädchen vorbei. Aus sicherer Distanz und mit der wachsamen Mama im Hintergrund beobachten zwei Kleinkinder das wilde Spiel der Grossen. Genau so war Kindheit früher auch. Genau so sollte sie auch heute noch sein, nicht wahr?

Aber klar doch. Der Haken ist nur, dass heute zwar alle dieses Idealbild der wilden, erwachsenenfreien Kindheit beschwören, gleichzeitig aber nicht damit leben können, dass diese Freiheit auch Gefahren mit sich bringt. 

Wenn sich also plötzlich der ganze Trupp um unser Haus versammelt, stimmt mich dies glücklich und unruhig zugleich. Die Verantwortung für die Horde liegt jetzt bei mir, das weiss ich ganz genau. Falls einem der lieben Kleinen im wilden Spiel ein Härchen gekrümmt wird, bin ich daran schuld und keiner wird fragen, ob das betreffende Kind bei uns eingeladen war, oder ob es dazugestossen und einfach geblieben ist. 

Ich habe also die Wahl: Alles stehen und liegen lassen und die wilde Horde diskret beaufsichtigen, damit sie nichts davon bemerken und sich trotzdem so frei fühlen, als wäre kein Erwachsener zugegen. Oder nur die Kinder dabehalten, deren Eltern mit ein paar Kratzern und Beulen leben können und den ganzen Rest nach Hause schicken. 

Irgendwie finde ich beides nicht so toll. 

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Kettenreaktion

 

Aggressiver Mitschüler bringt Zoowärter zum Heulen.

Heulender Zoowärter findet zu Hause keine Mama vor, der er sein Herz ausschütten könnte.

Nicht mehr heulender, aber innerlich noch immer aufgewühlter und verletzter Zoowärter geht mit Prinzchen spielen.

Prinzchen verhält sich gegenüber dem nicht mehr heulenden, aber weiterhin aufgewühlten und zutiefst verletzten Zoowärter gegenüber unfair.

Nicht mehr heulender, aber weiterhin aufgewühlter und zutiefst verletzter Zoowärter mag sich nicht zur Wehr setzen, was ihn noch tiefer verletzt.

Nicht mehr heulender, aber noch tiefer verletzter und aufgewühlter Zoowärter sitzt beim Abendessen neben dem Prinzchen, dessen unfaires Verhalten weder vergeben noch vergessen ist. 

Prinzchen hebt sein Glas zum Trinken an, was beim nicht mehr heulenden, aber noch immer tief verletzten und aufgewühlten Zoowärter den Eindruck erweckt, der kleine, für sein unfaires Verhalten bekannte Bruder, strecke ihm die Zunge raus.

Nicht mehr heulender, aber zutiefst verletzter und aufgewühlter Zoowärter sieht seine Chance gekommen, um dem kleinen Bruder die Unfairness heimzuzahlen und schlägt mit der Faust gegen das Glas.

Heulendes Prinzchen reibt sich das schmerzende Nasenbein, nicht mehr heulender und vordergründig auch nicht mehr zutiefst verletzter und aufgewühlter Zoowärter grinst für den Bruchteil einer Sekunde triumphierend, was den Zorn seiner Mutter, die von der ganzen Geschichte nur den Schlag gegen das Glas mitbekommen hat, hervorruft. 

Mütterliches Donnerwetter bricht über den natürlich bald schon wieder heulenden, noch tiefer verletzten und aufgewühlten Zoowärter herein. 

Ahnungsloser Nachbar klingelt ausgerechnet in diesem Moment an der Tür und bekommt eine sehr aufgebrachte Mama Venditti zu Gesicht.

Ahnungsloser Nachbar macht, dass er so schnell als möglich wieder aus diesem Irrenhaus verschwinden kann, sehr aufgebrachte Mama zitiert den wieder heulenden, jetzt abgrundtief verletzten und vor lauter Aufgewühltsein zitternden Zoowärter herbei, um ihm so richtig die Leviten zu lesen.

Heulender, jetzt abgrundtief verletzter und vor lauter Aufgewühltsein zitternder Zoowärter erklärt schluchzend, dass an allem nur der aggressive Mitschüler schuld ist, der nicht nur heute, sondern seit Wochen schon für Zoff auf dem Pausenhof sorgt.

Nicht mehr so aufgebrachte Mama Venditti entschuldigt sich beim Zoowärter für ihr Donnerwetter, nicht mehr heulender, jetzt auch nicht mehr ganz so verletzter und nur noch leicht zitternder Zoowärter entschuldigt sich beim Prinzchen für den brutalen Schlag gegen das Glas, auch nicht mehr heulendes aber noch immer vom Schmerz gezeichnetes Prinzchen entschuldigt sich beim Zoowärter für seine Unfairness.

