Geht doch…

Als Luise in der dritten Klasse zum ersten Mal Französischunterricht hatte, verflog die Freude schon nach kurzer Zeit. Weil die Kinder mit Spiel und Spass an die Sprache unserer Landsleute herangeführt werden sollten, verzichtete das Lehrmittel auf alles, was nur im Entferntesten an Büffeln erinnern könnte und so hatte unsere arme Tochter bald ein unglaubliches Wirrwarr im Kopf. Trotz grundsätzlicher Befürwortung des frühen Sprachunterrichts, begannen „Meiner“ und ich am Sinn der Französischlektionen zu zweifeln.

Beim FeuerwehrRitterRömerPiraten sah es leider nicht viel anders aus und so fing „Meiner“ an, kritische Fragen zu stellen. Er müsse dem Lehrmittel eben eine Chance geben, meinte die Lehrerin, dann werde sich der Lernerfolg schon einstellen. Wir blieben trotzdem skeptisch, denn es wollte uns nicht einleuchten, weshalb unsere Kinder zwar wussten, was „Lautmalerei“ und“Verkehrskreisel“ auf französisch heisst, jedoch nach zwei Jahren nicht sagen konnten, wie sie heissen, wo sie wohnen und was sie gerne tun. 

Beim Zoowärter sah es im ersten Jahr nicht viel anders aus. Das Kind erledigte seine Hausaufgaben mit Widerwillen, verstand kein Wort und hatte im Grunde genommen keine Ahnung, was das alles sollte. Dann bekam er eine neue Lehrerin und plötzlich kam Bewegung in die Sache. Wenn einer fragt, was das Wort „Cocktail“ bedeutet, weist er darauf hin, das müsse doch etwas mit „le coq“ zu tun haben, auf einfache Fragen weiss er eine Antwort und inzwischen sieht es gar so aus, als würde ein für die ganze Klasse verbindlicher Grundwortschatz aufgebaut. (Nein, so etwas ist leider nicht mehr selbstverständlich. Macht ja keinen Spass, Vokabeln zu büffeln.) Und weil er jetzt zu verstehen beginnt, was das alles soll, kommt allmählich die Freude an der Sprache auf. 

Sieht ganz danach aus, als könne man auch mit schlechten Lehrmitteln guten Frühfranzösich-Unterricht machen. 

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Schweizer Gastfreundschaft

Der schulische Informationsanlass, den Karlsson und ich heute gemeinsam besuchten, war erstens erstaunlich früh fertig und bot zweitens ziemlich viel Gesprächsstoff. Also beschlossen wir, uns in einem Strassencafé in Ruhe über das Gehörte zu unterhalten. Da mein bevorzugtes Café mal wieder bis auf den letzten Platz besetzt war, liessen wir uns ein paar Schritte weiter vorne nieder. Dort anwesend: Eine Handvoll Gäste, die meisten bereits satt und nur noch am Austrinken, eine Kellnerin, ein Kellner (vermutlich der Chef) und später ein weiterer Kellner.

20:30 Da sitzen wir also, Karlsson und ich. Kellnerin und Chef registrieren zwar unsere Anwesenheit, machen aber keine Anstalten, uns zu grüssen oder gar nach unseren Wünschen zu fragen. 

20:35 Wir werden noch immer ignoriert.

20:40 Die Kellnerin nähert sich allmählich unserem Tisch.

20:42 Die Kellnerin wischt den Tisch zu unserer Rechten, grüsst uns knapp.

20:43 Die Kellnerin starrt mich erwartungsvoll an.

20:44 „Essen Sie, oder wollen sie nur etwas trinken?“, fragt die Kellnerin jetzt endlich. „Nur etwas trinken und vielleicht ein Dessert für meinen Sohn“, antworte ich.“ Der Chef, der offenbar mitgehört hat, obschon er so getan hat, als ignoriere er uns weiterhin, eilt sofort zu unserem Tisch und überreicht mir die Dessertkarte.

