Wunschlos

Karlsson wünschte sich zu Weihnachten einen Kurzurlaub mit Mama oder Papa, weil sein Zimmer vor lauter Antiquitäten und Nippes aus allen Nähten platzt und somit kein Raum für neue Wünsche mehr da ist. (Wer von uns mitkommen wollte, durften wir wählen. „Ich will nicht selber entscheiden, sonst meint derjenige, der zu Hause bleibt, ich hätte ihn weniger lieb.“ Im Nachhinein gestand er mir allerdings, er sei froh, dass ich zu Hause geblieben sei.“Mit dir kommt man einfach nicht weit“, sagte er. „Du willst immer noch kurz ein Päuschen einlegen, weil dir die Füsse weh tun, oder weil du den Moment geniessen willst oder so.“)

Der Zoowärter weiss auch eine Woche vor seinem sechsten Geburtstag noch nicht, was er sich wünschen soll. Er, der sonst immer einen unerfüllten Wunsch auf Lager hat, scheint zum ersten Mal in seinem Leben vollkommen „ausgewünscht“ zu sein.

Luise verkündete neulich, auch sie hätte keine Ahnung, was sie sich zum Geburtstag wünschen solle. „Ich habe ja schon alles“, erklärte sie und es klang nicht im Geringsten nach „Ich sage das jetzt nur, damit Mama und Papa von meiner Vernunft beeindruckt sind.“

Der FeuerwehrRitterRömerPirat hat zwar grosse Wünsche, freut sich dann aber doch am meisten über die kleinen Dinge. Das Prinzchen ebenso.

Ich bin leicht verwirrt ob der plötzlichen Wunschlosigkeit unserer Kinder. So kannte ich sie bis anhin gar nicht. Ob dies mal wieder eine der berühmten Phasen ist, die sie ausnahmsweise mal alle gleichzeitig durchmachen? Sind sie auf irgend einem sonderbaren Trip, so wie ich damals, als ich mich standhaft weigerte, Hosen anzuziehen und dies zehn Jahre lang?

Besteht am Ende tatsächlich die Hoffnung, dass die heranwachsende Generation erkennt, wie sehr das Materielle überbewertet wird? Auch wenn ich wünschte, dies wäre der Grund für die plötzliche Bescheidenheit der fünf kleinen Vendittis, so wage ich doch nicht, dies zu glauben. Es ist ja wohl bloss ein Wunschtraum, dass „die heutige Jugend“ klüger und vernünftiger sein könnte als ihre Eltern. Oder vielleicht doch nicht?

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Erosion

Gestern bei der Dentalhygienikerin erfuhr ich, dass ich an Zahnerosion leide. „Eigenartig“, dachte ich. „Bis jetzt hiess es immer, wenn alle Leute Zähne hätten wie ich, wären die Zahnärzte arbeitslos und jetzt sollen die Dinger auf einmal erodieren. Aber was soll’s, meine Zähne werden auch nicht jünger.“ Ich hätte wohl zu viel Salat und Obst gegessen, meinte die Dentalhygienikerin und ich errötete, weil es ja wirklich stimmt, dass ich es einfach nicht schaffe, meine Finger von saftigen Pfirsichen und frischen Himbeeren zu lassen, obschon ich weiss, wie ungesund das Zeug ist. Oder bringe ich da etwas durcheinander? Nun, wie dem auch sei, die Dentalhygienikerin wusste, was zu tun ist. „Kennst du diese neue Zahnpaste gegen Zahnerosion schon?“, fragte sie und griff ins Regal mit den Gratismustern. „Das ist wirklich das Beste, was es derzeit auf dem Markt gibt. Ich geb dir doch gleich ein paar Tuben mit. Und Zahnspülung kannst du auch noch mitnehmen.“

Kaum zu Hause, probierte ich das scheusslich schmeckende Zeug aus. Beim Schrubben meiner Zähne las ich, was auf der Verpackung steht. Rund ein Drittel aller Schweizer würden an Zahnerosion leiden und darum sei es enorm wichtig, dass man die Zähne regelmässig mit dieser brandneuen Paste reinige, heisst es da. Wie gut, dass meine Dentalhygienikerin mich rechtzeitig gewarnt hat, bevor auch meine Zähne Opfer dieser neuen Volkskrankheit werden.

Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob die Zahnpaste erfunden wurde, um die neue Volkskrankheit Zahnerosion zu bekämpfen, oder ob die Zahnerosion erfunden wurde, um eine neue Zahnpaste unters Volk zu bringen.

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Hach, wie rührend

Altern ist neuerdings sexy, haben wir erfahren. Man schickt jetzt gerne weisshaarige Models auf den Laufsteg, fast so klapprig wie die Jungen, aber mit einigen Falten im Gesicht. Der gerührte Betrachter denkt, wie nett es doch ist, dass die Alten nicht mehr aus der Welt der Schönen ausgeschlossen sind. Und der Verkäufer reibt sich die Hände. Ans Portemonnaie der alternden Babyboomers kommt man offenbar am besten ran, indem man ihnen das Gefühl gibt, begehrenswert zu sein.

Was auf dem Laufsteg in ist, flattert schon bald einmal via Katalog ins Haus: Hinreissende ältere Damen, entspannt und elegant. Modische Kleidung, die langen, schlanken Beine frei von Krampfadern, das schlohweisse Haar lang und gepflegt, keine Altersflecken, die Falten eindeutig nur vom Lachen, ganz bestimmt nicht vom Weinen.

Hach, wie muss das Alter schön sein!
Hach, wie ist es bitter, dass nun auch die Siebzigjährigen beim Blick in den Spiegel erkennen müssen, dass sie dem Schönheitsideal nicht genügen!

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Schluss mit der Sklaventreiberei!

Mein neuer Mixer hat seinen Job geschmissen, noch bevor die Probezeit um war. „Im Arbeitsvertrag stand nichts davon, dass ich auch Erdnussbutter herstellen soll. Smoothies ja, Bohnenmus geht auch noch und mit einer Handvoll Mandeln muss man in meinem Job wohl oder übel klarkommen. Aber Erdnussbutter? Das ist pure Ausbeuterei, da mache ich nicht mit.“ Sprach’s, gab ein letztes stinkendes Rauchwölkchen von sich und tat keinen Wank mehr.

Die Mixer-Accessoires starrten mich entsetzt an. „Was soll nun aus uns werden?“, fragte der Milchschäumer konsterniert. „Ich war ein einziges Mal im Einsatz und jetzt streikt der Kerl. Wie soll ich je zu meiner Höchstform auflaufen, wenn da keiner mehr ist, der mir Schwung verleiht?“ „Du hast gut reden“, warf der Schneebesen ein. Täuschte ich mich, oder klang seine Stimme leicht verbittert? „Dich hat sie immerhin schon ausprobiert. Den Pürierstab und mich hat sie noch nicht mal gewaschen, weil sie uns noch gar nicht gebraucht hat.“ „Na, glaubst du denn, mich hätte sie vor Gebrauch gewaschen? Danach schon, aber vorher? Bestimmt nicht. Die hält sich doch nie an die Anweisungen, die in der Anleitung stehen.“ „Nun verliert euch nicht in Detaildiskussionen“, meldete sich die Reibe zu Wort. „Tatsache ist, dass wir alle noch keine Chance hatten, unser wahres Können zu beweisen und das nur, weil unser Motor ein Weichei ist. Das bisschen Erdnussbutter hätte ich mit links geschafft…“ „Was kann denn der Motor dafür, wenn in dieser Küche schlechte Arbeitsbedingungen herrschen? Es geht doch einfach nicht an, dass wir schon während der Probezeit so hart an unsere Grenzen getrieben werden. Sklaverei ist das, glaubt mir, das müssen wir der Gewerkschaft melden“, ereiferte sich der Pürierstab.

