Liegestuhl-Leben

Du bekommst ein paar Kinder und manche sagen nur: „Da habt ihr aber viel Arbeit.“

Du legst einen Garten an und manche sagen nur: „Das gibt aber unglaublich viel zu tun.“

Du entscheidest dich, Rosen anzupflanzen und manche sagen nur: „Bist du dir sicher? Rosen machen so viel Arbeit.“

Du kochst eine Suppe aus frischen Tomaten und manche sagen nur: „Das gibt ja so eine Sauerei.“

Du bäckst dein eigenes Brot und manche sagen nur: „Das ist aber ein furchtbarer ‚Chrampf‘.“

Du könntest dir auch Haustiere anschaffen, selber Käse machen, dein eigenes Geschirr töpfern, Gäste bekochen, ein Baumhaus bauen, ein Buch schreiben, ein Ehrenamt übernehmen oder sonst irgend etwas tun und sie würden nur sagen: „Ist ja nett, aber macht das nicht furchtbar viel Arbeit?“

Gerade so, als ob das Leben nur lebenswert wäre, wenn man es im Liegestuhl verschläft.

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Gemässigt

Wenn ich mich daran erinnere…

…wie ich früher jeweils zu seinem Geburtstag Leberpastete zubereiten musste,

…wie ich mit Todesverachtung die Blutwurst von der Pfanne auf seinen Teller gleiten liess,

…wie ich einmal sogar ihm zuliebe einen Blutpudding mit Auto und Zug von Schweden in die Schweiz habe mitreisen lassen,

…wie ich im Laden herumirrte, um endlich das Pulver für die Sülze zu finden,

…wie er an einer Geburtstagsparty unter den angewiderten Blicken seiner Freunde Austern schlürfte,

…dann erscheint mir das Menü zu seiner Konfirmation fast schon bieder. Am ehesten bereitete mir noch das Vitello Tonnato Kopfzerbrechen, aber nachdem ich es mal geschafft hatte, das Fleisch in die Pfanne zu befördern, ohne es berühren zu müssen, stellte auch das keine Herausforderung mehr dar. Die paar Jakobsmuscheln und die Crevetten, die er als Dekoration auf der Smörgåstårta wünscht, werde ich sogar mit blossen Händen anfassen können, weil sie ja immerhin ganz hübsch anzusehen sind.

Man könnte also sagen, Karlssons Geschmack habe sie über die Jahre gemässigt. Eine Veränderung, die mir vor ein paar Jahren, als einzig die Mutterliebe mir die Kraft verlieh, die Leber für die Pastete durch den Fleischwolf zu drehen, noch unvorstellbar erschien.

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Womit man sich als unerfahrene Mutter so tröstet…

Wenn der Dreijährige sich dauerhaft im Nein-Modus befindet: „Ja, er ist ein totaler Sturkopf, seine Trotzanfälle wollen kein Ende nehmen. Aber es hat ja auch sein Gutes, wenn ein Kind einen starken Willen hat. Später lässt er sich bestimmt nicht so leicht mit der Masse treiben und geht seinen eigenen Weg.“

Eine Weisheit, die sich ein paar Jahre später tatsächlich als wahr herausstellt. Bloss hat Mama nicht damit gerechnet, dass dieser starke Wille sich nicht nur gegen den Willen der Masse stellt, sondern weiterhin auch ganz gerne mit ihrem starken Willen konkurriert. 

*

Wenn die Knöpfe weder Zucchini, noch Auberginen noch Tomaten essen wollen: „Irgendwann wird sich ihr Geschmacksempfinden ändern und dann werde ich wieder alles kochen können, was ich mag.“

Auch diese Weisheit bewahrheitet sich, wenn der kindliche Geschmack erwachsen wird. Manch ein Heranwachsender wird gar von tiefer Reue gepackt, dass er diese Delikatessen über Jahre verschmäht hat und so klagt er mitten im tiefsten Winter: „Wann kochst du endlich wieder mal Ratatouille?“ und er wird dein salopp hingeworfenes „Wenn das Zeug wieder Saison hat“ mit ausdauerndem Schmollen quittieren.