20:46 Karlsson und ich wären jetzt bereit, etwas zu bestellen, aber man ignoriert uns wieder.

20:50 Wir werden weiterhin ignoriert.

20:55 Die Kellnerin macht sich jetzt am Tisch zu unserer Linken zu schaffen, lächelt mir kurz zu und ich denke schon, sie werde gleich kommen, um die Bestellung aufzunehmen.

20:56 Die Kellnerin verschwindet im Lokal. Ohne unsere Bestellung, natürlich. 

21:00 Karlsson und ich überlegen, ob wir gehen sollen. „Jetzt kommt sie dann gleich mit ihren Gläsern vorbei“, sage ich. „Wenn sie uns diesmal wieder ignoriert, sind wir weg.“

21:01 Plötzlich viel Action. Die Kellnerin wetzt an unserem Tisch vorbei und verschwindet wieder im Lokal. „Gehen wir“, sagt Karlsson, doch wie aus dem Nichts erscheint plötzlich der dritte Kellner neben unserem Tisch. Ob wir schon bedient würden? Nicht? Na, zum Glück sei jetzt gerade seine Pause vorbei. Wir können also endlich unsere Wünsche anbringen. Kaum ist er weg, kommt der Chef. Ob wir schon bestellt hätten? Er geht, die Kellnerin kommt, auf dem Tablett zwei Tassen Kaffee. „Wie, die sind nicht für Sie?“ Ganz bestimmt nicht. Wo sie uns doch gar nie die Chance gegeben hat, etwas bei ihr zu bestellen.

21:05 An unserem Tisch ist wieder Ruhe eingekehrt, Karlsson und ich warten. 

21:15 Karlsson bekommt seinen alkoholfreien Drink, ich meinen Milchkaffee. „Wie gewünscht ungesüsst“, säuselt der Kellner und legt mir zwei Beutelchen Zucker neben die Tasse. Der Kaffee ist lauwarm, aber das erfährt nur Karlsson, denn ich rechne nicht damit, noch einmal die Aufmerksamkeit des Personals zu bekommen, ehe das Gebräu gänzlich erkaltet ist. 

21:25 Meine Tasse ist leer, Karlssons Glas ist halbleer (An diesem Ort kann man nun wirklich nicht Optimist genug sein, um es halbvoll zu nennen). Karlssons Dessert wird serviert. Sieht nicht sehr gefroren aus, das Eis. 

21:40 Zeit, nach Hause zu gehen. Zum ersten Mal an diesem Abend müssen wir uns nicht um die Aufmerksamkeit des Personals bemühen. Ich glaube, der Kellner hatte sein Portemonnaie schon offen, bevor ich meines überhaupt aus der Tasche hervorgekramt hatte. Dabei wäre doch jetzt ein Bekannter zu uns gestossen, mit dem wir uns so nett unterhalten, dass wir ganz gut noch eine Weile auf die Rechnung warten könnten. 

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Schmetterlingsgarten

Vieles wird mir fehlen, wenn wir nächste Woche wieder zu Hause sind.

Die hellen Abende…

die Weite der Landschaft und des Himmels…

das Rauschen des Windes in den Bäumen…

die entspannte Stimmung, die in den Sommermonaten selbst in den grossen Städten herrscht…

die farbenfrohen Häuser…

überhaupt all das Bunte, das man hier so viel häufiger sieht als bei uns…

die Malven, die sogar in den Gassen des Städtchens üppig blühen…

die wunderschöne Sprache…

das ganze Zimt-, Kardamom- und Beerenzeugs…

die freie Zeit…

am allermeisten aber die Schmetterlinge, die den ganzen Tag um unser Häuschen flattern. Kleine Füchse, Grosse Füchse, Tagpfauenaugen, Schiller-, Distel- und Zitronenfalter, Admirale, vielleicht sogar ein Roter Apollo, aber vermutlich habe ich mir das in meiner Verzückung nur eingebildet und es war ein ganz gewöhnlicher Kohlweissling. Ich wünschte, ich könnte sie mitnehmen und bei uns im Garten ansiedeln, aber alles, was mir von diesem traumhaften Schmetterlingsgarten bleiben wird, sind schöne Erinnerungen und ein mausetoter, aber immerhin beinahe unversehrter Admiral.