„Nun beruhigt euch doch“, schaltete ich mich ins Gespräch ein. „Es tut mir ja aufrichtig Leid, dass ich euch überfordert habe. In Zukunft müsst ihr keinen Erdnussbutter mehr herstellen, versprochen.“ „Zukunft? Welche Zukunft denn? Ohne Motor haben wir keine Zukunft mehr“, unterbrach mich der Schneebesen und diesmal war ich mir sicher, dass Verbitterung in seiner Stimme mitschwang. „Aber natürlich habt ihr eine Zukunft. Ich habe mich bereits mit der Stellenvermittlung in Verbindung gesetzt. Der Ersatzmotor ist kostet zwar mehr als ich für euch alle zusammen bezahlt habe, aber das seid ihr mir Wert. Ich werde euch doch nicht entlassen, bevor ihr richtig angefangen habt mit eurer Arbeit. Die Dame bei der Stellenvermittlung hat mir zwar genau dies empfohlen, aber wo kämen wir denn hin, wenn wir immer alles wegschmeissen würden…“

Die Mixer-Accesoires gaben einen kollektiven Seufzer der Erleichterung von sich und der Schneebesen meinte: „Vielleicht bist du doch nicht so übel, wie ich zuerst gedacht hatte. Aber ich verlange, dass du uns einen neuen Arbeitsvertrag ausstellst. Keine Erdnussbutter mehr, keine Einsätze nach elf Uhr abends und keine Bevorzugung von einzelnen Teammitgliedern. Ist das klar?“

Ich nickte brav, organisierte den Ersatzmotor und erblasste, als ich heute Morgen die Rechnung dafür im Briefkasten fand. Es hätte mich tatsächlich etwa gleich viel gekostet, wenn ich die fabrikneuen Überreste meiner Maschine entsorgt und eine neue fabrikneue Maschine gekauft hätte. Aber wie hätte ich es denn übers Herz bringen sollen, Schneebesen & Co. ungebraucht im Abfall verschwinden zu lassen?

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Bilanz nach vier Tagen Strasbourg

  • Strasbourg ist wunderschön.
  • In Frankreich gibt es eine überwältigende Auswahl an unglaublich coolen,  schönen und sinnvollen Küchengadgets.
  • Auch wenn mir der Konsumwahn immer mehr zu schaffen macht,  wenn ich eine überwältigende Auswahl an unglaublich coolen,  schönen und sinnvollen Küchengadgets vor mir habe,  bringe ich es nicht fertig,  zu widerstehen.
  • Wenn der Euro für uns Schweizer so billig zu haben ist,  ist das seeeeeehr gefährlich für unser Familienbudget.
  • Unsere Kinder mögen kein Pain au Chocolat. Als ich in ihrem Alter war,  hätte ich für einen Bissen Pain au Chocolat mein letztes Hemd hergegeben. 
  • Die Franzosen mögen unsere Kinder nicht. Ob das damit zusammenhängt,  dass unsere Kinder kein Pain au Chocolat mögen,  oder ob es für diese Abneigung einen anderen Grund gibt,  weiss ich nicht. Tatsache ist,  dass unsere Kinder noch nie so oft vollkommen grundlos von wildfremden Personen ermahnt worden sind. Für grundlose Ermahnungen sind gewöhnlich wir Eltern zuständig und ich bin zutiefst beleidigt,  wenn ein anderer meine Aufgabe an sich reisst. Zumal die Ermahnungen wirklich grundlos waren.
  • Muss das Prinzchen ein paar Tage ohne seine Milch auskommen,  isst er plötzlich mit grossem Genuss Chicken Korma,  Madras Reis,  Samosas,  Mint Raita und sogar rohe Tomaten. Ich Rabenmutter hatte stets behauptet,  das Kind sei heikel,  dabei war es einfach pappsatt von der vielen Milch,  die es gewöhnlich in sich hineinschüttet. 
  • Luise gefällt es in Prag besser als in Strasbourg. Hat sie mir nur ca. 127 mal gesagt in diesen vier Tagen.
  • Babybel gibt es in verschiedenen Farben,  die für verschiedene Geschmacksrichtungen stehen. Während der Farbunterschied relativ einfach festzustellen ist,  versuche ich weiterhin herauszufinden,  wo sich der Geschmacksunterschied versteckt hat.
  • Während es die Franzosen problemlos fertigbringen,  bequeme Zugabteile für acht Personen zu bauen,  bringt die Deutsche Bahn auf einer ähnlich grossen Fläche gerade mal sechs Personen unter. 
  • Der Zoowärter scheint ein Ohr für die Französische Sprache zu haben. 
  • Karlsson und Luise scheinen derzeit ein Ohr für all jene Wörter zu haben,  die in ihrem Wortschatz nichts verloren haben. 
  • Egal wie perfekt ein Hotel sein mag,  auf TripAdvisor findet sich immer einer,  der eine schlechte Bewertung abgibt. Vielleicht,  weil ihm die Farbe des Teppichs nicht gepasst hat,  oder weil die Blumen an der Reception etwas welk waren. Hauptsache,  man kann sich über etwas beklagen.
  • Wenn ich „Meinem“ lange genug nichts schenke,  dann freut er sich auch, wenn er von mir einen Regenschirm bekommt. Nun gut,  der Regenschirm war ein Designstück…
  • Wenn man mit einer Europa-Fahne im Gepäck in die Schweiz reist,  lassen sie einen dennoch über die Grenze. Der FeuerwehrRitterRömerPirat hat’s getestet. Es gibt keinen Detektor,  der das Reisegepäck nach Europäischer Propaganda durchleuchtet.
  • Egal,  ob man lange oder kurz weg war,  wieder nach Hause zu kommen ist jedes Mal gleich schwierig. 