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Wenn täglich schon im Morgengrauen Tagwache ist: „Eines Tages werden sie nicht vor Mittag aus dem Bett gekrochen kommen.“

Wenn man von gewissen Ausnahmen absieht, ist das tatsächlich so, aber das gilt leider auch für Tage, an denen man ein volles Programm hat und ganz gerne vor dem Mittagessen aus dem Haus käme.

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Wenn das Kind Nacht für Nacht ins Elternbett schlüpft, weil es sich vor Monstern fürchtet: „Irgendwann wird es wissen, dass es keine Monster gibt und dann werden wir alle ruhiger schlafen.“

Nun gut, die meisten Kinder hören tatsächlich eines Tages auf, an Monster zu glauben. Leider erfahren sie aber wenig später, dass es auf diesem Planeten Menschen gibt, die schlimmer sind als das schlimmste Monster, das je unter ihrem Bett gelauert hat und dann tauchen Ängste auf, die sich nicht mit einem „Na gut, dann schläfst du eben bei uns“ vertreiben lassen.

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Wenn Globi, Chasperli, Pingu oder sonst eine Nervensäge in der Endlosschlaufe läuft: „Der Tag wird kommen, an dem sie das Zeug nicht mehr lustig finden und dann herrscht Ruhe.“

Stimmt, der Tag, an dem sie das Zeug nicht mehr lustig finden, kommt tatsächlich, aber Ruhe herrscht deshalb noch lange nicht, denn dann tritt Youtube mit seinen zahllosen hirnverbrannten Videos, die genau auf den pubertären Humor zugeschnitten sind, in ihr Leben. Und wenn das seinen Reiz verloren hat, entsinnen sie sich plötzlich wieder der Helden ihrer Kindheit und brüllen unter schallendem Gelächter pausenlos: „De Groll i siinere Hööli isch en dumme Löööli“ und damit ist Globi wieder zurück im Rennen. 

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Wenn man es allmählich satt hat, jeden Tag für die Meute am Herd zu stehen: „Wenn wir sie nur fleissig mithelfen lassen, werden sie sich schon bald selber etwas kochen können.“

Eine Weisheit, die sich erstaunlich früh bewahrheitet, worüber man sich von Herzen freuen darf. Man sollte allerdings bedenken, dass die Meinungen, wann eine Küche nach dem Kochen als „sauber und aufgeräumt“ zu bezeichnen ist, sehr weit auseinandergehen.

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Überzuckert

„Kein Problem, das schaffen wir mit Links“, sagte ich, als die Kinderärztin meinte, wir sollten es beim Zoowärter mal ein paar Tage lang gänzlich ohne Frucht- und anderen zucker probieren. Dann gingen wir nach Hause und versuchten, das umzusetzen, was ich in der Arztpraxis so grossmäulig für kinderleicht erklärt hatte.

Das mit den Früchten war zwar niederschmetternd für den Zoowärter, der seine Äpfel, Birnen und Bananen über alles liebt, aber einfach umzusetzen. Das mit den Süssigkeiten auch, denn die kommen ja nicht täglich auf den Tisch. Zum ersten Mal leer schlucken musste er, als ich ihm erklärte, er müsse in den kommenden Tagen seine Milch ohne Kakao trinken und seine Filmjölk ohne Ahornsirup löffeln. Richtig traurig aber wurde er, als ihm bewusst wurde, dass auch Honig im Tee bis auf Weiteres Tabu ist. 

Bis zu diesem Punkt war die Angelegenheit zwar schmerzhaft, aber tatsächlich spielend leicht umsetzbar. Schwieriger wurde es, als wir uns auf die Suche machten nach dem versteckten Zucker, von dem man zwar stets redet, dessen Anwesenheit man aber gerne ignoriert. Seither kommt es zu solchen Szenen am Esstisch:

Zoowärter: „Karlsson, reichst du mir bitte den Schinken?“

Karlsson: „Moment, ich lese erst mal die Liste mit den Zutaten durch.“

Karlsson liest, während Zoowärter mit sehnsüchtigem Blick auf den Schinken starrt.

Karlsson: „Tut mir leid, da hat’s Zucker drin. Das darfst du nicht essen.“

Zoowärter versucht, nicht allzu traurig zu sein, Karlsson schimpft lautstark über den elenden Zucker, der seinem kleinen Bruder die Mahlzeit verdirbt.

