Mrs. Perfect hält Hof (oder versucht es zumindest)

Es gibt einige Dinge, die ich vermissen werde, wenn ich morgen wieder nach Hause fahre. Tischgespräche wie das Folgende gehören allerdings nicht dazu.

Es ist 18 Uhr, Frau KeinerLiebtMich, Frau SchönDassIchLebe, Mrs. Perfect und Frau Venditti finden sich zum Abendessen ein. Man erzählt sich gegenseitig, womit man den Nachmittag verbracht hat, und ich begehe den gravierenden Fehler, zu erzählen, ich hätte von zwei bis zehn nach fünf tief und fest geschlafen. Hier steigen wir ins Gespräch ein:

Frau KeinerLiebtMich: „Seien Sie froh, dass Sie überhaupt schlafen können. Ich bringe Tag und Nacht kein Auge zu. Und dies schon seit Monaten.“

Frau SchönDassIchLebe: „Waren Sie denn heute in der Apotheke?“

Frau KeinerLiebtMich: „Ja, ich habe diese pflanzlichen Schlaftabletten bekommen, aber ich weiss nicht, ob ich sie schlucken kann. Wissen Sie, mein Hals…

Mrs. Perfect (unterbricht sie): „Es heisst, man solle bei Tisch nicht über gesundheitliche Probleme reden. Haben Sie den Anschlag in Ihrem Zimmer nicht gesehen? Wissen Sie, hier hat jeder seine Bürde zu tragen.“

Frau KeinerLiebtMich kämpft scheinbar mit den Tränen, Frau SchönDassIchLebe und Frau Venditti schweigen betroffen. Das Essen wird serviert. Einmal Schonkost, einmal Birchermüesli, einmal Fleisch und einmal Vegetarisch. Die vier Frauen essen eine Weile lang schweigend.

Mrs. Perfect: „Frau Venditti, Sie essen unglaublich schnell. Das ist mir jetzt schon öfters aufgefallen.“

Frau Venditti: „Ja, ich weiss. Das ist eine schlechte Angewohnheit aus dem Familienalltag. Manchmal muss man einfach froh sein, überhaupt ein paar Bissen essen zu können, bevor man wieder gebraucht wird.“

Mrs. Perfect (streng): „Sie wissen aber, dass dies ungesund ist?“

Frau Venditti: „Ja, das weiss ich, aber es ist nicht ganz einfach, schlechte Gewohnheiten von heute auf morgen abzulegen.“

Allmählich leeren sich die Teller, das Servierpersonal trägt Schüsseln für den Nachservice herum.

Mrs. Perfect: „Frau SchönDassIchLebe, heute müssen Sie unbedingt noch eine Portion nehmen. Wie wollen Sie denn zunehmen, wenn Sie nicht genug essen?“

Frau SchönDassIchLebe: „Nein, ich nehme nichts mehr, ich bin wirklich satt.“

Mrs. Perfect: „Aber Sie hatten nur dieses Birchermüesli. Sie müssen wirklich mehr essen.“

Frau SchönDassIchLebe (freundlich, aber leicht entnervt): „Sie sind heute ein wenig schulmeisterlich mit mir, aber wissen Sie, ich bin eine erwachsene Frau, ich weiss, wann ich satt bin.“

Mrs. Perfect (unbeirrt): „Sie sollten aber wirklich noch einmal etwas nehmen. Glauben Sie mir, so nehmen Sie nie zu.“

Wieder herrscht eine Weile lang Schweigen am Tisch, dann kommt der Dessert.

Frau KeinerLiebtMich: „Oh, ich glaube nicht, dass ich das essen kann.“

Kellnerin: „Aber das hat der Diätkoch eigens für Sie zubereitet.“

Frau KeinerLiebtMich: „Ich weiss, aber diese Stücke sind viel zu gross für mich. Wissen Sie, mein Hals. Na ja, dann probiere ich eben…“

Mrs. Perfect: „Sie müssen dem Diätkoch eben sagen, dass Sie nur gekochte Früchte essen können. Sagen Sie es ihm doch gleich jetzt, er ist bestimmt da.“

Frau KeinerLiebtMich: „Ich muss mich dann bei ihm entschuldigen, dass ich so kompliziert bin…“

