Kompliment

Das muss man sich mal vorstellen. Ich, 

… die Frau, die täglich maximal drei Minuten vor dem Spiegel steht,

… die morgens ihre knallbunten Kleider ziemlich wahllos aus dem Schrank zerrt,

… die vorzugsweise online shoppt, weil sie es in Kleiderläden keine fünf Minuten aushält, ohne nervös zu werden,

… die zwar nichts dagegen hat, sich hübsch anzuziehen, aber im Grossen und Ganzen auf Mode pfeift,

… die von ihrer Tochter immer und immer wieder zu hören bekommt, sie sei zwar ein netter Mensch, aber ihr Stil sei zum Davonlaufen, 

… ich also wurde heute von eben dieser Tochter gefragt: „Leihst du mir mal deine neue Jacke? Die ist sooooooooo schön.“

Dass ich den Tag noch erlebe, an dem ich fürchten muss, meine ausgesprochen modebewusste Tochter würde mir mein Lieblingsstück aus dem Schrank klauen, habe ich mir bisher in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Bisher hat sie sich nur an meinen Sachen vergriffen, wenn sie beim Verkleiden möglichst lächerlich aussehen wollte.

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Fiktives Gespräch mit Z.

Ich: „Ääääh, guten Tag, ich hätte gern ein Paar Schuhe…“

Z: „Für Damen, Herren, Mädchen oder Jungs? Grösse? Designer? Preis? Vielleicht noch ein paar passende Accessoires daz…“

Ich: „Halt, nicht so schnell! Lassen Sie mich erst mal überlegen. Also…es müssten Damenschuhe sein…“

Z: „Schnürschuhe? Halbschuhe? Ballerinas? Gummistiefel? Winterstiefel? Sneak…“

Ich: „Nicht so schnell, hab‘ ich gesagt. Ich hab’s ja gewusst, dass das keine gute Idee war, bei Ihnen vorbeizuschauen…“

Z (völlig unbeirrt durch meinen Einwand): „…ers? Wanderschuhe? High Heels?…“

Ich: „Also, ich hätte gern ein Paar Schnürschuhe und zwar farbige, wenn möglich in Pink oder Violett. Grün oder gelb wäre auch ganz schön…“

Z: „Tjaaaaa, da hätten wir etwas in Nachtblau….“

Ich: „Nachtblau ist mir nicht farbig genug.“

Z: „…oder in Schwarzviolett….“

Ich: „Da könnte ich ebenso gut schwarz nehmen. Viel zu dunkel….“

Z: „Schwarzbraun hätten wir auch noch…“

Ich: „Ich muss Sie doch bitten! Das nennen Sie farbig? Himmel, ich will etwas Buntes für den grauen Winter. Verstehen Sie? B-U-N-T!“

Z: „Na ja, da hätten wir noch ein Modell in Zartrosa…“

Ich: „Das nenne ich nicht Zartrosa, das nenne ich leicht schmutziges Weiss…“

Z: „…und hier ein bunt-geblümtes Öko-Modell, echtes Leder, sorgfältigste Verarbeitung…“

Ich: „Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Am Preis müssten wir allerdings noch arbeiten. Ich schwimme ja nicht im Geld. Zeigen Sie mir doch noch ein paar ähnliche Modelle.“

Z: „Wie jetzt, ähnliche Modelle? Das ist das Bunteste, was wir haben. Wissen Sie, die modebewusste Frau trägt vorzugsweise schwarz oder braun…“

Ich: „Himmel, ich bin nicht modebewusst, ich bin farbenbewusst und da Sie von sich selber behaupten, Sie würden die Frauen dazu bringen, vor Glück zu schreien, hätte ich erwartet, dass Sie auch einer wie mir etwas zu bieten hätten.“

Z (spitz): „Tja, wenn Sie das nötige Kleingeld hätten…“ 

Ich: „Tja, wenn Sie Geschmack hätten…“

Ich schätze mal, die Wege von Z. und mir werden sich so bald nicht wieder kreuzen.

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Stilfragen und wie ich schon jetzt zu Gummistiefeln gekommen bin

Jahrelang spottet man über Männer, die sich von ihren Frauen Kleider kaufen lassen. Die nichts dagegen haben, wenn „Ihre“ beim Wocheneinkauf auch schnell noch ein Paket Hemden (Sonderangebot, drei für zwei) in den Einkaufswagen legen. Denen es piepegal ist, dass die Hemden ein Muster haben, als hätte jemand draufgekotzt und die nie und nimmer auf die Idee kämen, sich neue Kleider zu kaufen.