Kann man es mir da verübeln, dass ich umgehend eine grosse Bestellung beim Gartenversand meines Vertrauens aufgegeben habe, damit ich nach unserer Heimkehr die gleichen Stauden und Sträucher pflanzen kann, die hier bei den Sommervögeln so heiss begehrt sind? 

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Verantwortungsvoll atmen

Man verstehe mich bitte nicht falsch, ich bin keineswegs der Meinung, dass wir unsere Medikamente im Supermarkt kaufen sollten. Zwar möchte ich dem Kassenpersonal nicht seine Kompetenz absprechen, aber in der dreijährigen Lehre lernt man ja wohl kaum gleich viel wie in einem Pharmaziestudium. 

Dennoch gibt es mir zu denken, dass ich hier in Schweden beim Wocheneinkauf nicht nur Nyponsoppa, Filmjölk und Gravad Lax im Regal finde, sondern auch einen Teil meiner Antiasthmatika. Jawohl, genau die Medikamente, für die ich jeweils vor der Praxisassistentin meiner Hausärztin auf die Knie gehen muss, damit sie mir ein Dauerrezept für sechs Monate ausstellt. „Eigentlich müssten wir Sie ja zur Kontrolle aufbieten“, sagt sie jeweils spitz, wenn ich anrufe, „aber ich kann nachfragen, ob die Frau Doktor noch einmal eine Ausnahme macht.“ Wenn die Frau Doktor keine Ausnahme macht, muss ich in der Praxis antraben, wo man mich knapp nach meinem Befinden fragt, mir die benötigten Medikamente in die Hand drückt und auf mein eindringliches Flehen hin ein neues Dauerrezept ausstellt. Ein paar Wochen später flattert dann eine gesalzene Rechnung ins Haus und ich kann wieder frei atmen, bis ein halbes Jahr später das Dauerrezept ausläuft und ich wieder auf die Gnade der Hausärztin hoffen muss.  

Ich frage mich schon, weshalb die Schweden ihre Asthmatiker für verantwortungsvoll genug halten, ihre Antiasthmatika nach Bedarf zu kaufen und einzusetzen, während wir Atemlosen in der Schweiz stets auf der Hut sein müssen, dass uns die Medikamente nicht während der Praxisferien des Hausarztes ausgehen. (Klar, irgendwie kommt man auch dann zu den benötigten Sprays, aber das kann unter Umständen ganz schön mühsam werden.)

Nein, ich möchte meine Medikamente wirklich nicht irgendwo zwischen Schinken, Schnittblumen und Teigwaren zusammensuchen, wie man das hier in Schweden tun kann. Die Hausärztin müsste auch nicht fürchten, meinetwegen arbeitslos zu werden, denn wenn ich in ausreichend pessimistischer Stimmung bin, fallen mir genügend Situationen ein, in denen ich sofort zu ihr rennen würde. Aber mich dünkt, unter Aufsicht der Apotheke meines Vertrauens sollte ich halbwegs in der Lage sein, die immer gleichen Sprays, die mir nun schon seit Jahren das Atmen erleichtern, verantwortungsvoll anzuwenden.

Die Schweden schaffen das ja auch irgendwie…

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Nordisch

Es sind die kleinen Dinge, die dir vor Augen führen, dass du in Skandinavien angekommen bist:

  • Wenn die Knöpfe den EM-Final schauen, dann tönt das erst mal genau gleich wie am heimischen Fernseher. Laute Fangesänge, ein Kommentator, der aufgeregt das Geschehen auf dem Rasen kommentiert und in der Spielpause das übliche Gelaber über die Qualität des Spiels. Der grosse Unterschied: Zwei der vier Experten im Studio sind Frauen und soweit ich das beurteilen kann, befindet sich Schweden deswegen heute nicht im Ausnahmezustand. Ich will mir gar nicht ausmalen, was für ein Shitstorm aufkäme, wenn sich am Schweizer Fernsehen eine Frau anmassen würde, Fussball zu kommentieren…
  • Die Spielplätze sind mit so viel Fantasie angelegt, dass mitspielende Eltern nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind. Zuweilen werden gar coole Teenager für einen Moment lang wieder ganz klein und verspielt, aber darüber hüllen wir lieber gleich wieder den Mantel des Schweigens, denn sonst kommt es doch noch zu einem Aufstand und zwar hier in diesem lauschigen Ferienhäuschen am See.
  • Bei Autofahrten über Land sollte der Fuss in andauernder Bremsbereitschaft sein, denn man kann nie wissen, ob hinter der nächsten Kurve nicht gerade eine Entenfamilie über die Strasse watschelt. Vielleicht ist es auch ein Hase, der hoppelt, oder ein Reh, das rennt. (Aber ganz bestimmt nie ein Elch. Die scheinen nur auf den Verkehrsschildern zu existieren.)
  • Wenn die Menschen bei knapp zwanzig Grad sommerlich gekleidet durch die Strassen schlendern und sich auch durch den überraschenden Wolkenbruch nicht davon abhalten lassen, so zu tun, als befänden sie irgendwo im Süden an der Riviera. (Wie wohltuend das ist, nach dem ganzen Gejammer, das bei uns zu Hause wegen des verregneten Junis zu hören war…)
  • Wenn du eine halbe Stunde vor dem Regal mit Knäckebrot stehst, um herauszufinden, welche der 750 Sorten wohl die Beste ist. Und du dafür nach drei Sekunden die Brotabteilung fluchtartig verlässt, weil ein Brot mit Kruste hier ganz einfach nicht zu haben ist. (Vermutlich besteht zwischen dem ersten und dem zweiten Phänomen ein Zusammenhang, denn vielleicht möchte ein Mensch, der andauernd auf hartes Knäckebrot beisst, hin und wieder auch etwas Weiches zwischen die Zähne bekommen.)

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Sommerabend

Am einen Nebentisch prahlt ein zwielichtiger Kerl in breitem Basler Dialekt mit seinen unsauberen Geschäften, am anderen Nebentisch behauptet ein eingebildeter Schnösel, Krankenpflege sei etwa ähnlich anspruchslos wie bei Lidl die Kasse zu bedienen, etwas weiter vorne grölen Fussballfans. Der überteuerte Apéroteller kommt mit Bergen von leicht verfärbtem Fleisch, ein paar gummiartigen Käsewürfeln und blassen Baguettes, die den Vakuumbeutel eben erst verlassen haben, daher. Beim Spaziergang durch die Stadt musst du aufpassen, dass du den Italien-Fans, die in den Strassencafés gebannt vor dem Bildschirm sitzen, nichts durchs Bild läufst und beim Bezahlen im Parkhaus findest du dich plötzlich von einem Trupp schnatternder Mittfünfzigerinnen umringt, die eben aus dem Kino gekommen sind und sich über den Film austauschen müssen. (In Unkenntnis des aktuellen Kinoprogramms habe ich auf Nicholas Sparks getippt, aber nachdem ich nachgeschaut habe, bin ich ziemlich sicher, dass es Jojo Moyes gewesen sein muss.)

Wäre da nicht dieser traumhaft schöne Sommerhimmel und dieser hinreissende Mann, den ich im Schuljahrsendspurt kaum je zu Gesicht bekomme und den ich jetzt endlich wieder einmal ganz für mich habe, dann könnte man diesen Abend als vergeudete Zeit abtun. So aber ist er etwas vom Schönsten, was ich in den vergangenen Wochen erlebt habe.

Na ja, das Ganze hätten wir auch im eigenen Garten mit weniger Lärm und für fast gar kein Geld haben können. Wir hätten bloss warten müssen, bis die Meute schläft.