Mrs. Perfect lenkt das Thema weg von Frau KeinerLiebtMichs Problemen, hin zu einem rauschenden Gartenfest, das sie vor mehr als dreissig Jahren auf ihrem Anwesen organisiert hat. Rundum gelungen, mit Störkoch, als Parkwächter verkleideten Kindern und üppigen Dekorationen. Perfekt hat sie das hingekriegt, am Ende wollte man sie als Partyorganisatorin anheuern. Sie hat natürlich dankend abgelehnt, der Stress von dieser einen grossen Anstrengung in ihrem Leben steckt ihr vermutlich heute noch in den Knochen. Die anderen drei Frauen hören gebannt zu, allzeit bereit, den Redeschwall zu unterbrechen, wenn Mrs. Perfect endlich einmal Luft holt. Frau Venditti schafft es endlich. Als Jüngste im Bunde und in täglichen Familiengesprächen trainiert hat sie den anderen gegenüber einen klaren Vorteil.

Frau Venditti: „So, ich gehe dann mal in die Sauna.“

Mrs. Perfect (entsetzt): „In die Sauna nach dem Essen? Sie wissen aber, dass man das nicht sollte. Nun gut, soooo viel haben Sie nicht gegessen und Tofu ist ja nicht allzu schwer…“

Frau Venditti: „Ja, Mrs. Perfect, das weiss ich, aber ich reise morgen ab und bis dahin bin ich fest entschlossen, jeden Augenblick genau so zu leben, wie es mir gefällt. Einen schönen Abend noch.“

Was Frau Venditti eigentlich hätte sagen wollen, aber es aus Höflichkeit nicht gesagt hat: „Liebe Mrs. Perfect, kehren Sie bitte endlich mal vor ihrer eigenen Tür. Mir scheint, dass hinter Ihrer piekfeinen, frommen Fassade eine ziemlich giftige, verwöhnte Zicke steckt. Kümmern Sie sich doch mal um sie, anstatt um uns.“

Tja, und dann ging Frau Venditti in die Sauna und bloggte im Ruheraum über das, was sich während des Abendessens ereignet hatte. Ob Mrs. Perfect es gutheissen würde, dass man zwischen zwei Saunagängen bloggt?

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Es lohnt sich doch

Im „Spiegel“ haben sie ja neulich geschrieben, eine Beziehung – vor allem eine Beziehung, die durch Kinder bereichert wird – könne nur überleben, wenn das Paar immer mal wieder Zeiten zu zweit erlebe. Und weil ich jedes Wort glaube, das im „Spiegel“ steht, haben „Meiner“ und ich uns heute eben zu einem Saunatag zu zweit aufgerafft.

Nein, Spass beiseite. Dass wir Tage zu zweit brauchen, wussten wir auch vor dem Artikel im „Spiegel“, einem Artikel übrigens, der vor Binsenwahrheiten nur so strotzte. Unsere Tage zu zweit waren uns auch vorher schon heilig. Nun gut, zuerst mussten ein paar sehr anstrengende Familienjahre ins Land ziehen, bevor wir erkannten, dass sich die Zeit zu zweit nich aufschieben lässt auf den ersten Schultag des letzten Kindes. Seither aber sind wir ziemlich konsequent geblieben mit dem Erkämpfen von Freizeit, auch wenn unsere Kinder nicht so recht glauben mögen, dass „Meiner“ und ich auch ohne sie Spass haben können.

Dass wir zwei heute Spaß haben könnten, hätte ich mir vor zwei Wochen auch nicht so richtig vorstellen können, auch wenn der freie Tag bereits eingeplant war. Aber so, wie „Meiner“ und ich uns gegen Ende Jahr wegen jeder Kleinigkeit in die Wolle gerieten, hegte ich ernsthafte Zweifel daran, dass wir es acht Stunden ohne Streit aushalten würden. Ein schräger Blick und schon waren wir wieder in irgend einen unsinnigen Konflikt verwickelt. Nicht, dass wir dabei laut geworden wären. Ich schmiss ihm auch keinen Blumenkohl an den Kopf, wie ich das in den Anfängen unserer Beziehung einmal hemmungslos auf offener Strasse tat. Oh nein, diesmal war es viel schlimmer: Es herrschte kalter Krieg und keiner von uns beiden wusste, ob das nächste falsche Wort dazu führen würde, dass aus dem kalten ein heisser Krieg wird. Kalter Krieg, das bedeutet zum Beispiel, dass ich fein säuberlich die Grünabfälle vom Rest trenne und „Meiner“ kippt sie in einem unbeobachteten Moment in den gewöhnlichen Abfallsack. Oder „Meiner“ hört sich Jovanotti an, um sich die Putzerei erträglich zu gestalten und ich ziehe den Stecker des CD-Players, anstatt meinen Mann höflich zu bitten, doch bitte die Musik etwas leiser zu stellen, weil sie meine Kopfschmerzen stört. Wir tun das nicht mit dem erklärten Ziel, einander zu nerven, wir finden einfach, der andere setze mal wieder ganz falsche Prioritäten und müsse in die Schranken gewiesen werden. Eine Art von Geringschätzung, wenn auch eher subtil.