Ertappt

Momentan lese ich ein äusserst sozialkritisches Buch, in welchem unter anderem hart mit den Supermärkten ins Gericht gegangen wird, die lieber Lebensmittel für die Mülltonne produzieren, als den Konsumenten drei Sekunden vor Ladenschluss ein leeres Brotregal zuzumuten. Das Buch ist packend geschrieben und bringt mit treffenden Worten auf den Punkt, was ich für richtig halte, aber nicht zu formulieren vermag, weil mir in solchen Dingen die Gedanken wirr durch den Kopf schwirren und sich dagegen sträuben, sich von mir in Thesen, Grundsätze und Leitgedanken fassen zu lassen. Gut also, dass es Menschen gibt, die das Talent besitzen, solche Dinge so zu formulieren, dass ich nach jedem zweiten Satz seufze „Genau so ist es doch!“ oder „Wie Recht sie hat. Warum sehen das bloss nicht alle ein?“ Endlich jemand, der den Menschen klipp und klar sagt, dass es absoluter Unsinn ist, zu jeder Tageszeit das volle Sortiment zu erwarten.

Ja, und dann schickte heute „Meiner“ den FeuerwehrRitterRömerPiraten zwanzig Minuten vor Ladenschluss in die Bäckerei um Brot zu holen. Unser Sohn kam mit einer einzigen Baguette zurück. Auf der Verpackung klebte eine Botschaft der Bäckerin:

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Und was sagte Mama Venditti, als sie den Zettel sah? „Himmel nochmal, soll das eine Bäckerei sein? Wenn die so weitermachen, kaufen wir nicht mehr bei denen ein.“ Tja, und jetzt ist es mir ein wenig peinlich, dass ich mich mal wieder dabei ertappt habe, wie ich mich für eine Wasserpredigt begeistere und Wein trinken will, wann immer mir gerade danach steht.

Ertappt

Momentan lese ich ein äusserst sozialkritisches Buch, in welchem unter anderem hart mit den Supermärkten ins Gericht gegangen wird, die lieber Lebensmittel für die Mülltonne produzieren, als den Konsumenten drei Sekunden vor Ladenschluss ein leeres Brotregal zuzumuten. Das Buch ist packend geschrieben und bringt mit treffenden Worten auf den Punkt, was ich für richtig halte, aber nicht zu formulieren vermag, weil mir in solchen Dingen die Gedanken wirr durch den Kopf schwirren und sich dagegen sträuben, sich von mir in Thesen, Grundsätze und Leitgedanken fassen zu lassen. Gut also, dass es Menschen gibt, die das Talent besitzen, solche Dinge so zu formulieren, dass ich nach jedem zweiten Satz seufze „Genau so ist es doch!“ oder „Wie Recht sie hat. Warum sehen das bloss nicht alle ein?“ Endlich jemand, der den Menschen klipp und klar sagt, dass es absoluter Unsinn ist, zu jeder Tageszeit das volle Sortiment zu erwarten.