War vielleicht doch besser, dass wir nicht zu Hause geblieben sind. Den letzten Nachtschwärmer habe ich kurz nach der Heimkehr so gegen zwanzig nach elf erwischt…

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Blütezeit

Vor drei Wochen stand bei uns im Schweizer Mittelland der Löwenzahn in voller Blüte. Jeder unverbaute Winkel leuchtete gelb.

Vor zwei Wochen leuchtete es bereits weniger gelb, dafür machte die Pflanze jetzt ihrem Spitznamen „Pusteblume“ alle Ehre.

Vor einer Woche waren die meisten „Fallschirmchen“ weggeflogen, nur noch vereinzelt leuchtete das Gelb aus dem satten Grün.

Letzen Donnerstag begegnete ich im Garten einer letzten „Pusteblume“. 

Heute in der Abenddämmerung begegnete ich einem kleinen Jungen, der ganz offensichtlich auf der Suche nach etwas Bestimmtem war. Auf meine Frage, was er denn suche, antwortete er mit einem Anflug von Verzweiflung: „Ich brauche eine Löwenzahnblüte. Morgen soll ich eine in die Schule bringen.“ Natürlich fand er nichts.

Morgen wird der Junge mit leeren Händen in der Schule aufkreuzen. Er wird vermutlich nicht der Einzige sein.

Ich möchte ja nicht behaupten, es sei gänzlich unmöglich, in diesen Tagen irgendwo im Schweizer Mittelland einen blühenden Löwenzahn aufzutreiben, aber ihre Hauptblütezeit hat die Pflanze für dieses Jahr eindeutig hinter sich. Höchste Zeit also, die Kinder dazu aufzufordern, ein Exemplar in die Schule mitzubringen.

(In Elternkreisen hält sich ja auch hartnäckig das Gerücht, an manchen Schulen werde das Thema „Laubbäume bestimmen“ mit Vorliebe von Dezember bis Februar behandelt.)

Nur der Feinschliff fehlt noch

Eigentlich wäre er dazu ausersehen gewesen, ein richtiger süditalienischer Macho zu werden, doch zum Bedauern seiner Verwandtschaft liessen ihn Fussball und schnelle Autos kalt, lautes Prahlen war auch nicht sein Ding und nachdem er im frühen Kindesalter Farbstifte und Papier für sich entdeckte, ging es nur noch bergab mit ihm.

Mit sechzehn färbte er sich die Haare in verschiedenen Rottönen.

Mit siebzehn schleppte er eine Schweizerin an.

Mit knapp zwanzig entschied er sich, Primarlehrer zu werden, anstatt einen Beruf zu wählen, bei dem man den ganzen Tag wichtigtuerisch in Anzug und Krawatte herumstolzieren konnte.

Mit einundzwanzig trat er aus der katholischen Kirche aus.

Mit vierundzwanzig reiste er im Sommer lieber nach England als nach Italien.

Mit vierunddreissig war er Vater von fünf Kindern, obschon seine Mama ihm geraten hatte, nach zwei damit aufzuhören.

Und was für ein Vater er war. Einer, der sich nicht genierte, nachts aufzustehen, seinem Nachwuchs die Windeln zu wechseln und bei den Hausaufgaben zu helfen. Einer der seine Männlichkeit nicht in Frage gestellt sah, wenn er im Kochtopf rührte oder mit dem Staubsauger durch die Wohnung wetzte.

Für seine Verwandtschaft blieb er ein Rätsel, auch wenn sich mit der Zeit eine gewisse Bewunderung bemerkbar machte, denn auch in Süditalien sind Machos inzwischen nicht mehr so gefragt. 

Für seine Frau ist er ein Glücksfall, denn sie kann sich darauf verlassen, dass er, wenn sie ausser Hause ist, den Karren zieht. Anders als sie zwar, aber ganz bestimmt nicht schlechter. (In den meisten Fällen sogar besser, wenn man mal von den ewigen Streitereien mit seiner einzigen Tochter absieht.) Inzwischen spielt es eigentlich keine Rolle mehr, ob sie oder er zu Hause ist.