Warum diese Spannungen, mag man sich fragen. Weder er noch ich hatten nämlich etwas Schwerwiegendes getan, was unserer Beziehung hätte schaden können. Weder er noch ich hatten unsere Ehe satt. Es war schlicht und einfach der FamilienArbeitsVorweihnachtsHaushaltsDezemberbluesIchbrauchedringendferien-Alltag, der uns dazu trieb, nicht mehr zu spüren, wie sehr wir einander auch im vierzehnten Ehejahr noch lieben. Es war genau diese banale Wahrheit, die in jedem Eheratgeber und natürlich auch im oben erwähnten Artikel steht: Zuviel Alltag und zu wenig Feiern bekommt keiner Ehe gut. Und darum hatte der Entscheid, die Badetasche zu packen und die Kinder den Betreuerinnen anzuvertrauen tatsächlich etwas von „sich aufraffen“ an sich. Denn wer will schon mit einer nörgelnden Ehefrau (oder mit einem genervten Ehemann) eine entspannende Zeit verbringen?

Natürlich hat sich das Aufraffen gelohnt, denn so ganz ungestört vom Alltags-Theater, wenn die nörgelnde Ehefrau und der genervte Ehemann mal endlich die Klappe halten, sieht man plötzlich wieder, wie schön es doch eigentlich ist, jemanden zu haben, der das Ganze mit einem durchsteht.

Wo bitte sehr geht’s zur Entspannung?

„Ins Hamam müsst ihr mal. Dort könntet ihr euch wunderbar entspannen“, hatte man uns immer und immer wieder gesagt. So oft, dass ich „Meinem“ vor zwei Jahren einen Gutschein zu Weihnachten schenkte. Ein Gutschein, der heute verfallen wäre, also meldeten wir uns für heute an. Und fanden den Gutschein nicht mehr. Aber die Massage war gebucht, die Kinder waren versorgt, also gingen wir doch, auch wenn wir den vollen Preis bezahlen mussten. Natürlich kamen wir vor lauter Gutscheinsuchen eine halbe Stunde zu spät. Es reichte gerade noch fürs Umziehen und die ersten zwei Prozeduren, bevor man uns zur Massage abführte. Eine Massage, die durchaus entspannend gewesen wäre, wären wir von der Anfahrt nicht so gestresst gewesen.

Nach der Massage dann blieben uns noch genau zehn Minuten bis man uns zum Rhassoul erwartete und zu spät kommen geht nicht, weil sonst der ganze Zeitplan durcheinander gerät. Fünfzehn Minuten und eine Schlammschlacht später waren wir porentief sauber, aber noch immer nicht sonderlich entspannt. Wir wussten nämlich, dass wir zehn Minuten später unseren Bademantel und die im Preis inbegriffene orientalische Zwischenverpflegung abholen mussten und dies, obwohl wir drei Räume erst von aussen gesehen hatten. Also noch schnell, schnell Dampfbaden – den Fachbegriff habe ich vergessen -, dann sofort raus, bevor man einen Suchtrupp in den Dampf schicken würde.

Bei Früchtebrot, Brie und Schokoladenkuchen dann endlich so etwas wie Entspannung. Wohl vor allem deshalb, weil wir wussten, dass wir uns beim Essen so viel Zeit lassen konnten, wie wir wollten. Nun ja, wir hätten entspannen können, wenn wir nicht ganz dringend wieder nach Hause hätten fahren müssen, weil für die Kinder Schlafenszeit war.

(Nicht ganz)alles beim Alten

So eine Auszeit, wie ich sie mir vergangenes Wochenende habe gönnen dürfen, ist ja schnell wieder vergessen. Kaum fällt die Wohnungstür hinter dir ins Schloss, bist du nicht nur  umringt von deinen Lieben, die dich vermisst haben, sondern auch von all dem Kram, den der Alltag jeweils liegen lässt. Spätestens eine halbe Stunde später hältst du zum ersten Mal wieder einen Putzlappen in der Hand und wenn du am nächsten Morgen die Kinder weckst, ist es, als wärest du nie weg gewesen; sie motzen dich an wie eh und je, weil du dazu gezwungen bist, sie aus dem Schlaf zu reissen. 