Diese und ähnliche Szenen wiederholen sich mehrmals am Tag. Bei den Essiggurken. Beim Frischkäse. Bei den Maiskölbchen. Bei den Corn Flakes – und zwar die angeblich gesunde Sorte, nicht das klebrige Zeug, bei dem man den Kindern ebensogut Würfelzucker servieren könnte. Zucker, wohin man auch schaut und das in einem Haushalt, in dem mehrheitlich Hausgemachtes auf den Tisch kommt. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es wäre, wenn wir öfter auf Fertigprodukte zurückgreifen würden. 

Ich weiss gar nicht so recht, welchen Ausgang ich mir für diesen zuckerfrei-Versuch wünschen soll. Einerseits wäre ich natürlich froh, der Schuldige für Zoowärters Bauchschmerzen wäre endlich gefunden. Andererseits graut mir vor der Vorstellung, auf Dauer einen traurigen Feinschmecker am Esstisch zu haben.

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Vollmundig

Schachklub kommt dann mal gar nicht in Frage für ihre Kinder. Und Fussball auch nicht. Na ja, ganz verbieten würden sie Fussball nicht, aber die Ausrüstung müsste der Nachwuchs selber bezahlen und natürlich würden die Eltern nicht ein einziges Mal zu den Spielen gehen. Damit muss man leben, wenn man sich für so eine Sportart entscheidet. Ein sportbegeistertes Kind wäre ja ohnehin eine Strafe für die Eltern. Eines, das Volksmusik mag übrigens auch. Falls sich die Knöpfe weigern, Blumenkohl zu essen, wird kurzer Prozess gemacht: Mund auf, Blumenkohl rein, Mund wieder zu. Beim Essen wird man dann ohnehin mal genau hinschauen müssen. Wählerisch dürfen sie nicht sein, die lieben Kleinen. Immer nur wie die Barbaren Pommes und Chicken Nuggets in sich reinstopfen geht gar nicht. Und dann diese Vergnügungsparks. Reine Zeit- und Geldverschwendung. 

Dies und noch viel mehr verkünden unsere Kinder vollmundig. Jawohl, genau die Kinder, die ihre alternativ angehauchten Eltern dazu gebracht haben,…

  • mit ihnen zu McDonald’s zu gehen, obschon „Meiner“ und ich in Vorkinderzeiten ähnlich vollmundig behauptet hatten, dorthin würden wir N-I-E gehen.
  • Ferien in kleinkarierten Kinderhotels zu verbringen (Immerhin war ich standhaft genug, um nicht bei dieser schrecklich peinlichen Polonaise mitzumachen, während „Meiner“ nicht den Mumm hatte, sich quer zu stellen, aber das ist ja auch kein Wunder, wo er doch als Kind schon immer zu solchen Dingen gezwungen wurde.)
  • am Schüler-Fussballturnier frierend am Spielfeldrand zu stehen und zu hoffen, dass die Mannschaft nicht noch eine Runde weiter kommt, damit endlich Schluss ist mit diesem Mist.
  • sich durch den Europa-Park zu quälen. (Also zumindest die Mama, der Papa hat sich bis anhin erfolgreich vor dieser Tortur gedrückt.)
  • Dosen-Ravioli zu kaufen, was Gott sei Dank nur einmal vorgekommen ist, da keiner das Zeug mochte.
  • viel Geld für Barbies, Minions, Transformers und anderen Kram liegen zu lassen, weil man Weihnachts- und Geburtstagswünsche halt einfach erfüllen muss. (Na ja, unsere Kinder würden natürlich behaupten, sie würden sich rundheraus weigern, solches Zeug zu verschenken, aber die haben ja keine Ahnung…)
  • Toast Hawaii zum Mittagessen zu servieren.
  • an einem regnerischen Samstag ins Shopping Center zu fahren.
  • Pullis mit „Bob der Baumeister“-Aufdruck zu kaufen.
  • bei offenem Fenster „Mir Senne heis luschtig“ vorzusingen.
  • Milchschnitten zu kaufen. (Na ja, immerhin habe ich sie nicht selber in den Einkaufswagen gelegt, sondern nur müde genickt und „Von mir aus, aber nur dieses eine Mal“ geseufzt.)
  • sich an unzähligen Orten im Schneckentempo mit diesen dämlichen Eisenbahnen herumkarren zu lassen und jedes Mal wie irr zu winken, wenn der „Zug“ bei Papa, der den Kinderwagen hüten musste, vorbeituckerte.
  • so zu tun, als würden wir bei dem Affentheater an Kinderkonzerten begeistert mitmachen, obschon man sich bis ins Innerste für den Hampelmann auf der Bühne fremdschämte.
  • nach dem Konzert eine halbe Stunde beim Hampelmann für ein Autogramm anzustehen.