Ja, und dann schickte heute „Meiner“ den FeuerwehrRitterRömerPiraten zwanzig Minuten vor Ladenschluss in die Bäckerei um Brot zu holen. Unser Sohn kam mit einer einzigen Baguette zurück. Auf der Verpackung klebte eine Botschaft der Bäckerin:

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Und was sagte Mama Venditti, als sie den Zettel sah? „Himmel nochmal, soll das eine Bäckerei sein? Wenn die so weitermachen, kaufen wir nicht mehr bei denen ein.“ Tja, und jetzt ist es mir ein wenig peinlich, dass ich mich mal wieder dabei ertappt habe, wie ich Wasser predige und Wein trinken will, wann immer mir gerade danach steht.

Inkonsequent

Am Vormittag bei der Zeitungslektüre ärgere ich mich über die Schweizer, die ihre Weihnachtsgeschenke im benachbarten Ausland einkaufen und damit Arbeitsplätze in der Schweiz gefährden. Ich rege mich auf über die SBB, die diesen Irrsinn auch noch mit Extrazügen unterstützen. Wie kann man bloss? Wir würden so etwas nie tun.

Doch was tun wir am Abend des gleichen Tages? Wir buchen eine Woche Skiferien in Österreich, weil es dort zur Unterkunft gleich noch den Skikurs, Bergbahnbillett und die Ausrüstung für die Kinder gibt. Weil man dort auch mit fünf Kindern eine bezahlbare Unterkunft findet, was hierzulande zwar nicht unmöglich, aber doch nicht ganz einfach ist. Weil wir uns Skiferien in der Schweiz nur schwerlich leisten könnten und unsere Kinder allmählich Skifahren lernen sollten, da schon bald das erste Skilager auf dem Programm steht. Ich persönlich tue das auch, weil mir Wintersport so unwichtig ist, dass ich das Geld lieber für Dinge ausgebe, die mir mehr am Herzen liegen.

Alles mehr oder weniger ehrenwerte Gründe und doch kann man uns zu Recht vorwerfen, dass wir genau das Gleiche tun wie jene, über die ich mich bei der morgendlichen Zeitungslektüre so sehr geärgert hatte.

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Prävention oder so

Die Frage, die mich heute umtreibt: Wie ernst kann man eine erwachsene Frau nehmen, die sich zum Mittagessen mit ihren Arbeitskollegen ein Happy Meal bestellt und zuerst das Spielzeug auspackt? Nun mag man sich natürlich fragen, wie ich als gesundheitsbewusste Mutter, die ihren Kindern auch eine Art ökologisches Bewusstsein einpflanzen möchte, überhaupt dazu komme, eine solche Beobachtung zu machen. Und da muss ich gestehen, dass „Meiner“ und ich heute dem Prinzchen zuliebe unser allwöchentliches fast-kinderloses Mittagessen bei McDonald’s eingenommen haben. Verwerflich aber dennoch  Teil unseres pädagogischen Konzepts, wenn wir denn je eines niedergeschrieben hätten. 

Es ist nämlich so, dass wir ziemlich überzeugt sind davon, dass alles, was verboten ist, umso reizvoller wird für die Kinder und dass sie eine Sache bald einmal uninteressant finden, wenn man nicht allzu viel Geschrei darum macht. Bei Luise und Karlsson hat das ganz gut funktioniert, nicht nur bei Fast Food. Auch Barbie haben wir so mehr oder weniger schadlos überstanden und ich hoffe, dass wir es dereinst beim Alkohol ähnlich werden handhaben können. Nicht verteufeln, aber klar aufzeigen, weshalb man nicht einfach bedenken- und grenzenlos dazu ja sagen kann. Natürlich dürfen solche erziehungsbedingten (Fast Food-)Eskapaden nicht allzu oft vorkommen, denn sonst besteht die Gefahr der Gewöhnung und das wollen wir natürlich auf gar keinen Fall. 