Müsste sich eigentlich nur noch der aggressive Mitschüler, der die ganze Chose ins Rollen gebracht hat, beim Zoowärter entschuldigen, aber diese Entschuldigung zu bekommen, könnte etwas schwieriger werden. 

(Und mit dem Nachbarn müssen wir vielleicht ein Warnsignal vereinbaren, damit er weiss, wann er an unserer Türe klingeln kann, ohne von einem Familienkrach überrollt zu werden.)

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Alters…. äääh… Familienausflug

Das Prinzchen möchte die Welt im Sturm erobern und versteht darum beim besten Willen nicht, weshalb die anderen nicht endlich vorwärts machen. Ausserdem will er ganz dringend ein Taschenmesser haben, auch wenn das Taschengeld schon längst aufgebraucht ist, was natürlich ganz schrecklich unfair ist.

Der Zoowärter möchte die Welt eigentlich auch im Sturm erobern, kann das aber nicht, weil sein Bauch – oder, wie sich inzwischen zeigt, wohl eher seine Hüfte – nicht mitmacht und darum ist er genervt, weil alle anderen so schnell sind. Ausserdem hat er Hunger und wenn er Hunger hat, ist er reizbar. Sehr reizbar.

Der FeuerwehrRitterRömerPirat ist rundum zufrieden mit dem Programm, das wir bieten. Zu seinem Glück fehlt ihm nur noch ein neues Taschenmesser und weil er nicht nur mehr bekommt als das Prinzchen, sondern in letzter Zeit auch brav gespart hat, könnte er sich seinen Traum auf der Stelle verwirklichen. Wenn denn der Papa endlich mit ihm ins Geschäft käme, anstatt sich um alle anderen zu kümmern.

Luise wäre eigentlich lieber nicht dabei, aber weil sie gerade nichts Besseres zu tun hat und wir Kleinkarierten darauf bestanden haben, dass sie mitkommt, hat sie keine andere Wahl. Mit Karlsson ist es ja noch ganz witzig, mit den Eltern geht’s auch so halbwegs, aber die kleinen Geschwister nerven. Irgendwann tut auch noch der Kopf weh und damit wird der Nachmittag zur Qual.

Karlsson ist – wie fast immer – mit sich selber und der Welt, die ihn umgibt, im Reinen. Das Programm haut ihn zwar nicht gerade aus den Socken, aber einer wie Karlsson findet überall etwas, worüber er sich freuen kann. Nun ja, die kleinen Geschwister dürften schon etwas kooperativer sein…

Nachdem wir diesen Trupp fünf Stunden lang bei fast schon sommerlicher Wärme durch das von Touristen überlaufene Luzern geführt haben, sind „Meiner“ und ich so geschafft, dass wir uns fragen, ob man sowas noch Familienausflug nennen kann. Irgendwie hat es sich angefühlt, als wären wir mit einer Gruppe Senioren unterwegs…

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Wenn ich mich daran erinnere,…

…könnte ich noch heute im Boden versinken vor lauter Scham. (Nach der Lektüre versteht ihr bestimmt, weshalb ich heute ausnahmsweise sogar auf die Decknamen unserer Kinder verzichte.)

Da war zuerst einmal die Episode mit dem Nachbarskind, das sich so ganz alleine mit seiner Mama manchmal sehr einsam fühlte und darum gerne zu uns zum Spielen kam. Vordergründig lief alles ganz gut, doch als sich die Kinder mal unbeobachtet fühlten, hörte ich, wie eines der unseren gönnerhaft meinte: „Ach weisst du, Carmen, wir wissen eben, wie man das macht, aber du hast davon keine Ahnung, denn du bist halt ein Einzelkind.“

Leider war dies nicht die einzige peinliche Begegnung, die diese Familie mit uns hatte. Einmal war unsere ganze Horde zu Carmens Geburtstagsparty eingeladen. Die Mutter, eine ausgesprochen herzliche und sehr füllige Frau, scheute keinen Aufwand, unsere Kinder zu verwöhnen. Und wie dankten sie es ihr? Indem eines von ihnen in ihrer Anwesenheit laut vernehmlich fragte: „Mama, warum hat Carmens Mutter eigentlich immer so riesige Kleider an? Weil sie so dick ist?“

Aber natürlich verstanden es unsere Kinder auch bei anderen Gelegenheiten, mich blöd dastehen zu lassen. Einmal zum Beispiel bei einem Untersuch. Die Ärztin bat einen unserer Söhne – damals etwa sechs Jahre alt – seine Hose auszuziehen. Der Junge zögerte ungewöhnlich lange. Ob er die Anweisung nicht gehört hatte? Ich wiederholte, was die Ärztin gesagt hatte, doch mein Sohn machte weiterhin keine Anstalten, zu tun, wozu man ihn aufgefordert hatte. Als sich die Aufforderung nicht mehr länger ignorieren liess, erklärte er, was sein Problem war: „Ich kann meine Hose nicht ausziehen, denn ich habe vergessen, eine Unterhose anzuziehen.“ (Na ja, immerhin war er frisch gebadet.)