und noch ganz viele andere schreckliche Dinge, die wir nie im Leben hatten tun wollen, die wir dann aber doch getan haben, weil Eltern so blöd sind, fast jeden Preis zu zahlen, um ihre Kinder glücklich zu machen. 

Sie werden dann ja sehen, wie das läuft. Und ich werde ihnen dann genüsslich diesen Text vorlesen.

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Bon appétit!

Inzwischen sind wir also soweit, dass wir, wenn Karlsson in der Abenddämmerung den Kopf aus dem Fenster streckt, um seine im Garten buddelnden Eltern daran zu erinnern, dass er Hunger hat, zu ihm sagen können: „Könntest nicht du heute das Kochen übernehmen? Wir müssten das hier noch ganz dringend fertig machen.“ Vielleicht zögert er dann einen Augenblick lang, weil man als Teenager ja nicht einfach ohne zu zögern ja sagen kann, wenn die Eltern etwas von einem verlangen, doch dann fragt er zurück: „Was soll ich denn kochen?“ Zwei oder dreimal kommt er danach noch ans Fenster, um zu fragen, ob es so, wie er es macht, auch sicher richtig ist und nach einer halben Stunde ruft er zum Essen, als wäre es schon immer seine Aufgabe gewesen, die Familie zu füttern. Klar, er kocht nicht zum ersten Mal, aber bis jetzt waren das immer Dinge, die man halt so kocht, wenn man kochen lernt. Tomatensauce oder Risotto oder Toast Hawaii. Jetzt aber schmeckt das Essen nicht mehr nach „Ich lerne gerade kochen und Mama hat mir gesagt, wie man das macht“, sondern nach „Mama hat gesagt, ich soll etwas aus dem Kürbis machen, der im Kühlschrank liegt und ich finde, dass auf diese Weise sein Aroma am besten zur Geltung kommt.“ Also ein richtiges Abendessen, mit eigener Karlsson-Handschrift, so gut, dass man sich viel mehr schöpft, als der Hunger eigentlich gebieten würde. 

Eines von unzähligen Erziehungszielen wäre somit also erreicht. 

nell'acqua; prettyvenditti.jetzt

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Blöder Optimismus

Jedes Jahr der gleiche Anlass. Ein bunt leuchtendes Meer von Laternen, eine Unmenge von singenden Kindern, ein Hauch von Gänsehaut, weil der Umzug das Ende des Sommers markiert und zum ersten Mal im Jahr so etwas wie Herbststimmung aufkommt. 

Jedes Jahr am Ende die gleiche Frage: Wollen wir die Essensgutscheine, die „Meiner“ nach der Entlassung seiner Schüler noch übrig hat, einlösen gehen, oder herrscht wieder das gleiche Chaos wie immer? „Die haben bestimmt aus ihren Fehlern gelernt“, sagen wir, weil die Mägen der Kinder so laut knurren, dass sie schon fast das Feuerwerk übertönen. Also stellt man sich in die Schlange, die sich nicht vorwärts bewegt. Man wundert sich über die Dreistigkeit von Menschen, die sich von links, rechts, vorne und hinten vordrängen. Irgendwann bewegt sich nichts mehr, kein Essen mehr da, der Nachschub wird kommen, irgendwann, vielleicht. Schliesslich besiegt der Hunger die gute Laune, dann ringt er die Geduld nieder und so ziehen die kleinen Vendittis trübselig mit ihren Eltern nach Hause. Der schöne Abend ist im Eimer und kochen muss man auch noch.