So spottet man, bis man merkt, dass man so anders gar nicht ist. Nicht dass ich es wagen würde, „Meinem“ Kleider zu kaufen. Nicht mal Unterwäsche würde ich ihm besorgen. Der Mann hat nämlich Stil und toleriert es nicht, dass man sich in seinen Kleiderschrank einmischt. Ich kaufe ihm also keine Kleider, er aber mir. Aufgefallen ist mir dies erst neulich, als er mich nach der Arbeit anrief um zu erfahren, ob ich T-Shirts in Fuchsia und Grau (Sonderangebot, zwei für eins) tragen würde. Immerhin aber besitze ich noch so viel Modebewusstsein, dass ich nicht alles trage, was er mir bringt. Die Bluse, die aussieht, als hätte jemand draufgekotzt, sieht das Tageslicht nur, wenn der grosse Putztag ansteht.

Ja, und dann wäre da noch die Sache mit den Gummistiefeln. Habe ich nicht neulich behauptet, Gummistiefel zum Gärtnern bekomme man erst mit Vierzig (siehe „Komm lieber Mai…)? Warum dann bin ich heute mit Rock und Gummistiefel durch den Garten gestapft? Nein, ich bin nicht Vierzig geworden. Aber Karlssons Füsse sind gewachsen. Und da ich Memme es nicht mag, mit nackten Füssen auf Nacktschnecken zu treten, habe ich mir mal schnell Karlssons Stiefel geborgt. Aber verraten Sie mich bitte nicht. Karlsson mag es nämlich nicht, wenn man sich seinen Sachen borgt.

Lass die Tussi raus!

Das war jetzt einfach wieder mal dran. Ein paar so richtig kitschige, geblümte Sommerschuhe mit einem Keilabsatz, der so hoch ist, dass einem fast schwindlig wird beim Gehen. Dazu erst noch überteuert und garantiert ungesund. So richtig unvernünftig eben.

Manchmal muss man beim Schuhkauf einfach zugreifen, wenn echter Kitsch zu haben ist. Auch wenn man schon beim Kauf weiss, dass man mit diesen Dingern hilflos in der Gegend herumstolpern wird und sich am Kinderwagen wird festhalten müssen, um nicht die Balance zu verlieren. Auch wenn „Meiner“ die Nase rümpft und findet, das sei jetzt doch etwas zu viel des Guten. Auch wenn man mit diesen Dingern an den Füssen garantiert nicht das Brombeerbet umgraben kann. Für solche Zwecke hat man ja noch Ballerinas.

Immerhin hat man ja jetzt neun Jahre lang bei jedem Schuhkauf Vernunft walten lassen, hat alles, was hochhackig und schreiend bunt war, links liegen gelassen und sich für die langweiligen Braunen entschieden. Aus Rücksicht auf den Rücken, das Kind im Bauch, den Zweijährigen, der einem garantiert entwischt, wenn man ihm hinterherstöckeln muss. Und in den letzten Wochen auch noch aus Rücksicht auf das Knie, doch wie sich dieses wieder erholt hat, erzähle ich ein andermal.

Nun, so sinnlos der Schuhkauf auch gewesen sein mag, zumindest sind die Dinger pädagogisch wertvoll. Denn ist es nicht längst erwiesen, dass ein Mädchen mindestens einmal in seiner Kindheit die Gelegenheit haben muss, in Mamas Tussischuhen durch die Wohnung zu staksen? Und als verantwortungsbewusste Mutter lasse ich natürlich nicht zu, dass Luise diesen immens wichtigen Entwicklungsschritt verpasst.

Wie bitte? Ob ich in einer Midlife-Crisis stecke? Aber nicht doch. Ich lasse nur wieder mal die Tussi raus.

Retro-Chic

Luise hat die Vergangenheit entdeckt. Während ihre Brüder die Mama mit Fragen über das Leben der Römer und Ritter gelöchtert haben, hat sie klammheimlich ihre eigenen Nachforschungen betrieben. Da ein Gespräch mit der Grossmutter, dort ein Blick in ein Buch von Astrid Lindgren, dazu noch ein paar Bilder von Sarah Kay und schon muss alles anders sein.

Eines Morgens kommt sie aus dem Bett und findet, ab heute trage sie nur noch Kniestrümpfe unter dem Rock, auch wenn es draussen eiskalt sei. Das habe die Grossmama auch so machen müssen, als sie ein Kind gewesen sei. Aber natürlich, mein Kind, doch inzwischen ist die Nylonstrumpfhose zur billigen Massenware geworden, die auch wir uns leisten können. Nur mit Mühe lässt sie sich überzeugen, eine Strumpfhose unter den Kniesocken zu tragen.

Als nächstes muss eine Schürze her. Grossmama hat als Mädchen auch eine Schürze getragen, damit die Kleider nicht schmutzig werden. Und weiss muss sie sein, die Schürze, denn Klein-Ida aus Lönneberga trägt auch eine weisse Schürze. Also treiben wir eine weisse Schürze auf. Als dann noch die Frisur genau so ist, wie auf dem Sarah-Kay-Bild, ist Luise zufrieden. So kann sie sich zeigen im Kindergarten.

