Muttertag

Früher hat man ja nur darüber gelacht. Dieser lächerliche Tag, an dem die kleineren Kinder ihren Müttern am Morgen das Frühstück ans Bett bringen und dabei eine riesige Sauerei anrichten, so dass die Mutter für den Rest des Tages mit Aufräumen beschäftigt ist. An dem die erwachsenen Kinder pflichtbewusst mit einem Heuchlerbesen bei Mama erscheinen, die stundenlang in der Küche geschwitzt hat, um für ihre Brut mal wieder ein anständiges Essen auf den Tisch zu zaubern. Und ausserdem ist alles bloss reiner Kommerz.

Diese Haltung hat sich etwas geändert und daran ist, wie an so Vielem, die Schwiegermutter Schuld. Ist es denn gerecht, dass man Jahr für Jahr eine Frau feiern muss, die vor mehr als dreissig Jahren ein Kind geboren hat und sich noch immer nicht damit abgefunden hat, dass man mit diesem einzigen Kind selber ein paar Kinder gezeugt hat und diese nun grosszuziehen versucht? Ein wenig Schuld trägt natürlich auch die Werbung. Denn wenn einem überall suggeriert wird, man hätte es verdient, einen Tag lang gefeiert zu werden, fällt einem ein, dass man in den letzten Jahren tatsächlich schon zwei oder drei Mal wegen der Kinder seine eigenen Interessen in den Hintergrund gestellt hat. Dass Papa dies ebenso oft getan hat, übersehen wir hier geflissentlich…

Dieses Jahr ist alles ein wenig anders. Angefangen hat es damit, dass die Spielgruppenleiterin in die Falle der allgemeinen Verunsicherung über das tatsächliche Datum des Muttertages 2008 getappt ist. So überreichte der Vierjährige sein erstes Muttertaggeschenk an einem ganz banalen Montag. Muttertagsgeschenk Nummer zwei wurde am Freitag abgegeben, als man mitten im herrlichsten Chaos von Mittagessenkochen und hungrige Kinder in Schach halten steckte. Die Tochter hatte schon seit zwei Wochen kein anderes Thema als das Muttertagsgeschenk mehr gekannt, und so war klar, dass sie nicht mehr länger warten konnte. Leider endete die Sache in Tränen, denn die Kindergärtnerin hatte nicht bemerkt, dass die sorgfältig bemalte Vase einen Sprung hatte und die Rose deshalb bald auf dem Trockenen stand.

Die grösste Überraschung lieferte dieses Jahr ausgerechnet die Schwiegermutter. Währenddem wir uns noch krampfhaft am Überlegen waren, wie wir denn die mühsame Prozedur dieses Jahr über die Bühne bringen sollten, rief sie an und fragte, ob wir nicht einfach am Samstag zusammen in die Stadt gehen könnten, um ein wenig einzukaufen. Keine Heuchelei und keine überteuerte Restaurantrechung! Das müsste Tradition werden.

Gestern Abend dann haben wir in Vorfreude auf den ersten freien Muttertag seit Menschengedenken so richtig über die Stränge gehauen. Wir haben bei einer Tasse Tee bis nachts um 1 die x-te Fernsehausstrahlung von Notting Hill geschaut und danach noch ganz unvernünftig bis halb zwei geredet.

Das dritte noch zu erwartende Muttertagsgeschenk hatten wegen der wilden Nacht natürlich ganz vergessen. Es kam pünktlich um sieben, schön verpackt und mit einer rührenden Karte. Eines muss man ja anerkennen: Die Muttertagsbastelei hat gewaltige Fortschritte gemacht. Es gibt keine mit filziger Wolle verklebten Serviettenringe mehr wie zu unseren Zeiten. Die heutigen Geschenke haben Stil und man kann die Kinder ohne einen Hauch von Heuchelei für ihre Werke loben.

Müde ist Mama dennoch. Und während Papa weiterhin im Bett vor sich hinschnarcht, versucht Mama die Kinder noch eine Weile zu ignorieren, um mit diesen Sätzen fertig zu werden. Lange wird sich das Frühstück allerdings nicht mehr herauszögern lassen. Der Erste hat bereits einen Kakao bestellt.