Das tut weh

In der Schweiz hat mal wieder eine halbwegs prominente Frau ihren gut bezahlten Job geschmissen, weil ihr die Doppelbelastung von Familie und Beruf zu viel wurde und schon sind die Zeitungen voll von Berichten und Kommentaren zum Thema „Mutter & Burnout“. Ist doch gut, dass darüber geredet wird, sollte man denken. Aber was man dann liest, lässt einem die Galle hochkommen: „Jeder will Erfolg. Das aufpolierte Ego ist gefrässig und verlangt nach mehr. … Ändern Sie Ihr Leben. Vielleicht liegt der schnittige BMW nicht mehr drin oder die jährlichen Malediven-Ferien. …. Alle wollen alles haben…. Wer Burnout hat, ist ausgebrannt. Er bezahlt den Preis für das eigene Gehetz….“ Diese verbalen Ohrfeigen teilt nicht etwa ein konservativer Mann aus, nein, eine Journalistin fühlt sich dazu berufen, ihre Geschlechtsgenossinnen zu einem veränderten Leben aufzurufen.

Ich weiss, ich müsste über diesem Geschreibsel stehen, doch wenn ich solches lese, dann kommt der ganze Schmerz wieder hoch. Dann sehe ich mich wieder vor mir, wie ich stundenlang heulend aus dem Fenster starrte und in mir keinen Funken Kraft zum Weitergehen mehr fand. Nicht etwa, weil ich mir meinen BMW nicht mehr leisten konnte – welche Mama will denn schon einen BMW? – nein, weil ich mich vor lauter Schlafmangel und Schmerzen kaum mehr auf den Füssen halten konnte und von der Ärztin bloss zu hören bekam, ich sollte mich doch hin und wieder ein wenig hinlegen. Ich erinnere mich an die einsamen Waldspaziergänge, bei denen ich meine Not zum Himmel schrie. Nicht die Not, dass ich nicht auf die Malediven jetten konnte, sondern die Not, dass ich am Ende meiner Kräfte war und keine Hilfe bekommen konnte, weil ich „nicht berufstätig“ war und unser Budget eine bezahlte Hilfe nicht zuliess. Beim Lesen sehe ich auch die verzweifelten Gesichter ausgebrannter Freundinnen vor mir. Frauen, die wie ich, oft nicht wissen, wie sie wenigstens fünf Minuten am Tag entspannen können. Frauen, die sich nicht einfach eine Woche Wellness-Urlaub leisten können, wenn sie übermüdet sind. Frauen, die alles geben und ausser dem Lächeln ihrer Kinder und – wenn sie ganz viel Glück haben –  der Liebe ihres Ehemannes keinen Lohn bekommen. Und so überlebenswichtig die zwei Dinge auch sind, sie reichen nicht, um einen vor dem Ausbrennen zu schützen.

Die Gründe für das Ausbrennen sind bei jeder Frau anders: Finanzielle Engpässe (und zwar nicht, weil man auf die Malediven gereist ist und mit dem BMW herumkurvt), kranke Kinder, Verlust der Stelle, komplizierte Schwangerschaften, Krankheiten, Eheprobleme und was man sich sonst noch nie im Leben wünschen würde. Eines aber haben alle Frauen gemeinsam: Sie wollen nicht zu viel, sie geben zu viel.

13 Gedanken zu “Das tut weh

  1. Schön, dass es andere ähnlich erleben. Und schön, dass du neben dem Familienalltag noch Zeit findest, so schöne Sachen zu machen. Kompliment!