Nur einen Wunsch habe ich ihr abgeschlagen: Mit einem Kopftuch geht sie mir nicht aus dem Haus. Bei allem Respekt vor alten Traditionen, die Verschleierung von Mädchen unterstütze ich nicht, und sei sie noch so freiwillig.

Es liess sich nicht länger vermeiden

Was für andere Leute der Zahnarztbesuch ist, ist für mich der Besuch beim Coiffeur. Wochenlang, ja, monatelang schiebe ich den Termin vor mir her und erst dann, wenn „Meiner“ meines Anblicks vollkommen überdrüssig geworden ist, lasse ich es zu, dass er mich anmeldet. Ja, allein der Anruf ist für mich unerträglich. „Bei wem waren Sie das letzte Mal?“, will die Dame am Empfang dann nämlich jeweils wissen und ich gerate ins Stottern, weil ich nicht mehr weiss, ob die Coiffeuse Jolanda, Monika oder Manuela hiess. Dabei bin ich seit Ewigkeiten ihre Kundin. Sie hat mir bestimmt schon fünfmal die Haare geschnitten. Deshalb lasse ich „Meinen“ den Anruf tätigen, denn er kann guten Gewissens antworten, er habe keine  Ahnung, wer jeweils für meine Frisur zuständig sei. Dies hat zur Folge, dass jeweils der ganze Salon auf den Stockzähnen grinst, wenn ich zum Gemetzel antrete. Aber ich bringe es nicht übers Herz, den Salon zu wechseln, auch wenn mein Ruf schon längst ruiniert ist. Wo sonst komme ich gratis zur Rückenmassage auf diesem wunderbaren Massagesessel? Da nimmt man alles andere auf sich.

Bin ich dann im Salon, folgt das nächste Problem. Die Lektüre. Seitdem ich einmal eine Coiffeuse völlig aus dem Konzept brachte, weil ich die „Weltwoche“ verlangte, – das war natürlich lange bevor die „Weltwoche“ zum Parteiblatt der SVP verkommen war, – fürchte ich nichts so sehr wie die Frage: „Darf ich Ihnen etwas zum Lesen bringen?“. Normalerweise rette ich mich aus der misslichen Lage, indem ich selber etwas zum Lesen mitbringe. Doch heute hatte das Prinzchen einen solchen Hunger, dass ich keine Zeit hatte, mir eine Lektüre zu schnappen, bevor ich das Haus verliess. Der „Spiegel“ blieb zu Hause und ich sass bald darauf mit „Die Frau im Spiegel“ vor dem Spiegel.

Ja und schaut man sie sich dann mal wieder genauer an, die Frau im Spiegel, sieht man plötzlich, dass sie ein Doppekinn bekommen hat, dass ihre Schultern zu breit sind, dass sie einen Mitesser am Kinn hat. Und dann findet man sie, auch wenn man sich nicht als eitel bezeichnen würde, einen der hässlichsten Menschen auf diesem Erdboden. Da liest man doch lieber die „Frau im Spiegel“, um zu erfahren, welche Eskapaden sich Heidi Becker, Boris Williams, Robbie Klum und wie sie alle heissen, vor einem Jahr geleistet haben.

Und dann steht sie vor mir, Jolanda, Monika oder Manuela. Freundlich wie immer, doch jedes Mal ein wenig mitleidiger. Ich sehe es in ihren Augen: Es zerreisst ihr fast das Herz, mein Haar so leiden zu sehen, doch tapfer nimmt sie sich der Aufgabe ein weiteres Mal an. Schlägt mir vor, ein paar Strähnchen mehr zu färben als letztes Mal, wieder mal einen neuen Schnitt auszuprobieren, ein paar Stufen zu schneiden. Und weil Jolanda, Monika oder Manuela so nett ist, lasse ich sie gewähren, werde zum völlig willenlosen Geschöpf, das sich am Ende der Tortur sogar ein komplett überteuertes Pflegeprodukt aufschwatzen lässt, obschon ich „Meinem“ versprochen habe, dass ich darauf nie mehr hereinfallen werde. Zumindest habe ich laut und deutlich Nein gesagt, als man mir ein „Handparaffin“ anbot. Nachdem ich letztes Mal völlig verdattert Ja gestammelt hatte, weil ich keine Ahnung hatte, worum es ging, bin ich diesmal ein wenig gescheiter und lasse es nicht mehr zu, dass man meine Hände in heisses Wachs taucht.

Irgendwann ist es dann überstanden. Der Haarschnitt, den Jolanda, Monika oder Manuela mir verpasst hat, verschont mich für die nächsten zehn Monate vor weiteren Qualen. Offenbar mache ich aber trotz meiner Abneigung Fortschritte: Jolanda, Monika oder Manuela hat mich heute zum ersten Mal geduzt. Ein untrügliches Zeigen, dass sie mich trotz meiner Schwächen als ihre persönliche Stammkundin akzeptiert. Vielleicht komme ich schon in sechs Monaten wieder. Aber nicht ohne meine eigene Lektüre.