Es gibt Mütter, die auf Auszeiten verzichten, weil der Stress des Heimkommens grösser ist als der Genuss der Entspannung. Auch ich habe am Montagmittag geseufzt, als ich mich gehetzt wie eh und je  zum Essen hinsetzte. „Ich weiss schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht und dabei war mir während der Tage im Ländli so einiges klarer geworden“, klagte ich. „Ich hatte mir doch so sehr vorgenommen, ein wenig Ruhe in den Alltag einfliessen zu lassen. Aber mir scheint, ich bin nicht lernfähig.“

Doch dann ertappte ich mich am Dienstag dabei, wie ich auf eine Anfrage etwas sagte, was ich sonst kaum über die Lippen bringe, nämlich die vier Buchstaben N-E-I-N. Nicht zu einem Kind, dem ich die Süssigkeiten verweigern musste, auch nicht zu „Meinem“, der mich zu einem gemütlichen Filmabend überreden wollte, sondern zu einer Anfrage, die einmal mehr dazu geführt hätte, dass ich irgendwie zwischen Kind, Haushalt,  Ehe und Arbeit noch eine Verpflichtung hineingewürgt hätte. Ein unglaublich gutes Gefühl. So gut, dass ich es heute gleich noch einmal ausprobierte. Es klappte, das Nein wurde akzeptiert, der Tag verlief deutlich ruhiger als wenn ich ja gesagt hätte. Er verlief nicht vollkommen beschaulich, natürlich nicht. Ist ja gar nicht möglich bei uns. Aber er verlief immerhin so beschaulich, dass ich mir heute Abend ohne schlechtes Gewissen und ohne „Mist, das hätte ich auch noch erledigen sollen“, die Borgias reinziehen konnte. 

Ich bin natürlich nicht so vermessen, vollmundig zu behaupten, ich hätte meine Lektion gelernt und ab jetzt werde alles anders. Dafür kenne ich mich viel zu gut. Aber ein kleines bisschen stolz bin ich schon auf die zwei N-E-I-N, die mir da über die Lippen gekommen sind. 

Wie weiter?

Schon beim Frühstück fällt es mir auf: Die anderen sitzen gelassen am Tisch und geniessen den sonnigen Morgen, die Bewegungen sind langsam und bedächtig, was längst nicht bei allen am Alter liegt. Ich hingegen kann kaum stillsitzen, schlinge mein Brot zu schnell herunter, stehe so hastig auf, dass ich beinahe das verletzte Bein der Tischnachbarin überrenne. Und kaum habe ich den letzten Bissen hinuntergeschluckt, bin ich auch schon wieder auf dem Sprung.

Als ich wenig später nach dem Saunagang im Ruheraum liege, wird es noch deutlicher: Nach fünf Minuten im Liegestuhl habe ich das Gefühl, eine Ewigkeit schon dort zu liegen und ich überlege mir krampfhaft, was ich denn sonst noch tun könnte, denn zurück in die Sauna geht noch nicht, mein Körper braucht eine längere Ruhezeit.

Noch einmal später, als ich entspannt im warmen Wasser treibe, lasse ich mir noch einmal den gestrigen Tag durch den Kopf gehen. Es war ein einziges Gehetze vom Morgen bis zum Abend und dann, im Ländli angekommen, nur noch ein Gedanke: So schnell wie möglich schlafen. Nicht einmal mehr lesen oder in den Whirlpool sitzen. Die Auszeit hier wird gerade mal knapp ausreichen, damit ich mich vom gestrigen und vielleicht noch vom vorgestrigen Gehetze erholen kann. Aber es gab viel Gehetze in den vergangenen Wochen und zu Hause geht das Leben wieder weiter wie zuvor. Wie lange müsste eine Auszeit denn sein, damit ich wieder den Nerv habe für das, was ich „mein“ Leben nenne?

Wie ich so dahintreibe und die Schwerelosigkeit im Wasser geniesse, wird eines immer klarer: Ich kann so nicht weitermachen, ich will so nicht weitermachen.

Aber wie denn sonst?

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Geschenkt gibt’s nichts

Oh ja, ich habe dieses Erholungswochenende wirklich nötig. Wenn dir andere Mehrkindermütter sagen, dass du müde aussiehst, dann weisst du, dass du endgültig reif bist für eine Auszeit. Gewöhnlich kommen solche Aussagen von Kinderlosen und sind folglich nicht allzu ernst zu nehmen, aber wenn dir eine Abgekämpfte sagt, dass du abgekämpft aussiehst, dann muss etwas Wahres dran sein. Und so kommen mir die zwei Tage im Ländli, die mir „Meiner“ zum Geburtstag geschenkt hat, gerade gelegen.

