Bis vor Kurzem hatte ich geglaubt, diese Art von Nachbarn sei eine Erfindung des „Beobachters“: Menschen, die aus einem anderen Kanton zuziehen, sich ausgerechnet in deinem Quartier einnisten und die sich einen Dreck darum scheren, wer links, rechts und gegenüber lebt. Anfangs denkst du noch, die Leute seien wohl zu beschäftigt mit dem Auspacken der Umzugskartons, aber irgendwann merkst du, dass es ihnen Ernst ist mit dem Ignorieren der Nachbarn. Gut, die Zeiten, wo man sich bei den neuen Nachbarn kurz vorstellt, scheinen so langsam passée zu sein. Aber grüssen könnte man einander schon, wenn sich die Wege zufällig kreuzen, findest du. Und deshalb grüsst du jedes Mal artig, wenn du an ihrem Garten vorbeigehst, oder wenn du mit Kind, sie mit Hund zu gleichen Zeit auf dem gleichen Trottoir spazieren gehen. Aber auch grüssen scheint zu viel verlangt zu sein. Stur blickt man zur Seite, egal wie freundlich du ihnen einen schönen guten Morgen wünschst. Irgendwann findest du dich damit ab, dass diese Nachbarn nicht das geringste Interesse haben, dich zu kennen und irgendwann fängst du an, sie zu ignorieren, obschon du weiterhin brav grüsst, weil dir das Grüssen in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Auf diese Weise kommst du ganz gut an den neuen Nachbarn, die inzwischen gar nicht mehr so neu und trotzdem fremd sind, vorbei. Bis du eines Tages einem jungen Menschen für ein paar Wochen dein Zuhause öffnest und ihm hin und wieder gestattest, auf dem Balkon laute Musik zu hören. Nicht um Mitternacht, versteht sich, sondern vielleicht an einem Samstagnachmittag, wenn ringsum alle Rasenmäher laufen. Oder am frühen Samstagabend, wenn die Kirchenglocken laut dröhnend den Sonntag begrüssen. Um diese Zeit kann das ja niemanden stören, denkst du. Aber du hast nicht mit deinen nicht mehr ganz neuen Nachbarn gerechnet. Denn ausgerechnet die Leute, die dich bis anhin keines Blickes gewürdigt haben, wissen nun plötzlich a) wo du wohnst, b) wie du heisst und c) finden sie endlich die Zeit, sich bei dir vorzustellen. Per Telefon. Mit einem äusserst gehässigen Unterton: „Frau Venditti, wir sind die Familie XY, wir wohnen gleich gegenüber. Den ganzen Tag über läuft bei Ihnen laute Discomusik und das stört uns sehr.“
Da kann ich nur sagen: „Nett dass sie sich endlich bei uns vorgestellt haben. Aber wäre das nicht etwas höflicher gegangen?“ Doch vielleicht wäre ich auch ein solcher Miesepeter, wenn mein Tag nur von 13:00 bis 14:00 und von 19:15 bis 20:00 Uhr dauern würde. Denn die Dame hat ja gesagt, bei uns werde den ganzen Tag lang laute Discomusik gespielt…
Das wäre zu überprüfen. Als Rache, sozusagen… 😉
Mein Gott, der arme Hund. Wäre das nicht ein Fall für den Tierschutz?? 😉