Wenn bloss dieser blöde Optimismus nicht wäre. Dann würde man, kaum ist das letzte Licht verglommen, nach Hause eilen, einen Topf Pasta aufsetzen und der Abend bliebe als einer der schönsten des Jahres in Erinnerung. 

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Weider mal so ein Home-Office-Morgen…

Der erste Satz des Tages hätte mich eigentlich vorwarnen sollen: „Da sind Maden im Abfallsack!“ Mehr bräuchte ein Mensch ja wirklich nicht zu hören, um zu wissen, dass er den Tag gar nicht erst in Angriff zu nehmen braucht, sondern sich am besten gleich die Decke über den Kopf zieht und weiterschläft. Krankhaft naiv, wie ich nun mal bin, kroch ich trotzdem aus dem Bett und half „Meinem“, dem Ungeziefer den Garaus zu machen. Noch irgendwelche Fragen, weshalb ich den Rest des Tages für einmal nicht barfuss, sondern mit Schuhen an den Füssen im Haus unterwegs war?

Nach den Maden kam der Telefontechniker, der sich der „Fremdspannung“ annahm, die für mehrere Tage unser Telefon lahm gelegt hatte. Na ja, ich behaupte ja, die Telefongesellschaft habe das mit der Fremdspannung mit Absicht gemacht, weil ich die Hotline schon so lange nicht mehr angerufen habe und die mir doch endlich das neue TV-Internet-Festnetz-Handy-Sparpaket andrehen wollten, aber beweisen kann ich natürlich nichts. Der Techniker kam also, behob den Mangel und rauschte wieder ab.

Ich hätte die Zeit seiner Anwesenheit ja dazu genützt, das Mittagessen in den Slow Cooker zu schmeissen, wenn denn nicht eine gewisse Diskrepanz bestanden hätte zwischen dem Menüplan und den real existierenden Lebensmittelvorräten im Kühlschrank. Also kam vor der Arbeit noch die Migros und nach der Migros kam nicht die Arbeit, sondern der Stromausfall. Und weil ich glaubte, die Ursache des Stromausfalls wäre beim Sicherungskasten zu finden, begab ich mich eben treppab in den Keller, anstatt treppauf ins Büro. Im Keller war aber kein Stromausfall zu finden, dafür dichter Rauch, der Gott sei Dank nicht aus dem Heizungskeller drang, wie ich zuerst befürchtet hatte, sondern von draussen in den Heizungskeller geweht wurde. Ich folgte also meiner Nase in den Garten und landete schliesslich bei der Feuerstelle, wo noch immer einer der Wurzelstöcke, die „Meiner“ gestern in Brand gesetzt hatte, vor sich hin rauchte. 

Also keine Feuerwehrübgung, dafür aber eine Rettungsaktion in der Küche, denn der Slow Cooker fand das mit dem Stromausfall ganz und gar nicht lustig und weigerte sich rundheraus, dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte, als der Strom wieder da war. Und das wiederum hatte zur Folge, dass „Meiner“ mich mit einem vorwurfsvollen „Was hast du am Herd zu suchen, du solltest doch arbeiten?“ begrüsste, als er am Mittag nach Hause kam und mich in der Pfanne rühren sah. 

Hab doch gesagt, es wäre besser gewesen, im Bett zu bleiben…

mademoiselle orsay; prettyvenditti.jetzt

mademoiselle orsay; prettyvenditti.jetzt

Wie man treue Kunden vergrault (und sie trotzdem dumm genug sind, zu bleiben)

In meinem Leben gibt es seit ich denken kann nur eine einzige Bouillon. Eine, auf die meine Mutter schon seit Jahren schwört und die bei mir seit dem Tag, an dem ich begann, meinen eigenen Haushalt zu führen, im Küchenschrank steht. Die einzige, bei der unsere Kinder nicht die Nase rümpfen und die sie mit Vorliebe zwischen den Mahlzeiten aus der Dose naschen. Diejenige, die ich immer beim gleichen Vertreter bestelle, der zwei- oder dreimal im Jahr die Frauen meiner Familie zum grossen Bestellen um den Esstisch meiner Mutter versammelt. Die Bouillon, die ich zu verwenden gedenke, bis es mir vielleicht eines Tages gelingt, selber etwas herzustellen, das mir besser schmeckt. Oder bis es mir zu bunt wird mit diesen Anrufen.