Und dann war da noch die Sache mit dem Kind, das zu seiner Lehrerin sagte: „Meine Mutter könnte das in der Hälfte der Zeit und erst noch besser erklären.“

Der absolute Tiefpunkt aber war der Abend, an dem Windpocken, ein wunder Po und eine Magen-Darm-Grippe einen Zweijärigen dazu brachten… Ach nein, ich glaube, die Geschichte erspare ich euch. Die war nämlich nicht nur peinlich, sondern auch furchtbar eklig. 

  

So schlimm sind sie gar nicht, die kleinen Monster

Hört man sich ein wenig um, wie die Kinder von heute so sind, könnte man glauben, sie seien allesamt gefühllose, verwöhnte Monster, die beim Spielen sinnentleerter Games allmählich verblöden und nichts als Konsum und Mobbing im Kopf haben. Natürlich gibt manche, die sich in diese Richtung bewegen, ein paar Beispiele aus dem Leben unserer Kinder lassen aber auch vermuten, dass es ganz so schlimm nicht sein kann mit der heutigen Jugend:

  • Prinzchen und seine Schulfreunde liegen sich derzeit in den Haaren, weil jeder behauptet, er sei als einziger in der Lage, an einem Tag ein ganzes Buch zu verschlingen, was die anderen natürlich nicht glauben wollen. Wenn sie fertig gestritten haben, versuchen sie, einander gegenseitig mit ihrem grossen Allgemeinwissen zu übertrumpfen. Natürlich ist das nicht besonders nett, aber allzu verblödet kommen mir diese Erstklässler nicht vor.
  • Seitdem der Zoowärter mit seinen Bauchschmerzen zu Hause ist, klingelt es öfter mal um die Mittagszeit an unserer Tür. Kinder, von denen ich teilweise nicht mal den Namen kenne, weil sie noch nie zum Spielen bei uns waren, fragen mich, wie es ihm denn geht, ob sie ihn mal besuchen dürfen und wann er endlich wieder zur Schule komme, es sei so langweilig ohne ihn. Schafft er es mal, für ein paar Stunden den Unterricht zu besuchen, jubeln seine Freunde, das sei der schönste Tag der Woche. Zwei oder drei Mädchen – in diesem Alter ja nicht gerade interessiert an doofen Jungs – liessen sich sogar dazu hinreissen, den Brief, den sie ihm alle zusammen geschrieben haben, mit Herzchen zu unterschreiben. Alles andere als gefühllos also, diese Knöpfe.
  • Der FeuerwehrRitterRömerPirat, an dem Luise seit einiger Zeit kaum ein gutes Haar lässt, bastelt im Werkunterricht für seine Schwester in liebevoller Kleinarbeit ein schillerndes Osterei, das er ihr als verspätetes Geburtstagsgeschenk überreicht. So schön ist es geworden, dass sie gar nicht anders kann als zu erkennen, wie sehr der nervige jüngere Bruder sie insgeheim mag. Sie haben eben doch ein Herz, diese kleinen Monster.
  • Luise ist im Moment eigentlich alles andere als gut zu sprechen auf die zwei Menschen, die sie gezeugt haben. Dennoch sind wir ihr ganz und gar nicht egal. „Ich sehe doch, dass du traurig bist, also sag nicht, es sei nichts, wenn ich dich frage, was los ist“, raunzte sie neulich und brachte mich dazu, ihr, die ja laut der gängigen Meinung über die Jugend von heute nur an ihrem Smartphone und der neuesten Jeans interessiert sein dürfte, mein Leid zu klagen. (Okay, ich geb’s zu, ich musste mich ganz schön kurz fassen zwischen all den Nachrichten, die in der Zeit auf ihrem Handy eingegangen sind, aber sie hat mir tatsächlich zugehört.)
  • Die Jugendlichen, die gelegentlich bei uns ins Haus kommen, um mit Karlsson an Schulprojekten zu arbeiten, sind so anständig, nett und fleissig, dass ich mich in ihrer Gegenwart wie ein vergammelter Hippie fühle, der ganz dringend sein Leben in den Griff kriegen und seine Höhle aufräumen müsste. (Bis jetzt ist es mir zum Glück noch gelungen, sie mit Selbstgebackenem daran zu hindern, mir das Sozialamt auf den Hals zu hetzen.)

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