  2. Wie wahr… wir haben zwar „nur“ 4 kinder, aber ja, so ist es.
    Ich habe heute auf deinen blog gefunden und mich durch einige posts gelesen und mich so oft selber gesehen 😉
    Es tut gut zu lesen, dass es nicht nur bei uns so läuft….chaotisch…witzig….anstrengend…cool….familie halt 😀
    Bis bald daniela

  3. Ich denke, dass es gar nicht so sehr eine Rolle spielt, ob man berufstätig ist oder nicht. Es sind immer verschiedene Umstände, die zusammen eine gefährliche Mischung ergeben. Ob die Mischung nun Stress am Arbeitsplatz ist, Geldknappheit, fehlende Kinderbetreuung, eine sich einmischende (Schwieger)mutter, eine aufreibende Wohnsituation, unverarbeitete Verletzungen oder was auch immer beinhaltet das Resultat ist stets das Gleiche: Mama brennt aus.

  4. Ausserdem muss das nicht nur passieren wenn man einen Beruf neben der Familie hat, auch „Nur-Hausfrauen“ haben das. Der Beruf bietet, neben der ganzen Organisation, doch auch eine Struktur und eine Rückzugsmöglichkeit.

    @hostmam
    Das kann ich so nicht unterschreiben. Mein Mann arbeitet im Gastgewerbe, ich gar nicht bzw. mache bald eine Ausbildung deren Lohn dann hoffentlich die Kinderbetreuung deckt. Trotzdem reicht es sogar für das leider notwendige Auto (kein BMW 😉 )
    Wenn die Kinder grösser sind wird es aber sicherlich wieder anders aussehen.

  5. Zum Glück finde ich sowohl in meiner Familie als auch in meinem Freundeskreis viele Menschen, die meine Arbeit anerkennen. Was aber dennoch nicht hat verhindern können, dass irgendwann alles zu viel war. Das Schöne war und ist aber, dass ich im freien Fall von so vielen lieben Menschen aufgefangen wurde. Manchmal frage ich mich, was wohl gewesen wäre, wenn sie nicht da gewesen wären…

  6. Wow! Beim Lesen habe ich mich direkt angesprochen gefühlt und hätte am Liebsten nach jedem Satz gesagt: Genau!
    Ein toller Artikel mit einem tollen Schluss, zu dem ich wieder nur sagen kann: GENAU! So ist es!
    Ich wünsche dir ganz viel Kraft in deinem Alltag und jemanden, der auch mal anerkennt, was du alles gibst.

    LG,
    Rima

  7. Wie wahr! Das wäre dann noch die perfekte Ergänzung zu dem, was ich geschrieben habe.

  8. Und nicht alle berufstätigen Mütter arbeiten für BMW und Malediven! Sondern dafür dass die Miete oder Bankrate fürs Haus bezahlt werden kann, das eben auch bei zwei Klassenfahrten pro Jahr in der Familie nicht die Panik ausbricht usw. denn ein Gehalt reicht längst nicht mehr.
    So arbeitet frau doppelt und dreifach und es reicht trotzdem nicht: zuwenig Zeit und zuwenig Energie wenn denn mal Zeit ist…. Und trotzdem macht frau weiter – denn es gibt keine Alternative. Gut bezahlt sind die wenigsten Frauenjobs und mal so eben den Job schmeissen kann frau auch nur wenn da ein gut verdienender Ehemann ist….

  9. Nein, etwas Böses wünscht man niemandem, doch wenn jemand das Maul so weit aufreisst, dann ertappt man sich schon beim Gedanken, dass sie hoffentlich eines Tages wissen wird, wie verletzend ihr Text war. Ich habe ihr übrigens einen Link auf meinen Post gemailt, in der Hoffnung, dass sie sich ein etwas zutreffenderes Bild verschafft.

  10. Ich kenne den Artikel nicht, aber ich tippe auf einen dieser schnoddrigen Rundumschläge einer wackeren Journalistin, die keine Ahnung hat, worüber sie schreibt. Und bei aller christlichen Nächstenliebe (und obwohl man das wirklich niemandem wünscht) würde man ihr fast wünschen, sie möge ein bisschen dazulernen…

  11. Danke! Ich bin noch immer ganz erschüttert von der Lektüre des Kommentars. Das Ganze ist mir wohl etwas zu nahe gegangen.

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