Szene im Bus

Heute Abend im Bus: Hinter mir fängt plötzlich einer an, lautstark über „Ausländer“ zu zetern. Erst meine ich, es sei ein Betrunkener, aber es ist einer, der intelligenzmässig zu eingeschränkt ist, um zu begreifen, dass er sich nicht unter Seinesgleichen befindet, sondern in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in dem jeder, der ein Billett im Sack hat, mitfahren darf. Auch der junge, dunkelhäutige Mann, der die Frechheit besitzt, sich unserem aufrechten Eidgenossen gegenüber zu setzen. Ja, und dann geht das Gezeter eben los. Die altbekannte Leier halt, die wir seit Wochen von Christoph, Roger, Toni & Co. zu hören bekommen. Der Kerl ist zwar nicht allzu klar im Kopf, die Floskeln aber beherrscht er fehlerfrei auswendig. 

Blöd ist einfach, dass der Dunkelhäutige sehr wohl in der Lage ist, zu parieren, geschliffen und angesichts der Tatsache, dass er nun schon seit einiger Zeit übel beschimpft und gar mit einem Fusstritt bedacht worden ist, auch ausgesprochen höflich. Und das alles in akzentfreiem Schweizerdeutsch. Zum Glück haben die Vorbeter aus der Parteizentrale auch für diesen Fall einen Merksatz parat: „Schweizer kann man werden, Eidgenosse nicht“, krakeelt der Widerling, von dem man so sehr wünschte, er wäre nur sturzbesoffen und würde sich am nächsten Morgen für sein Fehlverhalten schämen. Aber er wird sich nicht schämen, denn er weiss die Mehrheit des Volkes hinter sich. Das wiederholt er so oft, bis mir schliesslich der Kragen platzt. „Fast dreissig Prozent von knapp fünfzig Prozent sind nicht die Mehrheit“, raunze ich nach hinten und jetzt zeigt der Dunkelhäutige noch mehr Grösse: „Lassen Sie ihn doch reden“, sagt er beschwichtigend zu mir, „der kann doch nichts dafür.“ Steht auf, wünscht seinem Widersacher noch einen netten Abend und steigt aus dem Bus.

Kleine Anmerkung zum besseren Verständnis: Ich habe die Szene verkürzt wiedergegeben. Der Kerl hat noch eine ganze Menge fremdenfeindlicher Parolen von sich gegeben, eine, die ihn von früher kennt, hat ihm mehrmals gesagt, er solle endlich die Klappe halten, ich habe auch noch zwei- oder dreimal meinen Senf dazu gegeben, der Rest der Passagiere hat geschwiegen oder die Augen verdreht. Nicht aus Feigheit, sondern weil die meisten von ihnen aufgrund ihrer Hautfarbe die nächsten Opfer einer üblen Schimpftirade geworden wären. 

deux; prettyvenditti.jetzt

deux; prettyvenditti.jetzt

4 Gedanken zu “Szene im Bus

  1. Ich hätte eigentlich noch etwas ausführlicher schreiben sollen, aber ich war so hundemüde, dass ich nur die verkürzte Version in die Taste gehauen habe.

  2. Eine andere Passagierin hat ihm ebenfalls ziemlich deutlich gesagt, es solle die Klappe halten, die anderen haben aus gutem Grund geschwiegen: Sie waren klar erkennbar als Schweizer mit Migrationshintergrund und hätten wohl mehr als nur ein Ohr voller Beleidigungen zu hören bekommen.

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