Nun gut, mir ist natürlich auch bewusst, dass dieser Grundsatz spätestens dann versagt, wenn es um Dinge wie Kokain und dergleichen geht und man kann mir auch jetzt schon vorwerfen, dass mein Verhalten nicht ganz konsequent ist. Aber nachdem ich sehr viele Jugendliche gekannt habe, die vor lauter Verboten erst recht über die Stränge geschlagen haben, sehe ich nicht allzu viele andere Wege, mit dem Problem von wollen und besser nicht sollen umzugehen. Am Ende verfolge ich doch nur das Ziel, dass die Kinder den faulen Zauber von Happy Meal & Co. durchschaut haben werden, bevor sie erwachsen sind. Denn die Frage, ob man einen erwachsenen Menschen, der sich zum Mittagessen ein Happy Meal bestellt und zuerst das Spielzeug auspackt, muss ich eindeutig mit Nein beantworten. 

Das heilige Buch

Seit gut zwei Wochen ist die Neuauflage des heiligen Buches zu haben. Ein kleines Oeuvre nur, gedruckt auf dünnem Papier, deutlich mehr Bild als Text und das, was da geschrieben steht ist noch nicht mal besonders tiefgründig. Erhältlich ist das begehrte Stück am Ausgang jeder Migros-Filiale. Also eindeutig ein Produkt für die Massen, ohne jede Chance auf den Literatur-Nobelpreis.

Dennoch wird wohl kaum ein Werk so eifrig studiert wie dieses. Vor allem die Drei- bis Siebenjährigen legen es kaum mehr aus der Hand. Man erzählt von überdurchschnittlich intelligenten Vierjährigen, die im Schlaf auswendig daraus rezitieren. Und dann erst die Kritiken, einfach unglaublich. „Dieser Dino hier ist der Schönste, den ich je gesehen habe! Und schau dir nur diese Ritterburg an. Soooooo coooool! Wow, der Bagger hier ist der Hammer…“ Wenn sie mal angefangen haben mit Loben, dann können sie gar nicht mehr aufhören damit. Gute Literatur verleitet bekanntlich auch zum Träumen und so heisst es bald einmal „Diesen Teddy will ich unbedingt haben und die Legos wünsche ich mir auch und dann natürlich noch das Riesenpuzzle und das Piratenkostüm…“

Natürlich ruft dies sogleich die Miesepeter auf den Plan. Menschen, die auch im heiligsten aller Bücher Fehler ausfindig machen müssen. „Aber die Puppe ist doch vollkommen überteuert“, kritisieren sie. „Findest du dieses Monster nicht auch fürchterlich geschmacklos“, mäkeln sie. Und dann, zum Schluss ihres üblen Verrisses, das vernichtende Gesamturteil: „Was willst du mit all dem Mist bloss anfangen?P Und hast du dich überhaupt schon mal gefragt, wer das alles bezahlen soll?“

Ein wahrer Liebhaber lässt sich dadurch die Freude am heiligen Buch nicht nehmen. Im Gegenteil, er läuft zur Hochform auf und gerät so sehr ins Schwärmen, bis die Kritiker kleinlaut zugeben müssen:“Ja, diese Holzeisenbahn ist tatsächlich ganz toll. Lass mich mal sehen, wie viel sie kostet…“

Die Kritiker lassen sich also meist rumkriegen. Richtig schlimm aber sind jene, die den Glauben an das heilige Buch verloren haben. Es sind diejenigen, die vor wenigen Jahren noch ebenso ehrfürchtig über dem Werk gebrütet hatten, die nun aber nur noch Hohn und Spott übrig haben dafür. „Sieh dir mal diesen Bob de Soumaa an! Soooooo peinlich. Und dann erst die hässlichen Barbies. Früher fand ich die ja noch schön, aber jetzt…“

Auch damit könnten die Liebhaber des heiligen Buches wohl noch klar kommen, aber wenn einer der vom Glauben abgefallenen zur Schere greift und die bunten Bilder zu einer absurden Collage zusammenfügt, dann ist das des Guten zuviel. Dann gibt’s nur noch eins: Ab in die nächste Migros-Filiale, um sich ein neues Geschenkebuch zu holen. Wie soll man denn ohne der Mama und dem Papa beibringen, was sie unter den Tannenbaum legen sollen?