Es fing vor etwa einem Jahr an. „Frau Venditti, wir hätten da dieses tolle Sonderangebot…“ flötete die Dame am Telefon, aber weiter kam sie nicht, denn ich liess sie wissen, ich würde immer nur direkt beim Vertreter bestellen, denn Telefoneinkäufe seien nicht so mein Ding. „Wenn Sie bei mir bestellen, kommt das auch Ihrem Aussendienstmitarbeiter zugute“, erklärte mir die Dame, doch ich blieb hart. „Kein Interesse, vielen Dank, notieren Sie das bitte in meiner Kundendatei. Keine Telefonverkäufe bei mir“, beharrte ich und sie versprach mir hoch und heilig, meinen Wunsch zu vermerken.

Ich vertraute ihr. Ganze drei Wochen lang, dann schellte das Telefon erneut. „Frau Venditti, wir hätten da…“ „Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, aber ich habe Ihnen gesagt, dass ich keine Anrufe wünsche. Ich bestelle direkt beim Vertreter.“ „Wenn Sie bei mir best….“ „Nein, vielen Dank. Keine Anrufe. Ich kaufe nicht am Telefon.“ „Gut, dann notiere ich das so in Ihrer Kundendatei.“ 

Danach herrschte Ruhe. Einen Monat lang, vielleicht auch zwei? Ich weiss es nicht so genau. Auf alle Fälle flötete mir bald schon wieder eine freundliche Dame ins Ohr: „Frau Venditti, wir hätten da…“ „Nun hören Sie mir mal ganz gut zu: Seit bald zwei Jahrzehnten bin ich Kundin bei Ihnen, ich bin zufrieden mit Ihrem Aussendienstmitarbeiter und wie ich Ihnen nun schon zweimal deutlich gesagt habe, wünsche ich, nicht am Telefon belästigt zu werden.“ „Aber…“ „Ich wünsche nicht am Telefon belästigt zu werden, notieren Sie sich dies bitte.“ Sie versprach, dies umgehend zu tun.

Sie tat es nicht. Oder sie hat vergessen, dass sie es getan hat. Oder eine Kollegin hat den Vermerk gelöscht. Oder der Chef hat gesagt, sie solle auf den Vermerk pfeifen und mich trotzdem anrufen. Oder sonst irgend etwas, auf alle Fälle flötete sie ein paar Wochen später wieder. Ich hingegen flötete nicht, im Gegenteil. Ich liess sie noch einmal in aller Deutlichkeit wissen, wenn diese Anrufe nicht aufhörten, könnte sie eine treue Kundin aus der Kartei streichen. Sie versprach mir untertänigst, zu vermerken, dass ich keine Anrufe wünschte… und rief ein paar Wochen später wieder an, um einmal mehr von mir zu hören….

Ach, ihr wisst schon. Und ihr fragt euch wohl, weshalb ich meine Drohung nicht schon längst wahr gemacht habe und mich aus der Kundendatei habe streichen lassen. Na, warum wohl? Weil schon meine Mutter auf die Bouillon schwört. Weil seit dem Tag, an dem ich meinen eigenen Haushalt hatte, keine andere in meinem Küchenschrank steht. Weil meine Kinder nur bei dieser einen die Nase nicht rümpfen und zwischen den Mahlzeiten aus der Dose naschen. Weil ich dabei sein will, wenn die Frauen in meiner Familie um den Esstisch meiner Mutter sitzen, um Bouillon zu bestellen. Und weil mein bisher einziger Versuch, meine eigene Bouillon herzustellen, so kläglich gescheitert ist, dass es noch sehr lange dauern wird, biss ich einen brauchbaren Ersatz habe. 

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Global trading oder so

Neulich reiste eine Freundin in die Ferien und damit mir während ihrer Abwesenheit nicht allzu langweilig würde, überliess sie mir ihren Slow Cooler zum Spielen. Wir zwei verstanden uns ganz prächtig und als der Kleine mir erklärte, wie ich dank seiner Hilfe endlich mal ganze Tage ungestört durcharbeiten könnte, ohne dass meine Lieben deswegen verhungern, beschloss ich, im Küchenschrank einen permanenten Platz für einen seiner Brüder freizuschaufeln. 

