Troubleshooter-Mama

Wenn es ums Aufwachen und Aufstehen geht, ist Troubleshooter-Mama noch immer auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen, dann aber schlüpft sie in ihr unsichtbares Superwoman-Kostüm und macht sich auf, den Widrigkeiten des Tages den Kampf anzusagen. Die erste Widrigkeit des heutigen Tages: Eine zerbrochene Schale. Genauer gesagt: Eine vormals mit Reibkäse gefüllte zerbrochene Schale. Noch genauer gesagt: Eine vormals mit Reibkäse gefüllte zerbrochene Schale, die aussen mit roten Herzen verziert war und die Luise „Meinem“ zum fünfunddreissigsten Geburtstag geschenkt hatte und die Karlsson, als er sein Joghurt aus dem Kühlschrank nehmen wollte, zu Boden fallen liess, weil sie im Wege stand, weil Troubleshooter-Mama gestern Abend zu später Stunde zu faul gewesen war, die Schale an einem sicheren Ort unterzubringen.

Alles klar? Nicht? Macht nichts. Es ist ja auch nicht eure Aufgabe, den heulenden Karlsson – „Papa wird so enttäuscht sein! Ich bin so uuuhhhuuungeehhhhschiiihhhhckt!“ – und die tieftraurige Luise – „Die Schale habe ich Papa zum Geburtstag geschenkt! Ich werde ihm nie mehr so eine schöne Schale schenken können!“ – zu beruhigen. Das ist ein Job für Troubleshooter-Mama und der geht so: Karlsson und Luise heulen, machen sich schlimme Vorwürfe und geraten einander schliesslich fast in die Haare, aber nur fast, denn jetzt greift Troubleshooter-Mama ein und nimmt alle Schuld auf sich: „Ich war ja so blöd, die Schale am falschen Ort hinzustellen, also bin ich Schuld.“ Karlsson will etwas einwenden, aber Troubleshooter-Mama kommt ihm zuvor: „Nein Karlsson, du bist nicht zu ungeschickt, ich habe den Fehler gemacht. Luise, wir werden für Papa eine neue Schale kaufen. Und ich bezahle, denn es war ja meine Schuld. Und ich werde auch mit Papa reden, denn es war ja nicht euer Fehler…“

Problem Nummer eins ist kaum gelöst, da steht schon Problem Nummer zwei an: Ein nicht mehr eingefasstes Zahlenbuch, das Karlsson unbedingt noch heute Morgen einfassen will, weil sonst die Lehrerin so böse wird. Aber Troubleshooter-Mama weigert sich, das Buch jetzt auf der Stelle einzufassen, denn a) sie hat gar kein geeignetes Papier im Haus, b) sie hat keine Geduld dazu, denn Karlsson wird das Buch selber einfassen wollen und danach doch nicht ohne Mamas Hilfe auskommen und c) sie hat jetzt keine Zeit dazu, denn Probleme Nummer drei, vier und fünf warten schon darauf, gelöst zu werden. Während Troubleshooter-Mama sich Problem Nummer 3 annimmt, – Luise kann die seit Wochen vermissten Bibliotheksbücher nicht mehr finden und ist deshalb in Tränen aufgelöst – heult sich Karlsson fast die Seele aus dem Leib, weil er Angst hat vor dem Zorn der Lehrerin. Warum bloss hat das Kind Angst vor dem Zorn der Lehrerin, lebt er doch immerhin seit mehr als neun Jahren mit einer emotional ziemlich wechselhaft veranlagten Mama?

Troubleshooter-Mama gerät ob der beiden zusammentreffenden Probleme beinahe ins Strudeln, besinnt sich dann aber auf ihr Allheilmittel in schwierigen Situationen: Sie greift zu Stift und Papier. Ein Briefchen für Luises Lehrerin, in dem steht, dass die Bücher nicht mehr auffindbar sind und deshalb von Vendittis ersetzt werden, ein Briefchen für Karlssons Lehrerin, in dem steht,  dass gestern zu später Stunde der Einband des Zahlenbuches kaputt gegangen sei und dass dieser Fehler selbstverständlich übers Wochenende behoben werde. Beide Briefchen mit „Besten Dank für Ihr Verständnis“ abgeschlossen und auf zu Problem Nummer vier, das da heisst „FeuerwehrRitterRömerPirat davon überzeugen, dass er noch keine Kindergartendispens erhalten hat – und diese auch nie erhalten wird – und dass er deshalb in die Kleider schlüpfen soll und zwar schnell, weil sonst all der Kuchen, den heute zwei Geburtstagskinder mitbringen werden, ohne ihn aufgegessen wird.“

Danach muss sich Troubleshooter-Mama nur noch um ein paar kleinere Problemchen kümmern: Luise trösten, die heult, weil Karlsson und sein Freund ohne sie abgezogen sind, dem Prinzchen die laufende Nase putzen, obschon sie ihm wehtut, weil sie vor ein paar Tagen eine unangenehme Begegnung mit einer Schaukel hatte, dem Au-Pair einen Glassplitter aus dem Finger entfernen und sie beruhigen, dass ihre Angst, dass der nicht mehr vorhandene Splitter in die Blutbahn geschwemmt und in ihre Herzaorta geraten und ihren Tod verursachen könnte, völlig unbegründet sei.

Dann wird es ruhiger und Troubleshooter-Mama darf sich endlich ins Büro zurückziehen, wo ein ganzer Berg Arbeit auf sie wartet. Aber der Berg Arbeit muss leider noch etwas länger warten, denn Troubleshooter-Mama muss sich mal ernsthafte Gedanken machen darüber, ob es pädagogisch sinnvoll sei, den Kindern immer und immer wieder aus der Patsche zu helfen.

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