1. Ist es ein Zeichen von unverbesserlichem Optimismus, wenn man morgens, kaum sind die drei Grossen aus dem Haus, das Prinzchen und den Zoowärter ins Auto packt, um Sommerkleider für die Kinder einzukaufen? Oder wurde der Sommer für dieses Jahr offiziell abgesagt und ich bin die Einzige, die es nicht mitbekommen hat?
2. Manchmal ist es so schwierig, ein benachteiligtes Kind zu lieben. Nicht, weil es nicht liebenswert wäre, sondern weil es alles tut, um zu verhindern, dass deine Liebe sein Herz berühren und verletzen könnte. Meistens kann ich gut damit leben. Aber zuweilen, wenn meine Liebe zu oft ins Leere gelaufen ist und meine Tochter auch noch darunter leiden muss, dann möchte ich den Bettel nur noch hinschmeissen und mich den Kindern zuwenden, die es schätzen, von mir geliebt zu werden. Es gibt Tage, da zweifle ich daran, ob es richtig war, die Türen unseres Hauses so weit zu öffnen, dass nicht nur wir und unsere Kinder darin Platz haben.
3. Wie schafft man es, innert 5 Minuten eine Flasche Bio-Olivenöl zu verschütten, eine randvolle Dose Rohrzucker zu zerschlagen und einen halben Liter Orangensaft auf dem Fussboden zu verteilen? Wenn ihr jetzt glaubt, es habe etwas mit dem Prinzchen zu tun, dann irrt ihr gewaltig. Zuweilen sorgen auch die drei ältesten Mitglieder des Venditti-Clans für Chaos. Und das sogar ohne, dass wir uns in die Haare geraten wären und mit Geschirr um uns geschmissen hätten.Und nein: Ich war nicht alleine Schuld an dem Desaster.
4. Fronleichnam ist nicht lustig. Schon gar nicht dann, wenn man in einem katholischen Gebiet lebt und der Papa in einem protestantischen Gebiet arbeitet. Das heisst: Fünf Kinder und eine übermüdete Mama, die morgen keinen Ausflug machen können, weil Mama zu genervt sein wird, um mit allen Fünfen auszufliegen. Und das alles an einem Donnerstag, wo ich doch Donnerstage leidenschaftlicher verabscheue als Garfield die Montage. Oder kurz gesagt: Ich freue mich nicht auf morgen.
5. Eigentlich möchte ich es ja nicht wahrhaben, aber es lässt sich dennoch nicht leugnen: Ich bin so viel zufriedener, wenn ich weiss, dass auf unserem Konto genug Geld ist. Ich möchte von mir behaupten können, dass ich rund um die Uhr singend und pfeifend durchs Haus tanze, egal, wie hoch oder tief der Kontostand ist. Doch leider erwische ich mich fast immer nur dann beim spontanen Singen und Pfeifen, wenn ich weiss, womit ich den nächsten Wocheneinkauf bezahlen werde.
6. Wie viele Putzkessel hat meine Mutter wohl in ihrem ganzen bisherigen Leben kaufen müssen? Drei vielleicht, oder vier? Was mache ich bloss falsch, dass ich heute bereits den vierten Putzkessel in diesem Jahr habe kaufen müssen, weil schon wieder einer kaputt gegangen ist? An meinem Putzfimmel kann es nicht liegen. Ich habe nämlich gar keinen.
7. Manchmal zweifle ich daran, ob ich gerade die passende Rolle erwischt habe. Ist jetzt gerade die liebevolle, verständnisvolle Mama gefragt oder hätte ich die gestrenge Übermutter herauskehren müssen? Warum spricht man mich als Projektleiterin an, wo ich doch ganz offensichtlich als übermüdete Hausfrau beim Monsterwocheneinkauf unterwegs bin? Muss ich jetzt wirklich die top organisierte Familienfrau spielen, wo ich doch für die Rolle der redseligen Kaffeetante vorgesprochen habe?
8. Sieht er nicht grossartig aus in weiss, mein Karlsson? Und ist es nicht wundervoll, mal nur mit ihm alleine unterwegs zu sein? Welche Brille sich Luise wohl aussuchen wird? Die Zeiten, wo man ein Kind wegen einer Brille auslacht sind doch vorbei, oder muss ich sie vielleicht darauf vorbereiten, dass es dumme Sprüche geben könnte? Wie schön, der FeuerwehrRitterRömerPirat hat mich umarmt. Freiwillig. Armer Zoowärter! So süss und so trotzig. Hoffentlich merkt er bald, dass man im Leben nicht um alles kämpfen muss. Ach, mein Prinzchen! So klein und schon so übermütig! Wenn er bloss nicht vom Stuhl fällt. Unglaublich: „Meiner“ und ich haben heute ganze zehn Minuten ungestört miteinander reden können!
9. Hätte ich vielleicht doch ein paar Flaschen Cola kaufen sollen? Die nächsten Tage könnten anstrengend werden.
So ist mein Leben: Ein Spagat zwischen den verschiedenen Welten. Immer. Auch an einem ganz gewöhnlichen Mittwoch. Wobei, so gewöhnlich war der Mittwoch gar nicht. Ich habe nämlich den Wocheneinkauf um einen Tag vorgezogen, weil morgen Fronleichnam ist, worauf ich mich gar nicht freue. Aber das hatten wir ja bereits.