Nun versuche ich aber, ein kritisch denkender Mensch zu sein und so machte ich mich vor dem Kauf im Internet kundig, wie es denn um die Energieeffizienz des Topfes stünde. „Ganz in Ordnung“, meinten die Experten mehr oder weniger einstimmig, „noch besser aber wäre ein Thermal Cooker.“ Was das sei, wollte ich wissen und nach langem Suchen rückte das www dann endlich raus. Das sei so ein Ding, bei dem man die Speisen auf den Herd kurz erhitze, dann komme der Topf in einen Thermostopf, wo das Zeug ganz ohne weitere Energiezufuhr gegart werde. „So, wie die das früher in in der Kochkiste gemacht haben und die sind ja auch nicht verhungert“, wurde noch eine Erklärung hinterhergeschoben, um meine Zweifel zu zerstreuen, ob das denn auch wirklich funktioniere. Ich war überzeugt und wollte wissen, wo ich denn so ein Ding bekäme. „Hmmmm, lass mal sehen… Du wohnst in der Schweiz…. Tja, das könnte schwierig werden…“, gab das www zögerlich zur Antwort, meldete dann aber nach einer erneuten Suche freudig, „Saratoga Jacks“ aus Australien würde auch in die Schweiz liefern. Das Ding sei zwar etwas teurer als ein gewöhnlicher Slow Cooker, aber ich würde das Geld ja dann mit den gesparten Stromkosten wieder reinholen.

Auch dieses Argument überzeugte mich, also füllte ich meinen virtuellen Warenkorb mit allem, was ich für meine ersten Gehversuche für nötig erachtete. Die Überraschung kam an der Kasse. Der gute „Jack“ wollte nämlich rund 230 US-Dollar dafür haben, dass er mir den Topf in die Schweiz spediert. Einen Moment lang war ich konsterniert, dann aber fiel mir ein, dass ich ja irgendwo noch so eine Adresse in Kalifornien habe, wo man für mich Dinge in Empfang nimmt, die sie nicht in die Schweiz liefern wollen. Und siehe da, in die USA liefert „Jack“ schon für 14 Dollar. „That’s much better, Jack“, sagte ich und sah mich schon als glückliche Besitzerin eines Thermal Cookers.

Aber jetzt stellte sich die Kreditkartenfirma quer. Eine Tamar Venditti würde sie schon kennen, meldete sie, und sie würde ihr auch erlauben, Geld auszugeben, aber irgend etwas sei da faul. „Die wohnt nicht in Kalifornien, die wohnt in der Schweiz, also verkauft ihr um Gottes Willen diesen Topf nicht, da ist bestimmt Betrug im Spiel“, motzte sie und schickte mich zurück in die Weiten des Internets. „Du könntest es ja mit Amazon versuchen…“, meinte das www schüchtern und weil ich wirklich einen Thermal Cooker haben möchte, liess ich mich darauf ein. Der Internet-Gigant zeigte sich für einmal ganz freundlich, zumindest anfänglich. Natürlich würde er mir den Topf in die Schweiz schicken, sagte er, und er würde das auch für weniger Geld machen als die Herstellerfirma. „Mit 190 Dollar Versandkosten bist du dabei“, meinte der Gigant und glaubte wohl allen Ernstes, mit mir ins Geschäft kommen zu können. „Ist doch immerhin billiger als bei Jack“, rief er mir hinterher, als ich mich fast fluchtartig davon machte, um mir halt doch irgendwo einen konventionellen Slow Cooker zu besorgen, damit ich nächste Woche, wenn die Horde wieder in der Schule ist, ungestört arbeiten kann.  

Tja, und jetzt hätte ich gerne jemanden, der mir aus den Australienferien einen „Deluxe Saratoga Jacks 7 Liter Thermal Cooker“ bringt. Und wenn das nicht geht, dann halt eine handwerklich begabte Person, die mir eine anständige Kochkiste baut. Ich glaube, meine Mutter hat in ihrem uralten Kochbuch noch eine Anleitung, wie man das macht. 

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