Na ja, es spielt fast keine Rolle mehr. Er muss nur noch lernen, wie die richtige Antwort lautet, wenn sie nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt und fragt, ob die Kinder am nächsten Tag Sporttag haben.

Seine Antwort: „Sporttag? Keine Ahnung. Die Kinder haben nichts davon gesagt.“ Und das natürlich um eine Zeit, als nachfragen bei den Knöpfen nicht mehr möglich ist, weil alle schon tief und fest schlafen. (Proviant kaufen ginge übrigens auch nicht mehr, da nicht mal mehr Tankstellenshops offen sind.)

Die richtige Antwort hätte gelautet: „Nein, der Sporttag findet morgen nicht statt. Ich hatte es ja schon geahnt, denn die Wetterprognose ist wirklich mies. Und meine Vermutung hat sich mit dem Elternbrief, den die Kinder nach Hause gebracht haben, bestätigt. Was eigentlich schade ist, denn selbstverständlich habe ich bereits den ganzen Proviant für den morgigen Tag eingekauft.“

So müsste das eigentlich laufen, aber wenn man bedenkt, dass er eigentlich dazu ausersehen gewesen wäre, ein südländischer Macho zu werden, wollen wir mal grosszügig über diesen Schnitzer hinwegsehen.

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Sonst noch irgendwelche Fragen?

Ja, wir haben ein Baugesuch eingereicht.

Ja, die Garage kommt weg.

Ja, es soll ein neues Gewächshaus geben.

Nein, wir brauchen dazu keinen Bagger.

Nein, auch keinen Kran.

Erst recht keinen Architekten.

Und auch keinen Bauführer.

Nein, Sie dürfen uns keine unverbindliche Offerte zusammenstellen.

Nein, wirklich gar nicht.

N-E-I-N!!!

Den lieben langen Tag geht das so und das alles nur, weil man hierzulande einen Schandfleck wie unsere Garage nicht ohne Bewilligung beseitigen darf. 

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Natürlich hätte es etwas gebracht

Unser Parlament findet es bekanntlich nicht nötig, dass Väter nach der Geburt ihrer Kinder zwei Wochen zu Hause bleiben dürfen und weil das nicht alle verstehen wollen, tönt es jetzt aus der Ecke, aus der die Mehrheit der Parlamentarier kommt, ein Baby brauche in den ersten Wochen vor allem seine Mutter, ein Vater könne da nicht viel ausrichten, also brauche er keinen Urlaub. Es ist zwar eine Weile her, seitdem ich zum letzten Mal mit einem frisch geschlüpften Baby alleine zu Hause war, aber es fallen mir durchaus ein paar Dinge ein, die „Meiner“ hätte ausrichten können, wenn er die zwei Wochen Urlaub gehabt hätte. Zum Beispiel:

  • Mütterlichen Kohldampf verhindern
  • Futternachschub besorgen
  • Eine oder zwei Stunden ungestörten Schlaf ermöglichen
  • Miterleben, wie viel Einsatz nötig ist, um diesem winzigen, zerbrechlichen Geschöpf zu geben, was es braucht
  • Die unzähligen kleinen und grossen Unsicherheiten der ersten Tage mittragen
  • Schreiphasen-Schichtwechsel

Und noch zwei- oder dreihundert Kleinigkeiten mehr. Bei mir hätten diese „Kleinigkeiten“ dazu beigetragen, den einen oder anderen Heulkrampf, die eine oder andere Brustentzündung, den einen oder anderen Notfalleinkauf mit schreiendem Baby zu verhindern. 

Nicht viel? Von wegen! Ein sanfterer Start in die neue Familiensituation wäre der Himmel auf Erden gewesen. Für alle Beteiligten.

(Nein, er hätte nicht gekonnt, wenn er gewollt hätte, denn er ist Lehrer. Und die Frage, ob läppische zwei Wochen genug gewesen wären, wollen wir lieber nicht aufwerfen. Soweit sind wir hierzulande in hundert Jahren noch nicht.)

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