Aber wie das so ist im Leben von uns Eltern, geschenkt gibt’s selten etwas und Erholung muss man sich verdienen. Und so erstaunt es mich nicht im Geringsten, dass heute Abend alle Züge mit einer netten, kleinen Vierminutenverspätung unterwegs waren. Genau richtig, damit ich in Rotkreuz den Anschlusszug nach Zug verpasste und folglich auch den letzten Bus ins Ländli kurz nach sieben. Okay, die zwanzig Minuten Fussmarsch zum Ziel meiner Reise werde ich auch noch überstehen, aber offen gestanden hatte ich mir erhofft, bereits auf der Hinfahrt mit dem Erholen anfangen zu können. Erholungszeit ist das Kostbarste, was man mir in diesen Tagen schenken kann und darum ist jede Minute, die mit Hetzen und sich Ärgern verbracht wird, eine zuviel.

Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als den Fussmarsch als romantischen Abendspaziergang an den Ufern des Aegerisees zu deklarieren. zum Glück habe ich nicht viel Gepäck dabei.

Dann eben nicht

Noch keine zehn Minuten aus dem Haus, und schon merke ich, dass ich etwas vergessen habe. Das erste Mal in meinem Leben bin ich kinderlos unterwegs zu einem Ort mit Wellness-Oase und was muss ich zu Hause vergessen? Das Badekleid natürlich. Ich hätte ja auch die Haarbürste vergessen können. Oder die Zahnpaste. Oder im schlimmsten Fall auch das Kuschelkissen. Aber doch nicht das Badekleid!

Was tun? Noch einmal nach Hause gehen, kommt nicht in Frage, denn bald kommt Luise von der Schule nach Hause. Es ist ja keineswegs so, dass ich Luise nicht liebend gerne sehe. Aber ich will ihr eine zweite Abschiedsszene ersparen, wo ihr  (und mir) doch die erste schon so sehr zu Herzen gegangen war. Also nehme ich wie geplant den Zug nach Zürich und mache mich dort auf die Suche nach einem Badekleid. Und das mitten im Winter. Nun ja, irgendwie muss man sich das Leben spannend gestalten.

Als Erstes probierte ich es im Sportgeschäft am Hauptbahnhof. Da gibt es, zwischen Skijacken und Schneeschuhen tatsächlich Badekleider. Und zwar Oma-Badekleider, das Stück für nur 179 Franken. Okay, so viel ist mir die Wellness-Oase dann auch wieder nicht Wert. Also auf in die Sadt zu C & A. Dort aber herrscht noch tiefster Winter. So irre ich schon bald durch die Sportabteilung von Manor. Fragen traue ich mich nicht. Ich will ja nicht, dass die mich in die psyhiatrische Klinik einliefern. In einem abgelegenen Winkel werde ich schliesslich fündig. Zwischen überteuerten Adidas-Schwimmanzügen und Speedo-Bikinis finde ich den hässlichsten Bikini, den man je gesehen hat, – braun mit gepolstertem BH und Plastikperlen am Träger, – für nur 14 Franken. Einen Bikini habe ich zum letzten Mal im zarten Alter von vier Jahren getragen. Es gibt sogar noch ein Bild davon. Als Beweis, dass ich schon damals fürchterlich aussah im Bikini.

Doch die Wellness-Oase lockt und deshalb erstehe ich das hässliche Ding. Für drei Tage werde ich wohl einen Bikini tragen können. Es kennt mich ja Keiner hier im Ländli. Und unter den vielen älteren Damen, die in dieser Jahreszeit das Hauptpublikum ausmachen, werde ich trotz meinen Speckröllchen noch jung und knackig aussehen. Besser als ein überteuerter Oma-Anzug oder gar nicht baden ist das hässliche Teil allemal.

So dachte ich, bis ich, kaum in meinem Zimmer angekommen, in das Ding schlüpfte und feststellte, dass das gar kein Bikini ist, sondern einer jener potthässlichen Anzüge, die zwischen Höschen und BH einen jener abscheulichen Streifen haben, die jede Frau, die nicht Topmodelmasse hat, wie einen gestrandeten Wal, der probiert, auf sexy zu machen, aussehen lässt.

Okay, dann bade ich eben doch nicht. Aber es gibt ja hier auch noch eine Sauna.